Hitler 1 und Hitler 2. Von der Männerliebe zur Lust am Töten
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Hitler 1 und Hitler 2. Von der Männerliebe zur Lust am Töten

  1. 824 Seiten
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Über dieses Buch

Der Geschichts-Prozess um die biografische Doppelformation Hitler 1 und Hitler 2 geht in seine zweite Runde. Am Beginn des ersten Buches stand der Anfangsverdacht, das massenhafte, von ihm initiierte Töten von Männern hätte Adolf Hitler Befriedigung verschafft. Wie bei allen Serienkillern sei seine "normale" Sexualität "low" gewesen. Mit über 50 Zeugen aus Hitlers engem Umfeld wurde in Das sexuelle Niemandsland nachgewiesen: Hitler 2 war entgegen verbreiteter Meinung kein Frauenliebhaber.Im zweiten Buch stehen nun weitere Beweisführungen bevor. Das Ergebnis: Hitler 1 – also bis Ende 1918 – war jedenfalls von seiner Orientierung her ein Männerliebhaber. Was der erste Hitler-Homo-Biograf, Lothar Machtan, mit drei Freundschaften nachweisen konnte, vermag Pilgrim um weitere Liebes-Beziehungen des jungen Hitlers zu erweitern – zu einem gleichaltrigen Knaben, zwei Jünglingen und fünf jungen Männern. Weiterhin wird in diesem Band die Frage beantwortet: Warum hat Hitler 1 keinen einzigen Menschen ermordet, wenn ihn doch die Triebtäter-Formation eines Serienkillers gekennzeichnet hat? Und warum konnte er es auch als Hitler 2 damit bewenden lassen, andere für sich töten zu lassen? Hinter alledem baut sich die Frage auf: Wie kam es überhaupt zu dieser Deformation von Hitlers Sexualität? Der angeborene genetische Schaden der Serienkiller, der Morbus Orgasmus, ist auch bei ihm angelegt gewesen. Am Ende dieses Buches wartet Pilgrim dann mit einer Sensation auf. Wie verschaffte Hitler sich den Durchbruch zum staatsterroristischen, delegierenden Befehls-Serienkiller? Was musste Ende der 20er-Jahre geschehen, um ihn seinen verhängnisvollen Weg weiter gehen zu lassen? Mit der akribischen Arbeit des Autors beginnt sich das Serienkiller-"Mosaik" zu vervollständigen.

