Woher die Sänger sind
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Woher die Sänger sind

Roman

  1. 200 Seiten
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Woher die Sänger sind

Roman

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Kuba ist ein kultureller Tequila Sunrise: Die spanische, die afrikanische und die chinesische Einwandererkultur leben, jede mit ihrer eigenen unverwechselbaren Farbe, neben- und übereinander, nicht verquirlt, aber im selben Glas, mit fließenden Übergängen - bunter Regenbogen.Zwei verführerische »Fremdenführerinnen«, Auxilio und Socorro, begleiten den Leser bei der Reise durch die drei Kubas. Zunächst lernen wir das Chinesenviertel Havannas kennen - der General, »Darsteller« der spanischen Einwanderer, stellt Lotosblüte nach, einer Sängerin an der chinesischen Oper; doch sie verschmäht seine Liebe. Aufstieg und Fall der üppigen schwarzen Rumbatänzerin Dolores, die durch das Bett eines Senators nach oben kommt und mit ihm stürzt, bilden den roten Faden der politischen Farce aus dem afrikanischen Kuba.Katholisch und spanisch geht es schließlich zu bei der fantastischen Prozession, mit der Auxilio und Socorro einen beunruhigend lebendigen Holzchristus in Havanna einziehen lassen - ein virtuoser Parforceritt vom Spanien des Mittelalters ins Kuba der Castro-Revolution.Sarduy wäre nicht Sarduy, wenn die Figuren und Episoden seines Romans nicht voller Verwandlungen, Überraschungen, ironischer Volten und sprühender Metaphern steckten. Diese sinnlich flirrende Entdeckungsreise durch sein Heimatland lässt sich ebenso als vielschichtige poetische Prosa lesen wie als literarischer Comicstrip: ein Lesevergnügen der ganz besonderen Art.Von Severo Sarduy außerdem in der Edition diá: KolibriAus dem kubanischen Spanisch von Thomas BrovotISBN 9783860345214

