Politik
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Politik

Mit einer Einführung von Andreas Lotz

  1. 480 Seiten
  2. German
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Mit einer Einführung von Andreas Lotz

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Über dieses Buch

Ist die "Politie" die bessere Demokratie? Dürfen Arme und Tugendlose so viel zu sagen haben wie Reiche und Tugendhafte? Und kann ein Gemeinwesen überhaupt noch stabil sein, wenn die Unterschiede zwischen arm und reich zu groß werden? Wie wichtig ist ein breiter Mittelstand für einen funktionierenden Staat? Erstaunlich aktuell, wenngleich nicht mehr überall modern, sindAristoteles' vielschichtige Antworten auf diese und viele andere Fragen. Zentrale Fragen des politischen Denkens, die er vor weit über 2.000 Jahren gestellt hat! Als einer der ersten Theoretiker behandelt der antike Philosoph zunächst einmal grundsätzliche Fragen: Warum bilden Menschen Staaten? Welche Staatsformen gibt es? Welche von ihnen sind "gut", welche "entartet"? Wie sollte eine Verfassung aussehen? Der Mensch lebt nicht zufällig in Staaten, sondern ist dazu bestimmt. Die Sprache ermöglicht es ihm dabei, Vorstellungen von Gut und Böse, von gerecht und ungerecht zu entwickeln und diese mit anderen zu teilen. Es sind Feststellungen wie diese, die dem Werk zu seinem Status als Klassiker verholfen haben. Die Ausgabe richtet sich an alle, die sich für die Grundlagen unserer Gesellschaft interessieren und einen leicht verdaulichen Zugang wünschen.Das Besondere: • Eine Leseempfehlung für die wichtigsten Kapitel.• Zeitgenössische Einordnung durch Andreas Lotz. Der Diplompolitologe forscht und lehrt als kooptiertes Mitglied im Sonderforschungsbereich "Transformation der Antike" an der Humboldt Universität zu Berlin. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt im Bereich der Politischen Theorie und Ideengeschichte. • Literaturliste mit weiteren Leseempfehlungen.• Natürlich der vollständige Text der "Politik" in neuer Rechtschreibung.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783945219096
B. Aristoteles. Politik

Erstes Buch

1252a

Da jeder Staat uns als eine Gemeinschaft entgegentritt und jede Gemeinschaft als eine menschliche Einrichtung, die ein bestimmtes Gut verfolgt – denn um dessentwillen, was ihnen ein Gut zu sein scheint, tun alle alles –, so wird klar, dass zwar alle Gemeinschaften nach irgendeinem Gut streben, vorzugsweise aber und nach dem allervornehmsten Gut diejenige, die die vornehmste von allen ist und alle anderen in sich schließt. Das aber ist der sogenannte Staat und die staatliche Gemeinschaft.
Die nun meinen, dass zwischen dem Leiter eines Staates oder eines Königreichs, einem Hausvater und einem Herrn kein wesentlicher Unterschied bestände, haben unrecht. Sie glauben nämlich, diese verschiedenen Inhaber bestimmter Gewalten unterschieden sich je nach der großen oder kleinen Zahl, aber nicht der Art nach, so nämlich, dass wer nur wenige unter sich habe, ein Herr sei, wer ihrer mehr, ein Hausvater, und wer ihrer noch mehr, Leiter eines Staates oder eines Königreichs, da ja zwischen einem großen Haus und einem kleinen Staat kein Unterschied sei; was aber den Leiter eines Staates und den eines Königreichs beträfe, so sei einer, wenn er allein und selbstherrlich vorstehe, Leiter eines Königreichs, wenn er es aber nach staatsrechtlichen Normen tue, so dass er abwechselnd befehle und gehorche, sei er Leiter eines freien Staates.
Aber diese Behauptungen sind nicht richtig, und dass wir das mit Recht erklären, wird einleuchtend werden, wenn wir die Sache auf dem hier angebotenen Weg betrachten. Wie man nämlich auch bei anderen Objekten das Zusammengesetzte bis in seine nicht mehr zusammengesetzten Teile zerlegen muss – was die kleinsten Teile des Ganzen sind –, so müssen wir auch den Staat in seine Bestandteile verfolgen und werden dann auch bezüglich jener Gewalten besser einsehen, wie sie sich voneinander unterscheiden und was sich wissenschaftlich über jede Einzelne von ihnen feststellen lässt.
Die beste Anwendung dieses Verfahrens ist, wie bei anderen Gegenständen so auch hier, dass man die Dinge betrachtet, so wie sie ursprünglich entstehen und sich entwickeln.
Es ist also notwendig, dass sich zuerst diejenigen Individuen verbinden, die ohneeinander nicht sein können, also einmal Weibliches und Männliches der Fortpflanzung wegen – und zwar nicht aus Willkür, sondern nach dem auch den anderen Sinnenwesen und den Pflanzen innewohnenden Trieb, ein anderes, ihnen gleiches Wesen zu hinterlassen –, dann zweitens von Natur Herrschendes und Beherrschtes der Erhaltung wegen. Denn was von Natur dank seinem Verstand vorauszuschauen vermag, ist ein von Natur Herrschendes und von Natur Gebietendes, was dagegen mit den Kräften seines Leibes das so Vorhergesehene auszuführen imstande ist, das ist ein Beherrschtes und von Natur Sklavisches, weshalb sich denn die Interessen des Herrn und des Sklaven begegnen.

