München und das Auto
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München und das Auto

Verkehrsplanung im Zeichen der Moderne

  1. 168 Seiten
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München und das Auto

Verkehrsplanung im Zeichen der Moderne

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Über dieses Buch

Nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs bestand inMünchen die Gefahr, dass historische Bauten demStraßenbau weichen mussten. Das Auto war das sichtbareSymbol des Wirtschaftswunders, somit müsse dieStadt, so das Denkschema, "autogerecht" sein oderwerden. Sogar das Alte Rathaus galt Manchen als Verkehrshindernis.Ein Bewusstsein für Denkmalschutzentstand erst in den 1970ern. Maßnahmen, dem VerkehrRaum zu schaffen, reichen freilich lange zurück: Schon die Erweiterung der Zufahrt am "Karls Thor"1791/92 geschah, weil schwere Fuhrwerke die Engenicht mehr passieren konnten. Ebenso wurden Endedes 19. Jahrhunderts im expandierenden MünchenGassen zu Straßen, bevor in der NS-Zeit Straßenverbreiterungenund auch Durchbrüche entstanden, diebis heute das Stadtbild mitprägen.

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783791761183

Die 1930er-Jahre: Autogerecht (fast) ohne Autos

„Kraftfahrt tut Not“

Schon wenige Tage nach der Machtergreifung, am 11. Februar 1933, kündigte Hitler in einer Rede bei der Eröffnung der „Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung“ (IAMA, Motto: „Kraftfahrt tut Not“) „die Inangriffnahme und Durchführung eines großzügigen Straßenbauplanes“ an: Der Kraftverkehr müsse „die für ihn erforderlichen Autostraßen erhalten“. Hitler gab sich so sehr als Mentor des Autos, dass im Saal einer neuen „Kraftfahrhalle“, die 1937 im Deutschen Museum eröffnet wurde, an der Stirnwand groß ein Ausspruch des „Führers“ stand: „Ich liebe den Kraftwagen über alles; denn er hat mir Deutschland erschlossen.“ Dabei besaß er keinen Führerschein. In seinem „halb blöden Dahinvegetieren in tiefster sozialer und seelischer Bohème“ vor 1914 (Th. Mann in Bruder Hitler von 1938) wären Fahrstunden und Führerscheinprüfungen wohl als Letztes denkbar gewesen. Hitler, so Thomas Mann noch einmal gnadenlos, habe „rein technisch und physisch nichts gekonnt, was Männer können“, u. a. „kein Automobil … lenken, nicht einmal ein Kind zeugen“.
Hitler hatte schon wenige Monate nach seinem im Oktober 1919 erfolgten Eintritt in die „Deutsche Arbeiterpartei“ des Anton Drexler gefordert, dass ihm die Partei ein Auto besorge. Mit Chauffeur. Das Auto war dann ein SELVE aus einer von 1919 bis 1928 existierenden Autofabrik in Hameln an der Weser mit den Modellen „Sperber“ und „Colibri“. In den folgenden Jahren kaufte sich Hitler – obwohl ohne festes Einkommen, daher wohl mit dem Geld von Gönnern – noch zwei weitere SELVE sowie drei Mercedes-Benz, den vorerst letzten 1925 für den enorm hohen Preis von 20 000 Mark, eine Langversion mit Kompressormotor, sechssitzig. Damit habe er bis 1929 angeblich 470 000 km zurückgelegt (H. Sander: Hitler-Itinerar). Alle diese Fahrzeuge waren Cabrios, Hitler hielt manchmal Ansprachen im Auto stehend oder nahm auf diese Weise Paraden ab. Der seinerzeitige Leiter der Münchner Daimler-Benz-Niederlassung, Jakob Werlin (1886–1965), brachte es nach 1933 zum Vorstandsmitglied bei Daimler-Benz und zu Hitlers wichtigstem Berater in Kraftfahrzeugfragen. Er soll u. a. Ferdinand Porsche als Konstrukteur des Volkswagens vorgeschlagen haben. Noch bei der Grundsteinlegung des VW-Werkes 1938 in Fallersleben lobte Hitler v. a. Werlin als großen Ideengeber, zum Missvergnügen von Ferdinand Porsche.
Aufgrund der Hitler-Rede vom 11. Februar 1933 präsentierte HAFRABA-Geschäftsführer Willy Hof dem „Führer“ die Vorarbeiten seines Vereins, worauf Hitler verkündete, die Reichsbahn, die bislang gegen Autobahnen opponierte und polemisierte, müsse aber „mitmachen“ (A. Gottwaldt), was dazu führte, dass die Reichsbahn schließlich mit einem Tochterunternehmen namens „Gesellschaft Reichsautobahnen“ die Autobahnen sogar selbst baute. Der gewerbliche Fernverkehr auf Schiene und Straßen werde nun „in einer Hand vereinigt“, so jetzt die Sprachregelung, zudem besitze die Reichsbahn bereits Personal, Gerät und Erfahrung im Bau „von reichsweiten Verkehrsanlagen“. Sie steuerte sogar das Startkapital von 50 Mio. RM bei. Die Tochtergesellschaft erhielt per Gesetz vom 27. Juni 1933 das Enteignungsrecht. Um alles richtig zu machen, reiste 1933 eine Delegation von nicht weniger als 60 Reichsbahn-Baufachleuten zu Puricelli nach Mailand, um sich vor Ort über die Autostrada zu informieren.
Das Autobahn-Bauprogramm galt ebenso als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme wie der Belebung der noch rückständigen deutschen Kraftverkehrswirtschaft, die durch die neuen Straßen zum Bau von mehr Autos aktiviert werden sollte. Für neu zugelassene Kraftwagen und Motorräder war schon 1934 eine Steuerbefreiung verkündet worden. Das Autobahn-Projekt war in die Zukunft gerichtet – der aktuelle Verkehr hätte aufwendige Straßen mit vier Fahrspuren noch keineswegs gefordert. In München gab es 1933 knapp 30 000 Kraftfahrzeuge sowie 15 044 Motorräder bei 735 388 Einwohnern; 1937 waren es 53 110 Kfz. und 21 392 Motorräder bei 756 000 Einwohnern; und im Deutschen Reich gab es noch 1938 mehr Motorräder (ca. 1,5 Mio.) als Autos (1,3 Mio.). Auf Autobahnfotos aus den 1930ern wirken die vereinzelten Kraftfahrzeuge eher als gefälliges Dekor denn als ernsthaft zu definierender Verkehr. Der spätere Traumwunsch hohler Auto-Fans „Freie Fahrt für freie Bürger“ hätte hier noch gepasst – wenn die Bürger frei gewesen wären.
Jedenfalls kam dem Projekt eine solche Bedeutung zu, dass für die Leitung von Planung und Ausführung am 27. Juni 1933 der Sager & Woerner-Ingenieur Dr. Fritz Todt (1891–1942), inzwischen technischer Geschäftsführer der Firma, zum Generalinspektor für das deutsche Straßenwesen ernannt wurde, ausgestattet mit erheblichen Vollmachten und später mit seiner „Organisation Todt“ Erbauer u. a. von Westwall und Atlantikwall (die sich beide als militärisch wirkungslos erwiesen).

