Gotfried Duttweiler
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Gotfried Duttweiler

Mit einem Vorwort von Karl Lüönd

  1. 432 Seiten
  2. German
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Gotfried Duttweiler

Mit einem Vorwort von Karl Lüönd

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Über dieses Buch

Die Biografie des großen Schweizer Unternehmers zu seinem 50. Todestag. Mit einem Vorwort von Karl Lüönd.Gottlieb Duttweiler war der Gründer der Migros, dem Markt der Schweizer. Von den ersten Wagen, mit denen die Schweiz befahren wurde, um die Lebensmittel direkt an die Verbraucher zu bringen, bis zum Einstieg in die Politik als Gründer der Partei Landesring der Unabhängigen: Curt Riess beschreibt auf überaus unterhaltsame Weise das Leben eines Unternehmers, dessen erste Sorge stets dem "kleinen Mann" galt und der die Lebensmittelbranche revolutionierte.

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Information

Zweiter Teil
DER WEG IN DIE POLITIK
Siebentes Kapitel
P R O Z E S S E
Es wird vielleicht niemals mit Sicherheit festzustellen sein, ob die Fabrikanten und die Fabrikationskonzerne, die es ablehnten, die Migros zu beliefern, und die den direkten oder indirekten Warenboykott gegen das junge Unternehmen organisierten, ernstlich glaubten, dass sich ein Mann wie Gottlieb Duttweiler bei einem derartigen Stand der Dinge beruhigen und resignieren würde.
Da irrten sie sich.
Später befragt, wie es eigentlich dazu kam, dass die Migros, die doch ursprünglich nur Waren vermitteln und an den Verbraucher heranbringen wollte, selbst in die Fabrikation einstieg, antwortete Duttweiler mit einer Gegenfrage: «Wenn Sie keine Ware bekommen, was tun Sie dann als Kaufmann?»
Er jedenfalls tat nur das Logische. Zuerst versuchte er, für die Ware, die man ihm in der Schweiz vorenthielt, Ersatz im Ausland zu beschaffen. Er kaufte zum Beispiel Schokolade in Deutschland. Der Zoll, den die Migros darauf entrichten musste, war nicht gering. Infolgedessen konnte er nicht dauernd importieren, konnte zumindest nicht das ganze Unternehmen auf Import umstellen. Dann hätte er die Preise, zu denen er liefern wollte, nicht halten können. Also war es nur logisch, dass die Migros früher oder später selbst produzierte. Sie produzierte – hier seien vorerst nur einige Beispiele genannt – Obstwein, Biskuits, Schokolade und Joghurt, Putzmittel und koffeinfreien Kaffee.
Und so musste es dazu kommen, dass er mit gewissen Fabrikaten in direkte Konkurrenz zu Waren trat, die bereits seit langer Zeit auf dem Markt waren, sich einer gewissen Beliebtheit, manchmal sogar enormer Popularität erfreuten und ihren Herstellern Vermögen einbrachten. Und das sahen diese Fabrikanten gar nicht gern. Hier spielten vor allem die sogenannten Markenartikel die entscheidende Rolle.
Wie Duttweiler zu Markenartikeln stand, lag ja auf der Hand. Nach seiner Ansicht zahlte das Publikum Unsummen für die Propaganda, einen nur geringen Prozentsatz des Preises für die Ware selbst. Er wusste, dass zwischen den Herstellungskosten der weltberühmten Produkte und ihrem Verkaufspreis unverhältnismässig hohe Gewinnspannen lagen. Solange das Publikum gezwungen war, diese so verteuerten Markenartikel zu kaufen, solange es keinen gleichwertigen Ersatz gab, war die Mission, die Duttweiler sich selbst gestellt hatte, nicht erfüllt. Gewiss, es gab Ersatz für alle Markenartikel, aber die allesübertönende Reklame der grossen Konzerne hatte die zaghaften und auch infolge relativ geringer Geldmittel keineswegs dauernden Propaganda-Versuche der kleinen Konkurrenten sozusagen im Keim erstickt.
