rosa leben
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rosa leben

prosa

  1. 126 Seiten
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rosa leben

prosa

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Über dieses Buch

Egal ob Männer oder Frauen, Selma Mahlknechts Helden sind sogenannte Anti-Helden, Outlaws der Gesellschaft. Da ist einmal der verhinderte Schauspieler, der als Radiomoderator arbeitet und, von Skrupeln geplagt, seinen Job hinschmeißt. Da ist der Handelsvertreter, der eigentlich nichts mehr vom Leben erwartet, nur in seiner Arbeit aufblüht und eines Tages doch wieder so etwas wie Zuversicht schöpft. Oder die ältere Frau, die mit dem Zug fährt und ihr Leben überdenkt. Und dann ist da noch dieses junge Mädchen mit der Lebensweisheit einer Greisin. Allen gemeinsam ist die Konzentration auf das eigene Ich und die Suche nach einem klitzekleinen Stück Glück.Selma Mahlknechts Erzählungen zeichnen allesamt Vexierbilder zerrissener Seelen, die sich dem Leser in ihren Monologen öffnen.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9788872834923

Bodemanns Tag

In der Nacht war eine beißende Kälte auf das Tal gefallen, und als Ernst Bodemann am Morgen vor das Haus trat, überschauerte ein Prickeln die Poren seiner Wangen. Aber hinter den Bergen kündigte sich Sonne an, und Ernst Bodemann atmete auf. Pfeifend warf er seine Tasche auf den Beifahrersitz seines Wagens und drehte die Scheibenbelüftung auf.
Er war ein Morgenmensch, jedenfalls hätte er so geantwortet, wenn ihn jemand gefragt hätte. Ich bin ein richtiger Frühaufsteher, hätte er gesagt und etwas von Morgenstund und Gold im Mund hinzugefügt und dazu gutmütig gelacht. Dabei war die Wahrheit die, daß Ernst Bodemann den Morgen nur deswegen so liebte, weil er die Nacht so verabscheute. Ihm widerstrebte das Schattige und Unerhellte, aber mehr noch mißfiel ihm das horizontale Abwarten des Morgens. Ernst Bodemann schlief nicht. Er lag wohl da, sorgfältig zugedeckt und mit geschlossenen Augen, doch dies lediglich gewohnheitshalber, und während er hingestreckt in den Polstern lag, brütete er düstere Weltumwälzungsphantasien aus.
Dabei war Ernst Bodemann alles andere als ein Revolutionär. Er hatte es noch nicht einmal zum Stammtisch-Prediger gebracht. Zwar gab es eine Herrenrunde, mit der er sich zuweilen zu Weltbesprechungen zusammenfand, dort jedoch fiel er nie sonderlich als Rädelsführer ins Gewicht. Seine Beteiligung bestand hauptsächlich darin, dem Wirt mit bedeutsamen Fingerzeichen neue Getränkebestellungen mitzuteilen und ansonsten nickend den dorfpolitischen Ausführungen seiner Trinkkumpane zu lauschen.
Wäre es nach ihm gegangen, so hätte Ernst Bodemann die Nacht schlichtweg abgeschafft. Gewiß, er war durchaus ein Verfechter von ausgiebigen Ruhephasen, hielt es aber für eine Schikane der Natur, daß die Positionierung dieser Phasen im Tagesablauf dermaßen festgelegt sein mußte. Wenn nämlich die Sonne den ganzen Tag die Welt beschiene, so sein Gedankengang, könnte jeder Mensch sein Ruhebedürfnis zu einer ihm genehmen Tageszeit ausleben, anstatt sich in die Zwänge eines Kollektivschlafs fügen zu müssen.
Die Ablehnung einer allgemeingültigen Nachtruhe verdankte er im übrigen seiner Mutter, die es in Ernstens Kindertagen zu einem alltäglichen Ritual gemacht hatte, am Bettchen ihres Sohnes eine meditativ sich fortsetzende Auflistung schlafender Weltbewohner vorzunehmen, um den kleinen Ernst mit diesen ruhig dahingesprochenen Sätzen einzulullen und in sanften Schlummer sinken zu lassen. Dem kleinen Ernst indes war bei einer solchen Aufzählung keineswegs nach schlafen zumute. Während die Mutter ihr „es schläft die kleine Taube, es schläft das kleine Reh“ herunterbetete, zog Ernst seine Decke höher und höher über sein Gesicht, um nicht mehr zuhören zu müssen. Die bildgewaltige Vorstellung einer komatösen Fauna erschreckte Ernst. Nicht selten erwachte er in seinen Alpträumen in den Kulissen eines beängstigenden Dornröschen-Szenarios, in dem er als einziger Schlafloser umherirrte und weit und breit keine Prinzessin zum Wachküssen finden konnte.
