Adams Kostüm
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Adams Kostüm

Drei Erzählungen

  1. 96 Seiten
  2. German
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Adams Kostüm

Drei Erzählungen

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Drei Geschichten über Frauen und Männer, über Entfernung und Nähe und die Spanne Zeit dazwischen. Drei ganz normale Liebesgeschichten also? Ihr Autor wäre nicht Klaus Merz, wenn dem so wäre. Wo März nämlich ins Innere der Welt und auf die "Außenhaut" der Menschen schaut, ist das Alltägliche oft nicht so einfach und das Besondere meist erstaunlich unkompliziert: Liebe flammt auf und verschwindet wieder, entsteht aus dem Nichts und mündet ins Offene. Etwa zwischen der Therapeutin und ihrem selbstmordgefährdeten Patienten, oder kaum merkbar in einem Speisewagen, im zufälligen Gespräch zweier Reisender. Und was bleibt von einer Liebe, wenn ein Mann Frau und Kind verläßt und nach Jahren zurückkehrt, als wäre nichts geschehen?

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783709975244
Adams Kostüm
Am Maskenball war Evelin auf den Franziskaner getroffen. Im Parterre der Wirtschaft schnauften die Bläser und das Akkordeon. Es wurde getanzt, getrunken und im Takt geschunkelt, währenddem der Gottesmann und das Mädchen einander unterm Dach ins Gebet nahmen, gründlich.
Alle Freuden und Sünden zählten sie zusammen sorgfältig auf, bis ihnen kein freier Finger mehr blieb und sie gezwungen waren, auch Schuhe und Strümpfe noch abzustreifen, um an den Zehen weiter zu zählen und ziehen.
Gegen vier Uhr in der Frühe erhob sich dann ein kurzer, heftiger Sturm, ein loser Fensterladen schlug im Takt der Tanzmusik gegen die Fassade, und die grosse Schlusspolonaise im untersten Stockwerk versetzte selbst das Dachgebälk noch einmal in Schwingung. Da und dort fetzten Interferenzen die alten Biberschwänze aus ihrer Halterung, als wären sie aus Papier. Nur der zugelaufene Cowboy aus dem Nachbarkanton blieb in seiner Saalecke regungslos liegen. Er war zu erschöpft, um noch einmal zurückzuschlagen. Die beiden Gotteskinder unterm Dach sahen, auf dem Rücken liegend, in den allmählich aufklarenden Himmel hinein:
„Oh, Adam!“
„Oh, Evelin!“
Mit je einer grossen Zehe im Mund fielen Evelin und ihr Mönch in den Schlaf.
Der Rektor erteilte die Geometrie vom Feldbett aus. Er trug sein Sprungbein im Gips. Evelin schlief weiter in der hintersten Bank. Sie konnte fliegen. Rechtwinklig ragte ihr linker Arm über die Tischkante hinaus:
A-Quadrat plus B-Quadrat gleich C-Quadrat. Evelin begriff ihren Pythagoras im Schlaf. Grill griff nach der Trillerpfeife, die ihm während der Turnstunden wie auch während seines Mathematikunterrichts stets um den Hals baumelte. Sie half ihm weniger, seine Autorität zu markieren, als sich selber bei der Stange zu halten. Er trug wie immer seinen schwarzen Rollkragenpullover und die unverwüstliche Manchesterhose dazu. Als Turner und Denker war er sich dieses Tenü irgendwie schuldig, das rechte Hosenbein jetzt bis zur Hüfte mit Schlitz. Die Trillerpfeife hätte ihn fast das Leben gekostet, als er bei seinem
verfehlten Abgang vom Reck mit der Pfeifenschnur am eisernen Dorn hängen geblieben war und beinahe erwürgt worden wäre. Evelin hatte die Schnur kurzerhand entzweigebissen. Das vergass ihr der Rektor nicht und liess seine Pfeife sinken.
Im leeren Festsaal tanzte der Staub in den Oberlichtern. Evelins Vater wischte die Konfetti zusammen und kippte sie mit den Pappnasen, den Zigarettenstummeln und Kartonbrillen auf einen Haufen. Daneben lag eine zerknüllte Mönchskutte, die er beim Verstauen seiner selbst gemalten Wanddekorationen unterm Dach gefunden hatte. Er griff nach dem groben Tuch und befühlte es, darauf liess sich malen.
Vor seinem Fenster trugen die Oberschüler in der behelfsmässigen Sänfte ihren Rektor vorbei. Seine Wunde wollte und wollte nicht heilen. Grill und Koni, beide ohne Frauen vor der Zeit, grüssten einander von weitem. Adams Mutter hastete grusslos am Lehrer vorbei, sie hatte ihr Haar wieder einmal zu Hause vergessen und sich nur das getupfte Tuch umgebunden, war als Fliegenpilz durchs Dorf unterwegs.
„Niemand da?“, rief Evelin, die von der Schule nach Hause kam, in die leere Saalhälfte hinein. Koni nickte.
