Gespräche mit Hitler
eBook - ePub

Gespräche mit Hitler

  1. 272 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Gespräche mit Hitler

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

(...) Rauschning war viel zu sehr praktischer Politiker, als daß es ihm mit dem Buch auf simple Hitler-Philologie angekommen wäre; tatsächlich wollte er damit wirken, aufrütteln. In diesem Sinne ist auch Schieders Charakterisierung des Buches zu verstehen, die Hänel in seinem zitierten Resüsmee verballhornt hat: daß das Buch "in erster Linie eine Kampfschrift und keine Programmschrift" war; so hat immer noch sein an gleicher Stelle geäußertes Urteil Bestand, daß die 'Gespräche mit Hitler' "ein Dokument von unbezweifelbarem Quellenwert insofern (sind), als die Deutungen enthalten, die aus unmittelbarer Einsicht erwachsen sind."Es bleibt zu hoffen, daß diese Ausgabe ihren Teil dazu beitragen kann, eine neuerliche Beschäftigung mit Rauschning und seinen 'Gesprächen mit Hitler' anzuregen. Denn das Schicksal, vergessen oder als 'Fälschung' abgetan zu werden, hat das Buch sicherlich nicht verdient. (Marcus Pyka, aus Zur Einführung)" Dieser Weltumsturz, das ist das Ziel des jetzt begonnenen Krieges. Es ist Hitlers Überzeugung, daß es nur dieses einen siegreichen Krieges bedarf, um die Erde nach seinem Willen neu zu ordnen. Ein phantastischer Gedanke. Aber die falsche Schöpferkraft der Hysterie vermag vielleicht eines: die Welt in Trümmer zu schlagen.§ (Hermann Rauschning)

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Gespräche mit Hitler von Hermann Rauschning im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Politics & International Relations & Political Biographies. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

1. Kapitel: Der kommende Krieg

I.
Der kommende Krieg
 
»Der kommende Krieg wird völlig anders aussehen als der letzte Weltkrieg. Infanterieangriffe und Masseneinsätze interessieren nicht mehr. Dieses jahrelange frontale Abringen in erstarrten Formen wird nicht mehr wiederkommen. Dafür garantiere ich. Es war eine Entartung des Krieges.« Hitler blickte mit seinen starr gewordenen Augen aus der kleinen Glasveranda seines Berghauses auf die Bergwand drüben. »Wir werden die Überlegenheit der freien Operation wiedergewinnen.«
»Glauben Sie, Herr Hitler, daß Deutschland geheime Erfindungen vorbereitet hat, die jeden Widerstand brechen können, denen auch die französische Maginotlinie nicht standhält?« Der Danziger Gauleiter Albert Forster winkte mir zu, jetzt habe er Hitler bei seinem Lieblingsthema.
»Alle Armeen haben geheime Erfindungen parat. Ich bin skeptisch über ihren Wert,« erwiderte Hitler. — »Aber die Durchschlagskraft unserer neuen S-Munition. Ist es wahr, daß der elektrische Krieg ganz neue Möglichkeiten für einen Angriff schafft?« warf Forster ein. »Und die neuen Giftgase und der Bakterienkrieg. Wird man die Bakterien als Waffe im kommenden Krieg verwenden?«
»Ein Volk, dem sein Recht vorenthalten wird, kann jede Waffe verwenden, auch den Bakterienkrieg.« Hitlers Stimme wurde lauter. »Ich habe keine Skrupel und ich werde die Waffe haben, die ich brauche. Die neuen Giftgase sind grauenhaft. Aber es gibt keinen Unterschied zwischen dem langsamen Sterben im Drahtverhau und den Todesqualen des Gasvergifteten oder des Bakterienverseuchten.