Duttweiler musste also Ersatz für die Markenartikel schaffen. Es war nicht so schwer, den Ersatz zu finden. Das Problem der Fabrikation war zu lösen. Die entscheidende Frage war: Wie konnte man die neuen Produkte populär machen?
Hier nun hatte Duttweiler eine sehr amüsante Idee, eine ganze Fülle von lustigen Einfällen. Und da die Migros ja noch relativ jung und klein war, konnte er sich einiges erlauben, das sich alteingesessene, ehrwürdige Firmen nicht gestatten durften, Lausbübereien sozusagen, dazu unternommen, die Welt der Käufer zum Lächeln zu bringen.
Er gestaltete die Reklame für sie so, dass die Käufer durchaus nicht im Zweifel darüber sein konnten, dass es sich um Ersatz für andere Waren handelte. Er erfand Namen, die Assoziationen an die altbekannten Namen hervorriefen. Er liess Verpackungen entwerfen, die an die Verpackungen der ursprünglichen Produkte erinnerten. Auf diese Weise profitierte er indirekt, nein, schon sehr direkt, von der ungeheuren Reklame, die die Konzerne für ihre alteingeführten Produkte machten.
Aber das wollte er ja gar nicht. Er wollte, im Gegenteil, dieser Reklame etwas entgegensetzen. Er konnte ja selbst Reklame machen – zwar eine Reklame, die sich weniger damit befasste, die Vorzüge seiner Produkte ins rechte Licht zu setzen, als sich über die Reklame der Gegenseite lustig zu machen. Wie ein Besessener stürzte er sich auf die alteingeführten Artikel, machte sie lächerlich, verhöhnte ihre Fabrikanten und – indirekt – auch diejenigen, welche sie kauften, entfesselte einen gigantischen Rummel mit Zeitungskampagnen, Flugblättern, Versammlungen.
Da war zum Beispiel das berühmte Waschmittel Persil, hergestellt von dem Henkelkonzern. Duttweiler hatte ein eigenes Waschmittel herstellen lassen, das er ebenso gut fand wie das berühmte Persil, und das er viel billiger, etwa für die Hälfte, zu verkaufen gedachte. Wie sollte er sein Produkt nennen?
Viele Fabrikanten hätten einen Namen gesucht, der bei den Käufern die Illusion erzeugte, das Produkt von Henkel vor sich zu haben; das heisst, sie hätten darauf spekuliert, dass das Publikum die beiden Produkte verwechsle und das billigere für das teurere kaufe.
Duttweiler ging gerade von der entgegengesetzten Absicht aus. Man sollte sein Produkt nicht verwechseln, man sollte wissen, dass er etwas anderes verkaufen wollte, etwas Billigeres und natürlich etwas Besseres. Er wollte sich lustig machen über jene, die den teureren Konkurrenzartikel, das Persil von Henkel nämlich, kauften oder bisher gekauft hatten. Daher nannte er sein Waschpulver «Ohne Hänkel». Und die Verpackung und überhaupt das ganze Reklamematerial zeigten unter diesen Buchstaben einen Henkeltopf ohne Henkel. Jeder Hausfrau war sofort klar, was das bedeutete, nämlich nicht ohne Hänkel des Hänkeltopfes, sondern ohne den Henkel, der Persil herstellte. Dann war da Duttweilers Entschluss, koffeinfreien Kaffee durch die Migros zu fabrizieren und verkaufen zu lassen. Der berühmteste und beliebteste koffeinfreie Kaffee hiess – und heisst noch – Kaffee Hag. Hag nennt man in der Volkssprache das, was die Gebildeten im allgemeinen einen Zaun nennen. Also nannte Duttweiler seinen koffeinfreien Kaffee «Zaun». Die Reklame für den Kaffee Zaun zeigte einen Zaun, und dabei fiel den Käufern natürlich das Wort Hag ein. Im Hintergrund standen auch noch Max und Moritz und grinsten den Beschauer über diesen Zaun – oder Hag – an. Es war gar nicht möglich, eine solche Reklame misszuverstehen.
