1. Wunsch und Wirklichkeit
Die Frage danach, wie zufrieden Sie im Job sind, ist die Frage danach, wie gut Ihre Wünsche (Bedürfnisse und Erwartungen) und die Wirklichkeit (Job-Realität) zusammenpassen.
Schauen Sie auf den nächsten Seiten einmal, warum es so schwer ist, zufrieden zu sein. Prüfen Sie, wofür Ihr Chef verantwortlich ist. Bleiben Sie aber fair und schauen Sie auch, was Sie selbst in der Hand haben, um zufriedener zu werden. Denken Sie daran: Zufriedenheit ist machbar.
1.1 Zufriedenheitswelle
Wann haben Sie sich das letzte Mal so richtig zufrieden gefühlt? Ein Gefühl der Zufriedenheit stellt sich erfahrungsgemäß ein, wenn Bedürfnisse und Erwartungen (Ansprüche) erfüllt sind. Im Job vergleichen Sie Ihre Ansprüche an die Arbeitssituation bewusst oder unbewusst immerfort mit der Realität, also der tatsächlich wahrgenommenen Arbeitssituation. Und Sie haben, wie jeder Mensch, ein feines Gespür dafür, ob Sie sich dies- oder jenseits der Zufriedenheitsgrenze befinden. Liegen Ihre Ansprüche höher, als sie sich in der Realität erfüllen lassen, sind Sie unzufrieden.
Abb. 1: Zufriedenheitsgrenze
Zwei Beispiele: Sie erwarten mehr Gehalt. Ihr Chef sagt Ihnen aber, dass eine Gehaltserhöhung nicht möglich ist. Anspruch und Realität fallen somit auseinander und Sie können unzufrieden werden. Sie haben das Bedürfnis nach mehr Anerkennung. Ihr Chef lobt Sie nicht. Anspruch und Realität fallen auseinander. Sie sind unzufrieden.
Zufriedenheit ist ein flüchtiger Zustand, weil sich unsere Ansprüche und die Realität im Laufe der Zeit verändern. Wir bewegen uns im (Arbeits-)Leben unaufhörlich zwischen Phasen der Zufriedenheit und Phasen der Unzufriedenheit, wellenförmig auf und ab.
Abb. 2: Zufriedenheitswelle
Mal sind Sie unzufrieden, weil Ihre Ansprüche höher sind als tatsächlich realisierbar. Ein andermal sind Sie zufrieden, weil Ihre Ansprüche und die Realität ganz gut zusammenpassen. Das ist das ganz normale Auf und Ab im Leben. Die momentane Unzufriedenheit kann durchaus ein produktiver Zustand und die Triebfeder für eine positive Veränderung Ihrer Job-Realität sein. Vielleicht surfen Sie sogar auf einer aufsteigenden Zufriedenheitswelle und entwickeln sich weiter.
Wenn Sie jedoch keine Möglichkeit sehen, auf Dauer an der Arbeitssituation, die Sie unzufrieden macht, etwas zu ändern oder Ihre Ansprüche anzupassen, werden Sie chronisch unzufrieden und oftmals krank. Denn ein andauerndes Ungleichgewicht zwischen den eigenen Ansprüchen und der wahrgenommenen Realität ist für uns Menschen nur sehr schwer zu ertragen.
Zentrale Aspekte der Arbeitszufriedenheit
Laut zahlreicher Umfragen zur Arbeitszufriedenheit (z. B. Institut der Deutschen Wirtschaft Köln oder Gallup-Studie zur Arbeitszufriedenheit 2014) existieren einige zentrale Aspekte in der Arbeit, die zufrieden machen. Schauen Sie sich die folgenden Punkte einmal an und prüfen Sie, wie wichtig diese für Sie sind (1 = gar nicht wichtig bis 5 = sehr wichtig), inwieweit die jeweiligen Aspekte in Ihrer aktuellen Arbeit erfüllt sind (1 = gar nicht erfüllt bis 5 = vollkommen erfüllt) und wer Ihrer Meinung nach für die Erfüllung verantwortlich ist (Ihr Chef und/oder Sie). Füllen Sie jetzt die folgende Tabelle aus.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas fehlt, dann ergänzen Sie die Tabelle einfach.
