Persönlichkeit und ganzheitliches Jobcoaching
So wie ich Karriere verstehe, ist es immer ein ganzheitliches Thema. Ohne die Einbeziehung privater und persönlicher Aspekte ist nur Oberflächenberatung möglich. Ich berücksichtige also alle Aspekte, je nach Arbeitsauftrag intensiver oder weniger intensiv. In diesem Kapitel geht es um Tools, die zu einem ganzheitlichen Blick hinführen, aber durchaus auch im Karriere- und Neuorientierungskontext einzusetzen sind. Auch Themen wie »Entscheiden«, »Ziele erreichen« und »Innere Schweinehunde überwinden« sind hier verankert.
Ich bin der Meinung, dass Jobcoaching und Therapie ab einer gewissen Phase parallel laufen dürfen. Therapie dauert Monate, manchmal Jahre – ein akutes Jobproblem aber muss gelöst werden, weil es sonst die berufliche Situation verschlimmert. Eine solche pragmatische Lösungssuche ist in einer akuten Burnout- oder Depressionsphase nicht möglich, wohl aber danach. Therapeuten sehen das unterschiedlich, da sie aus meiner Sicht teils nicht mitbekommen, welche Realitäten in der Arbeitswelt herrschen.
Ein Beispiel: Die Therapeutin einer etwas ängstlichen Kundin empfahl ihr den Abbruch einer erfolgreichen Selbstständigkeit und die Suche nach einem festen Job – in einem Bereich, in dem es kaum mehr feste Jobs gibt. Das ist jetzt drei Jahre her, die Kundin hält sich seitdem in einem unterqualifizierten Job über Wasser, der die psychische Angespanntheit eher erhöht. Hier wäre es besser gewesen, Handwerkszeug zur Bewältigung des durch die Selbstständigkeit entstehenden Stresses zu vermitteln.
Spüren Sie, wann Sie in die Tiefe gehen können und sollen und wann es besser ist, pragmatisch die Situation in den Fokus zu nehmen und nicht gleich das ganze Umfeld.
Ich stelle Ihnen einige Klassiker vor sowie Tools, die bei der praktischen Arbeit helfen. Seien Sie gespannt.
72. Antreiberkonzept
Typ | Quelle / Urheber | Einsatzbereich | Aufwand | Nutzen |
Konzept und Fragebogen | Eric Berne, Fragebogen Svenja Hofert | Persönlichkeitsentwicklung | Zwei bis sechs Stunden | Klarheit über eigene Motivationen für Leistung und beruflichen Erfolg |
Was ist das?
Die Transaktionsanalyse des Psychiaters Eric Berne beinhaltet das Antreiberkonzept. »Was treibt mich?« ist dessen zentrale Frage. Sich das bewusst zu machen, kann Augen öffnen.
Was Sie dazu wissen sollten / Wie anwenden?
Es gibt nach diesem Konzept mehrere typische Treiber, die Menschen motivieren, etwas zu tun oder ihr Leben zu gestalten. Diese können Sie zusammen mit Ihrem Kunden herausfinden:
Sei perfekt! Das ist der Antreiber für alle, die nie gut genug sind. Alles kann man besser machen, nichts macht zufrieden. Sei-perfekt-Menschen können schlecht loslassen, weil es sein könnte, dass sie einen Fehler gemacht haben. Im Reiss-Profil (siehe Tool 99) könnte sich dieser Treiber in einer »grünen Anerkennung« zeigen, aber auch anderswo seinen Niederschlag finden. Ein Gegenmittel liegt darin, dem Coachingpartner die Erlaubnis zu geben, Fehler zu machen. Empfehlen Sie ihm zu tun, was er sonst nie tun würde, z. B. bewusst eine Mail mit Tippfehlern loszuschicken.
Streng dich an! Das ist der Treiber für alle, denen es nie zu schwer sein kann. Nichts darf leichtfallen, denn dann ist es nichts wert. Ein Gegenmittel liegt darin, Lockerheit in die Arbeit zu bringen. Empfehlen Sie Ihrem Klienten, einmal um 16 Uhr Schluss zu machen oder nicht das ganze Buch zu lesen, wenn es eigentlich nicht interessant ist.
Beeil dich! Die Handlungsorientierten unter uns könnten sich hier wiederfinden. Schnell etwas erledigen, schneller sein, auch wenn zur Eile kein Grund besteht. Alles muss sofort gemacht werden, nichts kann warten. Ein Gegenmittel ist es, sich bewusst Zeit zu lassen und die eigene Eile zu hinterfragen. Fragen Sie: »Müssen Sie das wirklich innerhalb so kurzer Zeit erledigen? Muten Sie sich nicht zu viel zu?« Es reicht so gut wie immer auch morgen.
Sei stark! Das ist möglicherweise ein Treiber, der bei sachorientierten Menschen besonders ausgeprägt ist. Sie wollen keine Gefühle zeigen und erlauben es sich nicht, sich gehen zu lassen. Selbst in kritischen Situationen funktionieren sie scheinbar emotionslos.
Ein Gegenmittel ist, sich selbst zuzugestehen, dass Schwäche sympathisch ist und menschlich. Sagen Sie Ihrem Coachee: »Sie müssen nicht immer funktionieren. Und Sie dürfen auch als Mann mal weinen.«
Mach’s den anderen recht. Sei-stark-Treiber sind vermutlich öfter männlich, dieser hier, der Mach’s-anderen-recht-Treiber, ist wohl häufiger weiblich. Hinter ihm steckt: Du selbst bist nicht wichtig, die anderen sind es. (Übertriebene) F...