Friedenskonzepte im Wandel
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Friedenskonzepte im Wandel

Analyse der Vergabe des Friedensnobelpreises von 1901 bis 2016

  1. 300 Seiten
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Friedenskonzepte im Wandel

Analyse der Vergabe des Friedensnobelpreises von 1901 bis 2016

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Über dieses Buch

Die Publikation "Friedenskonzepte im Wandel. Analyse der Vergabe des Friedensnobelpreises von 1901 bis 2016" untersucht die Entwicklung der Vergabe des Friedensnobelpreises seit Beginn und fragt nach den jeweiligen zugrunde liegenden Friedenskonzepten des Nobelkomitees bei seiner jährlichen Entscheidung. Neben der systematischen Analyse aller Preisverleihungen wird in zwölf repräsentativen Fallstudien im Detail auf die entsprechenden wissenschaftlichen sowie geopolitischen Kontexte der Friedenskonzepte bzw. der Friedensarbeit der PreisträgerInnen eingegangen.Der Wandel des Friedensbegriffs von der "bloßen" Abwesenheit zwischenstaatlicher Kriege hin zu einem breiten Friedensbegriff, der innerstaatliche Faktoren wie Demokratie, sozioökonomische Gleichheit und Einhaltung von Menschenrechten berücksichtigt, zeigt, dass das Nobelkomitee im Lauf der Zeit eine große Bandbreite von Friedenskonzepten mit dem Friedensnobelpreis auszeichnete, wobei auch eine klare politische Agenda des Komitees in der Auswahl der PreisträgerInnen – zu verstehen in den jeweiligen geopolitischen Kontexten – herausgearbeitet werden konnte.

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1. Gesamtanalyse der Vergabe der Friedensnobelpreise – Längsschnitt

1.1 Methodische Vorgehensweise

Diese Studie untersucht die Forschungsfrage, inwiefern sich die Friedenskonzepte, die mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden, im Laufe der Zeit (1901–2016) verändert haben. Die Analyse zielt auf die Ableitung unterschiedlicher Friedenskonzepte aus den verwendeten Quellen. Als Arbeitshypothese wurde formuliert, dass sich das Friedensverständnis von Nobelkomitee und PreisträgerInnen seit 1901 schrittweise von einem engen negativen Friedensbegriff (Frieden bedeutet Abwesenheit von Krieg) hin zu einem positiven Friedensbegriff, der die Qualität des Friedens einbezieht (Freiheit von Not, Freiheit von Furcht), entwickelt hat. Es wird davon ausgegangen, dass diese Öffnung und Erweiterung des Friedensbegriffs weitgehend linear verläuft, sodass etwa ab den 1970er Jahren ein immer umfassenderes Verständnis von Frieden vorherrscht, indem etwa die Regierungsform eines Staates, die sozioökonomische Entwicklung und vor allem die Verteilung von Wohlstand innerhalb einer Gesellschaft, Bildung, Einhaltung der Menschenrechte etc. als wichtige Elemente nachhaltigen Friedens verstanden werden.
Als Quellen für diese Untersuchung wurden die Reden des norwegischen Nobelkomitees bei der Vergabe des Preises am 10. Dezember jedes Jahres analysiert. Ebenso wurden Acceptance Speeches und Nobel Lectures der PreisträgerInnen verwendet. Diese Texte beziehen sich ausführlich auf die Errungenschaften, für die jemand ausgezeichnet wird. Es wird von Nobelkomitee und PreisträgerIn argumentiert, welche Ziele das jeweilige Engagement verfolgt und warum diese Arbeit als Friedensarbeit verstanden wird, was wiederum auf das dahinterstehende Friedenskonzept schließen lässt. Besonders in späterer Zeit benennt das Nobelkomitee explizit den eigenen Friedensbegriff und argumentiert diesen. Die Wortwahl lässt dabei darauf schließen, dass es (wiederkehrende) Kritik an der Vergabe der Preise und/oder dem dahinterstehenden Konzept von Frieden bzw. an der Interpretation von Alfred Nobels Testament durch das Komitee gibt.