Der Lebenswunsch des Fritz Todt
Fritz Todt, seit 1923 Parteimitglied und ergebener Gefolgsmann Hitlers, hatte sich für den Posten des Generalinspektors als Straßenbauberater für mehrere NS-Organisationen sowie durch eine Denkschrift vom Dezember 1932 über „Straßenbau und Straßenverwaltung“ empfohlen. Darin nannte er die Straßen eines Landes die „Lebensadern der Nation“, betonte den propagandistischen, wirtschaftlichen und Arbeit schaffenden Wert des Straßenbaues sowie den strategischen Nutzen – wobei, so der Stand der Forschung inzwischen, militärischer Gründe beim Bau der Autobahnen keine Priorität hatten, auch wenn sie natürlich von manchen Militärfahrzeugen benutzt werden konnten. Vielen Militärs waren Autobahnen anfangs sogar suspekt: Mit ihrem hellen Beton könnten sie feindlichen Fliegern Orientierungshilfen liefern oder sogar als Aufmarschstraßen für feindliche Truppen dienen. Später nahm Reichswehrminister Werner von Blomberg (1878–1946) an allen Festlichkeiten rund um die neuen Autobahnen teil, mit Stahlhelm.
Todt ging dann so sehr in seiner Aufgabe auf, dass er 1939 für den Fall eines erfolgreichen Russland-Feldzuges sagte: „Ich habe zwei Lebenswünsche für die Autobahnen. Der eine war: die Autobahn nach Wien; daran wird jetzt gearbeitet. Der andere Wunsch ist, daß einmal eine Autobahn zum Kaukasus führt“ (F. Seidler: Fritz Todt). Sein Verdienst war es, die wichtige Linienführung sowie – in Zusammenarbeit mit dem Münchner Landschaftsarchitekt und Hochschullehrer Alwin Seifert (1890–1972) – die Ausgestaltung und landschaftliche Eingliederung der deutschen Autobahnen zu bestimmen. Die Autobahn, so Todt, müsse „sich dem Bild der Landschaft mit ihren Höhen und Tiefen, Wäldern und Feldern einfügen, ohne es zu stören, sie soll es in seiner Wirkung möglichst noch steigern“, die deutsche Landschaft sei „etwas Einmaliges“. Auch bei der HAFRABA waren „gerade Strecken“, wie in Fachkreisen diskutiert, „im Interesse der Abwechslung des Fahrens nicht erwünscht“.

