Dorfidioten
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Dorfidioten

  1. 240 Seiten
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Dorfidioten

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

An einem stillen Sonntagmorgen im September kehren Lukas "Luke" Morgen und seine große Liebe Alba Jordan zurück in ihr Heimatdorf, das sie Jahre zuvor Hals über Kopf verlassen mussten. Der Plan: mit dem Geld aus dem Verkauf des Morgen'schen Anwesens ein neues Leben zu beginnen. Niemand im Dorf weiß vom Aufenthalt des Paares in dem bereits leergeräumten, verlassenen Haus, der nicht länger als ein, zwei Stunden dauern soll. Manhorn, ein 200-Seelen-Nest im Osten der Lüneburger Heide, besteht im Kern aus fünf Familien, die einander in inniger, jahrzehntelanger Abneigung verbunden sind. Ein nahezu mythischer Ort, in dem deutsche Vergangenheit und Sensibilitäten über Jahre und Jahrzehnte unter dem Deckel gehalten wurden und in dem Geografie, Geschichte und Geschichten miteinander verschmelzen. Spätestens mit dem Eintreffen des undurchsichtigen süddeutschen Großindustriellen Waldeck ist diese Welt im Untergang begriffen. Doch bleibt die Sehnsucht nach einer vermeintlich besseren Welt, und der Wandel hält auf unterschwellige Weise Einzug. Changierend zwischen Handlung, Rückblenden, den anrührenden Erzählungen des im Sterben liegenden Verwalters Homann, elegisch eingefärbten Landschaftsaufnahmen sowie Porträts einzelner Dorfbewohner entwickelt die Geschichte einen unaufhaltsamen Sog, der von Lukas Morgens klarer, verknappter und dennoch poetisch dichter Sprache diktiert wird. In atemloser Spannung begleiten wir Luke und Alba auf ihrem Weg durch ihre Woche in Manhorn, die zunehmend explosive Züge annimmt, je mehr sie sich in die Tiefen der Psyche ihres Heimatdorfes hineinbewegen. Wie im Brennglas bündelt der Roman Befindlichkeiten und hilft, im übersichtlichen Kleinen das Große zu verstehen. Das Dorf Manhorn, so wird deutlich, könnte bei allem Lokalkolorit überall sein.