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Information

Jahr
2018
ISBN
9783955101602
Auflage
1
HOMO

1. FRITZ SEIDL

Fritz Seidl und Adolf Hitler lebten in einem Alter von 11- bis 12- und möglicherweise bis 15-jährig zwischen 1900 und 1904 zusammen in einer privaten Schüler-Pension in Linz, als sie beide die dortige Realschule in der Steingasse besuchten. Ihre Wohngemeinschaft und ihre Zuneigung für einander kommt zum Vorschein in ihrem einmaligen Briefwechsel 20 Jahre später, der in der Hitler-biografischen Sammlung des Hauptarchivs der NSDAP versteckt ist. Am 11. Oktober 1923 schrieb Seidl an Hitler: »Lieber Adolf – Unter Deinen sonstigen Zuschriften dürfte es Dich doch freuen, an eine Zeit erinnert zu werden als Du und ich auf Frau Sekira’s Bude, Grabengasse 9 (I. Klasse Realschule in Linz) viel Heldenstücke aussannen und in Leonding mit den Haudums usw., bei den Pulvertürmen zu verwirklichen gedachten. Nun freue ich mich von Dir so viel Rühmliches zu hören und wünsche Dir herzlichst Glück. Wenn Dir Zeit bleibt, bitte ich Dich, mir einige Zeilen über Deine Familie zu schreiben. Dieser Tage war Mayrhofer [ – ehmaliger Vormund – ] bei mir und sprachen wir auch über Dich. Also Glück auf – Dein alter Freund Fritz. – Graz.« (BAB NS 26/14, Bl. 6) Bereits fünf Tage später, am 16. Oktober 1923, schreibt Hitler einen jubelnden Brief an Seidl – gut drei Wochen vor seinem Münchener Putsch vom 9. November 1923. Er hatte seine Gedanken an seinen alten Freund Fritz seinem damaligen Sekretär Fritz Lauböck ins Stenogramm diktiert: »München, 16. 10. 23 – Lieber Fritz! Mit unendlicher Freude erhielt ich gestern Deine lieben Zeilen, die mich an die sonnige Lausbubenzeit erinnerten, die wir beide im Verein mit anderen damals verbrochen haben. – Ich war erst neulich in Linz und bin dabei durch all die alten Straßen und Gässchen vorbei an unserem alten Grabenhaus auch durch die … str. [gegangen] und habe zufällig auch dabei an Dich gedacht. Das … [?] Ereignis, dass Du nur [?] noch lebst, und in Graz bist, und mir schriebst [,] hätte ich im Traum [?] dort nicht erwartet, denn eine ganze Reihe der Kameraden sind ja unterdess dem Krieg zum Opfer gefallen … – Ich grüße Dich auf das Herzlichste und bitte Dich, mir wieder zu schreiben. – Dein alter Freund Adolf Hitler.« (a. a. O., Bl. 7)
Der Liebes-Affekt beider Jungs aufeinander wird besonders deutlich in Hitlers Erwiderungsschreiben. Warum sie einander schon länger mochten, enthüllt die Tatsache, dass beide sich bereits von Leonding her kannten, dortige Grundschul-Freunde waren, ab Hitlers Schulzeit in Leonding von Anfang 1899 bis Ende des Schuljahres 1899/1900. Im Februar 1899 waren Hitlers Eltern von Hafeld/Fischlham bei Lambach nach Leonding am westlichen Rande von Linz gezogen, weil Hitlers Vater in Leonding im November 1898 ein Haus gekauft hatte. (Hauner, S. 2, Bruppacher I, S. 13, Sandner I, S. 59 f.) Die Leistungen Adolfs und Fritz’ in der Leondinger Grundschule waren so gut, dass beide die höhere Schule in Linz besuchen durften. Dass sie in dieselbe Linzer Pension kamen, war kein Zufall, der beispielsweise herrscht, wenn Kinder auf ein Internat geschickt werden und selbst keinen Einfluss darauf haben, wer sich in der Unterkunft außer ihnen sonst noch befindet, ja, mit wem sie das Zimmer teilen müssen. Bei Adolf und Fritz war es anders. Beide kannten einander von Leonding her, was aus Seidls Passage zum Ausdruck kommt: »…, als Du und ich auf Frau Sekira’s Bude, Grabengasse 9 (I. Klasse Realschule in Linz) viel Heldenstücke aussannen und in Leonding mit den Haudums usw., bei den Pulvertürmen zu verwirklichen gedachten.« Heißt: In Linz zur Schule gehen, dort zu zweit in einer privaten Pension leben, Streiche »aussinnen«, in Leonding zu Hause sein, wo die »Heldenstücke« in den Ferien und sonstigen schulfreien Zeiten mit alten Dorffreunden, wie »den Haudums«, »verwirklicht« werden sollten.
Die 11-jährigen Fritz Seidl und Adolf Hitler haben einander für ihr Zusammenleben in einer »Bude« derselben Pension bei »Frau Sekira, Grabengasse 9« erwählt. Das wird durch eine Besonderheit untermalt, von der die in der neuesten Hitler-Biografik meist übergangenen frühen Nachkriegs-Hitler-Biografen Walter Görlitz und Herbert Quint berichten: »Gebieterin über diesen Kostplatz war eine alte, knusperhexenhaft häßliche Tschechin, Frau Sekira, die früher in Braunau gewohnt hatte und daher den kleinen Adolf und seine Eltern gut kannte.« (Görlitz/Quint, S. 34) Über Hitlers Eltern kamen Adolf und Fritz zusammen in die Linzer »Bude« bei Frau Sekira. Diese war eine gute Freundin der Hitlers aus Braunauer Zeiten. Und Adolf nahm seinen Spezi Fritz dann mit »aufs Zimmer«.
