Mission Zukunft
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Mission Zukunft

Zeigen, was wir lieben: Impulse für eine Kirche mit Vision

  1. 352 Seiten
  2. German
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Mission Zukunft

Zeigen, was wir lieben: Impulse für eine Kirche mit Vision

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Wie die beste Botschaft der Welt neu zum Angebot für Menschen werden kann, die mit Kirche und Gemeinde immer weniger Berührung haben!Es gibt sie: Die hoffnungsvollen Zeichen für einen missionarischen Aufbruch - über Kirchengrenzen hinweg. Faszinierend, inspirierend und manchmal auch provozierend.Namhafte Autoren aus der evangelischen und katholischen Kirche sowie aus Freikirchen analysieren die derzeitige Situation und geben Impulse und Lernerfahrungen sowie konkrete Ideen und best practice-Modelle weiter. Denn ein gemeinsamer missionarischer Aufbruch ist dran - jetzt.Mit Beiträgen von: Konstantin von Abendroth, Jörg Ahlbrecht, George Augustin, Steffen Beck, Bettina Becker, Heinrich Bedford-Strohm, Sandra Bils, Andreas Boppart, Christina Brudereck, Birgit Dierks, Klaus Douglass, Alexander Garth, Thies Gundlach, Christian Hennecke, Michael Herbst, Ansgar Hörsting, Steffen Kern, Patrick Knittelfelder, Lothar Krauss, Annette Kurschus, Bernhard Meuser, Hans-Hermann Pompe, Johannes Reimer, Christoph Stiba, Dominik Storm, Ekkehart Vetter, Gerold Vorländer, Markus Weimer, Elke Werner

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Information

Jahr
2019
ISBN
9783417229349

Konzeption
Wie Mission heute gedacht und
umgesetzt wird

Prof. Dr. Michael Herbst

»Unsre engen Grenzen«?

Sie war keine gute Schülerin. Konzentration fiel ihr schwer. Nur im Kunstunterricht, da war alles anders. Beim Zeichnen war die Sechsjährige völlig vertieft in ihre Arbeit. Als die Lehrerin sie fragte: »Was zeichnest du?«, antwortete die Kleine: »Ein Bild von Gott.« – »Aber kein Mensch weiß, wie Gott aussieht!«, widersprach die Lehrerin. Darauf das Mädchen: »In einer Minute werden Sie es wissen.«34
Wir haben etwas mit dieser kleinen Künstlerin gemeinsam. Gott hat ein Bild von sich veröffentlicht. Das Bild des Kindes in der Krippe, des Predigers auf den Straßen Israels, des gekreuzigten und auferstandenen Jesus, das Bild des Menschensohns, der kommen wird, um alles neu zu machen. Und wir Christen »zeichnen« durch unser Leben kleine kopierte Versionen dieses Bildes von Gott, sozusagen leibhafte und wortmächtige Ikonen, damit andere sie anschauen und wissen: »Ach, so ist also Gott!« Das ist absichtsvolle Mission. Und wenn es gut geht, erobert Gottes (bebilderte) Güte das Herz von Menschen. Das ist gelungene Mission.