Auf dem Weg zum Volkswagen: Der „Laubfrosch“ im Deutschen Museum

Gleichzeitig und fast gleichwertig zum Autobahn-Programm stand die Entwicklung eines neuen, preiswerten Autos für die Massen an, eines „Volkswagens“ – dessen nach 1945 bald wieder aufgenommene Produktion dann wesentlich zum frappanten Anstieg der Motorisierung und letztendlich damit auch zum Gedankenkonstrukt der „autogerechte Stadt“ beitrug. Die Kapazitäten in der Automobilindustrie, die das automobile „Wirtschaftswunder“ der 1950er-Jahre ermöglichten, wurden auch in den 1930ern geschaffen, v. a. durch das neue VW-Werk.
Der Begriff „Volkswagen“ kam in Techniker- und Tüftlerkreisen schon vor, als auch in der 1920er-Nachkriegsnot mit der bis zum 15. November 1923 dauernden Hyperinflation über erschwingliche Kleinwagen nachgedacht wurde. Sehr bekannt wurde dann ein preisgünstiger zwei- und später viersitziger Opel, der ab 1924 in 119 484 Exemplaren gebaut wurde. Wegen seiner ausschließlich grünen Lackierung hieß er im Volksmund „Laubfrosch“, und da er technisch ein Plagiat eines nur in Gelb gehaltenen Citroëns war, entstand daraus die Redensart „dasselbe in grün. Ein „Laubfrosch“ ist im Verkehrsmuseum des Deutschen Museums in München auf der Theresienhöhe erhalten.
Auf Anfang der 1920er sind sogar schon Ideen eines Wiener Ingenieurstudenten zu datieren, die ihn zum „geistigen Vater des Volkswagens“ machen (Ch. Vieweg: Die Akte Volkswagen). Damals fertigte Béla Barényi (1907–97) Zeichnungen von einem „kommenden Volkswagen“ mit wesentlichen Technikmerkmalen und dem Stromlinien-Design des späteren „Käfers“ an. 1994 wurde Barényi in Detroit in die „Automotive Hall of Fame“ aufgenommen und damit in eine Reihe mit Automobilpionieren wie Daimler, Benz, Maybach, Bosch und Ford gestellt. Die Jury hatte befunden: „1925 erdachte er die Grundmerkmale für den VW Käfer.“
Die Vorstellung des vom im böhmischen Maffersdorf geborenen Ferdinand Porsche (1875–1951) entwickelten Volkswagens war international stark beachtet, und die New York Times nannte das rundliche Gefährt „Beetle“: Käfer. In der neuen Fabrik am Mittellandkanal bei Fallersleben, zunächst KdF-Werk und erst nach 1945 von der britischen Besatzungsmacht nach einem benachbarten Gutshof „Wolfsburg“ genannt, wurden 630 Käfer, im Krieg dann aber nur Kübel- und Schwimmwagen hergestellt. Am 17. Dezember 1945 konnte die Produktion des Käfers wieder aufgenommen werden, und weltweit wurden es dann insgesamt 21 529 464. Zur Grundsteinlegung der Fabrik durch Hitler an Himmelfahrt, dem 26. Mai 1938, waren nicht weniger als 50 000 Parteigenossen in Sonderzügen und Bussen herbeigebracht worden.
KdF („Kraft durch Freude“) war eine Freizeitorganisation der DAF („Deutsche Arbeitsfront“), der Nachfolgeorganisation der zerschlagenen Gewerkschaften. KdF stand für soziale Leistungen des Staates für die breiten Massen, auch mit dem Ziel, in die Freizeit der Menschen im Sinne des Regimes regulierend einzugreifen. Es gab KdF-Schiffe, der Volkswagen galt zunächst als KdF-Wagen, und in München war eine KdF-Stadt geplant, eine Siedlung mit 3000 Wohnungen und bezahlbaren Mieten in Untersendling.