Diese Texte sind fast alle online auf der Homepage des Nobel Instituts in englischer Sprache verfügbar. Für die frühen Jahre ist die Quellenlage nicht vollständig. Es fehlen die Dankesreden von 1901 (Jean Henry Dunant und Frederic Passy), 1909 (Auguste Marie Francois Beernaert und Paul Henri Benjamin Balluet d’Estournelles de Constant), 1910 (Permanent International Peace Bureau), 1911 (Tobias Michael Carel Asser und Alfred Hermann Fried), 1913 (Henri La Fontaine) und 1917 (International Committee of the Red Cross). 1925 (Joseph Austen Chamberlain und Charles Gates Dawes) wurden nur Telegramme der Preisträger mit Danksagungen verlesen, sie waren aber beide nicht persönlich anwesend und hielten keine Reden, ebenso Gustavo Stresemann und Aristide Briand (1926). 1931 konnte Jane Addams nicht an der Verleihung teilnehmen, ihr Co-Preisträger Nicholas Murray Butler war jedoch anwesend und hielt auch eine Rede. 1935 wurde Carl von Ossietzky vom NS-Regime, dessen Gefangener er war, daran gehindert, den Preis entgegenzunehmen und zu sprechen. Dag Hammarskjöld war zum Zeitpunkt der Preisverleihung bereits verstorben, weshalb der schwedische Botschafter Rolf Edberg eine Rede (über Hammarskjöld und seine Überzeugungen) hielt. 1973 lehnte der vietnamesische Politiker Le Duc Tho den Preis ab, dementsprechend war er nicht bei der Verleihung anwesend und es gibt keine Rede. Sein Co-Preisträger Henry Kissinger ließ nur ein Telegramm verlesen. 1975 war der Preisträger Andrei Sacharow bei der Zeremonie verhindert, da er nicht aus der Sowjetunion ausreisen durfte, seine Frau verlas seine Rede. Für den Preis 1976 an Betty Williams und Mairead Corrigan gibt es nur eine Rede (obwohl beide anwesend waren), vorgetragen von Betty Williams. Liu Xiaobo konnte 2010 nicht zur Preisverleihung aus China ausreisen, da er gerade im Gefängnis saß und seinen Prozess erwartete. Es wurde ein Statement von ihm verlesen, das er bereits 2009 veröffentlicht hatte, in dem er seine Arbeit erläuterte und gleichzeitig, wohl in Richtung der chinesischen Behörden, betonte, dass er „keine Feinde habe“.
Laut Statuten des Nobel Instituts kann das Nobelkomitee in einem Jahr auch entscheiden, dass keine/r der Nominierten die von Alfred Nobel vorgegebenen Kriterien für den Friedensnobelpreis erfüllt und die Vergabe aussetzen. Es kann dann im darauffolgenden Jahr der Preis für das vergangene und das aktuelle Jahr vergeben werden. Davon wurde mehrmals Gebrauch gemacht: Elihu Root erhielt den Friedensnobelpreis für 1912, dieser wurde aber erst 1913 vergeben (in diesem Jahr wurde Henri La Fontaine ausgezeichnet). Auch die Preise 1919 (Woodrow Wilson), 1925 (an Chamberlain und Dawes), 1929 (Frank Billings Kellogg), 1933 (Sir Norman Angell), 1935 (Carl von Ossietzky), 1944 (Internationales Komitee vom Roten Kreuz), 1952 (Albert Schweitzer), 1954 (UN-Flüchtlingshochkommissariat), 1960 (Albert John Lutuli), 1962 (Linus Carl Pauling) und 1976 (Mairead Corrigan und Betty Williams) wurden jeweils erst im darauffolgenden Jahr verliehen. Davon zu unterscheiden sind Jahre, in denen das Nobelkomitee verkündete, dass es keinen Preis geben würde, weil es keine bedeutenden Fortschritte hin zum Frieden gegeben habe – darauf wird später eingegangen.
In frühen Jahren waren einige PreisträgerInnen aufgrund von Krankheit, Reisen oder Ähnlichem verhindert – sodass die Zeremonie mit der Rede, die hier analysiert wird, erst später stattfand. Dies mag auch darin begründet sein, dass anfangs das Prestige des Preises nicht so groß war; darüber hinaus waren die Reisemöglichkeiten noch beschwerlicher und die Verleihung auch weniger „institutionalisiert“. Es kam also mehrmals vor, dass Reden nur von VertreterInnen (meist den BotschafterInnen der jeweiligen Länder) verlesen bzw. Jahre später bei einer Veranstaltung gehalten wurden. Dadurch konnten sich die PreisträgerInnen dann auf Entwicklungen nach ihrer Auszeichnung beziehen.