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783860345221

Domus Auxilii

Ich: »He, und was ist auf einmal mit Mortal? Sucht ihr ihn nicht mehr? Habt ihr ihn schon vergessen?«
»Ach Kindchen«, antwortet Auxilio und hechtet mit einer Rolle rückwärts aus der Hängematte. »Hier, trink, mein Junge, kleine Erfrischung«, und sie reicht mir einen Guanábanashake.
Ich (ah, lecker!) leere das Glas in einem Zug. Durch den Boden sehe ich sie in einem milchigen Rund, konkav, zuckerfleckig.
»Was willst du, mein Schnuckel?«, fährt sie fort. (Wie sie sich verändert hat!) »Du wirst geboren und du stirbst, so ist das mit der Wirklichkeit. Wer wird sich um das Morgen sorgen? Wer rastet, der rostet, mein Bester, also was soll’s!«
Ich setze das Glas ab, um sie besser zu hören. Sie fuchtelt mit den Händen, schlufft hin und her, stemmt die Arme in die Hüften.
»Sieh mal, Pusselchen, wir suchen ihn, klar, aber erst, wenn es so weit ist, bis dahin (sie gähnt, oje, gleich verschlingt sie mich) halten wir eben Siesta. Welche von uns beiden ist blonder?« (Worauf sie – diese Sonne! – einen Bambusvorhang aufzieht.)
Blasse Sonnenblumen tupfen ihre Gestalt: die Lichtflecken des Buntglases. Schatten von Arabesken zerschellen an ihren Händen: die Einfassungen der rosigen Äpfel. Das Licht zerkratzt sie, ein Duft von Zuckersirup umhüllt sie, das Violett der Dächer unterscheidet sich kaum von dem ihrer Augen.
Ich: »Warum sollte ich es verschweigen, Auxilio, schließlich bist du hier wie zu Hause. Das Gold der tropischen Früchte vermag nicht heller zu glänzen als das deines Kopfes, die Engel aus Caney krönen dich mit Mispeln, ritzen deinen Namen in Mameys.«
Auxilio: »Komm schon, junger Mann, tu nicht so kubanisch. Socorro, Socorro (ruft sie), hör dir an, was der Eingeborene hier sagt (sie meint mich)
Socorro: »Für Einheimische bin ich immer da!«
Sie kommt aus der Küche, halb nackt, ein Büschel Bananen um die Lenden drapiert, und singt:
Mamá, sag mir geschwind,
woher die Sänger sind,
ich find sie so galant
und hätt sie gern gekannt …
Sie lässt sich in einen Korbsessel plumpsen. Fächelt sich mit einem Palmwedel und spreizt dabei die Beine auf eine Weise, dass es, um ehrlich zu sein, selbst mich verlegen macht. Wirklich unglaublich, was die Hitze so alles zum Vorschein bringt. Brechen wir lieber ab und kommen wir zu anderen Dingen.
Das heißt, steigen wir hinauf zu den Pulten der Schola cantorum in der Kathedrale von Santiago. Dort sind die beiden Passionsfrüchtchen langsam zerfallen: wunderliches Sakristeigerümpel, Weihwassergewürm. Die Ärmsten, dort verbringen sie die Nächte auf den Emporen, läuten die Glocken und schmieren die Orgeln. Der Tag vergeht mit Tedeum, Siesta und Sardinenbrot. Wenn sie die Kirche verlassen, schmähen die schnauzbärtigen Betschwestern sie hinter den Vorhängen, neidisch auf ihr klerikales Leben (man tauft sie die beiden Fledermäuse), auf ihre Katechumenenfeiern und Tombolas. Sonntags nachmittags, nach der Messe, so munkelt man, stehlen sie sich fort, um im »Mispelzweig« zu tanzen. Dort drücken sie sich mit Mulatten und Schlitzaugen rum; dann ziehen sie betrunken durch die Kneipen, um – von Mortal träumend? – in lärmender Gesellschaft auf den Morgen zu warten.
Das gibt ihnen Kraft, um für eine weitere Woche die Türme zu erklimmen. Aber man kann nicht auf zwei Hochzeiten tanzen, und die Sache mit den Mischlingen wird böse enden.
Wann kam der Mulatte das erste Mal zu ihnen? Wie kam es, dass seine diplomierte Tenorstimme und seine Violine ihr krächzendes Greisentum in Entzücken versetzte? Wie fand er Zutritt nicht nur zu den Kapellen und zur Sakristei, sondern zum Chorgestühl, den Emporen, ja, den geheimsten Kojen? Er brachte die Orgeln zum Schwingen. Und – es lebe die Jungfrau! – die Cranach-Bäuche der Organistinnen.
Auxilio: »Mit seinem zuckersüßen Singsang erweckte er das vergilbte Latein zu neuem Leben!«
Socorro: »Mit seinem Senegalduft verscheuchte er die Motten!«
Längst waren die frommen Schwestern auf dem Weg von der spanischen Askese zur kreolischen Mystik. Märtyrerinnen und Beichtmütter von halb Santiago waren sie (Jungfrauen unmöglich), aber in einem haperte es bei ihnen: im Notenlesen. Als der Bischof der Diözese, ein gutmütiger kleiner Klops mit feuchten Händchen, sah, wie sie ins Leere pedalierten, wie ihre Finger ungestraft ein Kreuz für ein b spielten und statt Sechzehntelnoten Fliegendreck, da ordnete er an, ein »fähiger Mann« möge sich ihrer annehmen, denn »Orgel spielt man nicht mit Inbrunst allein« und »Technik ist alles, meine Töchter, wenn es um Gott geht«. Ja, er war ein Technokrat, der Kanonikus, weshalb er am folgenden Tag, ohne viel Federlesens, im Chorumgang mit dem Geiger am Arm erschien. Dieser trug ein Frackjäckchen à la Johann Sebastian und vaselineglatte Löckchen; als er zum Bogen griff, flatterten seine Hände wie zwei Trauertauben. Er war ein rechter Schalk, und kaum hatte er Auxilio und Socorro erblickt, da wusste er, sie waren für erhabenste Musik bestimmt.
»Wenn es in den Türmen«, sprach der Sepia-Paganini, ein Spitzentuch aus seinem Ärmel zupfend, »Rampen für Karossen gäbe, könnte man die Klavichorde aufstellen und hoch oben im Chor ein Salve singen, das bis hinaus aufs Meer erschölle!« Worauf er mit seinem Tuch eine Ananas in die Luft zeichnete.
»Oh«, stieß Auxilio hervor und machte eine Vollbremsung mit den Pedalen.
»Lasst uns singen!«, rief der braune Bruno. Und gab den Ton an.
Ach je, was waren das für trübselige Mittage, meine Liebe! Ein schlammiger Himmel, gelber Regen. Die Vogelviecher flatterten zwischen den Seilen des Glockenturms oder knallten, laut kreischend, gegen den Blitzableiter, geköpft. Aber weder die pochenden Köpfchen in den Ritzen des Bretterbodens noch die blutverklumpten Federn hinderten Auxilio und Socorro daran, ihren Zwölf-Uhr-Zwiebelkuchen in Angriff zu nehmen. Sie verspeisten ihn im Stehen, zwischen Bändern für die Semana Santa, klapprigen Sarkophagen und geschnitzten Betstühlen.