Insofern war es auch folgerichtig, daß Ernst Bodemann keinen Weihnachtsmarkt trockenen Auges durchschreiten konnte, weswegen er solche Veranstaltungen grundsätzlich vermied: eine „stille Nacht“, in der „alles schläft“ und nur er allein „einsam wacht“, war das ihn paranoisch verfolgende Angstbild seiner frühesten Jugend. Daher entsprang Ernst Bodemanns Frühaufstehen keineswegs einer besonderen Liebe zur Morgenstunde, vielmehr war es seine ängstliche Vergewisserung, daß die Welt wieder aus ihrem todesähnlichen Darniederliegen erwacht war.
War diese Gewißheit jedoch mit dem Aufgehen der Sonne erbracht und die unangenehmste Tageszeit auch für diesmal überstanden, so hob sich Ernst Bodemanns Brustkorb in einer Woge des Hochgefühls, das ihn beschwingt in einen neuen Arbeitstag aufbrechen ließ.
Ernst liebte seine Arbeit. Seit Jahren schon half sie ihm dabei, sich über sein trost- und ereignisloses Privatleben hinwegzutäuschen, und seit der Sache mit Yvonne war sie das einzige, was ihm überhaupt noch geblieben war. Er vertrat Haushaltsreinigungsmittel, wobei seine besondere Vorliebe den Geschirrspülmitteln galt. Sein eigener Favorit war Glasoglanz, das in der Schweiz als Funkelfix und im Rest der Welt als Vetribrill vertrieben wurde. Glasoglanz funktionierte immer, und mochte Ernst Bodemann auch zuweilen mit Spülmaschinenzusätzen und Waschmaschinenentkalkern scheitern, keine Hausfrau ließ er ohne Glasoglanz zurück.
Dabei war Ernst Bodemann ganz und gar kein wortgewaltiger Überreder. Anders als viele seiner Kollegen vermochte er den Widerstand seiner Ansprechpartner nicht mit wolkenbruchartigen Redefluten hinwegzuschwemmen, die Technik der Ununterbrechbarkeit, die viele so meisterlich beherrschten, war ihm gänzlich fremd, und dennoch wurde er in seiner Firma als einer der besten Verkäufer geschätzt. Seine Überzeugungskraft erwuchs ihm weniger aus rhetorischer Brillanz, als aus seiner hausmännischen Ausstrahlung. Ernst Bodemanns gesamte Erscheinung war eine Liebeserklärung an die Sauberkeit und das dazugehörige Reinemachen. Wenn er Glasoglanz vorführte, trat in seine Augen ein fiebriger Schimmer, er reinigte das von den Kunden bereitgestellte Geschirr mit Hingabe, wobei er die Formen der Gläser und Kannen so liebevoll mit seinem weichen Tuch umschmeichelte, daß in den Kunden die Sehnsucht erwachte, es ihm gleichzutun, kurz: die Erkenntnis, die Rilke im Torso des Apoll verkörpert gesehen hatte, wurde der weniger lyrischen Hausfrau in Ernst Bodemanns prosaischen Formen leibhaftig: du mußt dein Leben ändern.
Ernst wußte um seine besondere Wirkung, wenn ihm auch die näheren Zusammenhänge nicht klar waren. Er funktionierte, das war alles, und es war gut so. In dieser Gewißheit sprang er federnden Schrittes die Stufen zu noch uneroberten Haustüren hinauf, in dieser Gewißheit verließ er die beglückten Haushalte, kurz, sein Arbeitsleben war voller sich bestätigender Erwartungen.
Im Gegenzug dazu – und Ernst empfand dies nur als gerecht – war sein Privatleben voller disaströser Fehlschläge, die jedoch aufzulisten sich ihrer Banalität wegen erübrigt. Festgehalten sei, daß Ernst seit der Sache mit Yvonne überhaupt auf jegliches Privatleben verzichtet hatte, weswegen – abgesehen von Glasoglanz und Stammtischrunde – nur noch wechselnde Zahnpastatuben und zuweilen im Vorgarten minnesingende Katzen seinen Alltag belebten. Aber Ernst haderte nicht mit dem Schicksal. Immerhin kam er täglich unter Leute, hatte Einblick in die verschiedensten Wohnverhältnisse, und was sich ihm bei solchen Gelegenheiten offenbarte, gab ihm genügend Gründe, mit seiner eigenen farblosen Existenz höchst vergnügt zu sein.
