Jakob schläft
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Jakob schläft

Eigentlich ein Roman

  1. 80 Seiten
  2. German
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Jakob schläft

Eigentlich ein Roman

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Klaus Merz erzählt die Geschichte einer Familie, deren Lebenswege immer wieder in Abgründe und Hinterhalte führen. Abseits der Kreuzungen, an denen Krankheit und Tod "Vorrang haben", wird aber gelebt, geliebt und geflunkert. Den Blick auf die Details gerichtet, rückt der Erzähler die Ereignisse in ein oft überraschendes Licht. Fast beiläufig skizziert Klaus Merz so ein Bild der fünfziger und frühen sechziger Jahre, das aber nicht der Nostalgie, sondern immer dem Leben verpflichtet bleibt.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783709976180

1

KIND RENZ. Vom Fensterbrett wirbelt Staub, in meinem Rücken steht das Kreuz mit dem morschen Fuß, sein schmales Kupferdach ist hauchdünn mit Grünspan überzogen. Vor den acht Buchstaben, die ins Querholz eingebrannt sind, habe ich lesen gelernt.
Der ältere Bruder ist bei der Geburt gestorben und hätte eigentlich Jakob heißen sollen. Da es aber nicht zur Taufe gekommen ist, haben sich auch die Eltern, eigenartig zwanghaft, an die amtliche Namenlosigkeit ihres Ältesten gehalten.
An der Hand des Vaters, an der Hand der Mutter, zwischen den schwarzen Wintermänteln der Großeltern habe ich die seltsame Bezeichnung für meinen Bruder immer wieder durchbuchstabiert. Kind Renz.
Daß die Erwachsenen am Grab weinten, ist dann allmählich seltener geworden. Wie die Friedhofsbesuche auch. — Das Hochzeitsbild des jungen Paares, auf dem die Schwangerschaft als Schatten im Gesicht der Braut schon ablesbar gewesen sein muß, hat nie auf unserem Stubenbuffet gestanden.
Begonien wechselten ab mit Stiefmütterchen, Stiefmütterchen mit Geranien, am längsten hielt sich der Rosenstrauch. Bis das verwitterte Kreuz eines Tages im Holzschopf neben dem Schweinekoben stand und niemand in der Familie recht wußte, wohin damit.
Ein Jahrzehnt später ging es vermutlich samt Fahrhabe und Brennholzvorrat, samt Werkbank und verbeultem Benzinkanister, Spaltstock und Harleypneus über an den neuen Besitzer der Liegenschaft, die kurz darauf noch. ein zweites Mal die Hand wechselte, bevor sie endgültig eingeebnet wurde.
Innerlich gebückt, um den Schädel nicht wieder am Türbalken des leeren Schweinestalls aufzuschlagen wie damals, als ich im halbdunklen Koben das Sparschwein mit meinen Fünfzigrappenstücken knackte, geht es weiter im Kopf.
Die Münzen brannten in der kleinen Faust, sie fraßen sich heiß in meinen Handteller hinein, und ich begriff auf der Stelle, was die Erwachsenen meinten, wenn sie behaupteten, daß Geld auch nicht glücklich mache.
Um meinen Frevel zu vertuschen, verstreute ich die handwarmen Batzen in hohem Bogen im frisch gefallenen Schnee und betete zu Jakob, inbrünstig, er möge sie doch um Himmels Willen zum Verschwinden bringen.
Nach der Schneeschmelze blinkten die Silberlinge wieder gnadenlos in der Sonne. Ich sammelte sie erschreckt ein.
Böser Lukas, sagte Vater.
Er stand mit seinem Reisbesen in der Hand auf dem Wellblechdach des Mehlmagazins, wo ein Teil meiner Börse liegen geblieben war, und schaute auf mich herab.
Vermaledeiter Jakob! dachte ich.
Im Sand der abgebrannten Voliere hockte wie immer ein aufgeplusterter Spatz.

