Wir fliegen auf billig
Um die Gunst des Verbrauchers zu gewinnen, um Marktanteile zu sichern oder auszubauen und den Wettbewerb zu kontrollieren, ist mittlerweile jedes Mittel recht. Diese Haltung ist keineswegs auf die Automobilbranche beschränkt. Ganz gleich ob Autos, Lebensmittel, Kleidung oder gar Gesundheitsdienstleistungen, es geht nicht mehr um günstig, es geht um billig. Der Preis ist die Waffe, mit der an allen Fronten gekämpft wird. Die »Aldisierung« unserer Gesellschaft ist in vollem Gang. Was sich zurzeit in Deutschland abspielt, ist das äußere Zeichen eines inneren Verfalls: eines Verfalls der Werte, der Qualitäten, der Lust am Einkauf oder der Begehrlichkeit von Waren. »Wo führt das hin?«, fragte 2004 Bernd M. Michael, CEO Chairman der Grey Global Group. Auch Reisen sind davon betroffen. Galt das Fliegen vor 30 Jahren noch als etwas Besonders, so stellen wir heute vor vielen Reisen folgende Überlegung an: »Was ist billiger: Auto, Bahn oder Flugzeug?«
Billig ist die hässliche Schwester von günstig.
Billigflieger haben Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre den Flugmarkt durcheinandergewirbelt, der bis dato von großen Fluglinien wie Air France, United Airlines, Lufthansa oder British Airways dominiert worden war. Zuerst zeichnete sich am US-amerikanischen Markt eine Entwicklung ab, die sich 20 Jahre später auch in Europa durchsetzen sollte: Im Jahr 1971 setzte die US-amerikanische Fluggesellschaft Southwest Airlines auf eine Billigstrategie, um sich auf dem amerikanischen Flugmarkt zu etablieren. Natürlich beobachtete man das zunehmend erfolgreiche Geschäftsmodell von Southwest Airlines auch in Europa sehr interessiert. Freddie Laker, Gründer der britischen Fluggesellschaft Laker Airways, übertrug das Geschäftsmodell auf seine Fluglinie. Laker war damit der erste »Billigflieger« Europas – seine Airline ging 1982 pleite.
Doch damit war das Geschäftsmodell keineswegs am Ende. Unter dem Vorsitzenden Michael O’Leary orientierte sich Ryanair an Lakers Vorbild. Interessanterweise war O’Leary öfter in Dallas bei Southwest Airlines zu Gast. Er schaute sich dabei die Strategie der Billigfluglinie an. O’Leary nahm zudem Subventionen in Anspruch, da seine Airline nur kleine Flughäfen anflog. Ferner spielte Ryanair die kleineren Flughäfen gegeneinander aus, mit dem Ziel, günstigere Konditionen zu bekommen. Weitere Komponenten kamen hinzu, und das Konzept ging auf. In der Folge kamen immer neue Billiganbieter auf den Markt. Die etablierten Airlines mussten reagieren. Der Verbraucher profitierte – zunächst –, und zwar von fallenden Preisen eines stark in Bewegung geratenen Marktes. Fluglinien verschwanden, wurden aufgekauft oder gingen in anderen Airlines auf. Was bis heute anhält, ist der Kampf um Kunden, Marktanteile und Preise.
Unlängst schrieb das manager magazin: »Eng, freudlos, schikanös – der Billigtrend trifft jetzt mit voller Wucht die Geschäftsreisenden. Das Fliegen, einst der Innbegriff moderner Fortbewegung, ist zum Effizienzrennen verkommen.« Was ist passiert?
Fliegen, wie es einmal war
Mit einem Geschäftsfreund, Reinhard, unterhielt ich mich neulich über die Veränderungen »am Himmel«. Reinhard ist wie ich sehr häufig auf Geschäftsreisen, national und international. Er erinnerte sich, wie das Fliegen in den 70er-Jahren aussah. Das Reisen begann schon beim Buchen. Als selbstständiger Architekt, der für unterschiedliche Firmen arbeitete, kümmerte er sich selbst darum. Er arbeitete immer wieder mit demselben Reisebüro zusammen. Entweder kam er persönlich dort vorbei und buchte einen Flug, oder er rief vom Büro aus an. In beiden Fällen war immer d...