∎ HELMUT MUTHERS
Der Kunde der Zukunft ist über 50: Megatrend »gesellschaftliche Alterung«
Die Bevölkerung wird immer älter und die Gesellschaft verändert radikal ihr Gesicht. Die Älteren sind Konsumprofis mit jahrzehntelanger Kauferfahrung, die sich von den herkömmlichen Marketing-, Vertriebs- und Kommunikationskonzepten kaum noch beeindrucken lassen. Ältere Kunden kaufen völlig anders als früher und ihr Kaufverhalten unterscheidet sich deutlich von dem jüngerer Kunden. Wer sich darauf nicht einstellt, kann vieles falsch machen. Die Generationen 50 plus entscheiden über das Überleben der Unternehmen und Verkäufer in fast allen Branchen. Nur wer seine Strategien, Produkte und Dienstleistungen jetzt auf die wohlhabendste Bevölkerungsgruppe ausrichtet, wird vom demografischen Wandel profitieren und zu den Gewinnern des Megatrends »gesellschaftliche Alterung« zählen.
Die Gesellschaft ändert radikal ihr Gesicht
»Die Alterung der Bevölkerung … ist ein irreversibler Prozess, der sich in den nächsten 50 Jahren nicht mehr stoppen oder umkehren lässt.«
HERWIG BIRG »Die ausgefallene Generation«
Wir werden älter. Wir werden weniger
Die demografische Entwicklung ist eine Herausforderung, für die es in der Menschheitsgeschichte keine Vorbilder gibt. Zwei Aspekte »zwingen« zum Handeln:
1. Gestorben wird immer später. Die Gesellschaft altert rasant und die Lebenserwartung steigt weiter. Nach einer Studie der Universität zu Köln haben männliche Kinder heute bei ihrer Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von 87,6 Jahren, die Mädchen bringen es auf 92,7 Jahre.
2. Deutschlands Einwohnerzahl schrumpft. Eine zu niedrige Geburtenrate und zu wenig Zuwanderung lassen seit 2003 die Bevölkerungszahl sinken. Bis 2050 rechnet das Statistische Bundesamt mit einem Bevölkerungsrückgang von 10 bis 15 Millionen Menschen.
Abb. 1: Entwicklung der Bevölkerung Deutschlands bis 2060 (in Mio.), Quelle: Statistisches Bundesamt
Die Intensität des Wettbewerbs um junge Kunden wird deutlich zunehmen. Deshalb ist es wichtig, den Fokus umgehend auf die älteren Generationen zu richten. 34 Millionen Menschen sind über 50. Und ihre Zahl wird in Zukunft deutlich steigen.
Die »Alten« haben Geld wie Heu
Jeder zweite Euro, der privat ausgegeben wird, stammt aus dem Portemonnaie eines über 50-Jährigen. Ältere Menschen sind die reichste und die einzige wachsende Bevölkerungsgruppe. Einige Fakten 50 plus:
∎ Nettovermögen: circa 3 Billionen Euro
∎ Vererbungsvolumen bis 2020: cirka 2,6 Billionen Euro
∎ Kaufkraft: mehr als 720 Milliarden Euro
∎ Kundeneinlagen bei Banken und Sparkassen: 80 Prozent
Kunden 50 plus
∎ kaufen 80 Prozent aller Luxusautos
∎ buchen 80 Prozent aller Kreuzfahrten
∎ geben 18 Milliarden Euro p. a. für Reisen aus
∎ geben 7 Milliarden Euro p. a. für Möbel aus
∎ geben 6 Milliarden Euro p. a. für Gesundheitsprodukte aus
Fazit: Es liegt ganz klar in den Händen der Älteren, wie es zukünftig mit den Unternehmen in fast allen Branchen weitergeht – und das gilt natürlich auch für alle dort beschäftigten Verkäufer.
Treue alte Kunden – vergessen Sie’s
Ein 58-jähriger Mann kauft einen neuen Pkw. Er bittet seinen langjährigen Versicherungsvertreter um ein Angebot für eine Kfz-Versicherung. Seinen Automobilclub bittet er ebenfalls um eine Offerte. Er stellt fest, dass sein Versicherer deutlich teurer ist. Mit dem Vergleichsangebot konfrontiert, ist dieser zum Beitragsnachlass bereit. Der Mann fühlt sich »betrogen« und kündigt.