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783955101886

Samstag

Totenschein

Der Morgen dämmert herauf. Ich fege die Scherben vom Tisch und klebe mit den letzten Leukoplaststreifen aus dem Verbandskasten ein Stück Karton aus der Werkstatt von innen vor die Fensterscheibe, um das Loch zu überdecken.
Auf dem Sofa in der Stube liegt Homann. Gewaschen und gekämmt. Im Sonntagsstaat. Die Hände über der Bibel auf seinem Bauch gefaltet. Von Alba keine Spur.
Ich finde sie oben, in meinem Zimmer. Sie liegt auf der Matratze und schläft tief und fest. Eine Weile betrachte ich sie. Die Versuchung ist groß, mich zu ihr zu legen. Für einen Moment nur.
Leise schließe ich die Tür und gehe hinunter in die Küche. Ich koche Kaffee und suche die letzten Vorräte zusammen, die von Vogelshirtboys Einkauf übriggeblieben sind. Eine fast leere Milchflasche. Ein Becher Joghurt. Zwei braunfleckige Bananen. Eine halbvolle Schale Brombeeren. Ein Brotkanten, der so hart ist, dass er sich kaum schneiden lässt. Ich röste das Brot, schmiere Butter drauf, schneide die Bananen klein und rühre sie zusammen mit den restlichen Brombeeren in den Joghurt. Ich fülle die Tassen mit Kaffee, kippe den Rest Milch dazu, stelle alles aufs Tablett und mache mich auf den Weg nach oben.
Alba sitzt an ihrem Frisiertisch, am offenen Fenster, die nackten Beine übereinandergeschlagen.
Du bist wach, sage ich. Ich stelle das Tablett auf den Tisch und küsse sie. Ich habe uns Frühstück gemacht, sage ich und reiche ihr die Tasse.
Danke. Ich kann einen Kaffee gebrauchen. Sie nimmt einen Schluck. Hmm. Gar nicht übel, sagt sie. Sie stellt die Tasse ab und reckt sich. Ich war so müde, dass ich geschlafen habe wie ein Stein.
Du hast ganze Arbeit geleistet. Homann sieht aus wie ein Engel.
Das waren wir ihm schuldig, oder? Nach allem, was wir ihm angetan haben.
Der Himmel vor den Fenstern ist strahlend blau. Keine Wolke. Kein Wind.
Es ist schon fast unheimlich mit dem Wetter, sagt Alba.
Ja, sage ich und schiebe den Vorhang zur Seite, um freie Sicht auf den Hof zu haben. Zieh dich an, sage ich. Der Doktor ist im Anmarsch.
Dr. Rakuhn ist kurz angebunden. Untersucht Homann. Stellt Homanns Tod fest. Schreibt den Totenschein.
Todesursache?, fragt er und sieht auf. Natürlicher Tod, antwortet er sich selbst. Zeitpunkt des Todes?
Gestern, sagt Alba.
Uhrzeit?
Ich weiß nicht, sagt Alba. Wir haben ihn so gefunden.
Wann?
Gestern Abend.
Und erst heute erfahre ich davon?, sagt Rakuhn. Beim Frühstück? Von meinem Sohn?
Wir wollten Sie nicht stören gestern, so spät, sagt Alba. Da hat Luke Vogelshirt – ich meine Noah – angerufen.
Und nun?, fragt der Doktor.
Um ehrlich zu sein, sagt Alba, wollten wir Sie bitten, sich um alles zu kümmern.
Dr. Rakuhn sieht von Alba zu mir und wieder zurück.
Wir möchten Ihnen für alles, was Sie für uns getan haben, danken, sage ich und ziehe zehn Scheine aus der Hosentasche. Fünf davon reiche ich Rakuhn. Dafür, dass Sie uns geholfen haben, sage ich. Ich reiche ihm die andere Hälfte. Und dies für Homanns Beerdigung.