Als er also an jenem Morgen zur alltäglichen aventure ausfuhr, war Ernstens Welt in Ordnung. Blauer Himmel brach durch die Wolken, und von den Bäumen fielen golden aufflackernde Blätter, deren abgedroschene Schönheit Ernst immer wieder von neuem betörte. Er störte sich nicht an den herbstlichen Klischees, weder am Maronimann mit seinen Tüten, noch an den bereits weihnachtlich funkelnden Schaufensterfronten. Noch war es nicht Zeit für eine „stille Nacht“, und Ernst konnte die sich rotgolden abzeichnende Lamettawunderwelt ertragen.
Ernst verließ die Stadt, fuhr auf sich mehr und mehr leerenden Straßen hinaus aufs Land zu einer kleinen Wohnsiedlung, die er sich als Tagesaufgabe vorgenommen hatte. Kleine weiße Häuschen reihten sich aneinander, mit bunten Bildern an den Fenstern oder vergilbenden Blumen, hier wuchsen Kinder auf, wußte Ernst, für ihn und Glasoglanz eine Herausforderung.
Ein Hund bellte in einem umzäunten Gärtchen, als er aus dem Wagen stieg, und Ernst beschloß, dieses Haus als letztes zu nehmen. Er wandte sich einem schmucken Häuschen mit Zeltdach zu, das in einem akkurat geschnittenen Rasenviereck stand. Hier herrschte Sauberkeit, dachte Ernst, hier war er richtig.
Am Türschild stand „Kringel“, und Ernst läutete.
Als die Tür aufging, sah sich Ernst Bodemann einer eher kleinwüchsigen Frau gegenüber, die unter einem wolligen Lockenkopf zu ihm aufschaute. Sie mochte einmal blond gewesen sein und diese ihre Naturfarbe in aufwendiger Selbstbehandlung zu erhalten getrachtet haben, jetzt jedenfalls kräuselte sich ihr hochfahrendes Haar in verblaßten graubraunen Windungen, unter denen es hie und da wieder golden hervorleuchtete, was ihr einen Kopf wie einen sterbenden Laubwald gab, und so paßte sie recht zum sich einfärbenden Herbst ringsum.
Ernst Bodemann ließ sich von ihrem Anblick nicht beirren. Eilig zog er den Hut, den er einzig zu diesem Zwecke aufgesetzt hatte, und stellte sich Frau Kringel vor. Sie schaute ihn schief an und legte die Hände an ihre bespeckten Hüften. Aber sie ließ Ernst ein, und siegesgewiß begann dieser, seine Ware auszupacken. Frau Kringel kniff ein Auge zusammen, während sie Ernst zusah, wie dieser ihr Küchenfenster von den beiden kleinen Blumentöpfen freiräumte und dann mit seiner Demonstration begann. Er putzte das Fenster gründlich, obgleich es bereits sauber gewesen war, und er versicherte Frau Kringel glaubhaft, daß es jetzt doch „kein Vergleich“ zu vorher sei, wohl wissend, auf welch dünnem Eis er sich mit dieser Behauptung bewegte. Frau Kringel war geneigt, ihm zu glauben. Sie gehörte zu jenen Frauen, die überall Staub und Verschmutzung wahrnehmen, weswegen sie auch nahezu ununterbrochen irgendwelchem Phantomdreck hinterherputzte, ohne jemals wirklich zu Rande zu kommen. Ernst kannte diesen Menschenschlag genau und freute sich bereits, nicht nur Glasoglanz, sondern möglicherweise die gesamte Kollektion bei Frau Kringel unterbringen zu können. Daher griff er beschwingt nach seinem nächsten Reinigungsmittel, schraubte es auf und hielt es Frau Kringel unter die Nase. „Der neue Duft der Sauberkeit“, erklärte er, und Frau Kringel schnupperte. Aha, aha. Mehr äußerte sie nicht und sah dann Ernst zu, wie er sich über den Herd hermachte. „Ein Kinderspiel“, verkündete Ernst, „mit wenig Aufwand höchste Sauberkeit.“ Dann verstummte er und begann, tief über die Platte gebeugt, den Herd zu schrubben, während sich Frau Kringel nahe an ihn schmiegte und jeder seiner Bewegungen mit starrem Blick folgte.
„Wer isn das?“ tönte es da plötzlich von hinten. Ernst Bodemann schreckte hoch. In der Tür stand ein beleibter Mann mit etwas zu kleinem Kopf, und Ernst, der keinen Hut zum Lüften mehr hatte, verschlug es die Sprache. „Is scho gut, Manni. Isn Vertreter. Komma her, schauma, wasser macht.“ Zögernd nahm Ernst seine Arbeit wieder auf. „Das is ja wohl nich wahr“, sagte Manni da lauter werdend. „Putzmittel oder was, spinnstu?“
