EGO
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Roman und Theaterstück

  1. 288 Seiten
  2. German
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Roman und Theaterstück

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Über dieses Buch

Vor zehn Jahren hat Carl Djerassi seinen Roman "Marx, verschieden" über die Obsessionen eines erfolgreichen Autors geschrieben, der, anstatt sich über sein Selbstwertgefühl klar zu werden, seinen eigenen Tod in Szene setzt. In seinem neuesten Theaterstück "EGO" greift Djerassi das Thema wieder auf. Das Buch vereint beide Versionen.Der letzte Roman des Schriftstellers Stephen Marx wurde vom Starkritiker Noah Berg - früher einmal sein Entdecker und Förderer - derart verrissen, daß Marx auf Rache sinnt. Wie, wann und warum wurde aus dem Bewunderer ein Verfolger? Gönnt der Kritiker seinem Schützling den Erfolg nicht? Genau das wird für Marx zum zentralen Problem, zur fixen Idee. Der Literaturbetrieb als Tummelplatz beleidigter und beleidigender Eitelkeiten. Die Urteilskraft ist durch Sympathien und Antipathien getrübt. Erst wenn der Autor gestorben, sein Werk damit abgeschlossen und die Ausstrahlung der Persönlichkeit erloschen ist, kann der Schriftsteller auf gnädige Richter hoffen. Das will der Autor Marx, und er inszeniert sein eigenes Ableben... In seinen vorangehenden Romanen und Theaterstücken waren es vor allem Probleme und Eitelkeiten der Wissenschaft und ihrer Protagonisten, die Carl Djerassi zum Thema seiner literarischen Arbeit machte. Erstmals seziert der Naturwissenschaftler und Literat in diesem Buch Gedankenwelt und Erfolgsstreben vieler seiner Schriftstellerkollegen.

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Information

Jahr
2013
ISBN
9783709975015
EGO
Roman
Für Brett Millier und Terrence Holt

CAVEAT LECTOR

Abendgesellschaften, die auf ersten Versuchen basieren, die Soufflé-Rezepte aus Kapitel 20 nachzukochen, werden aller Voraussicht nach unerwartete Konsequenzen haben, für die keine Verantwortung, weder juristischer noch moralischer Art, übernommen werden kann. An den Autor gerichtete Reklamationen gehen ungelesen an den Absender zurück. Der Eingang faszinierender Verbesserungsvorschläge wird unter Umständen bestätigt.
„Erst der Tod des Autors
ermöglicht die Geburt des Schreibens.“
Roland Barthes

