So werden Sie mein Traumbewerber
Zunächst die schlechte Nachricht: Wenn Sie erwarten, dass ich Ihnen hier die perfekte Bewerbungsmappe präsentiere, die Sie mit leichten Anpassungen „übernehmen“ können, dann können Sie hier aufhören zu lesen. Ich werde auch keine perfekt formulierten Antworten auf die typischen Fragen liefern.
Warum? Ganz einfach: Es geht dem Recruiter bzw. Personaler darum, Sie als Individuum mit Ihren Qualifikationen und Eigenschaften kennenzulernen, nicht um das Idealbild eines Bewerbers. Ich gebe Ihnen im Folgenden Werkzeuge und Insiderwissen an die Hand, damit Sie sich gut und richtig vorbereiten und präsentieren können. Außerdem bekommen Sie einige Einblicke in die Prozesse hinter den Kulissen.
Die Arbeit und Vorbereitung selbst bleibt bei Ihnen. Ich zeige Ihnen Methoden, gebe Ihnen Impulse dazu, wie Sie sich individuell und stellenbezogen präsentieren können und wie Sie sich am besten auf die Gespräche vorbereiten. Der Rest liegt bei Ihnen.
Bewerbungen zu schreiben ist ein Job, den ein Bewerber individuell erledigen muss, genauso wie es in meiner Rolle als Recruiter mein Job ist, Sie einzustellen.
Dann machen wir uns mal an die Arbeit!
1. Überblick schaffen und Vorbereitungen treffen
▪ Was brauche ich alles für die Bewerbung?
▪ Was muss inhaltlich rein?
▪ Wie präsentiere ich mich richtig?
▪ Reichen meine Qualifikationen für die Stelle aus?
Machen Sie sich das Leben einfach. Investieren Sie am Anfang Zeit in die Vorbereitung und nutzen Sie Ihre Gedanken und die einmal gewonnenen Ergebnisse dann für alle Bewerbungen. So fangen Sie nicht immer wieder von vorn an.
Nehmen wir an, ich frage Sie spontan nach all Ihren Qualifikationen, Fähigkeiten und Erfahrungen. Dann werden Sie mir, je nachdem, wie sehr Sie sich mit sich selbst bereits auseinandergesetzt haben, vielleicht zwei oder drei Fünftel Ihrer tatsächlichen Qualifikationen nennen.
Meine Erfahrung aus Seminaren und Coachings ist, dass die meisten Menschen bei dieser Frage an Ihre beruflichen oder schulischen Leistungen denken. Dabei sind Sie ja ein kompletter Mensch und bewegen sich täglich in unterschiedlichen Rollen: Sie sind Mitarbeiter oder Führungskraft, Student, Mutter, Vater, Ehepartner, Lebenspartner, Freund/in, Geschwisterteil, u.v.m.
In allen Rollen erledigen Sie unterschiedliche Aufgaben, für die Sie wiederum vielfältige Fähigkeiten benötigen bzw. entwickeln. Nehmen wir ein ganz einfaches Beispiel: den eigenen Haushalt führen. Wie viele Aufgaben fallen Ihnen dazu ein, welche Handlungen führen Sie dabei aus und welche Fähigkeiten nutzen Sie dafür? Oder anders gefragt: Welche Fähigkeiten erwarten Sie bei diesen Tätigkeiten von anderen?
Bei der Position, für die Sie sich bewerben, ist es genauso. Es gibt Aufgaben, die von der Person mit der Stelle erledigt werden müssen, dafür werden vom Arbeitgeber bestimmte Qualifikationen und Fähigkeiten erwartet. Nun liegt es an Ihnen als Bewerber zu zeigen, dass Sie diese Fähigkeiten haben und wann Sie dies bereits unter Beweis gestellt haben.
Nur wie kommen Sie an all diese Antworten?