1252b

Frau und Sklave sind von Natur geschieden. Denn die Natur macht nichts in jener sparsamen Weise wie die Schmiede das delphische Messer, sondern immer je eines für eines; erhält doch jedes Werkzeug seine größte Vollendung dann, wenn es nicht zu vielen Verrichtungen dient, sondern nur zu einer. Aber bei den Barbaren stehen Frau und Sklave auf einer Stufe, was daher kommt, dass ihnen das von Natur Herrschende abgeht und sie es nur zu einer Gemeinschaft von Sklave und Sklavin bringen. Darum sagen die Dichter: „Billig ist, dass über die Barbaren der Hellene herrscht“, um damit auszudrücken, dass ein Barbar von Natur und ein Sklave dasselbe ist.
Aus diesen beiden Gemeinschaften nun entsteht zuerst das Haus, und Hesiod hat mit Recht in seinem Gedicht gesagt: „Allererst nun ein Haus und das Weib und den pflügenden Ochsen“; denn der Ochse ersetzt dem kleinen Mann den Knecht. So ist denn die für das tägliche Zusammenleben bestehende natürliche Gemeinschaft das Haus oder die Familie; Charondas nennt ihre Glieder Tischgenossen, und der Kreter Epimenides nennt sie Herdgenossen.
Dagegen ist die erste Gemeinschaft, die aus mehreren Familien um eines über den Tag hinausreichenden Bedürfnisses willen entsteht, die Dorfgemeinde. Sie wird am natürlichsten als eine Kolonie, eine Pflanzung der Familie betrachtet, und ihre Glieder werden hin und wieder Milchvettern und Kindeskinder genannt. Daher standen auch zuerst die Staaten und stehen jetzt noch die ausländischen Völker unter Königen, weil sie sich gleichsam aus Untergebenen von Königen gebildet haben, indem jede Familie von dem Ältesten wie von einem König beherrscht wird und sodann wegen der gemeinsamen Abstammung die gleiche Einrichtung für die ganze Sippe bestehen musste. Diese patriarchalische Gewalt meint Homer, wenn er sagt: „Jeder gibt das Gesetz für seine Kinder und Frauen.“ Denn die Kyklopen, von denen er da redet, lebten zerstreut, und so hausten die Menschen in der Urzeit überhaupt. Ebendarum gibt es auch die allgemeine Sage, dass die Götter einen König haben, weil die Menschen teils noch gegenwärtig von Königen regiert werden, teils im Altertum es wurden. Wie nämlich der Mensch die Gestalt der Götter der seinigen ähnlich denkt, so urteilt er auch über ihre Lebenseinrichtungen.
Endlich ist die aus mehreren Dorfgemeinden gebildete vollkommene Gesellschaft der Staat, eine Gemeinschaft, die gleichsam das Ziel vollendeter Selbstgenügsamkeit erreicht hat, die um des Lebens willen entstanden ist und um des vollkommenen Lebens willen besteht. Darum ist alles staatliche Gemeinwesen von Natur, wenn anders das Gleiche von den ersten und ursprünglichen menschlichen Vereinen gilt. Denn der Staat verhält sich zu ihnen wie das Ziel, nach dem sie streben; das ist aber eben die Natur. Denn die Beschaffenheit, die ein jedes Ding beim Abschluss seiner Entstehung hat, nennen wir die Natur des betreffenden Dinges, sei es nun ein Mensch oder ein Pferd oder ein Haus oder was sonst immer. Auch ist der Zweck und das Ziel das Beste; nun ist aber das Selbstgenügen Ziel und Bestes.