Das Nobelkomitee verliest seine Entscheidung in englischer Sprache. Viele PreisträgerInnen halten ihre Dankesreden in ihrer jeweiligen Muttersprache. Das bedeutet, dass die Texte, die hier als Quellen verwendet wurden, meist Übersetzungen aus der Originalsprache ins Englische sind und die vorliegende Analyse wiederum auf Deutsch durchgeführt wird. Bei manchen Begriffen, die für das Konzept des Friedens oder die Konzeptualisierung von AkteurInnen bedeutend sind, werden daher hier die englischen Begriffe, die im Quellentext verwendet wurden, in Klammern ergänzt. Aus diesen Texten sowie aus (online zugänglichen) Kurzbiografien wurden die Kodierungen für die quantitativen sowie für die qualitativen Variablen, die im Folgenden vorgestellt werden, abgeleitet. Das Gerüst aus Variablen und Ausprägungen wurde im Laufe der Quellenarbeit weiterentwickelt.
Allgemein lässt sich feststellen, dass diese Reden mit der Zeit immer länger, programmatischer und kritischer werden. Das kann als Ausdruck der steigenden Bedeutung des Friedensnobelpreises gesehen werden: Die „Institution“ des Preises und die große Plattform der Verleihung mit der medialen und politischen Aufmerksamkeit, die damit einhergeht, werden zunehmend genützt, um eigene Interessen und Anliegen vorzubringen, öffentlich auf Missstände oder auch auf Fortschritte hinzuweisen und mehr Engagement für den Frieden einzufordern – dies gilt sowohl für das Nobelkomitee als auch für die PreisträgerInnen.
Kodierung der quantitativen Variablen
Für die Erstellung eines quantitativen Überblicks und chronologischen Längsschnitts wurde eine Datenbank angelegt, die kodierte Informationen zu allen PreisträgerInnen enthält. Diese Kodierungen lauten:
Zur formalen Einordnung eines Preisträgers/einer Preisträgerin wurde zunächst die AkteurInnenebene definiert. Dazu wurden drei Kategorien verwendet, nämlich staatlich, nichtstaatlich sowie supranational. Unter staatlichen AkteurInnen werden sowohl Personen als auch Organisationen verstanden, welche im Auftrag eines Staates bzw. in einer politischen Funktion handeln. Sie sind mit formeller (Entscheidungs-)Macht und Handlungsspielräumen ausgestattet, die nichtstaatlichen AkteurInnen in diesem Ausmaß nicht zur Verfügung stehen. Das bedeutet, sie handeln für einen Staat und können für diesen Staat verbindliche Entscheidungen treffen, Abmachungen eingehen usw. Prozesse, die von staatlichen AkteurInnen angestoßen oder dominiert werden, sind demnach top-down organisiert.
Nichtstaatliche AkteurInnen werden als Personen oder Organisationen definiert, die in ihrer Funktionsfähigkeit, Organisationsstruktur und Handlungsweise außerhalb des formellen politischen Systems operieren. Nichtstaatliche AkteurInnen haben weder formelle Entscheidungsbefugnis noch ein Mandat von einem Staat und können keinen Friedensvertrag unterzeichnen. Sie sind Teil der Zivilgesellschaft und versuchen, politische oder gesellschaftliche Entwicklungen zu beeinflussen, z.B. durch den Aufbau öffentlichen Drucks, Meinungsbildung, Kampagnen, durch Kontakte zu EntscheidungsträgerInnen, Lobbyarbeit usw. Prozesse, die von nichtstaatlichen AkteurInnen angestoßen oder dominiert werden, sind demnach bottom-up organisiert.
Die Unterscheidung in staatliche oder nichtstaatliche AkteurInnen sollte eigentlich eindeutig sein. Jedoch verbinden vor allem vor dem Ersten Weltkrieg die Biographien der Preisträger (Preisträgerinnen finden sich abgesehen von Bertha von Suttner nicht) die staatliche sowie die nichtstaatliche Sphäre auf vielfältige Weise, sodass eine klare Einordnung, für welche Aktivität der Preis vergeben wurde, oft schwer vorzunehmen war bzw. vom Nobelkomitee nicht eindeutig benannt wurde. So wurde einer der beiden Preisträger des Jahres 1902 (Charles Albert Gobat) für Aktivitäten bzw. Funktionen sowohl der staatlichen wie auch der nichtstaatlichen Sphäre ausgezeichnet. Er war ehrenamtlicher Generalsekretär des Internationalen Friedensbüros in Bern, organisierte Konferenzen in dieser Funktion, engagierte sich Zeit seines Lebens in der Friedensbewegung und war auch publizistisch aktiv – scheinbar eindeutig ein nichtstaatlicher Akteur. Jedoch nennt das Nobelkomitee auch sein Engagement für die Interparlamentarische Union, in der sich VertreterInnen aus den Parlamenten der Mitgliedsländer trafen und für eine friedliche Verständigung und Zusammenarbeit ihrer Länder arbeiteten. Parlamente und ihre Abgeordneten sind eindeutig der staatlichen Sphäre zuzuordnen. Letztlich haben wir uns dafür entschieden, Gobat als staatlichen Akteur zu kodieren, da er über lange Jahre hinweg als Abgeordneter tätig war und davon ausgegangen werden muss, dass seine politische Laufbahn (und damit einhergehend sein sozioökonomischer Status) ihm einerseits das private Engagement erst ermöglichten und diesem „nichtstaatlichen Engagement“ andererseits mehr Gewicht verliehen. Besonders vor dem Ersten Weltkrieg waren die meisten PreisträgerInnen in einem Netzwerk verbunden, das die europäischen Friedensbewegungen, das Internationale Friedensbüro und die Interparlamentarische Union personell und inhaltlich eng miteinander verknüpfte. Dieses Netzwerk wird bei der Fallstudie zum Internationalen Friedensbüro näher analysiert.