Wenn …
∎ der Handwerker zum wiederholten Mal nicht oder nicht pünktlich zurückruft,
∎ der Handy-Verkäufer den Kunden herablassend bedient,
∎ Kunden nur dann interessant sind, wenn ein neues Geschäft möglich ist,
… dann ist das für die meisten Kunden ärgerlich. Für ältere Kunden sind das K.o.-Kriterien. Das haben sie nicht nötig. Sie sind selten laut und agieren eher im Verborgenen. Wenn ihre Bedürfnisse zum Beispiel nicht berücksichtigt werden, kommen sie einfach nicht mehr. Viele Anbieter merken nicht, wenn Kunden wegbleiben oder ein Neukunde nur ein Mal kommt. Ein 60-Jähriger, der sich mit seiner Frau vor einem Restaurant die Speisekarte anschaut, den berühmten »Seniorenteller« findet und daraufhin die Gaststätte gar nicht erst betritt, wird ja nicht mit 100 Euro ausgefallenem Umsatz erfasst.
Wie sehen wir die »Alten« und wie »ticken« sie?
»Gesunder Menschenverstand: eigentlich nur eine Anhäufung von Vorurteilen, die man bis zum 18. Lebensjahr erworben hat.«
ALBERT EINSTEIN
Klischees und Vorurteile bestimmen häufig den Umgang mit älteren Menschen. So werden sie oft als senile, nicht ganz ernst zu nehmende Mitbürger angesehen, die uns nur unsere kostbare Zeit stehlen und bei denen sowieso nichts zu holen ist. Wer Ältere ausschließlich mit Stützstrümpfen, Blasentee und Inkontinenzprodukten in Verbindung bringt, der hat deren neues Selbstverständnis nicht verstanden. Ältere sind heute lebenslustiger, selbstbewusster, fitter und anspruchsvoller als jede Generation vor ihnen. Mit herkömmlichen Marketing- und Vertriebskonzepten sind sie nicht zu beeindrucken. Neue Konzepte sind erforderlich, wenn sie als Kunden gewonnen oder gehalten werden sollen.
50 plus ist eine extrem heterogene Zielgruppe. Da gibt es den 71-jährigen Hausbesitzer, der sich seinen ersten Porsche kauft, den 80-Jährigen, der mit seiner Lebensgefährtin eine Kreuzfahrt macht, die 53-jährige alleinerziehende Mutter eines 8-jährigen Sohnes, die 89-jährige Urgroßmutter, die für die gesamte Familie den Haushalt macht, oder die 62-jährige Angestellte, die sich auf ihren Ruhestand freut. Sie alle haben unterschiedliche Bedürfnisse und Wünsche. Standardisierte Verkaufsprogramme haben da keine Chance.
Ältere fühlen sich jünger
Kaum jemand kommt auf die Idee, Menschen wie Thomas Gottschalk, Joschka Fischer oder Iris Berben zu den Senioren zu zählen. Zu Recht. Man fühlt sich nicht plötzlich älter, nur weil ein bestimmtes Datum erreicht wurde. Viele 60-Jährige sehen aus wie 53, fühlen sich wie 49 und verhalten sich wie mit 41. Sie gehen mit ihren Kindern / Enkelkindern zu Rockkonzerten. Sie fliegen nach Venedig zum Kaffeetrinken auf dem Markusplatz. Sie kaufen bei Aldi einen PC und ersteigern bei eBay ihr iPad.
Ältere hassen falsche Töne
Die größte Gefahr im Kontakt zu älteren Menschen besteht darin, sie falsch anzusprechen, im schlimmsten Fall, ihre Gefühle zu verletzen. Dazu einige Beispiele: Eine 68-jährige Dame kommt zu ihrer Bank. Seit wenigen Wochen ist sie Witwe. Sie legt ein Sparbuch mit 250 000 Euro Guthaben vor. Es ist auf ihren und den Namen des verstorbenen Mannes ausgestellt. Der Bankmitarbeiter nimmt einen dicken schwarzen Filzstift. Damit streicht er den Namen des Mannes durch. Die ältere Dame ist tief in ihren Gefühlen verletzt. Sie kündigt die über 40 Jahre bestehende Geschäftsverbindung. Ein Unternehmen gratuliert seinem Kunden schriftlich zum 50. Geburtstag und spricht ihn im Brief mit »Lieber Senior« an. Der Kunde kündigt sofort. Ein Reiseveranstalter beschränkt die Teilnahme an Abenteuerreisen auf ein Höchstalter von 58 Jahren. Das ist gedankenlos und geschäftsschädigend.
Ältere kaufen anders als früher
60-Jährige essen morgens Müsli, mittags mit ihren Enkelkindern bei McDonald’s und abends im Gourmetrestaurant. 70-Jährige kaufen sich Laufschuhe und trainieren für ihren ersten Marathon, 75-Jäh...