1253a

Hieraus wird also klar, dass der Staat zu den von Natur bestehenden Dingen gehört und der Mensch von Natur ein staatliches Wesen ist, und dass jemand, der von Natur und nicht bloß zufällig außerhalb des Staates lebt, entweder schlecht ist oder besser als ein Mensch, wie auch der von Homer als ein Mann „ohne Geschlecht und Gesetz und Herd“ gebrandmarkte. Denn er ist gleichzeitig von Natur ein solcher (staatsloser Mensch) und „nach dem Kriege begierig“, indem er isoliert dasteht wie ein Stein im Brett.
Dass aber der Mensch mehr noch als jede Biene und jedes schwarm- oder herdenweise lebende Tier ein Gemeinschaftswesen ist, liegt zutage. Die Natur macht, wie wir sagen, nichts vergeblich. Nun ist aber einzig der Mensch unter allen animalischen Wesen mit der Sprache begabt. Die Stimme ist das Zeichen für Schmerz und Lust und darum auch den anderen Sinnenwesen verliehen, indem ihre Natur so weit gelangt ist, dass sie Schmerz und Lust empfinden und beides einander zu erkennen geben. Das Wort aber oder die Sprache ist dafür da, das Nützliche und das Schädliche und so denn auch das Gerechte und das Ungerechte anzuzeigen. Denn das ist den Menschen vor den anderen Lebewesen eigen, dass sie Sinn haben für Gut und Böse, für Gerecht und Ungerecht und was dem ähnlich ist. Die Gemeinschaftlichkeit dieser Ideen aber begründet die Familie und den Staat.
Darum ist denn auch der Staat der Natur nach früher als die Familie und als der einzelne Mensch, weil das Ganze früher sein muss als der Teil. Hebt man das ganze menschliche Kompositum auf, so kann es keinen Fuß und keine Hand mehr geben, außer nur dem Namen nach, wie man etwa auch eine steinerne Hand Hand nennt; denn nach dem Tod ist sie nur mehr eine solche. Ein jedes Ding dankt nämlich die eigentümliche Bestimmtheit seiner Art den besonderen Verrichtungen und Vermögen, die es hat, und kann darum, wenn es nicht mehr die betreffende Beschaffenheit hat, auch nicht mehr als dasselbe Ding bezeichnet werden, es sei denn im Sinne bloßer Namensgleichheit.
Man sieht also, dass der Staat sowohl von Natur besteht wie auch früher ist als der Einzelne. Denn wenn sich der Einzelne in seiner Isolierung nicht selbst genügt, so muss er sich zum Staat ebenso verhalten wie andere Teile zu dem Ganzen, dem sie angehören.
Wer aber nicht in Gemeinschaft leben kann oder ihrer, weil er sich selbst genug ist, gar nicht bedarf, ist kein Glied des Staates und demnach entweder ein Tier oder ein Gott. Darum haben denn alle Menschen von Natur in sich den Trieb zu dieser Gemeinschaft, und der Mann, der sie zuerst errichtet hat, ist der Urheber der größten Güter. Denn wie der Mensch in seiner Vollendung das vornehmste Geschöpf ist, so ist er auch, des Gesetzes und Rechtes ledig, das schlechteste von allen. Die bewaffnete Ungerechtigkeit ist am ärgsten, und der Mensch tritt ausgestattet mit den Waffen seiner intellektuellen und moralischen Fähigkeiten ins Dasein, Waffen, die, wie sonst keine, so ganz entgegengesetzt gebraucht werden können. Deshalb ist er ohne Moralität das ruchloseste und roheste und in Bezug auf Geschlechts- und Gaumenlust das allergemeinste Geschöpf. Die Gerechtigkeit aber, der Inbegriff aller Moralität, ist ein staatliches Ding. Denn das Recht ist nichts anderes als die in der staatlichen Gemeinschaft herrschende Ordnung, und eben dieses Recht ist es auch, das über das Gerechte entscheidet.