Unter supranationalen AkteurInnen werden Organisationen oder Personen verstanden, die international oder „überstaatlich“ handeln oder zusammengesetzt sind. Diese AkteurInnen zeichnen sich in erster Linie dadurch aus, dass ihnen politische wie rechtliche Zuständigkeiten zukommen, die nicht (mehr) bzw. nicht zur Gänze auf nationalstaatlicher Ebene wahrgenommen werden. AkteurInnen auf der supranationalen Ebene wurden von souveränen Staaten geschaffen und handeln im Rahmen eines staatlich definierten Mandats. Sie sind für die Überprüfung und Implementierung internationaler Verträge und Regime verantwortlich, sollen also Staaten und deren Handeln koordinieren und kontrollieren. Dennoch sind sie nicht mit einer vergleichbaren Entscheidungsbefugnis ausgestattet – sie können Staaten nicht zu einem bestimmten Handeln oder Unterlassen von Handlungen zwingen und können keine effektiven Sanktionen verhängen. Diese Kategorie betrifft vor allem UN-assoziierte Organisationen und deren VertreterInnen sowie die EU.
Als weitere Variable wurde Person oder Organisation eingeführt, wobei beide jeweils der staatlichen, der nichtstaatlichen oder der supranationalen Sphäre zugeordnet werden können. Auch das Geschlecht der PreisträgerInnen wurde erhoben.
Die Variable Wirkungsbereich ist in insgesamt zehn verschiedene Ausprägungen gegliedert und versucht ein „Oberthema“ der jeweiligen Friedensarbeit zu benennen. Die Reihung der Merkmalsausprägungen im Text entspricht dem erstmaligen Auftreten bei der Preisvergabe.
Humanitäre Hilfe bezeichnet „Nothilfe“ in akuten Krisen- oder Kriegssituationen, wie sie bspw. das Internationale Komitee vom Roten Kreuz leistet, das insgesamt dreimal den Friedensnobelpreis erhielt. Darüber hinaus wird auch die Arbeit für und mit Flüchtlingen in dieser Kategorie erfasst.
Die Kategorie Verrechtlichung internationaler Beziehungen verweist auf Bemühungen, die internationale Anarchie zu beenden oder zumindest einzuschränken. Es sollen Verträge zwischen Staaten erarbeitet werden, die entweder konkrete Konflikte oder Themen betreffen, bspw. Schlichtungsverträge zwischen Staaten; andererseits wird häufig die Notwendigkeit eines umfassenden Völkerrechts analog zum innerstaatlichen (Straf-)Recht eingefordert, sodass Krieg ebenso verboten sein soll wie Mord. Es geht hier um die Beschränkung staatlichen Handelns gegenüber anderen Staaten auf Basis eines allgemein gültigen Rechts sowie dessen Institutionalisierung und Sanktionierung.
Hierbei wurde unterschieden, ob sich ein/e AkteurIn aus der staatlichen oder der nichtstaatlichen Sphäre heraus für die Verrechtlichung der internationalen Beziehungen einsetzte. Diese Unterscheidung ist notwendig, da es für den konkreten Handlungsspielraum einen großen Unterschied macht, ob man z.B. als Staatspräsident oder Minister einen Schlichtungsvertrag unterzeichnet, oder ob man juristische Expertise zur möglichen künftigen Ausgestaltung von Verträgen zur Verfügung stellt bzw. über die Friedensbewegung versucht, öffentlichen Druck auf staatliche Akteure aufzubauen, damit diese die Verrechtlichung vertiefen. Supranationale AkteurInnen wurden hier mit dem Code belegt, der für staatliche AkteurInnen gewählt wurde (bspw. UNO).