„Deutsche Arbeiter, fanget an“: Spektakel bei Unterhaching

Am 21. März 1934 ließen um 11 Uhr die deutschen „Volksgenossen“ alles stehen und liegen. In Betrieben, Fabriken, Behörden und Schulen wurde „der Rhythmus der Arbeit unterbrochen“, wie am nächsten Tag die MNN berichteten. Adolf Hitler sprach. Und alle „Volksgenossen“ sollten ungestört die im Rundfunk übertragenen „Worte des Führers vernehmen“.
„Erste Spatenstiche“ bei neuen und Eröffnungen von fertiggestellten Autobahnen wurden im Dritten Reich mit bis dahin ungekanntem propagandistischem Aufwand inszeniert, als Bühne mit großer Kulisse, mit trommelndem Pathos und mit kühl und sicher auf Effekte setzender Planung – verbunden mit einem monströsen Führerkult. Die Autobahnen seien „Straßen des Führers“, lautete, einstudiert von Joseph Goebbels, der Chor der Satrapen, weswegen etwa auch die Vorarbeiten der HAFRABA später geleugnet wurden. Dabei war der eigentliche Beginn der Arbeiten an der Autobahn in München-Ramersdorf noch „in aller Stille“ (Stadtchronik) vonstattengegangen: Rodungs- und Erdarbeiten im Hofoldinger Forst im Oktober 1933. Die Richtung nach Osten entsprach der uralten Handels- und Salzstraße. Mit der offiziellen Eröffnung wartete man dann bis zu einem symbolträchtigen Datum: dem 21. März 1934. Ein Jahr zuvor hatte der „Tag von Potsdam“ stattgefunden mit dem im NS-Staat hochstilisierten Händedruck zwischen Hitler und Reichspräsident Hindenburg auf den Stufen der Garnisonskirche.
Die Inszenierung in Unterhaching am 21. März 1934 war somit kein „erster Spatenstich“, sondern die Einweihung des ersten Teilstückes. Die MNN berichteten am nächsten Tag auf nicht weniger als vier Seiten: „Mit Adolf Hitler an die Arbeit“ und „Ganz Deutschland im Zeichen des neuen Großangriffs gegen die Arbeitslosigkeit“. Für die Prominenz hatte in Unterhaching „die Schuljugend sich mit kleinen Hakenkreuzfähnchen links und rechts der Straße aufgestellt“, mit acht Sonderzügen waren 2500 Arbeiter (von den anderen 12 Autobahn-Baustellen) herbeigeschafft worden, sie „standen in ihren Werktagskleidern mit Pickel und Schaufel unweit der Tonfilm-Tribüne“ (also an bevorzugter Position). Und: „Der ‚Hilfszug Bayern‘ parkte in voller Dienstbereitschaft … Der Arbeitsdienst reihte sich in dichten Kolonnen an die Zuschauer unter dem Klang der Trommeln ihrer Spielmannszüge.“ (Der Reichsarbeitsdienst war ab 1926 eine freiwillige Verpflichtung von Jugendlichen für Arbeiten im öffentlichen Interesse, um sie aus der Arbeitslosigkeit herauszuholen, ab 1935 dann Pflicht vor dem Wehrdienst. Die ‚Arbeitsmänner‘ trugen erdbraune Uniformen und marschierten bei offiziellen Anlässen mit geschultertem Spaten auf.) Anwesend waren laut MNN auch rund „180 Journalisten ausländischer Zeitungen“, vermutlich großzügig gezählt.
Hitler nannte in seiner Rede an die „deutschen Volksgenossen und -genossinnen. Meine deutschen Arbeiter“ einen Aufwand von „zweit Dritteln Milliarden Reichsmark“ für die Autobahnen, wobei das Geld zumeist aus dem „Anleihe-Etat“ käme. „Um diese Mittel zu beschaffen, ist das Vertrauen des Volkes und eine Hilfe der Sparer die allererste Voraussetzung.“ Er rief die Deutschen also zum Sparen auf, die Einlagen konnten dann dem Reichshaushalt zugefügt werden. Zugleich wurde ein Preisstopp für viele Wirtschaftsgüter verkündet, und zunutze kam dem Regime auch, dass 1932 wegen der Weltwirtschaftskrise die deutschen Reparationszahlungen ausgesetzt und damit de facto beendet worden waren; zudem war 1932 der Höhepunkt der Krise bereits überwunden.
Hitler schloss mit dem Satz: „Deutsche Arbeiter, fanget an!“ Dann jedoch passierte etwas, was aus NS-Sicht peinlicher nicht hätte sein dürfen; die MNN: „… ein Arbeiter versuchte zum Führer durchzudringen, schlüpfte durch eine Lücke, schlug die Hacken zusammen, streckte die Hand hoch und wollte ein ‚Heil, mein Führer‘ rufen, die Worte blieben ihm jedoch im Halse stecken … Der Reichskanzler begrüßte ihn freundlich und gab auch das geforderte Autogramm.“
Nach seiner Rede besichtigte Hitler die Baustelle, bestaunte die Maschinen, und die akustische Pause nutzte Goebbels für seine Ansprache. Am Ende wurden Horst-Wessel- und Deutschland-Lied gesungen, und die Reden von Hitler und Goebbels fanden sich am nächsten Tag in den MNN in voller Länge abgedruckt.
Der „erste Spatenstich“ an einer deutschen Autobahn überhaupt war am 23. September 1933 in Frankfurt am Main ebenfalls als Massenfest, mit ähnlichem Theaterdonner und ebenfalls mit deutschlandweitem Stillstand während Hitlers Rede ausgerichtet worden. Damals hatte er mit dem Aufruf „Deutsche Arbeiter, ans Werk!“ geendet. Für den „Spatenstich“ war ihm vom Direktor der Reichsbahn ein „Ehrenspaten“ überreicht worden, und er schaufelte schwitzend (!) angeblich eine halbe Lore voll. Diese erste deutsche Autobahn zwischen Frankfurt und Darmstadt, geradeaus verlaufend in der Rheinebene, animierte dann bald zu jenen Weltrekordfahrten, bei denen Bernd Rosemeyer, ein Idol der Zeit, am 28. Januar 1938 tödlich verunglückte. Er hatte in einem Auto Union-Rennwagen das von Rudolf Caracciola kurz zuvor erreicht Tempo 432,392 km/h übertreffen wollen.
Derlei suggestiv auf Ergriffenheit zielende Schauspiele wie in Frankfurt und Unterhaching blieben nicht ohne Wirkung: Der Mythos Autobahn entstand. Bis 1942 wurden in Deutschland 3 860 km gebaut. Der Höchststand von Beschäftigten war 1936 mit rund 125 000 Mann erreicht. Weite...