Zu welchem Schluss kommen Sie, wenn Sie sich Ihre Antworten anschauen? Was macht Sie zufrieden und was macht Sie unzufrieden? Wenn Sie sehr unzufrieden sind – wie lange dauert dieser Zustand schon an? Und wer, glauben Sie, kann daran etwas ändern?
Wechsel der Blickrichtung: Zufriedenheit ist ein flüchtiger Zustand und Unzufriedenheit ist nicht per se schlecht. Wir bewegen uns im Leben immer zwischen Zufriedenheit und Unzufriedenheit. Dabei kann Unzufriedenheit ein produktiver Zustand sein, denn sie ist die Triebfeder für Veränderung. Wer keine Möglichkeiten sieht, an seiner Unzufriedenheit etwas zu ändern, und chronisch unzufrieden wird, wird krank. Ein andauerndes Ungleichgewicht zwischen Ansprüchen und Realität ist nur schwer zu ertragen.
1.2 Wahrnehmung
Phasen der Unzufriedenheit sind also ganz normal. Doch ab wann wird aus einer momentanen Unzufriedenheit eine chronische Unzufriedenheit? Und woran erkennen Sie, dass es so weit ist? Kennen Sie die Geschichte vom Frosch im Wassertopf?
Der Frosch im Wassertopf
Wirft man einen Frosch in einen Topf mit kochendem Wasser, dann tut er alles, um der tödlichen Hitze zu entkommen. Setzt man den Frosch jedoch in einen Topf mit lauwarmem Wasser und erhöht die Temperatur ganz langsam, dann kocht er bei lebendigem Leibe, ohne dass er Anstrengungen macht, sein Wärmegefängnis zu verlassen.
Wie oft haben Sie das Gefühl, in Ihrer Unzufriedenheitssuppe zu kochen? Und warum springen Sie nicht? Im Job-Alltag ist es gar nicht so leicht, wahrzunehmen, was sich wann und wie verschlechtert. Wie die meisten Dinge im Leben beginnt auch chronische Unzufriedenheit im Job nicht mit einem Paukenschlag. Viele Veränderungen vollziehen sich erfahrungsgemäß schleichend. Stück für Stück richten wir uns in der eigenen Komfortzone ein. Nach und nach gewöhnen wir uns an materielle Annehmlichkeiten. Und schleichend nehmen wir täglich mehr an Belastung, an Routine, an Chefallüren oder an Kollegenärger als „normal“ hin.
Aber warum bloß? Wir nehmen in vielen Bereichen unseres Lebens eine kontinuierliche Verschlechterung unserer Situation hin, weil wir gar nicht mitbekommen, wie sich die Grenzen der Normalität verschieben. Wenn Veränderungen nur langsam genug ablaufen, passt sich unsere Wahrnehmung den Veränderungen an und wir halten heute für normal, was für uns gestern noch problematisch gewesen wäre. Statt auf Veränderungen mit einem veränderten Verhalten zu reagieren – der Frosch hätte nicht im langsam heißer werdenden Wasser sitzen bleiben, sondern herausspringen sollen –, halten wir Situationen zu lang aus, die eigentlich nicht gut für uns sind und die uns unzufrieden machen. Und „plötzlich“ kochen wir dann in der Unzufriedenheitssuppe vor uns hin und drohen zu verkochen.
Sie erkennen chronische Unzufriedenheit bei sich selbst (und auch bei anderen) daran, dass Sie nicht mehr aus dem Jammertal herauskommen. Sie klagen häufig über Ihre schlimme Arbeitssituation, den schrecklichen Chef, die nervenden Kollegen, die große Belastung oder die Langeweile im Job oder über ein viel zu niedriges Gehalt. Sie fühlen sich mal wütend, mal niedergedrückt. Vielleicht schlafen Sie schlecht oder trinken zu viel Alkohol und denken häufig: „Die anderen sind schuld, und alle anderen haben es besser als ich.“
Den Blick schärfen
Damit Sie den Tipping-Point, den Punkt, an dem eine momentane Unzufriedenheit in eine chronische Unzufriedenheit kippt, nicht verpassen, brauchen Sie ein wenig Distanz zum Geschehen und einen scharfen Blick. Wenn Sie aktuell sehr unzufrieden im Job sind, dann ist es hilfreich, zunächst einmal Ihre Unzufriedenheitsbrille abzusetzen. Denn durch die Brille der Unzufriedenheit sehen Sie alles mit den Augen eines unzufriedenen Menschen. Und wer nur noch Augen für das hat, was ihn unzufrieden macht, und nicht mehr auch die Dinge wahrnimmt, die ihn zufrieden machen, verzerrt die Realität. Auf der nächsten Seite finden Sie eine kleine Übung dazu. Schauen Sie jetzt einmal und benennen Sie, was Sie sehen?