1253b

Da also einleuchtend ist, aus welchen Teilen der Staat besteht, so müssen wir zuerst von der Hausverwaltung oder der Einrichtung und Leitung der Familie reden; denn jeder Staat besteht aus Familien. Teile der Familie aber sind die Elemente, aus denen wieder die Familie besteht. Die vollkommene Familie setzt sich aber aus Sklaven und Freien zusammen. Da nun jede Sache zuerst in ihren kleinsten Teilen untersucht werden muss und die kleinsten Teile der Familie Herr und Sklave, Mann und Frau, Vater und Kinder sind, so wären diese drei Verhältnisse in Betracht zu nehmen, und zu untersuchen, was jedes von ihnen seinem Wesen nach ist und wie es beschaffen sein muss.
Dies gibt denn die Lehre von dem Herrenrecht, von dem Eherecht – in unserer griechischen Sprache fehlt die eigentliche Bezeichnung für die Gemeinschaft zwischen Mann und Frau – und drittens von dem elterlichen Recht – auch hier fehlt uns Griechen ein eigenes Wort dafür. Jedenfalls wollen wir uns an diese drei Disziplinen halten. Einen Teil gibt es noch, der nach den einen die ganze Hausverwaltung ausmacht, nach den anderen wenigstens die Hauptsache bei ihr ist, und von dem wir ebenfalls werden zusehen müssen, wie es sich mit ihm verhält, wir meinen die sogenannte Erwerbskunde.
Zuerst wollen wir vom Herrn und Sklaven handeln, einmal, um uns die einschlägigen praktischen Forderungen zu Bewusstsein zu bringen, und dann auch, um zu sehen, ob sich nicht über dieses Verhältnis bessere theoretische Ansichten gewinnen lassen, als die jetzt gangbaren es sind. Die einen meinen nämlich, die Despotie oder die Ausübung der Gewalt des Herrn über den Sklaven sei eine Wissenschaft, und es bestehe kein wesentlicher Unterschied zwischen der Hausverwaltung, der Despotie und der Herrschaft über Staaten oder Königreiche, wie wir das ja schon anfänglich bemerkt haben; die anderen glauben, die Despotie widerstreite dem Naturrecht. Nur kraft positiven Gesetzes wäre ihnen zufolge der eine ein Sklave und der andere ein Freier, dagegen von Natur unterschieden sie sich durchaus nicht, und darum sei die Gewalt des Herrn über den Sklaven auch nicht rechtmäßig, sondern sie beruhe lediglich auf Zwang.
Da nun der Besitz ein Teil des Hauses und die Lehre vom Besitz ein Teil der Haushaltslehre ist – denn ohne das Notwendige kann man weder leben noch befriedigend leben –, und da, wie für die einzelnen Künste und Handwerke je eigene Werkzeuge vorhanden sein müssen, wenn ihre Leistung geraten soll, ebenso für den Haushalt Werkzeuge erforderlich sind; da ferner die Werkzeuge teils unbeseelt, teils beseelt sind, wie zum Beispiel für den Steuermann das Steuer ein unbeseeltes, der Untersteuermann ein beseeltes Werkzeug ist – denn jeder Gehilfe vertritt in Kunst und Handwerk die Stelle eines Werkzeugs –, nun, so ist auch ein einzelnes Besitzstück ein Werkzeug zum Leben und der gesamte Besitz eine Menge solcher Werkzeuge und der Sklave ein beseeltes Besitzstück und alles, was Gehilfe und Diener heißt, gleichsam ein Werkzeug vor allen anderen Werkzeugen. Denn freilich, wenn jedes Werkzeug auf erhaltene Weisung, oder gar die Befehle im Voraus erratend, seine Verrichtung wahrnehmen könnte, wie das die Statuen des Daidalus oder die Dreifüße des Hephaistus getan haben sollen, von denen der Dichter sagt, dass sie „von selbst zur Versammlung der Götter erschienen“; wenn so auch das Weberschiff von selbst webte und das Plektron der Kithara von selbst spielte, dann brauchten allerdings die Meister keine Gesellen und die Herren keine Knechte.

