Die Unsichtbaren
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Die Unsichtbaren

  1. 228 Seiten
  2. German
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  4. Über iOS und Android verfügbar
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Über dieses Buch

Protagonist des Romans »Die Unsichtbaren« ist ein Basismilitanter der Generation von 1977, der »Autonomia«, die das Land in ein riesiges Laboratorium neuer Lebensentwürfe verwandelte. Es war eine Zeit nicht enden wollender Massendemonstrationen, der Hausbesetzungen, linken Kulturzentren und freien Radios. Mit beispielloser Kreativität und Radikalität forderte eine Bewegung von Jugendlichen die herrschende Kultur und das Bürgertum heraus und artikulierte ihre Ablehnung in Fabriken, Schulen und Stadtvierteln lustvoll und zugleich militant.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783862416127

Die Unsichtbaren

Aus dem Italienischen von Renate Heimbucher-Bengs

Erster Teil

1

das Kellergeschoss ist ein Gewirr von Gängen erhellt alle zwanzig dreißig Meter von staubigen Neonröhren die an langen brüchigen Kabeln von der nackten Zementdecke hängen die tiefe Risse durchziehen so lang dass ihr Ende nicht zu sehen ist und stellenweise senkt sie sich bläht sich herab wie unter einem ungeheuren Gewicht das von oben auf ihr lastet sie ein- und niederdrückt alle vier fünf Meter stützen sie dicke Balken das Holz ist morsch und modrig der Boden überzogen von einem dünnen Film fauligen Wassers ein widerlich süßer Aasgeruch mischt sich in den Modergeruch da und dort an einer Abzweigung oder einer Kreuzung zweier Gänge kleine Sand- oder Zementhaufen nass und breit getreten liegen gebliebene Schaufeln und anderes rostiges Werkzeug die Luft ist feucht und aus dem Mund kommen kleine Dampfwölkchen wenn man die ekelhafte Luft atmet
das unregelmäßige Getrappel des stummen kleinen Zugs vermischt sich mit dem einförmigen Kettengerassel tönt hohl wenn es über die nassen Holzstege geht die Schatten verlängern sich hinter den Füßen wenn sie sich den neonbeleuchteten Stellen nähern verschwinden und erscheinen gleich darauf vorne wieder werden länger die Schritte tasten sich vorwärts man passt auf wohin man den Fuß setzt und auf die Ketten um nicht zu stark nach vorn oder hinten zu zerren und möglichst immer den gleichen Abstand zum Vordermann oder Hintermann zu halten und achtet darauf mit der rechten Schulter die glitschig nasse Wand nicht zu streifen und links den waagrecht vorgestreckten MP-Läufen auszuweichen während der kleine Trupp mehrmals nach rechts und links und links und rechts abbiegt bis er völlig die Orientierung verloren hat
dann steigen wir eine beklemmend enge halbdunkle Treppe hinauf mit langen Rampen hohen unbequemen Stufen Gezerre an den Ketten das an den Handgelenken schmerzt und am Ende der letzten Treppe das Licht einer kleinen Tür und wir schlüpfen hinaus oben an einer Treppe zu einem riesigen hell erleuchteten Saal voller Leute die sich da unten bewegen plötzlich spüre ich am Bein eine Schnauze die drohend knurrt schwarze weit geöffnete Pupillen große vorstehende Augen zwei lange weiße Zähne verzerrte aufgestülpte rote Lefzen ein gewaltiger großer Hund das schwarzglänzende Fell am lauernd gekrümmten Rücken gesträubt die aufgestellten Ohren unablässig bebend der Carabiniere der ihn an der Leine hält zeigt keine Regung in seinem kugelsicheren Antiterrorismus-Schutzanzug neuesten Stils