Sie weinten von zwei bis vier, zusammengekauert auf den Kissen eines Beichtstuhls. Sie weinten und niesten, und es war weder Schnupftabak noch sonst etwas dergleichen, sondern der feine Staub der Polster, der Sand, der sich in den Schiffen der Kathedrale ausbreitete, schwebende Goldsternchen, Flöhe und Läuse.
Jetzt rechnet einmal selbst: Zwei Stunden Tränenabsonderung täglich, bei dem wenigen, das sie tranken, und den Massen, die sie auspinkelten – daher auch die blühenden Gärten an der Ostseite, über denen sich die Wasserspeierinnen entleerten –, und ihr werdet verstehen, warum sie mit der Zeit austrockneten wie Eidechsen in Salzlake.
Gegen vier begann der Dämon der Siesta sie zu umsäuseln. Um ihn abzuschütteln, läuteten sie ein paarmal die Glocken und stimmten Vesperlieder an, nahmen einen Schluck Zuckerrohrsaft (den sie morgens zusammen mit dem übrigen Proviant in einer Thermoskanne heraufbrachten) und gaben sich der Unerbittlichkeit des Notenblattes hin. Vor den Klöppeln fliehend, schlugen blinde Eulenküken mit dem Kopf gegen die Glockenwand.
Den konzentrischen Ringen nach zu urteilen, schillernd und hübsch anzusehen, welche die tägliche Tränenflut auf dem Filz der Kissen hinterließ, war die Klagesaison lang und streng. Noch widerstanden sie also dem Anbranden der honigsüßen Hitze – ob die Erinnerung an Mortal sie aufrecht hielt? Noch machte ihr forsches Wesen sie überheblich.
Bis sie irgendwann: 1. ein ovales Bäuchelchen bekamen, das beim Erklimmen der Wendeltreppe vor ihnen auf- und niederschwang; 2. von allem die Nase voll hatten und ihnen Tonleiter und Theorie am Arsch vorbeiging, sie ihre Haare spleißen und die Träger ihrer Unterröcke verdrecken ließen; 3. auf alles mit einem »wie du meinst, Kamerad« antworteten oder »Hauptsache, man geht nicht hops dabei«. Kurzum: Die Siesta nagte an ihren Knochen, vergilbte ihre Haut, eine bösartige Anämie; nichts Besonderes, der karibische Dusel – einfach köstlich! – hatte sie von seiner lauesten Seite erwischt: beim Eintopf, beim täglichen Tänzchen und auf der Matratze.
Tag um Tag verbrachten sie stumpfsinnig auf der Empore, ohne zum eitlen Treiben dieser Welt hinabzusteigen, öffneten Konservenbüchsen und spielten Lomber. Bis eines Tages, zur Stunde des Tedeums, der Pfarrer, flankiert vom pummeligen Theokraten, auf allen vieren die knarzenden Stufen erklomm und sie beim Schnarchkonzert ertappte.
»Immerhin«, rief der Diener der Diener des Herrn, »stimmen die flötenden Röhren eurer Bronchien schon besser als die des röchelnden Harmoniums!«
Und sie, im dumpfen Dämmerschlummer näselnd, wedelten mit den Händen vor seinem Gesicht: »Komm schon, Mann, wir haben die Nase gestrichen voll davon, in die Pedale zu treten. Da haut man den ganzen Tag in die Tasten, und kein einziger Heiliger kommt runter. Wir flehen für die Katz. Sind wohl alle taub da oben. Na prima, die ersten, zweiten und dritten Fingerglieder tun uns schon weh von dem ganzen Geklimper!«
Jawohl, meine Lieben, ihr habt es selbst gehört. Es leuchtet also ein, dass Bruno, der kesse Fiedler und eifrige Zecher des Prú von Santiago, den Boden bereitet fand.
Man mag uns der Redundanz zeihen, aber der Unterricht begann in perfekter Harmonie. Denn der Virtuose zeigte ihnen nicht nur Misereres, sondern auch Sarabanden, und nach dem Salve, ach, da waren sie bald bei der gewagten Chaconne. Wie weihte er sie ein in den Daiquirí, die barocke Krönung der Getränke aus dem Osten? Wie wurden sie zu treuen Anhängern des Chiringuito von Santiago? Woher hatten sie das Rezept des Saoco, nämlich Rum mit »agua de coco« – »ahuecoco«, wie sie es schon aussprachen –, Kokoswasser? Wer lehrte sie diese schlimme Sitte, die Mojitos, Tamales und Schinkenröllchen zwischen den Saiten des Instruments liegenzulassen, wo sie am Ende verschimmelten?
Der Orgeldeckel mit dem Glanz von mehr als hundert Jahre alten Lackschichten war ein Waschbrett, von weißlichen Ringen gezeichnet: den Spuren der Gläschen voll zerstoßenem Eis, überquellend von Bacardi mit Cocktailkirschen, die sie dort beim Schwofen abstellten. Ich sage Schwofen, denn während die eine auf ihrem Möbel vier, fünf Paso doble hinschmierte, zertanzte die andere die Rhythmen in den Armen des Maestros, es sei denn, dieser lag in denen von Rita Pla, einer neuen Schülerin, Priesterin der Santería und Hobbysopranistin.
Wenn sie die Götter des Tanzes geehrt hatten, kehrten sie zum Unterricht zurück. Was für ein hübscher Anblick, dieser Dreier: Bruno in der Mitte an der Orgel, rechts und links die Blonden Wirbelchen, deren Hände fleißig den seinen folgten, vom C zum C, von den Tasten zum Knie, jawohl, mein Herr, sie reichten ihm den kleinen Finger, und er nahm den ganzen Rest! Erinnerst du dich noch, Auxilio? Dein Haar zerzaust von den prustenden Pfeifen, um die sich deine wasserstoffblonden Strähnen wanden, goldene Schlangen um goldene Säulen – tönender Schmelz, das warst du, schamloses Luder!
Auxilio (ein wenig melancholisch): »Klar, Junge, natürlich erinnere ich mich. Wie könnte ich die Zeit damals vergessen? Komm, gib mir erst mal ein Schlückchen … Wo sind die Hafenbars geblieben, das Blanco y Negro, das Ambos Mundos, wo wir im Morgengrauen strandeten? Was ist aus den Freudenhäusern von Santiago geworden, Paradiesgärten für nur wenige Auserwählte? Socorro lief nackt zwischen den Kolonisten und den haitianischen Schmugglern umher und tanzte den Lully, wie sie dieses Getrommel nannte …«
(Ein Lully ist nun zu hören, der zur Voodoo-Kadenz wird. Wir kehren zurück zu ihrer Zeit im Kathedralenturm.)