Abrüstung bedeutet, dass die Reduktion bestehender Waffenarsenale, die Regulierung des Einsatzes oder das Verbot bestimmter Waffen als wichtigstes Themenfeld gesehen wurde, um den Frieden zu fördern. 1905 wurde erstmals der Nobelpreis für den Einsatz für Abrüstung vergeben – an Bertha von Suttner, die damit die erste Frau (und Österreicherin) war.
Diplomatie oder Politik wurde bei PreisträgerInnen kodiert, die sich langfristig für friedliche Lösungen von Konflikten eingesetzt haben, allerdings nicht explizit für eine konkrete Errungenschaft, z.B. ein bestimmtes Friedensabkommen, ausgezeichnet wurden, sondern eher für ihr Lebenswerk.
Im Gegensatz dazu wurde die Ausprägung Verhandlungen kodiert. Dies meint die Beilegung eines konkreten Konflikts zwischen zwei oder mehreren Parteien durch Verhandlung oder Vermittlung.
Die Merkmalsausprägung Entwicklung kann in gewisser Weise als inhaltliche Weiterentwicklung der Ausprägung humanitäre Hilfe verstanden werden. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg – auch mit dem Aufkommen der Begriffe Entwicklungsländer, Dritte Welt und Entwicklungshilfe – gehen AkteurInnen, die für humanitäre Hilfe ausgezeichnet wurden, bspw. das UN-Kinderhilfswerk UNICEF, sowohl in ihrer praktischen Arbeit als auch in ihren dahinter stehenden Konzepten über die Idee des unmittelbaren Helfens hinaus und wenden sich einem „Hilfe zur Selbsthilfe“-Ansatz zu. Bei einigen AkteurInnen geht damit auch eine ausdrückliche Kritik an strukturellen Ungleichheiten zwischen reichen und armen Ländern, welche Auswirkungen auf die Entwicklungsmöglichkeiten der armen Staaten haben, einher. Der erste entsprechende Preis wurde 1949 an Lord John Boyd Orr, einen Ernährungswissenschaftler und ersten Direktor der Food and Agriculture Organization (FAO), vergeben.
Der Wirkungsbereich Menschenrechte wurde einerseits kodiert, wenn die Kodifizierung der Menschenrechte im Mittelpunkt der Friedensarbeit stand, wie etwa die Erarbeitung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte oder die Durchsetzung bestimmter Menschenrechte, z.B. Kinderrechte, Frauenrechte, das Recht auf Asyl oder soziale Rechte. Ein weiterer Aspekt der Menschenrechtsarbeit bezieht sich auf die Durchsetzung der Menschenrechte in einem konkreten politischen System. Hier stehen meist die Gleichberechtigung aller Bevölkerungsgruppen und die Implementierung der Grundrechte innerhalb eines Staates im Vordergrund, wie etwa im Falle des Apartheid-Regimes in Südafrika, der Bürgerrechtsbewegung in den USA oder Rigoberta Menchús in Guatemala. In jedem Fall geht es um das Verhältnis zwischen Staaten und ihren BürgerInnen. Der erste Preis für diesen Themenbereich wurde im Jahr 1951 an Léon Jouhaux vergeben.
Versöhnung als übergeordnetes Thema der Friedensarbeit widmet sich der innergesellschaftlichen Aussöhnung verschiedener ethnischer, religiöser oder sozialer Gruppen. Diese Friedensarbeit ist also auf einen konkreten gesellschaftlichen Kontext gerichtet und versucht bottom-up, alte Konflikte und Gräben zu überwinden und Gemeinsamkeiten zwischen den Gruppen zu finden bzw. gleiche Rechte für diese Gruppen einzufordern. Der Präsident des African National Congress, der Südafrikaner Albert John Lutuli, wurde 1960 als Erster in diesem Bereich ausgezeichnet.
Der Wirkungsbereich Umwelt bezeichnet Friedensarbeit, die die Problematik Klimawandel, Umweltschutz und Ökologie ins Zentrum rückt. Dies ist das jüngste Themenfeld beim Friedensnobelpreis. Erst 2004 wurde Wangari Muta Maathai für ihren Einsatz für U...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Copyright
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Einleitung
  6. 1. Gesamtanalyse der Vergabe der Friedensnobelpreise – Längsschnitt
  7. 2. Fallstudien zu FriedensnobelpreisträgerInnen und ihren Friedenskonzepten
  8. Quellen und Literatur