von der Stelle wo wir sind führt die Treppe steil hinab bis unten in den Saal und von dort ragen ringsum dicke zylindrische metallicgrau gestrichene Eisenstangen auf bis zur Decke der riesige Käfig ist voller Carabinieri in kugelsicheren metallicgrauen Schutzanzügen oben unten an beiden Seiten mit weiteren großen schwarzen nervös knurrenden Hunden einem nach dem anderen nehmen die Carabinieri uns die Ketten ab lösen die Handschellen von den roten schmerzenden Handgelenken das grelle Blitzlichtfeuer der Fotografen schlägt uns ins Gesicht Hunde nein Schakale auch sie verrenken sich bücken sich recken sich auf Zehenspitzen ein hektisches Ballett heben die Arme strecken sie noch höher mit den Jackenärmeln die zu den Ellenbogen hochrutschen und noch höher
wir reiben uns die roten Handgelenke stecken uns Zigaretten an gehen ein bisschen die Treppe rauf und runter winken dem einen oder anderen Angehörigen setzen uns zu zweit oder zu dritt nebeneinander und wechseln ein paar leise Sätze die Fotografen drunten beugen die Knie schnellen mit dem Rumpf nach links und nach rechts wie Schlangenmenschen im Zirkus neigen sich vor zu den Bestien im Käfig versuchen den Kopf durch die Gitterstäbe zu zwängen und die langen Objektive zwischen den Armen und Beinen der Carabinieri durchzuschieben die eine reglose Mauer bilden lassen mit fahrigen Fingern die Kameras auf und nieder tanzen und knipsen schießen grelle Blitze auf die Gesichter im Käfig und dann flammt in einer Ecke ein noch grelleres Licht auf und es beginnt das Surren der Fernsehkameras
ich setze mich auf die oberste Treppenstufe und drunten sehe ich die Anwälte mit den lässig um die Schultern geworfenen schwarzen Roben wie sie ruhig miteinander plaudern in kleinen Grüppchen hinter den abgewetzten Holztischen auf der rechten Seite sitzt parallel zum Käfig aufgereiht das Gericht mit dem finsteren und nachdenklichen Vorsitzenden in der Mitte die hohe Rückenlehne überragt ein ganzes Stück seinen Kopf daneben der Beisitzer hingefläzt auf einem zweiten Stuhl mit hoher Lehne und rechts und links die Geschworenen Männer und Frauen die Gesichter fast alle hinter großen dunklen Brillen verborgen die grünweißroten Schärpen schräg über den mattfarbenen Pullis bauschigen Blusen mit gestärkten Krägen Anzügen in unterschiedlichen Grautönen grünlichen bläulichen oder gelblichen Krawatten und hinten rechts ein wenig abseits das Podium der Staatsanwaltschaft
über den Köpfen der Richter bilden Millionen von Steinchen ein riesiges angestaubtes und verblichenes Mosaik das bis zur Decke reicht und eine wirre Szene darstellt eine wütende Schlacht zur Linken die bösen Mächte verkörpert durch eigentümlich gekrümmte ineinander verschlungene unheimliche Gestalten vorwiegend in Grün und Violett und zur Rechten die guten Mächte engelhaft ätherisch harmonisch in lichtem Blau in der Mitte stoßen sie aufeinander in einer wütenden Schlacht doch die Mächte des Bösen sind schon klar besiegt und treten den Rückzug an verfolgt von den unerbittlichen Mächten des Guten darunter prangt in einem vergoldeten Oval die imposante Gestalt der Justitia mit verbundenen Augen in einer Hand das Schwert in der anderen die Waage und noch weiter unten in erhabenen Lettern die Aufschrift vor dem Gesetz sind alle gleich