2

Man habe die Vögel bis ins Nachbardorf schreien gehört. Mit brennenden Schwingen seien die Exoten im Käfig herumgeflattert, während Großvater mit dem Gartenschlauch in der einen, einem Beil in der anderen Hand gleichzeitig gelöscht und geschlachtet habe und vom Unterdorf her das Martinshorn allmählich näher gekommen sei.
Ein Lachender Hans ohne Kopf flog über den Gartenzaun aufs Bahngeleise hinaus, wo ihn später der Streckenwärter zwischen den rostigen Schwellen fand.
Die Brandstifter wurden nie erwischt. Und Großvater ließ von da an die Vögel bleiben, die mit ihren knarrenden Flüchen tagaus, tagein nur die Nachbarschaft genervt hatten.
Die eine der beiden Volieren diente uns später als Sandkasten. Hier buken wir Stangenbrote und Gugelhöpfe, bauten wir Schlösser, die Ritterburg, gruben wir uns auf den Erdmittelpunkt zu.
Und setzten wir am Tag nach der Sonntagsschule die Sintflut in Gang.
Der andere Riesenkäfig, südseits des Hauses, wurde in eine Gartenlaube umfunktioniert. Auf dem Feldbett mit dem Blumenmuster, unter der mokkabraunen Kamelhaardecke aus Scharm el Scheich, einem Geburtstagsgeschenk von Franz, hielt Vater, staubig und müd von der Nachtarbeit, von Frühling bis Herbst seinen Nachmittagsschlaf.
Die Wände des Anbaus waren gelb gestrichen. Als läge man in einem Ei. Mutter zog Vater die Vorhänge zu, ihre Kletterrosen wuchsen artig dem Traufbrett entlang. Auf der Abdeckleiste über dem Kopfende des Gartenbettes reihte sich Fettfleck an Fettfleck, eine läßliche Unordentlichkeit im Laubenschatten, die rosarote Ohropaxdeponie.
Von hier aus war Vater eines Nachmittages, wankend und bleich, die Kamelhaardecke um die Schultern geschlagen, in die Backstube zurückgekehrt. Als käme er aus dem Krieg.
Er war im Halbschlaf in einen Hinterhalt geraten. Die Ärzte nannten es Epilepsie.

3

Im Zwielicht der großen Voliere, silbergraue Vampires im Tiefflug kehrten dröhnend zu ihren Ausgangsbasen zurück, tauchten Sonja und ich ins Reich der Liebe ein. Wir legten einander die Finger zwischen die nackten Zehen und rochen daran, benommen bis ins Einschlafen hinein.
Sonjas drei Brüder bewachten unser Liebesnest, während ihr Vater noch immer im Freien vor der Sattlerei stand und seine Zupfmaschine mit Roßhaar fütterte, das ihm auch schwarz aus dem Hemdausschnitt quoll.
Sommers arbeitete er die durchgelegenen Matratzen der ganzen Gegend neu auf, geblümt, gestreift, gesprenkelt, und überließ uns den verfleckten Drillich für die Indianerzelte. Auf dem Lagerfeuer mottete Seegras, es hielt uns die Bremsen fern.
Während der Wintermonate ritten wir auf den lädierten Pferdesätteln der ortsansässigen Fabrikantenfamilien durch die niedere Werkstatt oder hockten als stille Eingeborene, trunken von den Leimdämpfen, im dämmrigen Lederreservat. An diesem Abend aber waren Sonjas Brüder, pflichtvergessen, wie sie uns schon tagsüber immer wieder vorgekommen waren, über den Jagdspeeren eingeschlafen, und unsere Eltern trugen uns auf ihren Armen zu Bett.
Ihr Weg führte am ehemaligen Fischteich vorbei, der nach der Karpfetizeit, die sich nahtlos an Großvaters Vogelzeit angeschlossen hatte, zu unserem Planschbecken geworden war.
Die Wasseroberfläche hatte wie das schillernde Kostüm eines Weißclowns ausgesehen, als Großvaters Wildkarpfen ihre Schuppen fahrenließen und rücklings, nackt, durch den ausbetonierten Teich auf den Ausguß zutrieben.
Während einer stürmischen Nacht im April, Bäche traten über ihre Ufer, ganze Häuser wurden abgedeckt, die Kartoffeln ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Kapitel 1
  5. Kapitel 2
  6. Kapitel 3
  7. Kapitel 4
  8. Kapitel 5
  9. Kapitel 6
  10. Kapitel 7
  11. Kapitel 8
  12. Kapitel 9
  13. Kapitel 10
  14. Kapitel 11
  15. Kapitel 12
  16. Kapitel 13
  17. Kapitel 14
  18. Kapitel 15
  19. Kapitel 16
  20. Kapitel 17
  21. Kapitel 18
  22. Kapitel 19
  23. Kapitel 20
  24. Kapitel 21
  25. Kapitel 22
  26. KLAUS MERZ