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Die eigentlich sogenannten Werkzeuge sind nun hervorbringende, machende Werkzeuge, das Besitzstück dagegen ist ein Werkzeug, das einfach und im weitesten Sinne etwas tut, das heißt einer Bestimmung dient. Denn von dem Weberschiff wird nicht bloß Gebrauch gemacht, sondern es wird auch durch dasselbe etwas hergestellt, von dem Kleid aber und dem Bett hat man nur den Gebrauch. Da nun ferner auch das Hervorbringen und das Tun der Art nach verschieden sind und zu beidem Werkzeuge gehören, so müssen diese Letzteren ebenso verschieden sein. Nun ist aber das Leben eine Tätigkeit, kein Hervorbringen, und darum denn auch der Sklave ein Diener in solchen Dingen, die sich auf die Tätigkeit beziehen.
Noch ist zu bemerken, dass man von einem Besitzstück in derselben Weise redet wie von einem Teil. Der Teil nämlich ist nicht bloß Teil eines anderen, sondern gehört überhaupt einem anderen, und dasselbe gilt von einem Besitzstück. Darum ist also der Herr nur Herr des Sklaven, aber er gehört nicht dem Sklaven; dagegen ist der Sklave nicht bloß Sklave seines Herrn, sondern er gehört überhaupt seinem Herrn.
Hieraus wird nun klar, welches die Natur und welches die Bedeutung eines Sklaven ist: Wer von Natur nicht sich selbst, sondern einem anderen gehört, aber ein Mensch ist, der ist ein Sklave von Natur. Einem anderen aber gehört ein Mensch, der, wenn auch Mensch, ein Besitzstück ist. Ein Besitzstück aber ist ein tätiges und getrennt für sich bestehendes Werkzeug.
Ob nun aber jemand von Natur ein Sklave ist oder nicht, und ob es gerecht und für den Betreffenden selbst besser ist, jemandes Sklave zu sein oder vielmehr alle Sklaverei dem Naturrecht widerstreitet, das ist hiernach zu untersuchen.
Es ist nicht schwer, die richtige Antwort auf diese Frage sowohl aus der Vernunft zu gewinnen wie aus der Erfahrung abzuleiten.
Das Herrschen und Dienen gehört nicht nur zu den notwendigen, sondern auch zu den nützlichen Dingen, und vieles ist gleich von seiner Entstehung an derart geschieden, dass das eine zum Herrschen, das andere zum Dienen bestimmt erscheint. Auch gibt es vielerlei Herrschende und Dienende, und immer ist die Herrschaft über bessere Dienende besser, besser zum Beispiel die Herrschaft über einen Menschen als über ein Tier. Denn die Leistung Besserer ist besser; nun handelt es sich aber da, wo das eine herrscht und das andere dient, bei beiden um eine bestimmte Leistung.
Doch um von Erfahrung und Nützlichkeitsgründen abzusehen, der Gegensatz von Herrschendem und Dienendem tritt überall auf, wo etwas aus mehreren Teilen besteht und eine Einheit bildet, seien die Teile nun kontinuierlich oder diskret. Und dieses Verhältnis von Ober- und Unterordnung findet sich bei den beseelten Wesen auf Grund ihrer ganzen Natur. Zwar gibt es auch beim Seelenlosen eine Art Herrschaft; so treffen wir zum Beispiel in der Musik die Dominante an, doch ist das ein Gedanke, der hier wohl mehr abseits liegt.
Was aber die sinnlich belebten Wesen betrifft, so bestehen sie zunächst aus Leib und Seele, von welchen beiden das eine naturgemäß herrscht, während das andere dient. Das Naturgemäße muss man aber an denjenigen Dingen ablesen, die sich in ihrem natürlichen Zustand befinden, nicht an denen, die verderbt sind. Demnach muss man auch einen Menschen, der sich nach Leib und Seele der besten Verfassung erfreut, betrachten, weil bei ihm das bezeichnete Verhältnis klar hervortritt. Denn bei Menschen, die schlecht sind oder schlechte Eigenschaften haben,

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sieht es oft aus, als ob der Leib über die Seele herrschte, weil sie sich eben in einem schlechten und unnatürlichen Zustand befinden.
Zuerst also nun, wie gesagt, lässt sich im sinnlich belebten Wesen gleichzeitig die Herrschaft des Herrn oder das despotische Regiment und jene Herrschaft im Staat, die wir als das politische Regiment bezeichnen können, beobachten. Die Seele führt über den Leib ein despotisches und der Verstand über das Strebevermögen ein politisches und königliches Regiment, wobei es zutage liegt, dass es für den Leib naturgemäß und nützlich ist, von der Seele und ebenso für das Subjekt der Gefühle vom Verstand und dem vernunftbegabten Teil beherrscht zu werden, wohingegen eine Gleichstellung oder umgekehrte Stellung allen Seelenteilen schädlich wäre.
Ebenso ist es wieder mit den Beziehungen zwischen dem Menschen und den anderen Sinnenwesen. Die zahmen sind von Natur besser als die wilden, und für sie alle ist es am besten, wenn sie vom Menschen beherrscht werden, weil sie so bewahrt und erhalten bleiben.
Endlich verhält sich Männliches und Weibliches von Natur so zueinander, dass das eine das Bessere, das andere das Schlechtere, und das eine das Herrschende und das andere das Dienende ist.
Ganz ebenso muss es nun mit dem gegenseitigen Verhältnis der Menschen überhaupt bestellt sein. Die so weit voneinander abstehen, wie die Seele vom Leib und der Mensch vom Tier – und das ist bei allen denen der Fall, deren Aufgabe im Gebrauch ihrer Leibeskräfte besteht und bei denen das die höchste Leistung ist –, die also sind Sklaven von Natur, und es ist ihnen bess...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. A. Einführung
  6. B. Aristoteles. Politik