Ich verkauf dir einen Hund
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Ich verkauf dir einen Hund

  1. 224 Seiten
  2. German
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Ich verkauf dir einen Hund

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Wieviele Kakerlaken passen in einen Aufzug? Hilft ­Adorno gegen amerikanische Missionare? Lebt die Revolution? Und vor allem: Was steckt »wirklich« in einem Taco? Fragen über Fragen, die Juan Pablo Villalobos in seinem rasanten Senioren­roman aufs vergnüglichste beantwortet. Nabel der Welt ist ein Wohnhaus im Herzen von Mexico City, wo der ganz normale Wahnsinn der Stadt auf ein paar Etagen zusammenschnurrt. Während der hausinterne Literaturkreis auf dem Flur tagt – unter dem strengen Regiment der rüstigen Francesca –, entspinnt sich auf den oberen Stockwerken irgendetwas zwischen Liebes-, Künstler- und Kriminal­geschichte. Ein großer Spaß, und das ganz ohne Rentner, die aus Fenstern steigen!

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Information

NOTEN ZUR LITERATUR

Die Zeitungen brachten die Nachricht auf der ersten Seite, im Radio wurde von nichts anderem gesprochen, und in den Fernsehnachrichten war es die Meldung des Tages: Auf dem Platz vor dem Revolutionsdenkmal waren Risse aufgetaucht. Das Internet war voll mit Witzen, darunter Fotomontagen, auf denen ein Dinosaurier aus dem Boden kletterte. Juliette zeigte sie mir auf ihrem Handy. Wir waren noch nicht dazu gekommen, Maderos Grab zu schänden, und wollten das jetzt nachholen, aber das Gebiet war abgeriegelt worden. Zwei Tage später sprachen die für eine Erklärung zuständigen Gutachter ihr Urteil, und das mit dem Dinosaurier hatte sich erledigt. Es lag an den Schnurrbärten der Revolutionäre, die immer weiter gewachsen waren, bis irgendwann die Kanalisation verstopft war. Das Gutachten ließ keinen Zweifel. Die Schuld lag bei Pancho Villa und Lázaro Cárdenas. Madero, Calles und Carranza wurden freigesprochen.
Um Francesca eifersüchtig zu machen, notierte ich in meinem Heft alle Gespräche, die ich in diesen Tagen mit Juliette führte. Sämtliche Spekulationen.
»Jetzt bricht endlich die Revolution aus!«, verkündete Juliette strahlend. »Wie fünfundachtzig! Die Leute wachen erst auf, wenn der Boden unter ihren Füßen bebt.«
»Du träumst, Schüljet«, entgegnete ich. »Sie werden höchstens ein paar Straßen umbenennen und ein paar Statuen abreißen. Schau dir doch an, wem sie die Schuld in die Schuhe schieben! Wenn das Denkmal einstürzt, wird es heißen, Villa und Cárdenas wären Terroristen.«
»Du wirst sehen, Teo, diesmal lässt sich das Volk nicht verarschen. Die Götter des Todes und der Zerstörung, die Ungeheuer der Erde werden aus der Unterwelt aufsteigen. Denk an fünfundachtzig. Ohne ein Erdbeben, das halb Mexiko-Stadt verschlang, ohne die Tausende von Toten wäre das Volk nie aufgewacht. So wie jetzt. Sie erwecken Coatlicue zum Leben, die Mutter der Erde! Kennst du sie?«
»Klar kenne ich sie, das ist doch die Mutter von Huitzilopochtli.«