In Zukunft steht ein ganzes Volk gegen das andere, nicht mehr eine Armee nur gegen feindliche Armeen. Wir werden die physische Gesundheit unseres Feindes schwächen, wie wir seine moralische Widerstandskraft brechen. Ich kann mir wohl denken, daß die Bakterienwaffe eine Zukunft hat. Noch sind wir nicht so weit, aber es werden Versuche angestellt. Sie verlaufen günstig, wie ich höre. Aber die Anwendung dieser Waffe ist beschränkt. Ihre Bedeutung liegt in der Zermürbung des Gegners vor dem Krieg. Unsere eigentlichen Kriege werden sich überhaupt vor den militärischen Handlungen abspielen. Ich kann mir denken, daß wir ein feindliches England damit niederhalten. Oder Amerika.«
»Glauben Sie, mein Führer, daß Nordamerika sich noch einmal in die europäischen Dinge einmischen wird,« warf der dritte von uns, der junge Führer der damaligen Danziger SA. ein. — »Jedenfalls werden wir verhindern, daß es das noch einmal versucht. Es gibt neue Waffen, die dafür wirksam sind. Amerika befindet sich dauernd am Rande einer Revolution. Es wird mir ein leichtes sein, in den Vereinigten Staaten Revolten und Unruhen hervorzurufen, so daß die Herren genug mit ihren eigenen Angelegenheiten zu tun haben werden. Wir benötigen sie nicht in Europa.« »Sie sagten, man wird den Feind schon vor dem Kriege mit Bakterien verseuchen. Wie kann dies geschehen, mitten im Frieden,« fragte Forster. »Durch Agenten, durch harmlose Reisende, das ist immer noch das sicherste Mittel, das einzig wirksame zur Zeit,« fährt Hitler fort. »Übrigens müssen Sie sich vorstellen, daß es mehrere Wochen, wenn nicht noch länger dauert, ehe sichtbare Erfolge in Epidemien auftreten. Vielleicht wird man Bakterien auch im Gipfelpunkt des Krieges einsetzen, dann nämlich, wenn die Widerstandskraft des Gegners zu kippen beginnt.«
Unser Gespräch verbreitete sich über einige Details des künftigen Gas- und Bakterienkrieges. Wir saßen in der etwas engen Veranda von Haus Wachenfeld auf dem Obersalzberg. Hitlers wundervoller Wolfshund lag zu seinen Füßen. Die Berge leuchteten über einen freundlichen Wiesenabhang jenseits des Tales herüber. Es war ein zauberhafter Augustmorgen von jener herben, an den Herbst mahnenden Klarheit, die in den bayrischen Bergen immer wieder erfrischt. Hitler summte Motive aus Wagner'schen Opern. Er schien mir zerstreut, sprunghaft. Eben mitteilsam, versank er unmittelbar darnach in ein trockenes Schweigen. Übrigens war es die Zeit, als sich der Nationalsozialismus seiner schwersten Krise näherte. Die Partei war in eine fast verzweifelte Lage geraten. Aber aus jedem Wort Hitlers klang die feste Überzeugung, bald an der Macht zu sein und das deutsche Volk einem neuen Schicksal entgegenführen zu können. Wir sprachen von dem Ausgang des Krieges, der tragischen Wendung aller deutschen Siege.