links hinter der Polizeisperre sind die Holzschranken hinter den Schranken sind die Plätze für das Publikum aber Publikum ist keines da der Zuhörerraum ist so gut wie leer bis auf einige Familienangehörige Mutter Vater Schwester Bruder Kusine Onkel Schwägerin kein Freund kein Genosse weil alle Angst haben weil das Gerichtsgebäude sich von außen wie ein Kriegsschauplatz präsentiert Sperrgitter und Stacheldraht Polizeikordons und Carabinieri eine Absperrung hinter der anderen und Panzerfahrzeuge an den strategisch wichtigen Punkten während andere Panzerfahrzeuge unentwegt das Gerichtsgebäude umkreisen und am Eingang dann Hunde und Metalldetektoren und Leibesvisitationen Verhöre Karteien Drohungen Warnungen Unterstellungen und all das
die kleine Tür hinter uns öffnet sich erneut und inmitten eines weiteren Polizeitrupps erscheinen oben an der Treppe die Frauen auch sie in Ketten und Handschellen wir springen alle auf und laufen auf sie zu der Käfig füllt sich mit Begrüßungsrufen Lächeln verschiedenen Parfüms alle haben sie kunterbunte Klamotten an lange Röcke bunte Blusen bunte Halstücher Ringe an den Fingern Halsketten Kettchen Broschen Armbänder Klimperreifen an den Handgelenken große bizarre Ohrringe und Haarspangen das Durcheinander macht die Carabinieri nervös sie brüllen Befehle die Hunde knurren drohend und wieder bricht das Blitzlichtgewitter der Fotografen los die Journalisten kritzeln hektisch in ihren Notizbüchern die wenigen Angehörigen schwenken die Arme rufen Begrüßungen über die Sperre und die Antwort sind weitere Zurufe und Grüße
die Carabinieri nehmen einer nach der anderen die Ketten ab und lösen die Handschellen die Mädchen laufen auf uns zu wir laufen auf sie zu auf der Treppe und wir vermischen verflechten umschlingen uns zu einem Mosaik von Umarmungen Liebkosungen Küssen Stimmen das Einzige was uns jetzt interessiert ist miteinander reden zu können über so vieles reden über alles reden endlich reden reden so lange wie möglich und uns anfassen spüren zu können Männer und Frauen alles um uns herum verschwindet der Gerichtssaal die Carabinieri die Fotografen die Hunde die Richter alles jenseits des Gitters ist uns fern existiert nicht Geschenke gehen hin und her Amulette Krimskrams alles was man bis hierher in den Käfig mitnehmen konnte wir tauschen sogar die Kleider Hemden Pullover Halstücher Schals
Klingeltöne die vom Richtertisch kommen und der Vorsitzende beginnt mürrisch die lange Liste der Anklagevorwürfe zu verlesen dieser und jener angeklagt und so weiter und so weiter dies und das begangen zu haben dieser und jener angeklagt dies und das begangen zu haben und so weiter und so fort in Tateinheit mit alles hastig runtergeleiert mit eintöniger Stimme dieser und jener angeklagt dies und das begangen zu haben und Pipapo er nuschelt verschluckt in der Eile die Wörter und dies und das und bewaffnete Bande kriminelle Vereinigung und Pipapo man kann ihm gar nicht folgen hastig schließt er und dann kommen die Präliminarien und die Anwälte erheben ohne jede Überzeugung rein formell die üblichen nutzlosen Einwendungen und so wird die Sitzung unterbrochen das Gericht zieht sich zurück um über die Einwendungen der Verteidigung zu entscheiden wenige Minuten und schon sind sie zurück und erneutes Klingeln um zu verkünden dass die Einwendungen der Verteidiger natürlich alle abgelehnt sind und wieder Klingeln und die Verhandlung wird eröffnet der Vorsitzende Richter erklärt die Verhandlung für eröffnet