Seidl weist wörtlich auf das erste Schuljahr in der Linzer Realschule hin. In den Briefen der alten Freunde Fritz und Adolf wird ihre Zeit in der Linzer Pensions-»Bude« nicht limitiert. Seidl bezieht sich nur auf das erste Schuljahr. Hitler selbst war in Linz bis 1904 auf der Realschule, bis zu seiner Lehrer-verursachten Zwangs-»Verschickung« auf die Staatsoberrealschule in Steyr. (Hauner, S. 3, Bruppacher I, S. 15, Sandner I, S. 71) Für die Freundschaft zwischen Hitler und Seidl steht ein Zeitraum von zweieinhalb bis ungefähr fünf Jahren zur Verfügung, zweieinhalb Jahre Mindestzeit, wenn die Jungs nur die letzten eineinhalb Grundschul-Jahre Anfang 1899 bis Mitte 1900 in Leonding und das erste Realschul-Jahr 1900/01 in Linz miteinander verbracht hätten.
Über das Ende der »Buden«-Gemeinschaft zwischen Adolf und Fritz bei Frau Sekira in der Linzer Grabengasse wird von beiden Briefschreibern nichts gesagt. Doch Hitler generalisiert seine Linzer Realschul-Zeit mit Begriffen wie »sonnige Lausbubenzeit«, »die wir beide im Verein mit anderen damals verbrochen haben«. Eine Beschränkung der »Buden«-Zeit mit Fritz auf das erste Schuljahr wird nicht vorgenommen, im Gegenteil, Hitler berichtet Seidl von seinem kürzlichen Besuch in Linz und seinem Gang »durch all die alten Straßen und Gässchen vorbei an unserem alten Grabenhaus«. Das »Grabenhaus« war die »Bude« der beiden Jungs Fritz und Adolf bei Frau Sekira in der »Grabengasse«. Und dabei denkt Hitler an seinen alten »Buden«-Freund Fritz Seidl und fragt sich, ob der noch lebt, da doch »eine ganze Reihe der Kameraden« »dem Krieg zum Opfer gefallen« sind. Die Verschweißung von »Lausbubenzeit« und »unserem alten Grabenhaus« spricht dafür, dass Hitler und Seidl ihr »Buden«-Verhältnis bei Frau Sekira in der Grabengasse auch noch über das erste Linzer Realschul-Jahr hinaus miteinander hatten. Und wegen der Beziehung zwischen den Hitler-Eltern und Frau Sekira noch aus der Braunau-Zeit ist an einen Wechsel Adolfs in eine andere Linzer Unterkunft nach seinem ersten Schuljahr nicht zu denken. Von einem Zerwürfnis zwischen dem Pensionsschüler Adolf und seiner Pensionsmutter Sekira ist nichts übermittelt worden.
Für die Freilegung dieser Art einer homo-erotischen Hitlerschen »Nullnummer«-Freundschaft zwischen Adolf und Fritz ist es nicht nötig, die präzise Zeit der gesamten Dauer dieses Verhältnisses mit Urkunden zu belegen. Es genügt die Kenntnis vom heftigen Affekt der Freunde Adolf und Fritz aufeinander, dazu die belegten zweieinhalb Jahre Mindestzeit, die vielleicht durch einen Schulwechsel von Seidl hätte abgebrochen sein können, oder dadurch, dass Hitler am Ende seines ersten Linzer Schuljahres nicht versetzt wurde (Jetzinger, S. 100 ff., Smith, S. 71, Bavendamm, S. 143 ff.). Hitler blieb in Linz auf der Realschule noch weitere drei Jahre und ließ in seinem Brief an Seidl nichts von einem »Buden«-Wechsel fallen, im Gegenteil, seine Linzer Schulzeit und sein Leben in der »Graben«-»Bude« bei Frau Sekira wirken wie miteinander untrennbar verkoppelt. Und wenn ebenfalls Fritz Seidl in Linz weiter zur Schule gegangen wäre, hätten die Jungs ihr »Buden«-Leben bei Frau Sekira fortsetzen können, auch wenn sie nicht mehr in dieselbe Schulklasse gegangen sind.
Fest steht erst wieder, dass Hitler nach Ende des Schuljahres 1903/04 in die 4. Klasse der k. u. k. Staatsoberrealschule nach Steyr (Bruppacher I, S. 15) Zwangs-verschickt wurde und dort litt. (Goldbacher)
Die Linzer Lehrer der dortigen Oberrealschule müssen sich eingebildet haben, die Beziehung Hitlers zu seinen Kameraden sei dafür verantwortlich, dass er in der Schule nicht reüssierte. Sie hatten recht, denn Hitler konnte sich in Steyr »in sechs der zehn Fächer jeweils um eine Note verbessern«, wie es anhand des noch existierenden Schuljahres-Abschluss-Zeugnisses nachzuweisen ist. (Bavendamm, S. 144) »Mit der Qualifikation hat er die Befähigung erlangt, eine höhere Realschule oder eine technische Schule zu besuchen.« (Bruppacher a. a. O.) Doch er hatte nach seinem Jahr in Steyr von Schule »so die Schnauze voll«, dass er seine Mutter davon überzeugte, ihn von jeglichem weiteren Schulunterricht zu befreien. Nach dem Ende des Schuljahrs 1904/05 in Steyr »drückte« er nie wieder »eine Schulbank«.