Ausserdem war da das neue Putzmittel der Migros. Fast unschlagbar beherrschte den Markt das Mittel der Firma Sunlight, «VIM». Duttweiler nannte sein Putzmittel «Päng». Da gab es auf den ersten Blick keinerlei Assoziationen mit VIM. Es klang VIM auch gar nicht ähnlich. Aber es kam Duttweiler wohl nur darauf an, einen Namen zu haben, der ebenso kurz und bündig war wie «VIM», und der ausserdem noch eine Nebenbedeutung hatte. Wenn einer Päng sagt, glaubt der andere, dass es irgendwo geknallt hat. Ein Knall – vielleicht ein Treffer?
Auf diesen eigentlich nur gefühlsmässigen Assoziationen ganz primitiver Art baute Duttweiler seine Reklame auf. Darauf und auf den seiner Ansicht nach viel zu hohen Preis von VIM. Er forderte das Publikum in Inseraten auf: «Vimmern Sie nicht, pängen Sie lieber!» Und damit auch niemand es missverstehe: «Wimmern Sie nicht über den hohen Preis, sondern pängen Sie frohen Herzens!» Das war schon recht klar. Es konnte nichts anderes bedeuten als die Aufforderung an die Käufer, doch endlich nicht mehr VIM zu erwerben, für das sie viel zu viel Geld zahlten, sondern VIM gewissermassen platzen zu lassen, natürlich zugunsten von Päng, das sozusagen ein Haupttreffer war. So viel Hohn und Spott, von der Konkurrenz gar nicht zu reden, konnte nicht anders enden als in einer ganzen Reihe von Prozessen, die denn auch von den gekränkten und geschädigten Konkurrenzfirmen gegen die Migros angestrengt wurden – dem Namen nach gegen die Migros, in Wirklichkeit gegen Duttweiler.
Das brachte ihm begreiflicherweise den Ruf ein, ein Prozessfanatiker zu sein. War er ein Prozessfanatiker? Liebte er es, Prozesse zu führen?
Es besteht kein Zweifel, dass Duttweiler mehr Prozesse in seinem Leben geführt hat als die meisten Sterblichen. Es waren Beleidigungsprozesse, Prozesse geschäftlicher Natur und schliesslich Prozesse mit politischem Hintergrund. Die Beantwortung der Frage, ob er sie gern führe, ob er also ein Prozessfanatiker war, ist nicht so wichtig wie die Feststellung, dass er die Prozesse führen konnte und dass er sie führen musste.
Er konnte Prozesse führen. Er hatte Nerven aus Stahl. Auch wenn es um seine Existenz ging und um die Existenz der Migros – und das war mehr als einmal der Fall, namentlich in den ersten Jahren -, blieb er kalt, ruhig, überlegen, ja geradezu souverän. Er musste die Prozesse führen, und zwar aus dem gleichen Grunde, aus dem er die Migros hatte gründen müssen. Es sprach da Moralisches mit. Es sprach seine Empörung darüber mit, dass der kleine Mann ausgenutzt wurde, dass die Hausfrau für das, was sie brauchte, zu teuer bezahlen musste, um ihre Familie zu ernähren, um ihren Haushalt zu versorgen. Es war sein starker und oft verletzter Gerechtigkeitssinn, der ihn hier immer wieder vortrieb.
Dies wurde von seinen Gegnern angezweifelt. Und sie gaben zu verstehen – sie waren nicht weniger laut als Duttweiler selbst –, dass Duttweiler eben in erster Linie Kaufmann sei und dass ihm daher das Geschäft am Herzen liege, und wenn er Prozesse führe, dann führe er sie eben aus geschäftlichen Gründen, also vor allen Dingen, um Reklame für sich und seine Firma zu machen.