»Die Mutter Fegerin, die wie die Jungfrau Maria auf wundersame Weise schwanger wurde, nur dass es bei ihr durch eine Feder und nicht durch eine Taube passierte, und die mit ihrem Sohn ein dualistisches Prinzip bildet: Licht und Dunkelheit, Fruchtbarkeit und Müll, Leben und Tod. Weißt du, was los war, als man die Figur der Coatlicue fand, die jetzt im Völkerkundemuseum steht? Sie haben sie wieder vergraben! Und das nur, weil sie Angst hatten. Sie dachten, sie hätten ein Abbild der Hölle gefunden. Das war 1790, und die Kirche befahl, sie wieder zu vergraben, sie hatten Angst vor dem schlechten Einfluss, den sie auf die Jugend haben könnte. Ich sag dir, hätte man sie nicht vergraben, hätte Coatlicue den Beginn der Unabhängigkeit um zwanzig Jahre beschleunigt!«
»Hör mir auf mit Coatlicue! Die jungen Leute haben doch keinen blassen Schimmer mehr von vorspanischer Mythologie.«
»Das ist egal, wir tragen es in uns. Außerdem, wer sagt, dass immer die Jugend auf die Barrikaden gehen muss? Was ist, wenn jetzt wir, die Alten, dran sind? Wir haben nichts mehr zu verlieren, wir haben ja kaum noch Zukunft.«
»Aber wir haben viel Vergangenheit. Täusch dich nicht, Schüljet, die Einzigen, die nichts zu verlieren haben, sind die Toten.«
»Oder die Untoten.«
Später, im Aufzug, ich weiß nicht, ob auf dem Weg nach oben oder unten, warf mir Francesca wütend vor:
»Das ist ein Plagiat! Ich glaube, das stammt aus einem Roman von García Márquez, nur dass dort statt Schnurrbärten die Haare einer Frau immer weiter wachsen.«
»Was Sie nicht sagen! Es soll ein Plagiat sein, wenn die Wirklichkeit einen Roman imitiert? Erzählen Sie das den Typen, die das Gutachten geschrieben haben. Von einem Nobelpreisträger verklagt zu werden, kann ziemlich teuer werden!«
Image
Der Papayakopf steckte seinen Papayakopf zur Tür der Eckkneipe herein, wo ich vor meinem sechsten Bier saß. Es war höchstens zwei Uhr nachmittags, aber weil es Sonntag war, arbeitete ich, ernsthaft und entschlossen, um mir mein tägliches Brot zu verdienen: die Gratishäppchen zum Bier. Der Papayakopf kam an meinen Tisch, und ich hätte schwören können, dass er diese für Papayas typischen glitschigen schwarzen Kerne ausspuckte, aber es war nur Speichel.
»Man hat mir gesagt, ich würde Sie hier finden.«
»Da hat man dir das Richtige gesagt, du findest mich hier von neun bis zwei und vier bis acht von montags bis freitags, und an den Wochenenden habe ich ebenfalls Dienst. Arbeitest du auch sonntags?«
»Ich bin nicht aus beruflichen Gründen hier. Darf ich mich setzen?«
»Darf ich nein sagen? Was trinkst du? Einen Tequila? Mezcal? Oder was Stärkeres?«
»Was Stärkeres?«
»Natronlauge, Chlor, Terpentin …«
»Ein Bier.«
Laut brüllend bestellte ich eine Literflasche Corona, dann konzentrierte ich mich auf die Frage, warum der Papayakopf in diesen grellen Klamotten herumlief, schreiend gelbes Hemd, orange Bermudashorts, einer tropischen Aufmachung, die so gar nichts mit dem grauen Anzug gemein hatte, den er bei seinem letzten Besuch als Hundepolizist getragen hatte. War ihm etwa bewusst, dass sein Kopf wie eine Papaya aussah?
»Na, auf dem Weg zum Strand verlaufen?«, sagte ich. »Schickes Hemd, damit übersieht dich garantiert jeder Scharfschütze.«
»War ein Geschenk.«
Was so viel hieß wie: Seine Alte suchte ihm, bewusst oder unbewusst, Klamotten aus, die zu seiner Rübe passten.
»Von deiner Frau?«, fragte ich.
»So ungefähr«, antwortete er.
»So ungefähr heißt: eine Freundin, eine Geliebte?«
»So ungefähr heißt so ungefähr.«