Jesus machte vor keiner Grenze Halt

Damit es zu solchen »Bildbetrachtungen« kommt, muss die Gemeinde Grenzen überschreiten. Alles begann ja mit der Grenzüberschreitung, die der Sohn Gottes vollzog. Der Philipperhymnus erzählt von dem, der »in göttlicher Gestalt war«, der sich aber »entäußerte« und »den Menschen gleich wurde«. Der Hymnus erzählt von diesem Grenzübertritt als einem Weg in die Erniedrigung, in den Schmerz und in den Tod. Gott kann arm sein, klein, gering, unter Schmerzen gebeugt, eingebunden in die Kultur seiner Zeit, dem Tod überlassen. Gott »kann« Mensch. Und dazu überwindet er alle Grenzen, die ihn, der doch »Gott gleich« ist, von uns, die wir alles andere als »Gott gleich« sind, trennen (vgl. Philipper 2,5-11; LUT).
Zur Zeit Jesu waren fromme Menschen der Meinung, sie würden Gott eine Freude machen, indem sie klare Grenzen zogen. Sie deuteten »Heiligkeit« als Absonderung.35 Es war ein Beweis besonderer Frömmigkeit, sich fernzuhalten: von Zöllnern, stadtbekannten Sünderinnen, von Heiden sowieso, von Frauen meistens, von Kindern auch, von Kranken, die als unrein galten. Geistliche Reife bestand für die Frommen damals im Wesentlichen darin, Menschen auszuschließen.
Doch Jesus stellt die Dinge auf den Kopf. Fröhlich überschreitet er eine Grenze nach der anderen. Er isst mit Zöllnern. Er trinkt mit Sündern. Er segnet Kinder. Er unterrichtet Frauen wie Maria. Er berührt die Unberührbaren. Er vergibt stadtbekannten Sünderinnen. Er heilt Ausländer. Er gewährt Heiden Zugang zu Gott. Er sagt: Ihr macht Gott nur eine Freude, wenn ihr Grenzen überwindet, auch jenseits aller Grenzen liebt, ohne Obergrenze großzügig gebt, segnet, heilt und teilt, in das Reich Gottes ruft und den Zugang zum Vater niemandem versperrt. Der Grenzüberschreiter »ist gekommen zu suchen und selig zu machen, was verloren ist« (Lukas 19,10). Und dann sagt er seinen Jüngern: »Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch« (Johannes 20,21).
Seither können wir das Leben als Jünger auf zwei Aspekte konzentrieren: Jünger sind bei Jesus und sie gehen dahin, wo Jesus hingeht. Als Jünger sind wir bei Jesus. Wir hören auf das Wort, wir feiern Abendmahl, wir beten, wir sind verlässlich füreinander da. Und als Jünger gehen wir dahin, wo Jesus hingeht. Er geht voran, wir folgen. Sein Weg führt ihn hinaus zu denen, die vergessen sind, verlassen und verarmt, schuldig und bedürftig, trostlos in ihrer Seele und im Stich gelassen. Zu denen geht Jesus. Und wir gehen hinter ihm her. Wir sind bei ihm, so und so.
Jesus kennen zu dürfen und ihm folgen zu können, ist der tiefste innere Grund für unsere Mission. Jesus kennen zu dürfen und ihm folgen zu können, ist der einzige Schutz vor den schädlichen Verformungen, die man der Mission so lange schon vorwirft. Jesus kennen zu dürfen und ihm folgen zu können, ist das eine große Geheimnis lebendiger und glaubwürdiger, anziehender und aufbrechender, überzeugter und standfester, mutiger und demütiger Gemeinden. Daran in der Kirche zu erinnern, ist Gabe und Auftrag der »Missionarischen« in der Kirche.
Und doch ist es schwierig mit unserer Mission.

Soziales Kapital: Innere Bindung oder Brückenbau?

Die Kategorie des »sozialen Kapitals« ist in dieser Hinsicht hilfreich: »Soziales Kapital bezieht sich auf Verbindungen zwischen Einzelnen – soziale Netzwerke und die Normen der Wechselseitigkeit und Vertrauenswürdigkeit, die daraus hervorgehen.«36
Es geht also um das Maß an sozialer Verbundenheit und gegenseitiger Verlässlichkeit. Dafür hat Robert Putnam zwei schöne Beispiele:
»Wenn Sie nie zu Beerdigungen gehen, wird auch niemand zu Ihrer Beerdigung kommen!«37
Oder aus der Einladung einer lokalen Feuerwehr zu ihrem jährlichen Fundraising-Frühstück: »Kommen Sie zu unserem Frühstück, denn wir werden auch zu Ihrem Feuer kommen.«38
Um die verlässliche Gegenseitigkeit und Verbundenheit steht es nicht besonders gut – mit einer Ausnahme: Glaubensgemeinschaften: Wer religiös ist, kennt mehr Menschen, engagiert sich stärker und ist besser vernetzt.39
Allerdings findet Putnam in frommen Gemeinschaften nur eine bestimmte Form von Sozialkapital vor. Er unterscheidet zwischen »bridging« und »bonding«, also zwischen Brückenbauen und intern Verbindendem, zwischen außenorientierter und binnenorientierter Gemeinschaft. Die blühenden frommen Gemeinschaften sind eher beim »bonding« als beim »bridging« stark, eher nach innen gerichtet als nach außen orientiert.40 Dabei ist »bonding« nichts Schlechtes, ganz im Gegenteil. Es ist soziales Kapital, aber es kommt nur denen zugute, die schon dazugehören.
Unser missionarischer Anspruch ist jedoch, dass sich unsere Glaubensgemeinschaften im Wesentlichen auf die beziehen, die noch nicht dazugehören. Und da haben wir unser Problem: Unabhängig von der wahren Lehre, von missionarischen Leitbildern und wiederholten Appellen zu mehr Mission bleibt die Frage: Wie missionarisch sind wir wirklich? Wie stark ist unser »bridging capital«?