»Wir werden nicht kapitulieren, niemals,« stieß Hitler hervor. »Wir können untergehen, vielleicht. Aber wir werden eine Welt mitnehmen. Muspilli, Weltenbrand.« Er summte ein charakteristisches Motiv aus der »Götterdämmerung«. Unser junger Freund von der SA. unterbrach das Schweigen; es sei das überlegene Waffenmaterial unserer Gegner gewesen, das schließlich die unglückliche Entscheidung des Kriegsendes herbeigeführt habe. »Es liegt nicht an den Waffen, es liegt immer an den Menschen,« verwies ihn Hitler. »Aber doch entscheiden neue Erfindungen und überlegene Waffen über das Schicksal ganzer Nationen und Gesellsrh2ftsklassen. Ist es nicht das, wohin Sie hinauswollten, mein Führer, als Sie eben sagten, daß der kommende Krieg ganz anders verlaufen würde wie der letzte? Die neuen Waffen, die technischen Erfindungen werden die ganze Kriegsführung ändern. Sie werfen die ganze Strategie über den Haufen. Heute hat Deutschland die Überlegenheit der Waffen und technischen Erfindungen.« »Nein, die Strategie ändert sich nicht. Wenigstens nicht durch technische Erfindungen. Das ist falsch.« Hitler wurde lebhaft. »Was hat sich seit der Schlacht bei Cannä geändert? Was hat die Erfindung der Pulverwaffen im Mittelalter an den Gesetzen der Strategie geändert? Ich denke skeptisch über den Wert technischer Erfindungen. Es hat keine technische Neuerung gegeben, die die Gesetze der Kriegführung auf die Dauer zu revolutionieren imstande war. Jeder technischen Erfindung folgt eine andere auf dem Fuße, die ihre Wirkung wieder aufhebt. Gewiß schreitet die Waffentechnik vorwärts, und sie wird noch viele Neuerungen schaffen, bis sie das absolute Höchstmaß der Zerstörung erreicht haben wird. Aber alles dies kann nur eine vorübergehende Überlegenheit sicherstellen.«
Heß, damals Hitlers Privatsekretär, der sich am Anfang des Gespräches zurückgezogen hatte, trat hinzu. »Den Herren scheint nicht klar zu sein, wie Deutschland angesichts des beschränkten Werts technischer Neuerungen für die Kriegsführung künftig dem Schicksal entgehen könnte, wieder in einen jahrelangen Stellungskrieg hineinzugeraten,« vermittelte Heß.
»Wer sagt, daß ich einen Krieg anfangen werde wie die Narren von 1914? Geht nicht unsere ganze Bemühung darauf hinaus, gerade das zu verhindern? Die meisten Menschen haben keine Phantasie.« Hitlers Gesicht verzog sich zu einer verächtlichen Grimasse. »Sie können sich das Kommende nur in den Bildern ihrer eigenen, kleinen Erfahrung vorstellen. Sie sehen nicht das Neue, das Überraschende. Auch die Generäle sind steril. Sie verfangen sich in ihrem eigenen Fachwissen. Der schöpferische Genius steht immer außerhalb des Kreises der Fachmänner. Ich habe die Gabe, die Probleme auf ihren einfachen Kern zurückzuführen. Man hat aus dem Krieg eine Geheimwissenschaft gemacht. Man hat ein feierliches Wesen darum veranstaltet. Krieg ist das Natürlichste, Alltäglichste. Krieg ist immer, Krieg ist überall. Es gibt keinen Beginn, es gibt keinen Friedensschluß. Krieg ist Leben. Krieg ist jedes Ringen. Krieg ist Urzustand. Gehen wir zurück auf die primitiven Handlungen, meinetwegen der Wilden. Was ist Krieg anderes als List, Betrug, Täuschung, als Überfall und Überraschung? Totgeschlagen haben sich die Leute erst, wenn sie nicht anders weiterkonnten. Kaufleute, Räuber, Krieger, das war früher eins. Es gibt eine erweiterte Strategie, es gibt einen Krieg mit geistigen Mitteln. Worauf kommt es im Kriege an, Forster? Daß der Gegner kapituliert. Wenn er das tut, habe ich Aussicht, ihn ganz zu vernichten. Warum soll ich ihn auf militärische Weise demoralisieren, wenn ich es auf andere Weise billiger und besser kann?«
Und nun entwickelte Hitler die Grundlinien seines Krieges, den er seitdem vielfach erprobt hat. Damals war es eine ungewöhnliche und wenig einleuchtende Lehre. Man sah, er hatte sich mit diesen Dingen lange und eingehend beschäftigt. Er fühlte sich als ein neuer großer Stratege, als ein künftiger Kriegsherr in einem neuen und bisher unerhörten Sinn.