Gewiss, das spielte mit. Aber gerade als Grosskaufmann hatte Duttweiler eben Einblicke, die der gewöhnliche Sterbliche nicht hat. Natürlich hätte er darüber auch eine wissenschaftliche Abhandlung schreiben können, die dann vermutlich niemand gelesen hätte. Die Prozesse, die er führte, schienen ihm da ein besseres Mittel zum Zweck, nicht nur zum Zweck der Propaganda, sondern auch zum Zweck, das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit auf Missstände im öffentlichen Leben zu richten. Wie sehr gewisse Waren verteuert waren, insbesondere die Markenartikel, geht aus einer Zusammenstellung hervor, die im November 1932 im Rahmen einer Untersuchung der Nahrungsmittelpreise (ohne Milch, Milchprodukte, Fleisch, Obst und Gemüse) von einer dazu bestimmten Kommission des Eidgenössischen Volkswirtschafts-Departements angelegt wurde. Die Zahlen sprechen für sich selbst. Folgende Fragen sind beantwortet:
1. Was kostet die Herstellung einer Ware auf dem offenen Markt?
2. Wie wird sie von der Migros verkauft?
3. Was kostet die gleichwertige Ware den Grossisten, den die Migros ja ausschaltet, im Einkauf?
4. Wie teuer verkauft der Grossist den Markenartikel an den Detaillisten?
5. Wie teuer verkauft der Detaillist den Markenartikel an den Kunden?
Nun stellte Gottlieb Duttweiler die etwas naive, aber sehr direkte Frage: War es gerecht, dass die Markenartikel so viel kosteten? Oder: Mit welchem Recht wurden die Markenartikel in immer stärkerem Masse geschützt, und zwar in jenem Masse, in dem sie diesen immer weitergehenden Schutz in immer stärkerem Masse und für den Käufer immer schädlicherer Weise missbrauchen würden. Denn eines war ihm klar: Der Schutz der Marken wuchs mit der Macht der Firmen, die sie herstellten. Und diese Macht wuchs mit dem Schutz, der den Markenartikeln zuTeil wurde.
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War das wünschenswert? War das für die Allgemeinheit gut? Das wollte er einmal gerichtlich geklärt wissen, denn solange man auf dem Gebiet der Propaganda oder auch nur bei Zeitungspolemiken blieb, war mit Sicherheit nichts herauszubekommen. Wer hinderte denn die grossen Firmen, Lügen in ihre Propaganda einzuflechten, zu behaupten, dass ihre Waren aus diesen oder jenen Ingredienzen bestanden, auch wenn das nicht der Fall war? Duttweiler war überzeugt: Nur gerichtliche Klärungen konnten die Wahrheit ans Tageslicht bringen, die Wahrheit, die nach seiner Ansicht viele grosse Lebensmittelkonzerne zu scheuen hatten.
Wie aber konnte man die Gegenseite, die grossen Konzerne, dazu bringen, vor Gericht zu erscheinen? Duttweiler selbst konnte nicht gut den Klageweg beschreiten; man hatte ihm ja nichts angetan, jedenfalls nichts, wogegen Klage zu erheben gewesen wäre. Im Gegenteil, man griff ihn kaum an, man versuchte viel eher, ihn totzuschweigen. Infolgedessen blieb nur die andere Möglichkeit: Er musste die Gegner provozieren. Er musste sie so lange angreifen, verhöhnen, lächerlich machen, ja auch beleidigen, bis es ihnen zu bunt wurde, bis sie den Klageweg beschritten. Nur als Angeklagter konnte er die Wahrheit ans Tageslicht fördern. Und genau das tat er.
Die grossen Prozesse der dreissiger Jahre waren fast ausschliesslich die Folge von Provokationen Duttweilers. An diesen Provokationen war wenig Spontanes. Sie wurden sehr sorgfältig ins Werk gesetzt, gewissermassen inszeniert, waren meist das Ergebnis von langwierigen Besprechungen Duttweilers mit seinem ausgezeichneten Anwalt, Dr. Hermann Walder, der die Prozesse auch meist selbst führte.
