Eine Welt auf sechzehn Saiten
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Eine Welt auf sechzehn Saiten

Gespräche mit dem Vogler Quartett

  1. 384 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Eine Welt auf sechzehn Saiten

Gespräche mit dem Vogler Quartett

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Es ist die Königsdisziplin der Kammermusik, und seit dreißig Jahren zählt das 1985 in Ost-Berlin gegründete Vogler Quartett zu den international renommiertesten Streichquartetten – in unveränderter Besetzung. Diese Gespräche mit Frank Schneider, dem langjährigen Intendanten des Berliner Konzerthauses, zeigen, wie ein gemeinsames Musikerleben über eine so lange Zeit die Spannung halten kann. Eine sehr persönliche Künstlerbiografie, mit Reflexionen zum musikalischen Selbstverständnis, kunstpolitischen Engagement und, natürlich, dem Alltag zu viert.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783937834962
image
Violine von Frank Reinecke, von Frank Rittwagen gebaut

DREI / Alltag und Abend

Aus der Instrumenten-Werkstatt

Wenn wir über die konkreten Aspekte Ihrer Arbeit sprechen, muss vor allem von den Instrumenten die Rede sein, die Sie benutzen. Wie viele stehen Ihnen denn eigentlich zur Verfügung?
FR: Jeder von uns hat mindestens zwei Instrumente. Das eine wird in der Regel ständig gebraucht, das andere dient im Notfall als Ersatz. Ich persönlich kann auf meinen beiden Geigen gut spielen. Es kann jedoch vorkommen, dass ein bisheriges Hauptinstrument nach einem Neukauf zum Ersatzinstrument wird, weil man dieses dem anderen gegenüber plötzlich bevorzugt. Das mag gerechtfertigt sein oder nicht, ein neues, frisches Instrument hat aber oft seinen Reiz, bietet andere Farben und kann inspirieren – wie man es aus dem Leben auch anderweitig kennt.
Sie spielen heute mehrheitlich auf modernen Instrumenten, die Ihr Eigentum sind. Aber als Sie anfingen, noch in ihrer Studienzeit, besaßen Sie alte Instrumente als wertvolle Leihgaben aus dem staatlichen Instrumenten-Fonds des DDR-Kulturministeriums. Wie ging das zu?
TV: Für begabte Studenten gab es in der DDR die Möglichkeit, nach einem positiven Votum des Lehrers und nach der Prüfung durch eine Kommission sich für jeweils zwei Jahre ein meist kostbares Instrument aus diesem Fonds auszuleihen. Es gab relativ viele alte italienische Instrumente, Geigen vor allem, einige Celli und nur ganz wenige Bratschen. Der vorübergehende Besitz – gefühlsmäßig gehörten einem die Instrumente, so lange man sie spielte – war kostenlos und konnte verlängert werden. Dieser Fonds ging in den Besitz der Bundesrepublik über und wird heute, unter ähnlich kulanten Nutzungsbedingungen, für begabten Nachwuchs von der Stiftung Musikleben in Hamburg verwaltet.
SFE: Bratschen gab es im Fonds des Kulturministeriums fast gar nicht. Deshalb lag für uns Bratscher der Schwerpunkt nicht so sehr auf alten, sondern auf neuen Instrumenten, zumal es in der DDR einige bekannte Geigenbauer gab, die auch sehr anständige Bratschen herstellen konnten. Der Mangel an guten alten Bratschen ist bis heute akut – deshalb werden auf dem Markt echte und wirklich gute alte Violen sogar zu noch astronomischeren Preisen gehandelt als Geigen oder Celli. Im Übrigen haben sich viele alte, in der DDR bekannte Instrumente als unecht herausgestellt, weil eine fachgerechte Expertise innerhalb des abgeschotteten Marktes der DDR nicht wirklich erwünscht und letztlich, aufgrund von fehlenden Vergleichsmöglichkeiten, auch gar nicht zu bekommen war. Die Gefahr, dass man kostbare Instrumente in den Westen verschieben könnte, war viel zu hoch. Nicht wenige Orchestermusiker spielten also berühmte Instrumente, die sich später als Fälschungen erwiesen haben. Trotzdem waren es zum großen Teil schöne Instrumente mit klanglichem Wohllaut.