Nehmen Sie sich Zeit. Überlegen Sie und notieren Sie sich, was Sie schon alles erlebt und an beruflichen sowie anderen Tätigkeiten gemacht haben. Und dabei meine ich wirklich alle. Analysieren und zerlegen Sie Ihre bisherigen Aufgaben gedanklich in einzelne Teile und versuchen Sie zu beschreiben, was Sie an Fertigkeiten brauchen oder brauchten, um diese Aufgaben zu erledigen. Wenn es Ihnen schwer fällt, sich selbst zu betrachten, gucken Sie von außen drauf und überlegen, was Sie von Ihrem Gegenüber erwarten, wenn er oder sie diese Aufgabe erledigt.
Ein recht banales Beispiel dazu: Sie gehen einkaufen. Erst überlegen Sie sich, was Sie brauchen. Entweder Sie merken es sich oder Sie schreiben eine Einkaufsliste. Dann gehen oder fahren Sie ins Geschäft, suchen sich Ihre Einkäufe zusammen, gehen zur Kasse, bezahlen, packen die Sachen ein und ab nach Hause.
Welche möglichen Fähigkeiten erkennen Sie hier?
Spontan zeigt sich hier für mich: Organisationsfähigkeit, evtl. Improvisationsfähigkeit (z.B. wenn das gewünschte Produkt nicht verfügbar ist) und auf jeden Fall Geduld (warten an der Kasse; Produkte wurden umgeräumt und Sie müssen die Waren erst neu finden). Ihnen fallen bestimmt noch viele weitere Fähigkeiten ein.
Und so lassen sich diese Fähigkeiten auf Ihren Arbeitsplatz übertragen: Sie brauchen mit Sicherheit irgendwann neues Equipment oder neue Büromaterialien. Haben Sie eine Sekretärin oder einen Assistenten, dann haben Sie Glück, ansonsten erleben Sie wahrscheinlich einen ähnlichen Prozessablauf. Das Einholen von Genehmigungen und Beachten von Schnittstellen kommen im Unternehmen selbstverständlich noch dazu, aber der Rest dürfte ähnlich sein. Die Fähigkeiten aus dem Alltagsbeispiel können Sie sehr gut anwenden.
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Eine weitere wirkungsvolle Methode, eigene Fähigkeiten zu erkennen und zu sammeln ist, dass Sie sich die Geschichten Ihres eigenen Lebens erzählen oder aufschreiben. Dies können Sie allein machen oder mit einem guten Freund, mit der Familie oder auch in einer Gruppe.
Aufgabenstellung dabei ist, dass Sie sich einzelne Situationen aus Ihrem Leben herausgreifen und die Geschichte dazu erzählen, genauso, wie Sie sie einem besten Freund erzählen würden. Beispielsweise berichten Sie von einem tollen Erlebnis auf Ihrer letzten Auslandsreise oder Sie erzählen von einem Projekt, das Sie gerade bearbeiten oder abgeschlossen haben.
Erzählen Sie alle Details: Was haben Sie genau gemacht? Wie ist es Ihnen dabei ergangen? Über was haben Sie sich gefreut? Was hat Sie geärgert? Mit welchen Herausforderungen oder Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen? Mit wem hatten Sie zu tun? Was war das Ziel? Welche Zeitpläne oder Zwischenziele hatten Sie sich gesetzt? Wer hat Ihnen geholfen? Was hat Ihnen das Leben schwer gemacht?
Im zweiten Schritt geht es nun darum sich zu überlegen, welche Fähigkeiten und Charaktereigenschaften Sie angewandt haben bzw. benötigten, um die Situationen und Herausforderungen in den Erzählbeispielen zu bewältigen.
Wenn Sie mit anderen zusammenarbeiten oder in einer Gruppe sind, fordern Sie die Antworten von Ihren Zuhörern. Wichtig dabei ist, dass Ihr Gegenüber wirklich aktiv zuhört! Auf diese Weise sammeln Sie viele Eigenschaften, die Ihnen oftmals bekannt, aber vielleicht nicht bewusst sind, denn für Sie selbst sind sie ja selbstverständlich. Aber genau das sind Fähigkeiten und Qualifikationen, die der potentiel...