Später, schon während die Prozesse liefen, griff die Presse Duttweiler oft als «Prozesshansl» an. So schrieb etwa die «Berner Tagwacht» im Dezember 1932:
«Die sogenannten Migros-Prozesse wollen kein Ende nehmen. Kaum ist der eine durch höchstrichterliche Rechtsprechung erledigt, so taucht ein neuer vor dem Forum des Bundesgerichtes auf, und wenn sich die Führung des Konkurrenzkampfes seitens der Leitung der Migros AG nicht gründlich wandelt, so wird das wohl geraume Zeit noch so weitergehen. Über die Art und Weise, wie Direktor Duttweiler von der Migros AG seine Geschäfte führen will, geben die Prozesse ein charakteristisches Bild …»
Schon einen Monat später, also imJanuar 1933, stellte Duttweiler in einem Inserat fest, worum es eigentlich ging. Unter dem Titel: «Jetzt kommt der Endkampf um die Migros!» erklärte er:
Wer steht gegen die Migros?
A. Kapitalkräfte: Das praktisch unbeschränkte Kapital der Markenartikelfirmen (der Öltrust allein soll laut «Schweiz. Konsumverein» über 6.000 Millionen Franken Kapitalien verfügen).
B. Verbände, Organisationen usw.: Schweiz. Spezereihändlerverband, Markenartikelverband, Verband schweiz. Konsumvereine, Grossistenverband der Kolonialwarenbranche, Detaillistenverband usw.
C. Presse: Genossenschaftliches Volksblatt (Konsumvereine), Wirtschaftliches Volksblatt (Rabattverein), eine Anzahl gewerblicher Fachblätter, gewisse willfährige lokale Käsblättli sowie mehr oder weniger die von den Markenartikel-Inseraten abhängige Presse. Die Arbeiterpresse, wo Personal-Union mit Genossenschaften vorhanden ist oder angestrebt wird (zum Beispiel Basel).
Hochkapitalistische Blätter, die die Übergewinne zum Beispiel der Markenartikel in Schutz nehmen.
D. Diejenigen Behörden, die prohibitive Gebühren gegen die Migros ansetzen unter dem Druck «gemeinnütziger» Genossenschaften und der Spezierer und ihrer Bundesgenossen.
Wer ist für die Migros?
a) Ihr eigenes Kapital, das kein Tausendstel von dem ihrer Gegner beträgt.
b) Keine Verbände, keine Organisationen, aber die Hausfrau und zwar mit Kopf und Herz. Und viele wohlmeinende mutige Männer aus allen Volkskreisen.
c) Ein Verantwortlichkeitsgefühl, das von den Konsumenteninteressen bis zu den Sorgen des Produzenten dringt.
d) Ein gutgemeintes, weitherziges, breit angelegtes Programm der Tat.
e) Ein starkes Gemeinschaftsgefühl von der Migrosleitung mit all ihren Angestellten, ihren Lieferanten und ihren Abnehmern, und das Gefühl, gemeinsam einem grossen Ziel zuzustreben: Der Erneuerung des morschen, verrosteten, zweckentfremdeten GüterverTeilungs-Systems.
Wenige Tage später, nachdem Duttweiler einen Prozess gegen den Henkel-Konzern verloren hatte – nur vorübergehend, wie sich bald herausstellen sollte -, und als sich ausgerechnet das «Genossenschaftliche Volksblatt» darüber begeisterte, schrieb er: «Wes Geistes Kind diese Genossenschaft ist, geht wohl am besten daraus hervor, wie sie den ‹Sieg› der Markenartikel über die wackere Migros begrüsst …
Einmal über das andere wird die Migros verurteilt, alle Zeitungen sind des Abscheus voll davon!