Aber Ihre Instrumente, mit denen Sie nach Evian gereist sind, waren wohl echt.
TV: Ich hatte in dieser Zeit eine privat geborgte Geige, sie war von einem Geigenbauer aus der Gagliano-Familie.
FR: … ich eine Geige aus dem Fundus des Kulturministeriums, damals wurde sie als Guadagnini geführt; ob das auch heute noch ihr offizielles Label ist, weiß ich nicht. Sie war fast schwarz, Antje Weithaas hat sie vor mir gespielt und ihre ersten großen Erfolge mit ihr erzielt.
SFE: … und ich eine relativ neue Bratsche vom Geigenbaumeister Joachim Schade aus Halle, die mir mein Lehrer zur Verfügung gestellt hat.
SFO: Ich hatte damals ebenfalls ein Cello aus der Staatskollektion, man sagte, es wäre von Gagliano gebaut. Ob das stimmt? Keine Ahnung.
Haben Sie sich die Instrumente aus der Staatskollektion selber aussuchen können?
FR: Nein, so war es nicht. Die Lehrer und eine Jury befanden über unsere Eignung, sie wussten, welche Instrumente frei waren und wer am dringendsten, vielleicht auch für einen Wettbewerb, ein gutes Instrument brauchte, und entschieden dann entsprechend ihrer fachlichen Einsicht.
SFO: Diese Jury bestand aus Hochschulprofessoren der DDR. Sie traf sich zweimal im Jahr in Leipzig, und dort spielte man dann vor. Es wurde meistens gleichzeitig über die Eignung für Wettbewerbe und die Vergabe der Instrumente entschieden.
Wie verhält es sich mit der Passfähigkeit eines solchen geborgten Instruments in Bezug auf das eigene persönliche Profil? Ich stelle mir vor, dass das Zueinanderkommen der ehelichen Intimität ähnelt, hat man doch unter Umständen sein Instrument andauernd, vielleicht auf Jahre, unmittelbar am Körper – um nicht bei Geigen und Bratschen zu sagen: am Halse. Um das Gleichnis zu beenden: Waltet in dieser Beziehung die von dritten gestiftete, ältere Vernunft-Ehe oder muss es die moderne Liebesheirat sein, um mit einem Instrument glücklich zu werden? Es kann ja nur eine Seite gefragt werden, obwohl Musiker gelegentlich durchaus die Meinung vertreten, dass auch Instrumente eine Seele haben.
TV: Für fast jeden ist es ein langer Weg, ein Instrument zu finden, mit dem er dauerhaft gut zurechtkommt. Am Anfang und für lange Zeit geht es erst einmal darum, herauszufinden, welche Art von Instrument man überhaupt braucht. Das ist ein ganz, ganz schwieriger Prozess. Eine der wichtigsten Fragen, die dabei zu beantworten ist, lautet: alt oder neu. Die alten italienischen Geigen, zumindest die besten davon, sind heutzutage preislich außerhalb der Reichweite der allermeisten Musiker. Allein die jährlichen Versicherungssummen sind aufgrund der stark gestiegenen Marktpreise exorbitant hoch. Keiner von uns hat ein altes Instrument der wirklichen Topliga länger gespielt, sie waren für uns finanziell unerschwinglich.
Und wohl auch für den Staatsfonds der DDR?