»Wenn ich Krieg führe, Forster, dann werde ich eines Tages mitten im Frieden etwa Truppen in Paris auftreten lassen. Sie werden französische Uniformen anhaben. Sie werden am hellen Tage durch die Straßen marschieren. Niemand wird sie anhalten. Alles ist bis aufs kleinste vorbereitet. Sie marschieren zum Generalstabsgebäude. Sie besetzen die Ministerien, das Parlament. Binnen wenigen Minuten ist Frankreich, ist Polen, ist Österreich, ist die Tschechoslowakei seiner führenden Männer beraubt Eine Armee ohne Generalstab. Alle politischen Führer sind erledigt. Die Verwirrung wird beispiellos. Aber ich stehe längst auch mit Männern in Verbindung, die eine neue Regierung bilden. Eine Regierung, wie sie mir paßt. Wir finden solche Männer, in jedem Lande finden wir sie. Wir brauchen sie nicht zu kaufen. Sie kommen von selbst. Ehrgeiz und Verblendung, Parteihader und Dünkel treiben sie. Wir haben einen Friedensschluß, ehe wir den Krieg haben. Ich garantiere Ihnen, meine Herren, daß das Unmögliche immer glückt Das Unwahrscheinlichste ist das Sicherste. Wir werden Freiwillige genug haben, Männer wie unsere SA., verschwiegen und opferbereit. Wir werden sie mitten im Frieden über die Grenze bringen Allmählich, kein Mensch wird in ihnen etwas anderes sehen als friedliche Reisende. Heute glauben Sie das nicht, meine Herren. Aber ich werde es durchführen, Zug um Zug. Vielleicht werden wir auf den Flugplätzen landen. Wir werden soweit sein, nicht bloß Mannschaften, sondern auch schon Waffen durch die Luft zu transportieren. Uns hemmt keine Maginotlinie. Unsere Strategie ist, Forster, den Feind von innen zu vernichten, ihn durch sich selbst besiegen zu lassen.«
»Was sagen Sie,« flüsterte Forster, »vor ein paar Wochen hat er den Generälen in Ostpreußen einen neuen Plan vorgelegt, wie man Ostpreußen gegen einen polnischen Angriff verteidigen müsse. Sie haben den Plan angenommen Hitler ist ein Genie, er ist überall Fachmann.« Linsmayer, unser SA.-Führer, bat Hitler, sich mit uns photographieren zu lassen. Wir standen auf und traten vor das Haus an den steilen Abhang. Heß photographierte, Hitler in der Mitte. Wir gingen ein paar Schritte auf dem damals noch schmalen Weg, der knapp hinter dem Haus in den nahen Wald führte. Ich blickte nach dem gegenüberliegenden Gasthof »Zum Türken«. Sommergäste standen dort und sahen mit Ferngläsern herüber. Heß wies auf den grünen Abhang, der weiterhin in eine sanfte Kuppe ausmündete. Man müßte hier einen Landeplatz für Flugzeuge herrichten, uni die lästige Autofahrt hinunter ins Tal zu vermeiden. Heß hatte übrigens gerade an einem Flugwettbewerb mit Erfolg teilgenommen. Forster sprach ihn darauf an. »Lassen Sie das künftig,« sagte Hitler. »Sie haben das nicht nötig. Ich brauche Sie, Heß.«
Hitler nahm das Gespräch wieder auf. »In der Luftwaffe werden wir selbstverständlich führend werden. Sie bietet viele Möglichkeiten. Wir werden allen überlegen sein. Es gibt nur einen ernstlichen Gegner für uns auf diesem Gebiet : die Engländer. Nie werden Slaven einen Luftkampf zu führen verstehen. Es ist eine männliche Waffe, es ist eine germanische Art des Kampfes. Ich werde die größte Luftflotte der Welt bauen lassen. Wir werden die verwegensten Piloten haben. Selbstverständlich werden wir auch eine große Armee haben.«