Die meisten Menschen antworten auf die Frage, was sie sehen: „Ein blauer Punkt.“ Und das ist natürlich korrekt. Allerdings ist das nur die halbe Antwort. Denn der kleine blaue Punkt befindet sich auf einer großen weißen Seite. Wenn wir unzufrieden sind, neigen wir dazu, bildlich gesprochen, nur noch den kleinen blauen Punkt zu sehen, nicht aber das große Drumherum.
Die Konzentration auf einen einzigen Punkt, der Sie unzufrieden macht, ist gefährlich, denn darüber verlieren Sie schnell das Ganze aus dem Blick. Und wer zu selten an das denkt, was er hat, aber immer an das, was ihm fehlt, der kann nicht zufrieden werden.
Steigen Sie also einmal aus Ihrer Unzufriedenheitssuppe heraus und betrachten Sie Ihre Arbeit von außen. Nutzen Sie dazu die folgende Technik:
Die Drei-Fragen-Technik
Nehmen Sie sich täglich, am besten abends, ein wenig Zeit und denken Sie über drei Fragen nach. (1) Was hat mich heute zufrieden gemacht? (2) Was hat mich heute unzufrieden gemacht? (3) Was kann ich machen, um morgen mehr Zufriedenheits- als Unzufriedenheitspunkte zu nennen? Notieren Sie einige Stichworte dazu.
Keine Sorge, wenn Sie auf die dritte Frage (noch) keine Antwort kennen, auf den nächsten Seiten finden Sie viele Impulse dazu.
Wechsel der Blickrichtung: Momentane Unzufriedenheit kann schleichend in eine chronische Unzufriedenheit übergehen. Wir merken oft gar nicht, wie wir in der eigenen Unzufriedenheitssuppe vor uns hin köcheln. Achten Sie einmal darauf, wie häufig Sie über Ihre Arbeitssituation jammern. Spätestens wenn Sie bemerken, dass Sie im Jammertal sitzen und gar nicht mehr damit aufhören, zu klagen, sollten Sie die Unzufriedenheitsbrille absetzen und mit klarem Blick schauen, was Sie an Ihrer Job-Realität ändern oder an Ihren Ansprüchen anpassen können.
1.3 Chefsache
Der Chef ist schuld – oder? Schauen Sie sich noch einmal Ihre Tabelle mit den verschiedenen Aspekten der Arbeitszufriedenheit im ersten Kapitel an. Bei wie vielen Punkten haben Sie angekreuzt, dass die Erfüllung Ihrer Ansprüche Chefsache ist? Neun von zehn Menschen kreuzen bei allen Punkten ihren Chef als Hauptverantwortlichen an. Ebenso viele leiden unter einem niedrigen Erfüllungsgrad ihrer Ansprüche. Und jetzt?
Der Elefant im Porzellanladen
Chefs haben es auch nicht leicht. Um erfolgreich zu sein, müssen sie eine größere Gruppe von Menschen in Richtung der Vorstellungen und Ziele eines Unternehmens führen. Dabei sind sie für alles verantwortlich und oft an allem schuld – vor allem dann, wenn ihre Mitarbeiter unzufrieden sind. Gleichgültig, ob es um das Gehalt, um die Kollegen, das Ansehen der Stelle oder um die Freiräume im Job geht – der Chef soll’s richten.
Das ist keine leichte Aufgabe. Aber bitte, wer auf dem Chefsessel sitzt, hat sich diese Aufgabe ausgesucht oder sich zumindest nicht gewehrt, als man ihm den Posten angeboten hat.
Wenn wir über Arbeitszufriedenheit reden, reden wir immer auch über die Beziehungsebene zwischen Chef und Mitarbeiter. Mitarbeiter wünschen sich von ihrem Chef, dass ihre Bedürfnisse und Erwartungen wahr- und ernst genommen werden.
Doch viele Chefs führ...