1

„Rocco.“ Die Stimme am Telefon war barsch, das rollende R röhrend wie ein Ferrari im ersten Gang.
„Ich rufe wegen einer Reservierung an“, sagte er. „Für zwei Personen. Kommenden Donnerstag, 19 Uhr.“
„Name?“
„Marx.“
„Buchstabieren Sie das.“
O Gott, nicht schon wieder, dachte er. „Marx, wie Karl Marx.“
„Mit C oder K?“
„Das war nur zur Erläuterung: Karl Marx, Groucho Marx … Mein Name ist Stephen, nicht Karl.“
Die barsche Stimme ging in die Defensive. „Also noch mal von vorn. Nachname?“
„MARX.“
„Alles klar.“
Stephen Marx klang erleichtert. „Ich hätte gerne eine Nische, nicht einen Tisch in der Mitte, und wenn möglich in einer Ecke, wo man ungestört ist.“
„Geht klar.“
„Saint.“
Ambrose McPhearson lächelte, als er ihm über den Tisch hinweg die Hand reichte. Nur Freunde und Verwandte von Marx benutzten diesen Spitznamen. Diesmal nahm er an, daß es herzlich gemeint war.
Spitznamen entstehen gewöhnlich in der Kindheit, doch Stephen Marx war bereits Anfang Zwanzig, als er den Namen „Saint“ bekam. Kurz nach Abschluß des Studiums in Yale, während eines einjährigen Studienaufenthalts in Zürich, hatte auf dem ersten Brief, der auf deutsch an ihn adressiert war, gestanden: Herrn St. Marx. Nachdem er erfahren hatte, daß St. die deutsche Abkürzung für Stefan war, hatte er sich prompt Briefpapier und Umschläge mit dem Aufdruck St. Marx, Dreidingstrasse 43, Zürich bestellt. Als er dann, fließend Deutsch sprechend, in die Staaten zurückkehrte, hatte sich der Spitzname „Saint“ bei Angehörigen und Freunden bereits eingebürgert.
„Schön, dich zu sehen“, sagte McPhearson. „Es ist Monate her.“
„Schön, dich zu sehen, Bos“, erwiderte Marx. „Gewöhnlich bekommt man dich ja nicht derart kurzfristig zu sehen.“ McPhearson lächelte. In der Bank nannte ihn niemand „Bos“; dafür war er dort viel zu sehr der Boß. „Du weißt doch: Ob man ‚beschäftigt‘ ist, hängt davon ab, wer fragt. Für dich bin ich immer zu sprechen. Wie geht’s Miriam? Was habt ihr zwei denn so getrieben?“
„Es geht ihr gut“, sagte Marx schulterzuckend. „Sie steckt bis hier in ihrem Party-Service.“ Er hob die Hand in Höhe des Nasenrückens.
„Und was macht deine Arbeit?“
„Hast du die Rezensionen meines letzten Buches gesehen?“
„Ich muß zu meiner Schande gestehen, daß ich sie nicht gesehen habe“, erwiderte McPhearson. „Wie waren sie?“
Marx’ Versuch, nonchalant zu wirken, ging in einer aufsteigenden Woge des Zorns unter. „Du weißt ja, wie das mit Rezensionen ist. Die meisten waren gut bis hervorragend, aber dann hat mich die von Noah Berg so geärgert, daß ich beinahe wünschte, Duelle wären noch in Mode.“
McPhearson zog die Augenbrauen hoch. „Wirklich? Was hat er denn geschrieben?“
In Cohens Dilemma geht es darum, was geschieht, wenn sich herausstellt, daß eine – für den betreffenden Wissenschaftler – „tolle“ Theorie durch einen manipulierten Versuch „nachgewiesen“ wurde. Dramatisch wird die Sache, wenn sich herausstellt, daß der Schuldige der Lieblingsassistent von Professor I. Cohen (genannt I. C., was alles besagt) ist, und wenn die zweifelhaften Ergebnisse Cohen und dem Assistenten am Ende auch noch den Nobelpreis einbringen.
Der ernste Teil der Handlung – obgleich der Autor seinen Roman zweifellos für ein durch und durch ernstes Buch hält – zeigt auf, wie sehr Cohen moralisch und persönlich von der Meinung seiner Kollegen abhängig ist. Der gute Ruf und seine Schatten und Mängel bilden das zentrale Thema, aber die Art und Weise, wie Marx es hier behandelt, könnte einen zu der Auffassung verleiten, der gute Ruf sei ein Preis, der widerwillig verliehen wird und beim geringsten Zweifel vollständig ruiniert ist. Entweder man hat ihn, oder man hat ihn nicht. Von Marx hätte man eigentlich mehr Subtilität erwartet.
Aber vielleicht hat er zu sehr den Nobelpreis im Kopf.