»Werden Sie die allgemeine Wehrpflicht einführen?« fragte Linsmayer. »Nicht nur sie, sondern eine allgemeine Dienstpflicht, gegen die die Hilfsdienstpflicht Hindenburgs ein unvollkommenes Stückwerk sein wird. Wir brauchen Armeen; nicht bloß hochqualifizierte Spezialformationen, sondern auch Massenarmeen. Aber wir werden sie nicht einsetzen wie 1914. Was die artilleristische Vorbereitung für den frontalen Angriff der Infanterie im Grabenkampf bedeutet hat, das wird in Zukunft die psychologische Zermürbung des Gegners durch revolutionäre Propaganda zu tun haben, ehe die Armeen überhaupt in Funktion treten. Das gegnerische Volk muß demoralisiert und kapitulationsbereit sein, es muß moralisch in die Passivität getrieben sein, ehe man an eine militärische Aktion denken darf. Die moralische Niederkämpfung des Gegners, wie erreichen wir sie vor dem Kriege? Das ist die Frage, die mich interessiert. Wer den Krieg an der Front erlebt hat, wird nicht neue Blutopfer wollen, wenn sie vermieden werden können. Alles ist gut, was das kostbare deutsche Blut sparen hilft. Wir werden nicht vor der Anzettelung von Revolutionen zurückschrecken. Denken Sie an Sir Roger Casemont und die Iren im Weltkrieg. Wir haben überall mitten im Lande des Gegners Freunde, die uns helfen, wir werden sie uns zu verschaffen wissen. Gefühlsverwirrung, Widerstreit der Gefühle, Unentschlossenheit, Panik; das sind unsere Waffen. Sie kennen doch,« wandte sich Hitler an mich, »die Revolutionsgeschichte. Es ist immer dasselbe; die herrschenden Klassen kapitulieren. Warum? Defaitismus; sie haben keinen Willen mehr. Die Lehren der Revolution, das ist das Geheimnis der neuen Strategie. Ich habe von den Bolschewiken gelernt. Ich scheue mich nicht, es zu sagen. Man lernt immer am meisten von seinen Feinden. Kennen Sie die Lehre vom Staatsstreich? Beschäftigen Sie sich damit. Dann werden Sie wissen, was wir zu tun haben.«
Wir hörten zu und niemand ahnte, wie nahe wir alle der Verwirklichung dieser Ideen standen. Ich dachte an die Experimente der deutschen Obersten Heeresleitung im Weltkrieg mit den bolschewistischen Führern. Was dort improvisiert schien, um den Feind durch eine innere Revolution kampfunfähig zu machen, war hier in ein System gebracht, war zur allgemeinen Regel geformt.
»Ich werde nie einen Krieg beginnen, ohne die Gewißheit, daß ein demoralisierter Gegner einem einzelnen gigantischen Stoß auf Anhieb erliegt.« Hitler bekam starre Augen und begann zu schreien. »Wenn der Feind innerlich demoralisiert ist, wenn er vor der Revolution steht, wenn soziale Unruhen drohen, dann ist die Zeit da. Ein einziger Schlag muß ihn vernichten. Luftangriffe, unerhört in ihrer Massierung, Handstreiche, Terror, Sabotageakte, Attentate von innen, die Ermordung der führenden Männer, überwältigende Angriffe auf alle schwachen Punkte der feindlichen Verteidigung, schlagartig, zur gleichen Sekunde, ohne Rücksicht auf Reserven, auf Verluste : das ist der künftige Krieg. Ein gigantischer, alles zermalmender Schlag. Ich denke nicht an das Hinterher, nur an dies Eine.