Das Bier kam, ich goss zwei Gläser ein, und ohne mit mir anzustoßen, nahm der Papayakopf geräuschvoll einen großen Schluck. Er schien so schnell wie möglich zur Sache kommen zu wollen. Ohne die protokollarischen Gepflogenheiten des Berufsalltags, die seine soziale Unbeholfenheit kaschierten, glich sein Verhalten einer sanften Karambolage mit vierzig Stundenkilometern, nicht tödlich, aber lästig.
»Ich wollte Sie um Hilfe bitten«, begann er.
»Ach ja?! Aber erst stoßen wir an.«
Ich hielt mein Glas in die Mitte des Tisches.
»Auf die Hunde!«, rief ich aus.
»Die Anzeige wurde zu den Akten gelegt«, grummelte er.
»Ich weiß, aber das habe ich Dorotea zu verdanken.«
»Und das war völlig illegal, es widerspricht sämtlichen Statuten des Tierschutzvereins. Und ich könnte es jederzeit rückgängig machen, Sie brauchen es nur zu sagen.«
»Soll das eine Drohung sein?«
»Nein, ich bitte Sie nur um Ihre Hilfe.«
Ich befürchtete schon, der Papayakopf könnte von Doroteas Einschleusung in den Tierschutzverein erfahren haben und dass er jetzt mich, weil ich mit Juliette befreundet war, darum bitten würde, mich in die Gruppe einzuschleusen, die Dorotea eingeschleust hatte. Die Furcht, die mich ergriff, hatte etwas von einem paranoischen Stich in der Leber, wich aber genauso schnell panischem Entsetzen, als der Papayakopf erklärte:
»Ich will einen Roman schreiben.«
Ich sah ihm direkt in die Augen – trübe, kaffeebraune Pupillen, wie die Flecken auf einer überreifen Papaya –, um zu prüfen, ob dort nicht der Schimmer einer Lüge oder eines Witzes aufblitzte. Leider nicht.
»Das ist ernster, als ich dachte. Da brauchen wir wohl etwas Härteres.«
Ich hob den Arm, um den Wirt auf mich aufmerksam zu machen.
»Zwei Tequilas! Es ist dringend!«
Während ich mich bemühte, das Papayahafte an Papayakopfs Papayakopf zu ignorieren, versuchte ich sein Alter zu schätzen. Ich analysierte die Beschaffenheit seiner schalenartigen Haut, den erschöpften Blick und den durch die faltigen Lippen hervorgerufenen Gesichtsausdruck, der eher Melancholie als Sarkasmus und erst recht keinen Zynismus ausstrahlte. Er musste etwa vierzig sein. Vielleicht auch neununddreißig, und dieser Spleen mit dem Roman war nichts anderes als der folkloristische Ausdruck einer Midlife-Crisis, die bei Papayas offenbar besonders schwer ausfiel.
»Wie alt bist du?«, fragte ich.
»Neununddreißig.«
Wusste ich’s doch! Ich erinnerte mich, wie mies es mir in dem Alter gegangen war, Mitte der siebziger Jahre: Ich hatte mir eine Wohnung gemietet, in die ich nie einzog; ich hatte einer Nutte aus der Calle Madero einen Heiratsantrag gemacht; ich hatte geglaubt, Krebs zu haben; ich hatte haufenweise Leinwände gekauft, die später auf dem Schrank im Haus meiner Mutter, wo ich weiter wohnte, verstaubten, weil meine Begeisterung nicht lange genug anhielt, um mir auch Farben und Pinsel zu kaufen, und schon gar nicht, um mit dem Malen anzufangen oder den Gedanken zu verdrängen, ich sei nur ein Ersatz für meinen Vater. Oder Letzteres zu glauben und dasselbe zu tun wie er ein paar Jahre zuvor: die Familie verlassen. Zumindest war mein innerer Aufruhr der ideale Nährboden für die Idee mit dem »Gringo-Dog«, dem Tacorezept, das mich in den achtziger Jahren berühmt machte. Aber sich ein Tacorezept ausdenken war etwas völlig anderes als einen Roman schreiben, also musste ich d...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. ÄSTHETISCHE THEORIE
  4. NOTEN ZUR LITERATUR
  5. Verpflichtung und Dank
  6. Über den Autor
  7. Impressum