TV: Ja, angesichts der chronischen Devisen-Knappheit des Staates blieb dies wohl eher das Privileg großer westlicher Banken oder Stiftungen. Wir persönlich haben es nach der Wende vielleicht versäumt, in dem stetig wachsenden Markt so geschickt mitzuschwimmen, dass wir uns langsam, durch gezielte Käufe und Verkäufe, hätten nach oben arbeiten können, wie manche das machten und erstaunlicherweise auch schafften. Gleichzeitig aber beobachteten wir mit Interesse und stetig abnehmender Skepsis, wie sich ein neuer Trend langsam entwickelte. Bekannte Musiker begannen, von alten auf neue Instrumente umzusteigen, weil sie den ganzen Wahnsinn mit den galoppierenden Preisen einfach nicht mehr mitmachen wollten. Der bekannteste von ihnen ist in Deutschland der Geiger Christian Tetzlaff, der diese teuren Geigen nicht mehr spielen wollte und mit großer Werbewirkung von diversen Stradivaris und Guadagninis auf eine Geige von Greiner umgestiegen ist.
Gemeint ist jener Stefan-Peter Greiner, der in seiner Bonner Werkstatt, zusammen mit dem Physiker Heinrich Dünnwald, Instrumente baut, die besonders auf Kantabilität Wert legen und den alten Guarneris und Stradivaris durchaus nahekommen sollen.
TV: Das stimmt, der Siegeszug der Geigen von Greiner unter populären Musikern ist inzwischen legendär. Mittlerweile spielen zahlreiche Geiger, Bratscher und Cellisten neue Instrumente. Unter denen, die eigentlich schon immer ein neues Instrument bevorzugen, ist Tabea Zimmermann an erster Stelle zu nennen, obwohl sie bestimmt die Möglichkeit gehabt hätte, ein tolles altes Instrument zu spielen. Bei uns im Quartett spielt Stefan seit jeher eine neue Bratsche; und irgendwann ist auch Frank, der vorher ein sehr gutes italienisches Instrument hatte, auf eine noch bessere neue Geige umgestiegen. Der letzte Umsteiger von uns drei hohen Stimmen im Quartett war ich; ein Wechsel fiel mir psychologisch besonders schwer, weil ich für viele Jahre eine sehr gute, alte, privat geliehene Guadagnini spielen durfte. Im Jahre 2005 kaufte ich, spontan und fast zufällig, eine neue Geige, die mir sofort gefiel. Ich probierte sie aus und merkte, dass sie Qualitäten besaß, die viele alte Instrumente so nicht aufweisen. Ich spielte aber vorerst weiterhin auf der Guadagnini, bis ich einige Jahre später den Mut fand, die neue Geige, gebaut übrigens von Frank Rittwagen, im Konzert auszuprobieren. Das Ergebnis hat mich so überzeugt, dass ich seitdem ausschließlich auf dieser Geige spiele.
Woher kommt eigentlich dieser besondere Nimbus der alten Instrumente?
SFO: Der Nimbus ist in der Tat ungebrochen, und er kommt natürlich daher, dass ein altes Instrument schon von sich aus eine stark ausgeprägte Persönlichkeit, einen ganz bestimmten Klangcharakter mitbringt.
FR: Ein neues Instrument hat aber ebenso einen ganz spezifischen Klangcharakter.
SFO: Gut, ich habe hierfür keinen wissenschaftlichen Beweis, und vielleicht gibt es mehrere Wahrheiten. Ich habe ein altes und ein neues Cello, und für mich persönlich ist es so, dass ich bei meinem alten Instrument stark auf das reagiere, was es mir bietet. Bei dem neuen Cello suche ich eher gezielt das, was ich hören will, muss also viel aktiver agieren.
Demnach wäre es nicht unbedingt so, dass alte Instrumente der berühmten Werkstätten neben ihrem Ruf wirklich definierbare, objektive klangliche Vorzüge bieten? Und dass man wahrscheinlich eine Menge an Vorurteilen in Bezug auf Alt-Neu, die so kursieren, eigentlich korrigieren muss.