2

der vereinbarte Tag war gekommen und in aller Frühe bevor die Schultore öffnen hatten wir ein großes Plakat angeklebt das die Versammlung ankündigte und alle aufforderte an der Versammlung teilzunehmen wir nehmen ohne zu fragen stand groß darauf und Gelso hatte noch druntergeschrieben und zwar alles was wir brauchen Rektor Mastino kommt wie immer als Erster und liest das Plakat bläst die Backen auf und blickt uns grimmig an fixiert uns einen nach dem andern als wolle er sagen ich nehme es zur Kenntnis aber wartet nur ich werd’s euch geben dann kommen die Lehrer lesen kommentarlos schauen uns nur an wie lauter Verrückte ein paar Minuten später kommt ein Trupp Schuldiener heraus denen hatte Mastino befohlen die Plakate zu zerreißen
der mutigste Schuldiener der zugleich auch der dümmste war hebt einen Arm um das Plakat abzureißen aber Cocco stellt sich wütend vor ihn mit erhobenen Armen in seinem langen schwarzen Mantel mit purpurrotem Futter und lässt einen Schrei los der Pedell hält erschrocken inne und derweil kommen auch wir näher die Schuldiener wissen nicht was tun schauen zu Mastino hinauf der sie vom Fenster des Rektorats aus beobachtet doch am Ende beschließen sie wieder reinzugehen weil ihnen klar ist dass es eine Schlägerei gibt wenn sie weitermachen die ersten Schüler die eintrudeln haben die Szene gesehen beginnen mit uns zu diskutieren und gehen nicht rein und nach und nach wird die Gruppe größer Mastino hält es für angebracht persönlich einzugreifen und tritt in die Vorhalle hinaus um zu zeigen dass er auch da ist und fängt an auf und ab zu gehen
mir kam er vor wie der Fabrikherr der vor der Fabrik auf und ab spaziert in diesen Geschichten die ich über die ersten Arbeiterkämpfe die ersten Streiks gelesen hatte die gleiche Einschüchterungsmethode und wirklich kriegen die Schüler Angst der eine oder andere sagt er will reingehen tausend Ausreden fallen ihnen ein obwohl wir uns jede Mühe geben ihnen klarzumachen dass wenn wir alle draußen bleiben Mastino uns nichts anhaben kann alle kann er uns nicht feuern aber da ist zu viel Unschlüssigkeit und zu viel Angst und ein erstes Grüppchen geht mit gesenkten Köpfen hinein und das ist wie ein allgemeines Signal auch die anderen stürzen hinein und innerhalb von Minuten sind fast alle drinnen nur an die zwanzig bleiben draußen und wir sechs und auch Mastino geht wieder rein und grinst zufrieden
wir machen lange Gesichter Malva ist ganz fertig aber Cocco lässt nicht locker gehen wir rein und machen sie trotzdem mit denen die da sind sagt er wir müssen sie trotzdem machen jetzt haben wir ohnehin nichts mehr zu verlieren ruft er und so überreden wir die anderen die Versammlung trotzdem zu machen wir gehen alle zusammen hinein und setzen uns in ein leeres Klassenzimmer im Erdgeschoss eine Minute sind wir drin und haben noch kein Wort gesagt da kommt Mastino und brüllt was wollt ihr hier du da und du und du ihr seid alle relegiert hinauf mit euch ins Rektorat einer nach dem anderen und dann geht er wieder und lässt die Tür offen Scilla gibt der Tür einen Tritt und verbarrikadiert sie wir schieben zwei Bänke davor verharren einen Augenblick stumm wir müssen was tun blicken uns in die Augen aber wissen nicht was tun kommen uns vor wie in der Falle
dann ein Geistesblitz und ich habe die Seite aus einer Broschüre vor Augen die ich diesen Sommer gelesen hatte über die Kampfformen in den Fabriken und all das Zeug ich habe die Seite genau vor Augen mit der fett gedruckten Überschrift Demonstrationszug durch die Fabrik und ich sage Demo durch die Fabrik einen Demonstrationszug durch die Schule müssen wir machen was sagen die andern dazu ja eine Demo in der Schule wir gehen in alle Klassen und holen alle raus probieren wir es wenigstens wir fangen bei der ersten an und machen sie alle durch alle sind einverstanden wir gehen auf den Gang hinaus und machen einen kleinen Demonstrationszug und kommen vor das erste Klassenzimmer der Unterricht hat schon begonnen wir platzen hinein treten alle schweigend ins Klassenzimmer der Lehrer ein notorischer Liebediener von Mastino kriegt einen Mordsschreck und tut keinen Muckser sämtliche Schüler drehen sich zur Tür