Ich spiele nicht Krieg. Ich lasse mich nicht durch „Feldherren“ kommandieren. Den Krieg führe ich. Den geeigneten Zeitpunkt zum Angriff bestimme ich. Es gibt nur einen günstigsten. Ich werde auf ihn warten. Mit eiserner Entschlossenheit. Und ich werde ihn nicht verpassen. Ich werde meine ganze Energie darauf verwenden, ihn herbeizuzwingen. Das ist meine Aufgabe. Erzwinge ich das, dann habe ich das Recht, die Jugend in den Tod zu schicken. Dann habe ich so viele Leben erspart, als zu ersparen waren. Meine Herren, wir wollen nicht Helden spielen, sondern den Gegner vernichten. Generäle wollen, trotz ihren Lehren vom Kriege, sich wie die Ritter aufführen. Sie glauben, Kriege wie die mittelalterlichen Turniere führen zu müssen. Ich brauche keine Ritter, ich brauche Revolutionen. Ich habe die Lehren der Revolution zur Basis meiner Politik gemacht.«
Hitler hielt einen Augenblick inne. »Ich werde vor nichts zurückschrecken. Kein sogenanntes Völkerrecht, keine Abmachung wird mich davon abhalten, einen Vorteil zu benutzen, der sich mir bietet Der nächste Krieg wird unerhört blutig und grausam sein. Aber der grausamste Krieg, der keinen Unterschied zwischen Militär und Zivil macht, wird zugleich der mildeste sein, weil er der kürzeste sein wird. Und zusammen mit dem vollen Einsatz unserer Waffen werden wir den Gegner durch einen geistigen Krieg zermürben. Wir werden so sicher eine Revolution in Frankreich haben, wie wir sie diesmal in Deutschland nicht haben werden. Darauf verlassen Sie sich. Ich werde den Franzosen als ihr Befreier kommen. Wir werden dem kleinen Mann des Mittelstandes als die Bringer einer gerechten sozialen Ordnung und eines ewigen Friedens kommen. Diese Leute wollen ja alle nicht mehr Krieg und Größe. Aber ich will den Krieg. Mir wird jedes Mittel recht sein. Und meine Parole ist nicht: »den Feind nur nicht reizen«, sondern ihn mit den äußersten Mitteln vernichten. Den Krieg führe ich!«

2. Kapitel: Ein Abend und Morgen auf dem Obersalzberg

II.
Ein Abend und Morgen auf dem Obersalzberg
Wir waren von Danzig heraufgekommen : Forster, Linsmayer und ich. Es war knapp vor Mitternacht, als unser Zug in Berchtesgaden einlief. Hitler hatte uns sein Auto heruntergeschickt. Man fuhr gut zwanzig Minuten steil herauf, bis wir nach Obersalzberg kamen. Hitler wollte uns noch in der Nacht empfangen. Es war übrigens eine halsbrecherische Fahrt.
Hitler kam uns entgegen. Er hatte Besuch ; Damen. Ein kleines, sympathisch bescheidenes Haus. Man saß in einem mittelgroßen, im Stil einer bayrischen Bauernstube hergerichteten Raum, der durch die ganze Breite des Hauses ging. Um den großen Ofen lief eine einfache Bank. Aus einem verhängten Vogelbauer piepten aufgeschreckte Singvögel. Heß begrüßte uns. Wir wurden vorgestellt. Hitler bot uns — in seinem abstinenten Hause — einen Kirschlikör an. Es war übrigens kalt oben. Harte Bergluft nach der Hitze der sommerlichen Bahnfahrt.
Ich sah Hitler damals im August 1932 nicht zum erstenmal. Ich hatte ihm auch schon vorher in die berühmten Augen geschaut. Aber ich sah ihn hier zum erstenmal in seinem eigentlichen privaten Milieu. Es war gut bürgerliche Verbundenheit mit Bergnatur und veredeltem Bauerntum ; so wie sie vor dem Kriege in den mittleren Kreisen unseres Bürgertums üblich geworden war. Kattunvorhänge, sogenannte Bauernmöbel : alles etwas klein, verniedlicht. Keine geeignete Umrahmung für den künftigen Befreier Deutschlands. Wie Hitler persönlich auf einen wirkt? Diese Frage wird immer wieder an mich gestellt. Ich gestehe, daß es jedenfalls zwiespältige Empfindungen waren, die er bei mir persönlich weckte. Der große Volksredner verblaßte bis zur Unbedeutendheit des Kleinbürgers in dieser Umgebung. Das war alles sympathisch, aber von keinem Gegenstand ging ein persönlicher Ton aus. Mich machte die mitternächtige Gesellschaft stark überreifer Damen stutzig. Bedurfte er wirklich der gläubigen Hingabe von Frauen, um seiner selbst gewiß zu bleiben? Hitler hat nichts Anziehendes. Jedermann weiß es heute. Aber damals fabelte man von seinen tiefen blauen Augen. Sie waren weder tief noch blau. Sie blickten starr oder erloschen. Ihnen fehlt jeder Glanz und Schimmer echter Beseelung. Die Färbung seiner dunklen, fremdartigen Stimme ist für den Norddeutschen abstoßend. Der Ton ist voll, aber gequetscht, als wenn die Nase verstopft wäre. Inzwischen ist diese Stimme, kreischend, gurgelnd, drohend, rasend in der ganzen Welt bekannt geworden. Sie verkörpert die Qual dieser Jahre. Man wird sie viele Jahre als Symbol einer wahnsinnigen Zeit empfinden, und niemand wird begreifen, wieso von ihr ein Zauber ausgehen konnte.