Der Paradiesgarten

Lass mich ausruhen, sage ich. Nur ein Stündchen.
Ich wecke dich, sagt Alba und küsst mich.
Komm doch mit rauf.
Hmm. Warum nicht.
Es ist der Himmel auf Erden. Alba in meinem Arm. Die Sonne, die flirrende Schatten an die Wand wirft. Die Vorhänge, die sanft vom Wind ins Zimmer geweht werden. Und doch finde ich keine Ruhe. Starre an die Decke und denke nach.
Erinnerst du dich an die Sache mit Jennie und Lisa?, fragt Alba.
Wie kommst du darauf?
Weiß nicht. Sie richtet sich auf und sieht mich an. Ich habe sie gesehen, sagt sie. Lisa Zarenthin. Im Supermarkt. Als ich mit Noah einkaufen war.
Davon hast du nichts gesagt. Hat sie dich erkannt?
Nein, sagt Alba. Ich glaube nicht. Vielleicht wollte sie mich auch nicht erkennen. Nach der Sache im Paradiesgarten damals.
Du konntest nichts dafür, sage ich.
Mitgehangen, mitgefangen, sagt Alba.
Niemand wusste, warum der Paradiesgarten Paradiesgarten hieß. Und wer den Namen erfunden hatte. Ein kleiner, von einem verschnörkelten, gusseisernen Zaun umgebener Obstgarten mit einer roten Eingangspforte. Apfelbäume, Kirschbäume, Johannisbeersträucher, Brombeersträucher. Eine alte Wasserpumpe in der Mitte. Eine Bank gegenüber der Eingangspforte. Ursprünglich hatte er zum Grundstück der Witwe Schönau gehört. Man sah sie häufig dort, bevor ihr Mann starb. Sie winkte, wenn man auf dem Fahrrad vorbeifuhr zum Baden im Siebenseelensee. Mit ihrem Kopftuch und ihren Gartenhandschuhen und einer Schaufel in der Hand. Manchmal lud sie uns ein, hereinzukommen, und wir bekamen Obst von ihr geschenkt. Später verpachtete sie das Feld, das zwischen ihrem Hof und dem Garten lag, an Georg Authried, der Korn darauf anbaute. Der kleine Pfad, der außen am Feld entlang zum Paradiesgarten führte, war irgendwann kaum noch zu erkennen. Der Garten verfiel. Das Gras stand meterhoch. Bienen kreisten in Schwärmen um das Obst, das sich am Boden sammelte. Es war Vogelshirtboy, der sich der Sache annahm. Er sagte, es wäre eine Schande, den Garten so verkommen zu lassen. Er holte sich die Erlaubnis der Witwe Schönau und begann mit den Aufräumarbeiten. Sammelte das Obst ein. Mähte das Gras. Schnitt die Zweige der Bäume und Sträucher zurück. Pinselte die Bank an. Ganze Wochenenden verbrachte er dort. Mit freiem Oberkörper und der Baseballkappe, die er immer trug. Ein oder zwei Jahre war Vogelshirtboy der Hüter des Paradiesgartens. Es sprach sich herum, dass es dort idyllisch war. Feste wurden gefeiert. Liebespaare trafen sich, besonders im Frühjahr, wenn die Kirschblüte einsetzte. Saßen auf der Bank vor Authrieds wogendem Weizenfeld und knutschten. Auch Alba und ich waren ein paar Mal dort. Ganz am Anfang. Etwas verlegen saßen wir dort auf der Bank. Hand in Hand. Immer auf der Hut, dass niemand uns sah. Irgendwann kamen die Gerüchte auf. Jugendliche aus den umliegenden Dörfern hätten den Paradiesgarten für sich entdeckt. Ein paar Mal fanden wir Bierflaschen und Zigarettenkippen im Gras zwischen den Bäumen. Und ein Kondom unter der Bank. Vogelshirtboy legte sich auf die Lauer. Zwei Wochenenden nacheinander. Nichts geschah. Dann, am dritten Wochenende, überschlugen sich die Ereignisse.
Es war Samstagnacht. Vogelshirtboy war eben dabei, seine Sachen zusammenzupacken, um hinüber zur Datscha zu gehen. Ein Fußweg von fünf Minuten, wenn man den Weg quer über die Festwiese nimmt. Plötzlich hörte er Stimmen. Vom Wald her. Er schwang sich über den Zaun und versteckte sich in Authrieds Feld. Es war eine warme Nacht. Er sah zwei Mädchen den Waldweg herunterkommen. Auf Fahrrädern. Vogelshirtboy wusste sofort, wer sie waren: Lisa Zarenthin. Und Jennie Drell. Aus Hohnerode.
Was soll ich dir sagen?, fragte Vogelshirtboy am Abend danach vor seiner Datscha, wo wir bei einem Bier zusammensaßen. Sie lehnten die Fahrräder an den Zaun. Öffneten die Pforte und sahen sich um. Liefen im Garten herum, als suchten sie etwas. Lisa legte ihre Jacke ins Gras. Dort, wo der Mond hinschien. Jennie kam herüber zu ihr, und sie begannen sich zu küssen. Dann zogen sie sich aus. Gegenseitig. Bis sie nackt waren. Bis auf die Haut. Sie küssten sich und legten sich hin. Zwei Mädchen im Mondlicht. Es war das Schönste, was ich je gesehen habe. Er sah mich an. Über das Lagerfeuer hinweg.
Und dann?, fragte ich.
Dann kam das Auto. Ich hörte es. Dachte, es wäre Waldeck oder sonst jemand, der spät nach Hause kam. Doch bog das Auto vom Kronsnest auf den Feldweg ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Inhalt
  6. Prolog
  7. Sonntag
  8. Montag
  9. Dienstag
  10. Mittwoch
  11. Donnerstag
  12. Freitag
  13. Samstag
  14. Epilog