Menschen gehen
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Menschen gehen

Flucht und Ankommen

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  1. 192 Seiten
  2. German
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Menschen gehen

Flucht und Ankommen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Pädagogische, politische, literarische und linguistische AspekteFlucht und Migration sind keineswegs neue Phänomene. Allerdings haben die massiven Fluchtbewegungen nach Europa im Jahr 2015 eine neue Situation geschaffen. Diese ide zeigt, auf welch vielseitige Weise die Herausforderung in Klasse, Schule und Bildungsinstitutionen angenommen wurden. Sie bietet Orientierungshilfen für Lehrkräfte und stellt Anregungen zur Verfügung, wie gute Konzepte in den veränderten 'Unterricht' übersetzt werden können. Was brauchen DeutschlehrerInnen an Wissen im Umgang mit den gesellschaftlichen und schulischen Folgen von Migration und Flucht?

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Information

Jahr
2017
ISBN
9783706558747
İnci Dirim

Bildungsbenachteiligung von Schüler innen mit Deutsch als Zweitsprache im österreichischen Bildungssystem

Sprachdidaktische Wege aus der Misere

In Österreich stellt der Erwerb des Deutschen als Zweitsprache einen bedeutenden Risikofaktor für das Erlangen von Bildungsabschlüssen dar – so ein in den letzten Jahren immer wieder erarbeitetes Ergebnis empirischer Studien. Schüler_innen sehen sich mit der Herausforderung konfrontiert, sowohl Deutsch lernen als auch am deutschsprachigen Unterricht teilnehmen zu müssen. Für die Unterstützung der betroffenen Schüler_innen in der Aneignung der (Bildungs-)Sprache Deutsch stehen mittlerweile Konzepte wie »Sprachförderung« und »sprachliche Bildung« sowie zahlreiche Methoden zur Verfügung, über die der vorliegende Artikel einen Überblick bietet.

1. Problembeschreibung

Bis auf Schulen der anerkannten ethnischen Minderheiten, weitere besondere Schulen bzw. Schulprojekte und den Fremdsprachenunterricht ist das österreichische Bildungssystem monolingual deutschsprachig organisiert. Das heißt für Schüler innen, die sich Deutsch als eine Zweitsprache aneignen, dass sie einer doppelten Herausforderung begegnen müssen: Sie müssen zugleich Deutsch lernen und am deutschsprachigen Unterricht aller Fächer teilnehmen, der zumeist nicht auf ihre sprachlichen Zugänge abgestimmt ist. Die Bildungsstatistiken und PISA-Studien zeigen die Effekte dieser Situation für die betroffenen Schüler_innen. Die Benachteiligung, die für diese Schüler_innengruppe entsteht, ist zwar mit weiteren Risikofaktoren außer dem der »Sprache« verknüpft, »Sprache« ist dennoch ein ausgesprochen bedeutsamer Risikofaktor für den Bildungserfolg. Der Nationale Bildungsbericht aus dem Jahr 2016 zeigt, dass die Gruppe der »männlichen Jugendlichen mit nicht-deutscher Umgangssprache« besonders gefährdet ist, die formale Bildungslaufbahn ohne berufsqualifizierenden Abschluss zu beenden – was daran ablesbar ist, dass 13,1 Prozent der »Mitglieder« dieser »Gruppe« nach Beendigung der Schulpflicht die Schule verlässt, ohne eine Ausbildung absolviert zu haben. Bei der Gruppe männlicher Jugendlicher mit deutscher Umgangssprache liegt der Wert mit 5,7 Prozent weit weniger unter der Hälfte als bei der oben genannten Gruppe (Oberwimmer u. a. 2016, S. 134). Die Überrepräsentation von Schüler_innen »mit Migrationshintergrund« in Haupt- und Förderschulen bei gleichzeitiger Unterrepräsentation in Gymnasien bzw. den Allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) in Österreich wurde mehrfach festgestellt (Bruneforth u. a. 2016). Dabei wurde erneut deutlich, dass neben dem Faktor »Gender« vor allem der Faktor der »sozialen Herkunft« und der der »Sprache« im Sinne von Deutschkompetenzen, die nicht den Erwartungen des Schulsystems entsprechen, zur Erhöhung der Wahrscheinlichkeit führen, dass weiterführende formale Bildungsabschlüsse nicht erreicht werden können (ebd.). Die PISA-Studie aus dem Jahr 2015 bestätigt die genannten Ergebnisse bezüglich des Faktors »deutsche Bildungssprache«:
Österreich zählt außerdem zu den Ländern mit den größten Leistungsnachteilen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – in Naturwissenschaft macht der Mittelwertunterschied zwischen Einheimischen und Jugendlichen der zweiten Generation 63 Punkte aus, zwischen Einheimischen und Jugendlichen der ersten Generation sogar 82 Punkte. Das zeigt, dass die Leistungen beider Migrantengruppen auf niedrigem Niveau liegen. Sprachliche Hürden scheinen hierfür eine zentrale Rolle zu spielen: Kontrolliert man die Naturwissenschaftsleistung um die sozioökonomische Herkunft und die Leseleistung, so zeigen sich nur mehr kleine Unterschiede zwischen Einheimischen und Jugendlichen mit Zuwanderungshintergrund. Auf Maßnahmen der Sprachförderung und sprachlichen Bildung wie z. B. einen sprachsensiblen Unterricht muss daher während der gesamten Schullaufbahn von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund Bedacht genommen werden. (Breit 2016, S. 105)
In diesem Bericht wird zwar nicht spezifiziert, um welche Sprache es geht, es ist aus der Konstruktion der PISA-Studien jedoch klar, dass es die Unterrichtssprache ist, in der die Lesekompetenz erfasst wurde. Im österreichischen Bildungssystem spielt es keine bzw. kaum eine Rolle, Migrationssprachen wie Farsi oder Arabisch auf einem sehr hohen Niveau zu beherrschen. Bedeutsam für die barrierefreie Teilnahme am deutschsprachigen Unterricht ist die Beherrschung der deutschen Sprache im bildungssprachlichen Register.