Ernst Bodemann wußte, was nun folgen würde, es war ihm schon hundertfach begegnet, und er stellte sein Schrubben ein. Während Frau Kringel nun mit sich aggressiv erhöhender Stimme Herrn Kringel anmaunzte, was diesen überhaupt angehe, was sie zum Putzen kaufe, schraubte Ernst Bodemann mit eingezogenem Kopf seine Flaschen zu und verstaute sie hastig in seiner Tasche. Daraufhin blökte Herr Kringel seine Frau unwirsch in seiner unartikulierten Halbwortsprache an, und Ernst Bodemann verzichtete darauf, dem genauen Inhalt seiner Ausführungen zu lauschen, denn nun spielte sich das ab, was Ernst Bodemann hinlänglich kannte und was zu seiner oben erwähnten Zufriedenheit mit seinem eigenen Leben beitrug: Herr und Frau Kringel warfen einander ihr Daseinsunglück vor. Frau Kringel schleuderte dabei wiederholt die Hände vor sich in die Luft und wackelte keifend mit ihrem Frisurengestrüpp, während der kleinköpfige Herr Kringel durch die Küche stampfte und „ach was, ach was“ ausrief. Ernst Bodemann seufzte und setzte seinen Hut auf. Er werde jetzt, sagte er in schlichtem Tonfall, wohl besser gehen, doch Frau Kringel dachte nicht daran, ihn ziehen zu lassen. Das wäre ja noch schöner, quiekte sie erregt. Sie könne Putzmittel kaufen, so viel sie wolle, war sie doch ja auch die einzige die überhaupt jemals irgendwas im Haushalt tat, denn Manni war ja nicht zu bewegen … Und so fort. Am Ende hatte sie Ernst Bodemann zwei Familienpackungen Glasoglanz sowie „den neuen Duft der Sauberkeit“ abgekauft, während Herr Kringel aus Protest die gesamte Bodenputzmittelkollektion verlangt hatte, denn was den Boden betreffe, sei Frau Kringel völlig unfähig, da müsse immer er herhalten, er sagte es in vertraulichem Tone zu Ernst Bodemann und doch so, daß seine Frau alles davon hören mußte. Diese wiederum reagierte auf diese unverschämte Verleumdung, wie sie es nannte, mit einer noch eine Oktave höheren Stimme und hätte wohl schon begonnen, mit Geschirr um sich zu werfen, wäre nicht Ernst Bodemann noch in der Küche gestanden. So beeilte er sich denn, artig zu danken, zum klugen Kauf zu gratulieren und sich schleunigst davonzumachen, während hinter der zufallenden Haustür der Ehesturm tobte.
Ernst seufzte. Das war noch einmal gut gegangen, auch wenn er sich doch mehr erhofft hatte. Jedenfalls konnte er sich nun gewiß sein, daß er in den Kringels eine taugliche Adresse für spätere Nachschubkäufe gefunden hatte. Weder Herr noch Frau Kringel, wußte Ernst, würden die Gelegenheit ungenutzt lassen, ihrer „besseren Hälfte“ mit dem Kauf seiner Produkte noch einmal kräftig eins auszuwischen. Ernst wertete dies bereits als kleinen Teilerfolg. Noch jedoch war er längst nicht am Ende, und er freute sich schon darauf, beim nächsten Haushalt zu Höchstform aufzulaufen. Auf dem Nachbargrundstück nämlich hatte er einen sommersprossigen Knaben erblickt, der ihn, hingeduckt unter den Himbeersträuchern, ungesehen zu beobachten meinte. Ernst wußte, daß er leichtes Spiel haben würde. Mütter von in dichtem Gestrüpp umherkriechenden Knaben waren die Hauptabnehmer von Saniflausch, einem antibakteriellen Waschmittel mit Weichspülerqualitäten. Ernst mußte nichts weiter tun, als Sympathie für den Sommersprossigen vorzutäuschen und der Mutter zum wohlgeratenen Sprößling zu gratulieren, auch wenn dieser sich durch nichts weiter auszeichnete als durch die Tatsache, daß es ihn gab. Mütter hielten Ernst Bodemanns Erfahrung gemäß gerade das für ihr Hauptverdienst. So war es auch mit der Mutter des Sommersprossigen. Nach ein paar wohlwollenden Worten über den „aufgeweckten“ und „braven“ Nachwuchs (beides Adjektive, die immer willkommen waren, auch beim ausgekochtesten Satansbraten) war die Mutter schon ganz gewonnen. Sie war eine hochgewachsene Frau mit großen Füßen, die Ernst Bodemann zu seinem Glück beim Bügeln antraf. Bald war das Gespräch auf Saniflausch gebracht, und die Mutter zeigte sich angetan. Dann ließ Ernst sie noch am „neuen Duft der Sauberkeit“ schnuppern, wobei er auch hier eine antibakterielle Wirk...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Zum Buch
  3. Titel
  4. Inhalt
  5. rosa leben
  6. Bodemanns Tag
  7. Die Verstimmung
  8. Monolog im Frauenabteil
  9. Die Autorin
  10. Impressum