Das hatte in der Rezension gestanden, und weil er sie geradezu zwanghaft wieder und wieder gelesen hatte, kannte er den Text fast auswendig. Er widerstand dem Drang, ihn laut zu wiederholen: Die Worte waren bitter genug, auch ohne daß er sie aussprach.
„Lassen wir das“, sagte er. „Ich habe dich nicht eingeladen, um über eine Rezension zu schimpfen. Bestellen wir lieber.“
Abgeschirmt durch die aufgeschlagenen Speisekarten, entging den Männern die Ankunft von zwei Frauen, die in der Nische neben ihnen Platz nahmen. Beide waren in den Zwanzigern: die eine groß und dünn, Typ Mannequin; die andere von Größe und Gewicht her eher durchschnittlich, auf den ersten Blick nicht besonders auffallend – zumindest nicht im Vergleich zu dem Mannequin.
„Also, was gibt’s, Saint?“ fragte McPhearson, als der Kellner die Bestellungen aufgenommen hatte und gegangen war. „Was hat dich nach all den Monaten zu dieser Einladung zum Abendessen veranlaßt? Hast du mich nur vermißt oder brauchst du eine kostenlose Finanzberatung?“
Marx beugte sich vor. „Hast du gewußt, daß Hemingway es fertiggebracht hat, seine eigenen Nachrufe zu lesen?“
McPhearson warf ihm einen abschätzenden Blick zu und sagte dann gelassen: „Ja.“
„Ja?“ Marx schien verblüfft zu sein. „Woher weißt du das?“
McPhearson tat es mit einer Handbewegung ab. „Ich habe am Dartmouth College einmal eine Seminararbeit über Hemingway geschrieben.“ Er beugte sich über den Tisch und sagte in vertraulichem Ton: „Würdest du mir bitte sagen, warum du das wissen willst?“
„Wäre es nicht aufregend, wenn man seinen eigenen Nachruf lesen könnte?“
„Aufregend? Ich sehe meinen Nachruf schon vor mir: Ambrose Samuel McPhearson, geboren am 16. April 1939 in Pocatello, Idaho; Studium in Dartmouth und an der Wharton School. Dann steht hoffentlich noch da, daß ich in der Bankenwelt zu Rang und Würden gelangt bin, was für ein As ich im Aushandeln von Unternehmensfusionen war und wie sehr ich von meiner trauernden Ehefrau Jessica, meinen drei Kindern und meinen zahlreichen untröstlichen Freunden vermißt werde. Alles in allem wäre ich aber doch lieber am Leben.“
„Wer spricht denn von Sterben? Ich spreche davon, den eigenen Nachruf zu lesen, während man noch am Leben ist – genau wie Hemingway.“
McPhearson sah ihn an. „Warum dieses plötzliche Interesse für Hemingway, Saint? Hat das vielleicht etwas mit Konkurrenzneid zu tun?“
„Es geht mir ja gar nicht um Hemingway. Außerdem hat er die Sache verpatzt, wie du ganz genau zu wissen scheinst. Er ist zu früh wieder aufgetaucht, kein Mensch hatte Zeit, eine kritische Beurteilung seines Werkes auf den Markt zu werfen. Aber wenn er die Sache nun besser gedeichselt hätte?“ Marx beugte sich vor, die Hände flach auf die Tischdecke gelegt. „Was wäre, wenn man seinen eigenen Tod inszenieren und tot bleiben könnte? So lange, bis die ernsthaften Kritiker aus ihren Löchern kriechen und nicht nur die journalistischen Schreiberlinge.“
Seine Stimme war immer lauter geworden. Auf der anderen Seite der Trennwand hatte eine der Frauen den Kern des Zwiegesprächs der Männer mitbekommen. Sie überließ das Reden ihrer Begleiterin und hörte lieber den beiden zu.
Marx senkte die Stimme. „Ein Banker kann das wahrscheinlich nicht verstehen. Ihr seid entweder finanziell erfolgreich oder Versager – dazwischen gibt es kaum etwas. Das Urteil eurer Kollegen ist nicht weiter wichtig. Das einzige, worauf es ankommt, sind Zahlen: Dollars, Gewinne oder Verluste; was unter dem Strich rauskommt.“
„Na, hör mal!“ protestierte McPhearson. „Du bist ganz schön eingebildet.“
„Ich bin nicht eingebildet. Es geht doch nur um den Unterschied zwischen Bankern und Leuten wie mir – Leuten, deren Selbstachtung von der Meinung anderer abhängt.“
„Jetzt redest du aber wirklich Schwachsinn, Saint. Seit wann hängt denn deine Selbstachtung von irgendeinem anderen Menschen ab?“