Grenzen unserer missionarischen Reichweite

Die Zahlen verraten: Es ist kompliziert!

Wir untersuchen seit Langem die Wirkungen der missionarischen Gemeindearbeit. Wir haben gefragt, ob und wie Erwachsene Bekehrung erleben, wen die alternativen Gottesdienste erreichen und wer tatsächlich an Kursen zum Glauben wie Alpha, Emmaus oder Spur 8 teilnimmt.41
Die Ergebnisse sind besser, als die Kritiker der missionarischen Gemeindearbeit wahrhaben wollen, doch sie sind schlechter, als wir uns wünschen würden. Man kann das an den Kursen zum Glauben gut sehen. Die Gemeinden, die einen Kurs anbieten, streben meist danach, kirchendistanzierte und konfessionslose Menschen zu erreichen. Am Ende sind aber etwa 43 % der Teilnehmer hochverbundene und aktive Gemeindeglieder, 27 % sind Mitarbeiter und nur knapp 30 % entstammen der eigentlichen Zielgruppe.42 Die Zahlen zu den alternativen Gottesdiensten sahen etwa zehn Jahre vor dieser Studie über Kurse zum Glauben ähnlich aus: Etwa 30 % der Gäste kamen aus eher kirchenfernen Hintergründen, 70 % waren treue »Stammkunden«.
Häufig wurde das kritisch bewertet: Aha, hieß es, auch die „Missionarischen“ erreichen die Menschen jenseits der Kerngemeinde nicht oder doch nur kaum.43 Aber so schlecht sind diese knapp 30 % nicht. Wo sonst kommen so viele Menschen zusammen, die von kirchlichen Angeboten nicht erreicht werden? Und wer kann etwas veranstalten, ohne dass die eigenen Leute auch kommen und helfen?
Allerdings sollten wir selbst so nüchtern wie möglich auf unsere Reichweite schauen. Auch wenn wir im Einzelnen Menschen erreichen und dafür dankbar sind, müssen wir festhalten, dass unser »Bridging« nur bedingt gelingt. Es gibt offenbar trennende Grenzen, vor denen wir stehen:

Church of England: Begrenzte Reichweite

In der Church of England erkennt man an, dass unsere traditionellen missionarischen Formate durchaus außenstehende Menschen erreichen. Die Erfahrung aber ist es, dass wir im Wesentlichen solche Menschen erreichen, die noch einen gewissen Draht zum kirchlichen Leben oder eine gewisse Nähe zum christlichen Glauben haben.44
Man nennt diese Menschen »de-churched«, entkirchlicht. Und da gibt es »offene« und »verschlossene« Entkirchlichte. Die offenen Entkirchlichten erreichen wir recht gut, bei den verschlossenen Entkirchlichten ist es schwieriger. Aber neben diesen Entkirchlichten, die noch so etwas wie eine religiöse Biografie haben, also zum Beispiel in ihrer Kindheit manchmal in der Kirche waren, gibt es die »non-churched«, die Unkirchlichen, die nie in ihrem Leben eine relevante Erfahrung mit dem christlichen Glauben und der Gemeinde Jesu gemacht haben.45 Ich bin davon überzeugt, dass die Zahlen aus England ungefähr auch für unsere deutschen Verhältnisse gelten. Das bedeutet aber: Den etwa 40 %, die wir vielleicht erreichen, stehen etwa 60 % gegenüber, die wir ohne Weiteres nicht erreichen werden. Sie für Kurse zum Glauben oder einen Abend bei proChrist zu gewinnen, ist außerordentlich schwer, wenn nicht sogar unwahrscheinlich.
In unserem Land nimmt die Zahl dieser Menschen, nicht nur im Osten, stetig zu. Viele Kinder von »de-churched«, von kirchlich schwach verbundenen Menschen, werden ihrerseits »non-churched«, also unkirchlich, weil ihre Eltern ihnen in Sachen Glauben nichts vermitteln. Hier wird es immer schwerer, in ihrer Lebenswirklichkeit überhaupt noch sichtbar zu werden, geschweige denn in ein Glaubensgespräch einzutreten.