Inhaltsverzeichnis

  1. Buchinfo
  2. Haupttitel
  3. Impressum
  4. Zur Buchreihe
  5. Der Traum vom Verkehrsfluss: Man fährt Fahrrad
  6. Die Anfänge: Als München verkehrsgerecht wurde
  7. Das 19. Jahrhundert: Auf dem Weg zum Verkehrsmix
  8. Das 20. Jahrhundert beginnt: „Auftrag“ für eine U-Bahn
  9. Die 1920er-Jahre: Folgenreiche Vorarbeiten
  10. Die 1930er-Jahre: Autogerecht (fast) ohne Autos
  11. Die Nachkriegszeit: Frühe Festlegungen
  12. Der Marienplatz im Fadenkreuz des Verkehrs
  13. Eine Straße über den Friedhof
  14. Die 1950er-Jahre: „800 Jahre Münchner Verkehr“ gefeiert
  15. Die 1960er-Jahre: Häuserzeilen „zur Disposition gestellt“
  16. Öffentliche Proteste: Erfolge und Grenzen
  17. Die 1970er-Jahre: Zielkorrekturen
  18. Die 1990er-Jahre: Kein „Hochhaus-Wildwuchs“
  19. Das neue Jahrtausend: Sommermärchen und Schienenverkehr
  20. Der Verkehr der Zukunft: Digital und ICx mit Fahrradabteil
  21. Danksagung
  22. Literatur
  23. Bildnachweis