„Etwa nicht?“ sagte Marx düster. „Hast du jemals darüber nachgedacht, wie das ist, wenn man auf einem Gebiet tätig ist, auf dem sich Erfolg nicht quantifizieren läßt? Welche Unsicherheit damit verbunden ist? Welche Verunsicherung? Warum solltest du auch. Ich habe ja selbst erst darüber nachgedacht, als ich Monate damit verbrachte, Wissenschaftler für Cohens Dilemma zu interviewen. Und dabei ist mir vom ersten Moment an aufgefallen, wie sehr sie alle auf die Meinung ihrer Kollegen fixiert sind. Einstein wußte nur deshalb, daß er ein großer Physiker war, weil andere Physiker es ihm bestätigten. Hätten sie es nicht getan, so wäre er bis zum Ende seiner Tage ein kleiner Angestellter im Berner Patentamt geblieben. Als ich an Cohen arbeitete, dachte ich natürlich, das sei eben so ein Tick der Wissenschaftler. Aber inzwischen …“ Marx lehnte sich zurück, die Hände in den Hosentaschen vergraben, und starrte auf etwas unter der Tischdecke, von dem McPhearson nur annehmen konnte, daß es seine Schuhe waren. „Inzwischen entdecke ich es überall. Bühnenautoren und Schauspieler, die nach der Premiere kaum das Erscheinen der Zeitungen erwarten können. Komponisten, Architekten. Und Schriftsteller wie ich, die Magengeschwüre bekommen, während sie darauf warten, daß die ‚Times‘ ihr neuestes Buch rezensiert. Du machst dir sogar Sorgen, auf welcher Seite sie es bringen werden.“
Marx verstummte. Er merkte, daß er dozierte – was nicht seinem üblichen rhetorischen Stil entsprach, ganz gleich, was seine Freunde sagen mochten –, aber er konnte einfach nicht anders: Er verspürte den unwiderstehlichen Drang, es McPhearson – irgend jemandem – verständlich zu machen. Aber wie sollte er das bange Gefühl erklären, das ihn seit der Beendigung von Cohens Dilemma beschlichen hatte, nämlich ob sein literarisches Werk etwas taugte. Der Ausdruck des Rezensenten Der gute Ruf und seine Schatten und Mängel hatte sich wie ein Krebsgeschwür in ihm festgefressen, bis der Schmerz fast spürbar geworden war. Stephen Marx, der Autor von dreizehn Romanen, hatte einen guten Ruf, aber was taugte er als Schriftsteller wirklich? Wie sollte er das jemals erfahren?
„Als John O’Hara starb“, sagte er leise, „schrieb Cheever in ‚Esquire‘ über ihn; sechs Monate nach Cheevers Tod schrieb Saul Bellow einen ungemein einfühlsamen Artikel über ihn in der ‚New York Review of Books‘; oder Philip Roths Reminiszenzen an Bernard Malamud in der ‚Times‘. Jede Wette, daß O’Hara, Cheever und Malamud diese Worte nur zu gern gelesen hätten.“
McPhearson hatte seinem Freund zugehört, ohne ihn aus den Augen zu lassen. „Was ist mit den Kritikern? Gewiß, ihr habt eure Noah Bergs, aber es gibt ja auch andere Kritiker. Könnt ihr da nicht eine gewisse Übereinstimmung erreichen?“
„Genau darum geht es doch“, sagte Marx gereizt. „Ich bin davon überzeugt, daß die meisten Kritiker einen Schriftsteller nicht so sehr danach beurteilen, was er macht, sondern danach, in welchem Stadium seiner Karriere er sich befindet – als ob es einen einheitlichen Maßstab für Leistung gäbe. Wenn du ein Neuling bist, gehen sie behutsam mit dir um. Nicht unbedingt aus Hochherzigkeit; Kritiker sind sich darüber im klaren, daß es ziemlich witzlos ist, einen Unbekannten zu verreißen.“ Die Gnocchi auf Marx’ Gabel hatten fast seinen Mund erreicht, doch im letzten Moment legte er sie wieder hin. „Die zweite Phase beginnt, wenn sie einen bekannten Autor besprechen, vorzugsweise einen, der schon Bestseller geschrieben hat. Dann fangen die Kritiker an, die Messer zu wetzen; einige von ihnen versuchen, raffiniert zu sein, andere sind brutal; einige bleiben natürlich schmeichelhaft, und du wirst ihr Liebling.“
„Saint“, warf McPhearson ein, „nun iß endlich deine verdammte Pasta.“
„Tut mir leid“, sagte Marx. Er blickte auf seine Gabel, als wäre er nicht sicher, wozu sie diente, und legte sie dann weg. „Aber was mich fasziniert, ist die dritte Phase: die posthume Beurteilu...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Ego Roman
  7. Ego Theaterstück
  8. Über den Autor