Valeriana ist resolut wenn sie spricht selbstsicher nervös aber bestimmt sie hat eine laute Stimme und spricht klar und deutlich der Rektor hat uns alle relegiert sagt sie weil wir ohne seine Genehmigung eine Versammlung machen wollten alle haben es gewusst ihr habt es auch alle gewusst dass wir vorhatten diese Versammlung zu machen schon seit zwei Wochen diskutieren wir darüber heute seid ihr aus Angst reingegangen aber wenn ihr heute Angst habt dann habt ihr morgen auch Angst und immer und wir werden nie selber über unsere Angelegenheiten entscheiden können also müsst ihr jetzt gleich was tun wir müssen die Versammlung jetzt gleich machen wir alle um zu zeigen dass wir in dieser Schule keine Sklaven sind wir müssen sie machen um das zu machen was in allen anderen Schulen auch gemacht wird um zu zeigen dass wir selber entscheiden denn es ist unsere Schule und nicht die von Mastino
Cocco und Scilla blicken den Lehrer drohend an wie um zu sagen wage nicht den Mund aufzumachen und der bleibt wirklich ganz still stehen an einigen Tischen steht jemand auf und es kommen die ersten Kommentare jawohl gehen wir raus alle raus ja machen wir die Runde durch alle Klassen vom anderen Ende des Korridors kommt Mastino und sieht den Demonstrationszug vor sich fängt an zu brüllen aber jetzt kann er keinem mehr Angst machen Cocco bleibt vor ihm stehen und schreit ihm ins Gesicht Versammlung Versammlung Mastino brüllt weiter rot vor Zorn und droht allen mit Rausschmiss und brüllt wir sollen in die Klassen zurück aber der Demonstrationszug platzt schon in die nächste Klasse hinein die Methode besteht darin alle gleichzeitig ins Klassenzimmer zu stürzen
Valeriana hat ihre Rede erst zur Hälfte gehalten und schon sind alle aufgesprungen um rauszugehen wir brauchen gar nichts mehr zu sagen sie haben schon alles kapiert der ganze Radau lockt auch alle aus den anderen Klassen an der Demonstrationszug wächst das Erdgeschoss ist wie leergefegt wir steigen die Treppen zum ersten Stock hoch und gehen in die erstbeste Klasse rein jetzt sind es schon so viele Leute dass nicht alle Platz finden und auch hier kommen alle Schüler sofort heraus die von draußen reindrängen stoßen mit denen zusammen die von drinnen rausdrängen wir gehen gar nicht mehr in die anderen Klassenzimmer die Schüler kommen überall von selbst heraus auch im zweiten Stock wir sehen wie sie sich übers Geländer beugen wir brüllen alle raus und gehen die Treppen hoch bis in den zweiten Stock und als wir oben im Gang ankommen sind schon alle aus den Klassenzimmern draußen und schließen sich der Demo an
der Zug steht oben auf der Treppe alle drängen hinauf nehmen die ganze Treppe ein man hört Mastino der unten irgendwas brüllt aber man versteht ihn nicht hört nicht was er sagt es herrscht ein unglaubliches Durcheinander dann beugen wir uns runter und sehen Mastino drunten im Erdgeschoss mitten im Treppenhaus er rauft sich die Haare und macht ein verzweifeltes Gesicht man hört nur wie er brüllt die Treppe die Treppe von oben fliegen Papierkügelchen und landen unten an Mastinos Kopf dann fliegen vom ersten und vom zweiten Stock Kugelschreiber Radiergummis Bleistifte bald auch Hefte und Bücher hinab alle werfen irgendwas runter auf Mastino der da unten steht ganz allein im Treppenhaus er versucht sich nicht mal zu schützen hat die Hände in den Haaren aber nicht um sich zu schützen und brüllt immer noch die Treppe die Treppe