2. Aufbau des vorliegenden Artikels

Der vorliegende Artikel knüpft an die Ergebnisse der oben dargestellten Erhebungen und Analysen an und bietet einen orientierenden Überblick über die wichtigsten »Eckpunkte« des Fachdiskurses zur Deutschförderung in der Schule. Ergänzend wird auf das Konzept der »sprachlichen Bildung« im Deutschen eingegangen. Da Schüler_innen über einen langen Zeitraum hinweg in der Aneignung der Bildungssprache Deutsch begleitet werden müssen, ergänzt das Konzept der »Durchgängigen Sprachbildung« (Gogolin/Lange 2010) das einer (kurzfristigeren) Sprachförderung im Deutschen.

2.1 Begriffliches

Mit dem Begriff Deutsch als Zweitsprache wird sowohl ein persönlicher Zugang zur Aneignung des Deutschen bezeichnet als auch ein didaktisch-methodischer Zugang zur sprachpädagogischen Unterstützung von Personen, die sich Deutsch als eine Zweitsprache aneignen. Das Konzept Deutsch als Zweitsprache entwickelte sich mit dieser Doppelbedeutung in Abgrenzung zum Konzept Deutsch als Fremdsprache (DaF) und wird auch in Abgrenzung zu Deutsch als Muttersprache (DaM) gebraucht. Unter DaF wird vor allem die Aneignung des Deutschen in einer nicht deutschsprachigen Umgebung verstanden, zum Beisppiel das Erlernen des Deutschen im Fremdsprachenunterricht an einer (Sprach-)Schule in Portugal. Hierbei handelt es sich um eine weitgehend gesteuerte Sprachaneignung (= Lernen) und die gesteuerte Vermittlung des Deutschen mit einem entsprechenden didaktischen Konzept. Unter DaZ wird auf der einen Seite die weitgehend ungesteuerte Aneignung des Deutschen (= Erwerb) in verschiedenen Lebenskontexten in den amtlich deutschsprachigen Regionen1 verstanden, die in dieser ungesteuerten Form auch in den verschiedensten Schulstunden stattfindet, wenn nicht systematisch berücksichtigt wird, dass Schüler_innen, die den Unterricht besuchen, DaZ erwerben. Diese Schüler_innen begegnen der doppelten Herausforderung, sich das Deutsche aneignen zu müssen, während sie zugleich am deutschsprachigen Regelunterricht teilnehmen. Unter DaZ wird auch eine gesteuerte Unterstützung dieses Spracherwerbs verstanden (= DaZ-Förderung, DaZ-Unterricht). Die Abgrenzung zwischen DaF und DaZ ist nicht immer trennscharf (siehe Springsits 2012). In jedem Fall kann festgehalten werden, dass für Schüler_innen, die in einer amtlich deutschsprachigen Region DaZ erwerben, das Deutsche sowohl Unterrichtssprache als auch eine Sprache ist, in der sie Teile des Alltags gestalten, kurzum: eine Sozialisations- und Subjektivationssprache. Zu den didaktischen Zugängen zum Deutschen gehört auch Deutsch als Muttersprache (DaM). Allerdings ist die Eignung von DaM als wissenschaftlicher Begriff umstritten, u. a. deshalb, weil Kinder Sprache sich nicht nur von der Mutter aneignen und weil der Begriff nahelegt, dass die Aufgabe der Sprachvermittlung vornehmlich der Mutter zukommt.
Der Begriff Deutsch als Muttersprache ist außerdem von Deutsch als Zweitsprache nicht immer trennscharf abgrenzbar, da Sprachaneignungsprozesse in Migrationsgesellschaften komplex sind und viele Schüler_innen, die als DaZ erwerbende Kinder gelten, den parallelen Spracherwerb in Deutsch und einer anderen Sprache bzw. mehreren anderen Sprachen als Deutsch durchlaufen.