Besonders unzugängliche Areale

In deutschen Untersuchungen werden bestimmte Segmente der Gesellschaft aufgezeigt. Drei Gruppen, mit denen wir uns besonders schwertun, möchte ich nennen:
Kinder und Jugendliche: Trotz all der Bemühungen um Kinder- und Jugendarbeit ist keine Kohorte unter den Kirchenmitgliedern so distanziert und so austrittsgeneigt wie die jüngsten Befragten, die 18- bis 30-Jährigen. Der Ausfall der christlichen Erziehung in der Familie und die Ausdünnung der Bindungen an kirchliches Leben in der Generation der Eltern tragen hier fatale Früchte.46
Soziale und kulturelle Gruppen jenseits der bürgerlichen Mitte: Je (spät)moderner, also auch jünger die Milieus sind, desto größer ist die Distanz zu kirchlichem Leben, und zwar sowohl in den sozial besser gestellten Kreisen als auch in den eher prekären Lebensverhältnissen.47
Religiös Indifferente: Studien zu Konfessionslosen im Osten zeigen, dass geborene Religionslose nichts vermissen und keinen Anlass sehen, sich mit Religion zu befassen. Diese Menschen sind mit sich im Reinen, sie sind »säkular kongruent«. Dies gilt auch für Indifferente, die noch Kirchenmitglieder sind.48

Innere Faktoren

Anstatt versteckte Vorwürfe zu äußern, möchte ich einige Fragen stellen und Sie bitten, sich bei diesen Fragen die eigene Situation vorzustellen.
Wie ernst ist es uns mit unserem Wunsch, Menschen anzusprechen, möglichst zu gewinnen und bei uns zu beheimaten? Die intuitive Antwort lautet sicher: »Sehr ernst!« Dann frage ich weiter: Wie viele Grenzen wären wir bereit, dafür zu überwinden? Anders gefragt: Wie viel Mühe darf es bereiten? Worauf in unserem Gemeindeleben wären wir bereit zu verzichten?
Ich habe den Eindruck, dass auch in unseren lebendigen und geistlich wachen Kreisen die Rhetorik des Missionarischen stärker ist als die Freude daran, den Glauben zu bezeugen und fernstehende Nahestehende einzuladen. Fernstehende im Blick auf den Glauben, Nahestehende im Blick auf unsere Beziehungen. Uns fehlt es oft an Mut, Kenntnis und Praxis. Am Mut, sich durch ein kleines Bekennen unkontrollierbar »auszusetzen«. An Kenntnis, was ich einem anderen über den Glauben sagen könnte. An Praxis, so etwas auch einzuüben. Und dann bleibt die missionarische Rhetorik, zum Beispiel in Predigten, denen niemand widerspricht, die aber häufig ein schlechtes Gewissen hinterlassen. Wir sollten ja »eigentlich« im Alltag den Glauben bezeugen und unsere Mitmenschen einladen. Eigentlich. Ich glaube, dass wir darüber in unseren Gemeinden offener reden sollten.
Ich habe den Eindruck, dass uns die Kosten oft abschrecken. Wenn die Menschen, die wir erreichen wollen, so werden wollten, wie wir sind, dann wäre es vielleicht leichter. Ich habe das oft in eher missionsallergischen Kreisen gehört: »Wir sind da, die Kirche steht offen, und am Sonntag ist Gottesdienst. Jeder kann kommen!« Das funktioniert nur bedingt. Was aber, wenn wir uns ändern müssten? Unsere Sprache, unsere Liturgien, unsere Worship-Songs, unsere Räume, unseren Umgang miteinander, unsere vertrauten Insider-Gespräche? Wollen wir das wirklich? Eventuell radikal, in der Hingabe und im Opfer dessen, was wir gewohnt sind? Nicht im Verzicht auf das Evangelium von Jesus, aber in nahezu allem anderen?