Das nimmer endende Hitler-Biografen-Dilemma

Erneut muss in eine Auseinandersetzung mit Hitlers zweitjüngstem Biografen Volker Ullrich (2013/16) eingestiegen werden, der mit zwei Formulierungen die Hitler-Seidl-Beziehung aus Hitlers Biografie heraushält und den ganzen Jugendfreund Fritz Seidl in einer Fussnote versteckt. Und das tut Ullrich innerhalb seines fulminanten Raums von 1100 Seiten, die er dem Anfangs- und »Aufstiegs«-Hitler widmet! (HETERO) Ullrich erfindet zwei Details komplett an den historischen Tatsachen vorbei:
Erstens. »Doch mit dem Übergang zur Staats-Realschule in Linz im September 1900 fand die Sonnen-beschienene Kindheit ein abruptes Ende. Für den Elfjährigen bedeutete dieser Wechsel einen Schulweg zu Fuß von einer Stunde hin und einer Stunde zurück.« (Ullrich, S. 32)
Zweitens. »Seine Mutter meldete ihn daraufhin in der 80 Kilometer entfernten Realschule in Steyr an und brachte ihn bei Pflegeeltern unter. Zum ersten Mal war Adolf Hitler für längere Zeit von seiner Mutter getrennt, und er litt offensichtlich unter Heimweh. Noch als Reichskanzler klagte er darüber, ›wie er sich gesehnt und zergrämt‹ habe, ›als seine Mutter ihn nach Steyr schickte‹«, zitiert Ullrich ein Notat vom 3. Juni 1938 aus den Goebbels-Tagebüchern. (a. a. O., S. 34, 845, Anm. 43)
Erwiderung zu Zweitens: In Steyr bei seinen »Pflegeeltern« war Hitler nicht »zum ersten Mal« »für längere Zeit von seiner Mutter getrennt«. Er hatte schon vier Jahre lang in Linz in einer Pension ohne seine Mutter in Leonding das tägliche Leben verbracht, Wochenend- und Ferienzeiten ausgenommen. In denen fuhr er jedoch auch von Steyr nach Leonding, wobei Steyr von Linz übrigens nicht 80, sondern nur 40 Kilometer entfernt liegt. Hitlers »Sehnen« und »Sich-Grämen« galt nicht seiner Mutter, sondern seinem Freundeskollektiv, seinen Schul-Kameraden in Linz, wenn nicht sogar seinem »Buden«-Leben mit Fritz Seidl in der Grabengasse bei Frau Sekira. Es ist buchstäblich »nicht zu fassen«, was ein Hitler-Biograf alles unternimmt, um seinen Protagonisten »ins Reine« einer »heterosexuellen Kontur ab früher Jugend« zu befördern. Nun ist Ullrich vom »anderen Ufer« her das Gleiche nachzuweisen, was ihm schon vom heterosexuellen Terrain aus vorgeworfen werden musste: Fakten zu verdrehen.
Solch ein »Muttersöhnchen« war der junge Adolf gar nicht, wie Ullrich ihn für dessen heterosexuelle Zurechtbiegung verformt. Die beiden Briefe zwischen Adolf Hitler und Fritz Seidl enthüllen eine knackige Buben-Freundschaft, einen mindestens zehn- bis zwölfjährigen Hitler, der »auf den Flügeln« seiner Orientierung in Richtung Jungs und Jünglinge längst vom elterlichen Haus emotional abgehoben hatte. Und das für bereits vier Jahre lang! Von 1900 bis 1904.