2.2 Spracherwerbstheoretische Grundlagen

Im Fachdiskurs besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass eine Sprache als Zweitsprache gilt, wenn deren Aneignung nach dem Erwerb der Grundstrukturen der Erstsprache im dritten (bzw. auch vierten) Lebensjahr beginnt. Die Bezugnahme auf diese Altersgrenze geht auf Spracherwerbsstudien zurück (siehe Überblick in Niebuhr-Siebert/Baake 2014). Allerdings ist davon auszugehen, dass viele Kinder, die als DaZ erwerbende Schüler_innen angesehen werden, schon vor dem dritten bzw. vierten Lebensjahr dem Deutschen begegnen, zum Beispiel, wenn ältere Geschwister bereits die Schule besuchen und in die Familie das Deutsche einbringen, zum Beispeil wenn sie ihre Hausübungen erledigen. Das Deutsche wird in solchen Situationen von den jüngeren Geschwistern mindestens passiv mit aufgenommen, daher wäre es angebracht, hier von einem multilingualen Erstspracherwerb auszugehen, in den Elemente verschiedener Sprachen einfließen. Einen dem genannten Kriterium des Beginns des Spracherwerbs nach dem dritten Lebensjahr entsprechenden Zweitspracherwerb kann man im Grunde fast nur bei Seiteneinsteiger_innen vorfinden. Das heißt jedoch nicht, dass die Kinder, die vor dem dritten Lebensjahr das Deutsche als nicht-dominante Sprache aufnehmen, in die Bildungsinstitutionen mit den Deutschkompetenzen eintreten würden, die dort von ihnen erwartet werden. Daraus lässt sich schließen, dass der Faktor »Alter« nur bedingt aussagekräftig ist. Dieser Faktor ist insofern wichtig, als davon ausgegangen wird, dass, je jünger die Kinder sind, wenn ihr Zweitspracherwerb beginnt, ihr Spracherwerb strukturell umso stärker dem des Erstspracherwerbs ähnelt (vgl. ebd.).
In der Fachliteratur werden unterschiedliche Einflussfaktoren auf den Zweitspracherwerb genannt, von denen die Folgenden die wichtigsten zu sein scheinen (vgl. Niebuhr-Siebert/Baake 2014, S. 54 f.; Jeuk 2010, S. 37 f.; Gogolin u. a. 2011):
Zeitpunkt des Beginns des Kontakts mit der Zweitsprache (= Alter)
Dauer des Kontakts zur Zweitsprache
Menge des Inputs in der Zweitsprache
Qualität des Inputs in der Zweitsprache
Intensität, Qualität und Dauer der Deutschförderung
Die Einflussfaktoren auf den Zweitspracherwerb liegen mehr oder weniger quer zu verschiedenen Spracherwerbshypothesen, mit denen aus einer eher linguistischen Perspektive – unabhängig von sozialen Rahmenbedingungen und pädagogischen Vorgehensweisen – versucht wird, den Verlauf bilingualer Sprachaneignungen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Ein umfassender Überblick, der den Nutzen dieser Hypothesen für die Sprachvermittlung in der Schule reflektiert, findet sich bei Jeuk (2010) sowie Niebuhr-Siebert und Baake (2014). Mir erscheint der ergänzende Hinweis darauf sinnvoll, dass die bestehenden Hypothesen Sprachen mehr oder weniger als strikt voneinander getrennt verwendete und erworbene Einheiten auffassen. Diese Betrachtung stellt einen Gegensatz zu den Ergebnissen soziolinguistischer Untersuchungen dar, die zeigen, dass Sprachen in Migrationskontexten in vielfältigen Formen miteinander kombiniert verwendet werden (vgl. Krefeld 2004). Es wurde bereits mehrfach kritisiert, dass durch Begriffe wie Bilingualität der Eindruck eines additiven Nebeneinanders von Einzelsprachen und die Vorstellung der »Zählbarkeit« von Sprachen verstärkt werde. Daher wird der Begriff Sprachigkeit anstelle von Mehrsprachigkeit vorgeschlagen (Busch 2013). Kinder erwerben in Kontexten Sprache(n), die von vielfältigen Sprachkontaktphänomenen und migrationsgesellschaftlichem Sprachwandel gekennzeichnet sind. Es stellt sich daher u. a. die Frage, inwiefern es zutrifft, dass diese Rep...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Editorial
  5. Realitäten in Schule und Gesellschaft
  6. Wie Lehrkräfte die Situation meistern
  7. Flucht als Thema Politischer Bildung
  8. Sprachunterricht
  9. Literarästhetische Bildung
  10. Service
  11. Magazin
  12. Impressum