von den Lehrern ist nichts zu sehen die Schuldiener sind verschwunden ein paar Lehrer haben sich in die leeren Klassenräume geflüchtet und sich eingeschlossen eine nach der anderen gehen die Fensterscheiben der Klassenzimmer zu Bruch und man sieht die Lehrer entsetzt dastehen mit dem Rücken an der Wand drunten lässt Mastino einen letzten verzweifelten Schrei los mit dem er sich endlich vernehmlich machen kann die Treppe stürzt ein brüllt er das Geschrei wird leiser aber nicht wegen dem was Mastino gesagt hat sondern weil die Leute sich schon ziemlich abreagiert haben Gelso sieht mich durch seine kleine runde Brille an und fragt was für einen Scheiß brüllt denn dieses Arschloch und Cocco sagt der blufft doch nur dort unten der weiß nicht mehr was er tun soll Mastino hebt die Arme und ruft flehentlich Kinder Kinder hört auf die Treppe hält das nicht aus dieses ganze Gewicht beruhigt euch und kommt runter aber der Reihe nach ordentlich ohne zu rennen ganz ruhig
was denn der Reihe nach hört euch das an der kann es nicht lassen rumzukommandieren ruft Cocco du nimmst jetzt alle deine Drohungen zurück alles nimmst du zurück hier vor allen keiner fliegt raus und Versammlungen wann wir wollen man hört tosendes Gebrüll alle schreien Versammlung Versammlung Mastino dort unten breitet die Arme aus und lässt sie wieder sinken und als er zu Wort kommt sagt er schwer atmend ja ja alles was ihr wollt aber kommt sofort runter ich flehe euch an ich sage es zu eurem Besten kommt runter geht langsam runter nicht rennen ich bitte euch niemand wird relegiert ihr dürft eure Versammlungen machen aber kommt bitte runter alle brüllen Sieg Sieg aber keiner geht runter keiner glaubt das Märchen von der einstürzenden Treppe keiner denkt auch nur einen Augenblick daran
Gelso putzt zufrieden seine Brille Malva und ich fallen uns glücklich in die Arme und immer noch hört man Cocco mit heiserer Stimme brüllen jetzt ist es dir wohl vergangen dich aufzuspielen was dann fügt er hinzu du bist entlassen Mastino für immer komm ins Rektorat wenn wir dich rufen man hört die Stimme von Valeriana wir gehen jetzt besser in den Hof runter sagt sie um die Versammlung zu machen nur dort haben wir alle Platz und alle rufen einverstanden alle rufen Versammlung Versammlung im Hof im Hof und fangen an runterzugehen und statt der Reihe nach runterzugehen wie Mastino es wollte rennen sie alle runter noch dazu hüpfend und laut trampelnd um ihn zu ärgern und schieben und drängen Mastino steht immer noch reglos da mit erhobenen Armen den Kopf hochgereckt und brüllt nicht doch nicht doch langsam langsam und wie es dann ausging wissen ja alle

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in der Stadt haben die Jugendgruppen ein Fest auf dem Domplatz organisiert China und ich fahren allein im Zug hin wir kommen zu früh zur Verabredung mit den Freunden es sind schon massenhaft Leute da großes Polizeiaufgebot ringsherum werden Parolen an die Mauern und auf den Boden geschrieben Wir haben ein Recht auf Freiraum oder Mehr Lust statt Frust oder Holen wir uns das Leben zurück die Bullen beginnen Druck zu machen wollen uns vertreiben es gibt ein paar Keilereien Tränengaspatronen gehen los die keinem Angst machen aber dann schaffen sie es sich einen Genossen zu schnappen und ein bisschen auf ihn einzuknüppeln wir ziehen vom Platz ab aber in den Straßen ringsum fangen wir an Pflastersteine rauszureißen und uns damit die Taschen zu füllen am Treffpunkt kommen mittlerweile große Gruppen an vor allem aus den Ghetto-Vierteln der Außenbezirke
wir versuchen Ketten zu bilden und es kommt e...

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