Der Zauber der Persönlichkeit, es ist damit ein eigenes Ding. Ich habe an mir und anderen gefunden, daß man solchem Zauber nur erliegt, wenn man ihm erliegen will. Es ist mir aufgefallen, daß Hitler auf solche Persönlichkeiten den stärksten Eindruck machte, die entweder suggestionsfähig waren und einen femininen Einschlag hatten oder an Byzantinismus und Personenkult durch Erziehung und gesellschaftliche Stellung gewohnt waren. Das Äußere Hitlers trägt sicherlich nicht dazu bei, seinen persönlichen Eindruck zu erhöhen.
Hitler empfing uns jovial. Es war die Zeit nach einem gewissen bestialischen Mord in Oberschlesien. Nationalsozialisten hatten einen politischen Gegner nachts aus dem Bett gerissen und zu Tode getrampelt. Der damalige Reichskanzler v. Papen, der später Hitlers Berufung zur Macht durchsetzen sollte, hatte scharfe Verordnungen gegen die politischen Verbrechen ergehen lassen. Die Potempa-Mörder waren zum Tode verurteilt worden. Hitler hatte sich in einem aufsehenerregenden Telegramm öffentlich mit diesen Mördern solidarisch erklärt. Er bekannte sich zu ihrer Tat, er nannte sie seine Kameraden. Diese Handlung hat Hitler damals viele Sympathien gekostet. Sein Stern begann zu verblassen.
Unser Gespräch knüpfte an die jüngsten Ereignisse an. Hitler entrüstete sich über den Kampf des nationalen Bürgertums gegen ihn. Er bezeichnete es als den eigentlichen Feind Deutschlands. »Ich werde den Stahlhelm auflösen lassen,« dekretierte er mit der Bestimmtheit des Mannes, der seiner Sache gewiß ist. (Der Stahlhelm war der Bund nationaler Frontsoldaten, die eigentliche Schu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impreesum
  4. Markus Pyka: Zur Einführung
  5. Vorwort
  6. 1. Kapitel: Der kommende Krieg
  7. 2. Kapitel: Ein Abend und Morgen auf dem Obersalzberg
  8. 3. Kapitel: Ostpolitik und neuer deutscher Adel
  9. 4. Kapitel: Der Antichrist
  10. 5. Kapitel: Die Mittagtafel
  11. 6. Kapitel: »Ja! Wir sind Barbaren!«
  12. 7. Kapitel: Kaffee und Kuchen
  13. 8. Kapitel: Bereichert Euch!
  14. 9. Kapitel: Nach dem Austritt aus dem Völkerbund (Oktober 1933, Reichskanzlei Berlin)
  15. 10. Kapitel: Hitler enthüllt seine Außenpolitik
  16. 11. Kapitel: Das gefährliche Spiel
  17. 12. Kapitel: Am Bürgerkrieg vorbei
  18. 13. Kapitel: Neue Sozialordnung, neue Wirtschaft
  19. 14. Kapitel: Ist Hitler Diktator?
  20. 15. Kapitel: Schwarze und weiße Magie
  21. 16. Kapitel: Der Mensch im Wendekreis
  22. 17. Kapitel: Der Adlerhorst
  23. 18. Kapitel: Hitler privat
  24. Inhalt