Im Museum von Santiago

mangelte es nicht an minuziösen Blumensträußen, irdischen Paradiesen, Gemüsegesichtern und geduldigen Gärten, Blatt für Blatt gemalt.
Die Köpfe aus den Fenstern ihrer Arche Noah streckend, die blonde Mähne in Flammen, zogen lackierte kleine Giraffen dahin. Die Restaurateure hatten den Palmen die Eloquenz der Kakadus und das Gold der Hähne zurückgegeben. Auf denselben Zweigen ließen sich Kolibris und Spottdrosseln nieder. Zwischen den Steinen, genauso weiß und rissig, schliefen Echsen; am kräftigen Rot ihres Fells erkennbar, flüchtete die Baumratte durchs Schilf, die mit den vertikalen Öhrchen.
Auf den Stichen abwechselnd Latein und altes Französisch mit buckligen Lettern.
»Ara chloroptere! Boselaphus trago canelus!«, rief Socorro und deutete auf die kleinen, stachelgespickten Schuppenkugeln: Miniaturen von Glas- und Zackenbarschen.
Und der Kolibri, ans Holz geheftet: Starre im Flug.

Im Saal nebenan

verstaubten ein »Exerzierplatz beim Zapfenstreich« und ein verschwommener »Blick auf Havanna«. Süßliche Indios zeigten dem Betrachter Tabakblätter und Maniokfladen. Dann die Sammlung der Bestrafungen: Keule, Maske und Halsstock; blutüberströmte Schwarze auf Knien, in Fußschellen und Ketten.

Christi Auszug aus Santiago

An den Wänden der Kathedrale flackerten die Wachslichter in kleinen Bechern mit Goldrand; im Dunkeln waren sie blinkende, an die Altäre genagelte Fledermausaugen, Schwärme von Leuchtkäfern, die aus einer Flasche schwirrten. Der Lichtersand, der auf Socorro und Auxilio herabnieselte, verwandelte sie mal in Quellnymphen, mal in kleine Totenschädel aus Zuckerwerk, je nachdem, wie die Schatten sie modellierten.
Das Knistern der Kerzen verschmolz mit dem Ticken einer rostigen Uhr und den Schritten ihrer bloßen Füße. Sie berührten kaum den Boden, die frommen Frauen, wie Gehenkte. Unter den Grabplatten, auf die sie traten, zwischen...

Inhaltsverzeichnis

  1. Über dieses Buch
  2. Curriculum Cubense
  3. Am Rosenaschenfluss
  4. Die Dolores Rondón
  5. Der Einzug Christi in Havanna
  6. Domus Auxilii
  7. Roberto González Echevarría: Woher sind die Sänger?
  8. Impressum