Unempfindlich gegenüber tiefenwirkender Bezugsperson

Hitlers Rausriss aus Linz und seine »Verbannung« nach Steyr war eine der Not gehorchende Schul-pädagogische Massnahme, einen 15-Jährigen plötzlich zu entorten und ihn aus seinen Zusammenhängen mit Freunden, Schule und seinem »Buden«-Zauber bei Pensions-«Muttl« Sekira zu zwingen. Von den neuen »Pflegeeltern« in Steyr ist außer ihrem Namen nichts bekannt (3. AUGUST KUBIZEK). Doch es wird von zwei Leuten geredet, also von einem Hetero-Paar.
Chronist Sandner erwähnt in seinem »Hitler von Tag zu Tag« den vollen Namen des »Pflegevaters« in Steyr, (Sandner I, S. 71), der jedoch verheiratet war, denn zu einem alleinstehenden Beamten hätte Klara Hitler ihren damals 15-jährigen Sohn Adolf nicht »in Pension« gegeben. So spricht denn auch Chronist Bruppacher von den »Cichinis«, bei denen Hitler »unterkommt«. (Bruppacher I, S. 15) Und ein ehemaliger Mitschüler Hitlers aus Steyr sagte in seinem Interview mit Eleonore Kandl Anfang der 1960er unumwunden: »Hitler wohnte damals bei Frau Zichiny auf dem Grünmarkt.« (Kandl, S. XLV) »Frau Zichiny« ist die Ehefrau von Herrn »Cichini«, deren beider Name nur anders geschrieben wurde.
Die »Buden«-Mutter Frau Sekira in der Linzer Grabengasse war eine Alleinstehende, wie Görlitz/Quint sie beschreiben. Solche Personen sind »konträr-sexuellen« Orientierungen immer näher als HeteroPaare, die bloß schon durch ihr räumlich-mobiliarisch auftrumpfendes Mann-Frau-Arrangement jemanden, der zu Mann-Mann strebt, bedrohen. Frau Sekira verdient, in der Hitler-Biografik hervorgehoben zu werden, ja einen festen Platz zu bekommen, hat sie doch eine viel größere Bedeutung für Hitlers Entwicklung als seine erste Wiener Zimmervermieterin, Maria Zakreys, die bei Ullrich dreimal erwähnt wird, übertrieben oft. (Ullrich, S. 42, 45, 51) Die Pensionsmutter eines Jungen ab 11 hat auf jeden Fall einen entscheidenderen Einfluss auf die Entwicklung eines gerade Pubertären als eine Zimmervermieterin ab Ende des zweiten Lebensjahrzehnts. Hitler begann bei Frau Zakreys in Wien im September 1907 mit 18 ½ Jahren zu wohnen, zog jedoch mit 19 ½ im November 1908 schon wieder aus und lebte nicht durchgängig ein ganzes Jahr bei ihr. Seine Zeit dort war wegen des frühen Sterbens seiner Mutter Ende des Jahres 1907 und in den Sommermonaten auf dem Land bei seinen Verwandten im Waldviertel 1908 unterbrochen. (Sandner I, S. 83 ff.) In der »Bude« bei Frau Sekira in der Linzer Grabengasse blieb er indessen vier Jahre von 1900 bis 1904, im Alter zwischen 11- und 15-jährig. Er verließ sie nur für Wochenend-Trips zu seinen Eltern und für die Ferien in Leonding und bei seiner mütterlichen Verwandtschaft in Spital.
Als gute Bekannte seiner Eltern aus Braunau muss Frau Sekira für Hitler in die Nähe einer Tante, ja einer später vier Jahre lang fungierenden Nebenmutter gestellt werden, deren Beziehung zu Hitler in seine erste Braunauer Lebenszeit zurückreicht. Hitler hat von seiner Geburt an zwei Jahre in Braunau gewohnt, bis zum Umzug der Familie nach Passau. Schon in diesen seinen ersten zwei Lebensjahren kann die gute Freundin seiner Eltern als nachbarliche Mitmutter eine prägende Wirkung auf das Kind gehabt haben. Dass Pensions-Mutter Sekira mit ihrer Wohnung für Hitler und seine Linzer Freunde einen – der Hitler-Biografik nicht bewussten – wesentlichen Einfluss auf ihn gehabt haben muss, gesteht er seinem Freund Fritz in seinem Dankesbrief: »Ich war erst neulich in Linz und bin dabei durch all die alten Straßen und Gässchen vorbei an unserem alten Grabenhaus auch durch die …str. [gegangen] und habe zufällig auch dabei an Dich gedacht.« Solch ein Erinnerungs-tr...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Auftakt
  6. HOMO
  7. INZESTO
  8. SERIO
  9. Werke und Zeugnisse
  10. Bildnachweis
  11. Personenverzeichnis