Eine heilige Unzufriedenheit

Ich glaube, dass der geistliche Aspekt dieses Themas eine Grenze in uns überschreiten muss. Jede Neuerung scheitert an Sattheit. Das ist unsere innere Grenze: Wir sind zufrieden mit dem, was ist. Wir scheuen den Aufbruch und mögen nicht auf das verzichten, was uns besonders ans Herz gewachsen ist.
John P. Kotter hat Innovationen betrachtet und nennt als wichtigsten Faktor dafür, dass etwas scheitert, Selbstzufriedenheit.49 Dringlichkeit wäre das Gegenteil. Damit meine ich nicht etwa Furcht, Panik oder Sorge, sondern die Abwesenheit von Selbstgefälligkeit.
»Unzufriedenheit ist die Art, wie der Geist den Status quo aus der Perspektive des Reiches Gottes herausfordert. Obwohl das der Intuition zu widersprechen scheint, sollten Leitungspersonen Unzufriedenheit fördern – und dabei beten, dass es sich um eine prophetische Unzufriedenheit handeln möge.«50
Eine »prophetische Unzufriedenheit« ist etwas anderes als ein Meckern, weil die Gemeinde nicht so ist, wie ich sie gern hätte, aufgrund einer Anspruchshaltung, eines Konsumwunschs, eines unnachgiebigen, unerwachsenen, regressiven Verlangens. Eine »prophetische Unzufriedenheit« ist durch den Wunsch gekennzeichnet, dem Reich Gottes da Raum zu geben, wo es offenbar keinen Raum findet. Sie zeigt Spuren der apostolischen Unruhe, dem Willen Gottes zu entsprechen. Wenn es gut geht, ist eine »prophetische Unzufriedenheit« beharrlich, energisch und respektvoll, eindringlich und hörbereit, eher selbst einsatzbereit als anklagend und fordernd. Und wenn eine »Unzufriedenheit« prophetisch ist, dann ist sie nicht zum Schweigen zu bringen. Es ist eine Last, die ein Mensch auf sich spürt und die er nicht einfach abschütteln kann. Wir sollten lernen, auf »prophetische Unzufriedenheit« zu hören und uns – auch wenn es unbequem ist – der Frage stellen, ob uns hier nicht der Heilige Geist auf die Schulter tippt, und sei es durch einen 17-Jährigen, der immer wieder fragt, was wir denn für seine Kumpels in der Skaterszene tun können.

Eine Perspektive für die geistliche Leitung

Es hilft erfahrungsgemäß gar nicht, unsererseits der Gemeinde zu demonstrieren, wie unzufrieden wir mit ihrem missionarischen Eifer sind. Das führt nur zu komplizierten »Beziehungskisten«. Zudem ist der Zugriff der Leitungspersonen hier recht beschränkt. Komm, Schöpfer Geist! Aber einiges können wir tun:
Wenn es in dieser Frage um Passion geht, dann ist es besser, von Gottes Leidenschaft für uns, aber auch für andere predigend zu schwärmen (tatsächlich!), als den missionarischen Druck durch Appelle zu verstärken. Freude über Jesus macht gute Missionare.
Wenn es in dieser Frage um Mut geht, dann brauchen wir den ehrlichen Austausch: »Du, mir fällt das so schwer« – »Ich habe solche Angst vor merkwürdigen Reaktionen, Zurückweisung, Verlust von Sympathie.« Auch hier ist Ehrlichkeit untereinander befreiend. Auf dieser Basis kann das Nachdenken beginnen: Was könnte denn gehen? Und wie?
Wenn es in dieser Frage um missionarischen Überdruck geht, dann ist eine seelsorgliche Intervention nötig: Sei gelassen und bleibe entspannt. Warte darauf, dass sich eine Tür öffnet. Bete darum (was allerdings »gefährlich« ist, denn solche Gebete werden erhört!), dass der Geist Gottes dir Gelegenheiten gibt, ein wenig zu erzählen, was dir selbst hilft, dem anderen zu versichern, dass du für ihn beten wirst …
Wenn es um praktisches Wissen geht, dann könnten wir in unseren Hauskreisen üben, wie wir unsere Geschichte als nüchtern-hoffnungsvolles Zeugnis erzählen können.
Und dann segnen wir einander, beten und berichten von ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Umschlag
  2. Haupttitel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort (Ulrich Eggers)
  6. Warum dieses Buch? (Dr. Michael Diener)
  7. Missio dei – Worin Mission ihren Grund hat)
  8. Ethik – Wie Mission den Menschen dient
  9. Konzeption – Wie Mission heute gedacht und umgesetzt wird
  10. An der Basis – Wie vielfältig Mission heute lebt
  11. Bildnachweis
  12. Anmerkungen
  13. Leseempfehlungen