Ihr Herren vom Konsum-Genossenschaftsverband:
Wir stehen mit Stolz am Pranger. Wir fühlen den Geist der Pioniere von Rochdale an unserer Seite. Obwohl gross geworden, sind wir treu geblieben …»
Nein, es kam ihm nicht darauf an, ein paar Ohrfeigen einzustecken, es kam ihm darauf an, Auswüchse zu bekämpfen, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen, wieder Ordnung zu schaffen.
Die Gegenseite war darob nicht froh. Die Gegenseite wollte keine Prozesse. Wer will schon einen Prozess? Er kostet Zeit und Geld.
Wer war denn die Migros, wer war dieser Herr Gottlieb Duttweiler schon, dass er Konzerne wie Henkel, Sunlight Company und Kaffee Hag AG angriff? Aber er erlaubte ihnen keine Atempause. Tag für Tag veröffentlichte er seine Angriffe gegen sie, machte sie lächerlich.
Duttweiler höhnte: «Auffallend ist der Schutz der Markenrecht – Inhaber. Da muss ein Fabrikant Fr. 20.- für jede Marke bezahlen und geniesst dafür 20 Jahre Schutz seitens der Allgemeinheit für sein Markenrecht. Nach Ablauf der 20 Jahre kann er sich nochmals für Fr. 20.- für weitere 20 Jahre sein Vorrecht sichern usw. Weitere Pflichten des Markeninhabers sind in dem Gesetz über den Markenschutz nicht enthalten, dagegen durch die richterliche Praxis aller Länder hoch und immer höher errichtete Schutzmauern zu seinen Gunsten.
Das war alles recht und schön, solange die Herkunftszeichen und Marken wirklich nur dazu dienten, das Produkt eines bestimmten Fabrikanten kenntlich zu machen, dieser aber den Schutz seiner Produkte nicht dazu missbrauchte, wahre Wucherpreise für sein Fabrikat zu verlangen und der Käuferschaft zu suggerieren, dass sie den vollen Wert für ihr Geld bekomme.
Da reserviert man der einen Firma weissen Grund für ihre Früchtebilder auf Konserven. Eine andere hat Grün und Rot für sich gepachtet – wenn man Blau und Rot verwendet, setzt man sich schon kostspieligen Prozessen aus. Merkwürdig ist, dass in all diesen Prozessen irgendwo und irgendwie vom Käufer die Rede ist, der ähnliche Verpackungen verwechseln könnte und quasi gegen solche Verwechslungen geschützt werden müsse. Aber es wird nie untersucht, ob der Konsument bei der eventuellen Verwechslung wirklich benachTeiligt ist oder ob er für die Hälfte Geld ein ebenso wertvolles Produkt erhält.»
Duttweiler griff an:
«Unser selbsttätiges Waschpulver ‹Ohä› hat allgemein Anklang gefunden. Leider konnten wir nicht sofort und nicht genug liefern. Jetzt aber sind wir in der Lage zu liefern, wenn vielleicht auch noch nicht ausreichend.
Wie mancher Artikel, so ist auch ‹Ohä› (das dem ‹Persil› an Waschkraft, Gehalt, Unschädlichkeit, Haltbarkeit usw. gleichkommt) viel wichtiger, als er aussieht. So manche Familie braucht ein Paket in der Woche. Wenn sie dabei 50 Rappen sparen kann, so macht dies im Jahr eine Ersparnis von Fr. 25.- aus, nur auf Waschpulver!
Deshalb haben wir uns auch entschlossen, eine forsche Reklam...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Gottlieb Duttweiler: Kaufmann, Aussenseiter, Visionär
  5. Wer war dieser Mann?
  6. Erster Teil. Der Kaufmann
  7. Zweiter Teil. Der Weg in die Politik
  8. Dritter Teil. Was ist Pflicht?
  9. Vierter Teil. Nicht von Brot allein
  10. Wir stehen erst am Anfang
  11. Migros
  12. Inhalt