Lieber als Wirt wäre Koni Kunstmaler geworden. Es gebe Maler, die aus der Sonne einen gelben Fleck machten und andere, die aus einem gelben Fleck eine Sonne machten, hörte er in seinem Kopf Liz’ Stimme wieder durch das Museum hallen und spürte das Herz ein paarmal deutlich gegen sein vom Pinselabstreifen hart gewordenes Revers schlagen. Natürlich hielt auch er es lieber mit den
„anderen“:
„Wer eine Sonne malt, hat einen Kosmos im
Auge, eine Welt, Gestirne, Umlaufbahnen, das Vergehen der Zeit.“ Liz hatte Koni über ihre im Halbkreis versammelten Kunstjünger hinweg zugewinkt, vertraut.
Als der Saal aufgestuhlt und in Ordnung, die Faltwand wieder eingefahren war, holte er seine Staffelei herbei, zerschnitt den handfesten Stoff und spannte ihn auf ein paar leere Rahmen. Er brachte die Grundierung auf. Mit Asche vermischtes Weiss für einen langen Winter, die Farbe von Konis Bart, von dem man sagte, dass er ihm über Nacht grau geworden war.
Am Nachmittag suchten die grossen Knaben der Oberstufe die Gegend nach gebrauchten Kondomen ab und wurden nicht gleich fündig im Schnee, in den Scheunen, warfen sich kurzerhand auf die vordersten Schlitten und steuerten den bereitstehenden Kufenzug der verschreckten Unterschüler in schneller Fahrt die Hauptstrasse hinab. Unterm Torbogen des Altersheims schlug eine Insassin ihre beiden Stöcke über dem Kopf zusammen, dass es krachte, und winkte den Vorüberrasenden zu unter ihren farbigen Kappen. Sie querten das Geleise der Eisenbahn, als die Signalglocken der Bahnschranke schon anschlugen, kreuzten jauchzend vor Lust und Angst das aggressive Geheul einer irrlichternden Ambulanz. „znalubmA!“ schrien sie.
Erst nach der grossen Kurve auf dem gesalzten Vorplatz der Gemeindekanzlei kam der Konvoi endlich zum Stehen. Die glänzenden Augen der Kleinen, die mit den Grossen zusammen als mutige Fracht erstmals die Schallmauer durchbrochen hatten, hingen an den Hochgeschossenen wie an Helden. Diese aber lehnten schon wieder an der kalten Schulter der nackten Bronzefrau in der Rabatte, rauchend, und liessen die Kleinen stehen im Schnee.
Bänkelloch, Hinternack, Höllweid. Auf dem Hügel neben der Baracke des Astroclubs Solaris mit ihren mondgelben Fensterläden, dem grossen Fenster im Wellblechdach stand Adam vor dem Wegweiser und sang seinen Satz, den er schon eine ganze Weile lang auf den Lippen mitgetragen hatte, leise in sich hinein:
„Wohin soll ich mich wenden?“
Am Gegenhang sah er zwischen den Häusern die Kolonne aneinander gehängter Schlitten talwärts verschwinden. Ihn schmerzte es zwischen den Beinen, ein müdes Ziehen. Hatte er eigentlich die Wunder der vergangenen Nacht nur geträumt, den Engel, der ihm zum Abschied ein Stück Brot in die Hand und zwei Finger auf die Lippen gelegt hatte im Morgengrauen?
„Oh, Evelin!“
„Zwei Halbwaisen ergeben zusammen ein ganzes Kind“, hatte ihm Evelin im Lauf der Nacht immer wieder zugeflüstert und sich über und unter ihm ausgebreitet, sanft sein geteiltes Ohrläppchen gestreichelt. So wunderbar warm war ihm sein Leben lang noch nie gewesen.
630 Meter über dem Meer, las er auf dem neuen Wegweiser, ihm schwindelte. Er biss ins Brot und ass einen Brocken alten Schnees, setzte seinen Weg fort.
Im vorangegangenen Winter hatte man Adam noch am eisernen Gartenzaun stehen und an den Staketen lecken gesehen. Im weitläufigen Garten des Baumeisters war ein heisses Match im Gang gewesen. Auf dem frisch gespritzten Eis tummelte sich die Auswahl des Baumeistersohnes, seine Mutter hielt für die Sportler Punsch und Kuchen parat. Adam ohne Schlittschuhe war vor der
Tür geblieben. „Tooor!“ schrien sie drinnen und schlugen den Puck in seine Richtung, er wich zurück und blieb mit seiner Zunge am kalten Eisen kleben:
Sie hatten, ohne sich anzustrengen, einen Gefangenen gemacht, immer denselben, lachten. Adam lallte und wimmerte vor Schmerz, er hatte sich eine tiefe Schramme in die festsitzende Zunge gerissen, wollte fliehen. Da kam Evelin mit einem Krug warmen Wassers über die Strasse gerannt. Sie löste sein gemartertes Fleisch sorgfältig vom Eisen. Adam geriet ins Stammeln, er hatte Blut im Mund und Tränen in den Augen. Die gut gepols...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Widmung
  6. Fast Nacht
  7. Adams Kostüm
  8. Zugzwang