FR: Absolut. Modernere Geigen können unter Umständen sogar flexibler, leichter handhabbar für die verschiedenen Epochen-Stile sein, die sie ja auch, angesichts eines breit gefächerten Repertoires, musikgeschichtlich exakt treffen wollen. Vorurteile sind insbesondere noch immer bei jungen Musikern verbreitet, die ihren Weg erst suchen. Da wird dann gern gesagt: »Neue Instrumente, Hände weg davon, ich spiele oder kaufe lieber das, was sich schon bewährt hat, selbst wenn es deutlich mehr kosten sollte«. Da sind viele Märchen dabei, die einfach gern gehört werden. Diese Einstellung kann lebenden Geigenbauern das Leben ganz schön schwer machen.
TV: Es gab vor gar nicht langer Zeit einen Test, über den in den großen Zeitungen berichtet wurde. Da wurden 6 Stradivaris gegen 6 neue Geigen ausgespielt, und die Stradivaris haben dabei keineswegs die vorderen Plätze belegt. Trotzdem – die besten alten Instrumente, wenn die Größe, die Wölbung, der Zustand und anderes mehr stimmen, sind von bestimmten Qualitäten her, etwa Tragfähigkeit, Klangfarbenreichtum oder in der Komplexität des Klangs, eigentlich unschlagbar. Aber die neuen Geigenbauer haben sehr stark aufgeholt. Einige sind so gut, dass man heute auch für außerordentlich professionelle Aufgaben mit bestem Gewissen eine neue Geige kaufen und spielen kann.
SFE: Vielleicht lässt sich zusammenfassend feststellen, dass jedes Instrument, egal ob alt oder neu, einen bestimmten Charakter hat. Er ist vorhanden, man sollte ihn aufspüren, nutzen und für sich selbst entscheiden, ob er zu einem passt oder nicht. Es gibt alte Instrumente, die, wenn sie in 350 Jahren durchweg gut gepflegt wurden, wirklich so etwas wie eine Seele haben – das ist eben angeklungen. Diese Seele hat ein neues Instrument nicht unbedingt von Anfang an, danach muss man durchaus erst suchen. Viele alte Instrumente bringen eine ganz eigene Aura mit, obwohl sie viel gespielt, oft repariert und manchmal vielleicht ein wenig müde geworden sind, weil auch Holz dem Altern nicht ewig widersteht.
Kann das nicht auch eine Täuschung sein, weil sich mit gleichem Recht feststellen lässt, dass sich ein solcher Charakter bestenfalls erst durch das Zusammenspiel von Mensch und Maschine zeigen kann und nur eine Projektion von menschlichen Wünschen und Erwartungen auf ein Instrument darstellt.
SFE: Ich kann ein Instrument nicht ändern. Ein neues Instrument, das einen fokussierten, lauten, starken Klang hat, lässt sich nicht zu einem weichen, lyrischen, kantablen bekehren.
TV: Das ist so eine Frage. Ich erinnere mich daran, was der Kollege Gerhard Schulz, langjähriger 2. Geiger des Alban Berg Quartetts, anlässlich eines gemeinsamen Geigenausspieltreffs erzählt hat. Wenn Günter Pichler, der Primarius dieses Quartetts, ein paar Wochen lang auf einer Geige spielt, klingt sie danach tendenziell heller und hat einen eher obertonreichen, zuweilen etwas scharfen Ton, den ein 1. Geiger auch braucht, um seine führende Stimme durchsetzungsfähig zu spielen. Wenn dagegen Gerhard selbst – mit seiner ganz anderen physischen Statur – ebenso lange auf der gleichen Geige spielt, dann klingt sie meist dunkler und weicher als zuvor. Die Spielart hat wohl doch einen prägenden Einfluss auf den Klang und die klangliche Entwicklung eines Instrument...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhalt
  4. Vorwort
  5. Eins / Durch die Zeiten
  6. Zwei / Profil und Programm
  7. Drei / Alltag und Abend
  8. Vier / Monologe – Selbstporträts
  9. Anhang
  10. Impressum