Die Prinzessin von Arborio
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Die Prinzessin von Arborio

Roman

  1. 200 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
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Die Prinzessin von Arborio

Roman

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783709937143
Für die einen war das Töten undenkbar, für die anderen war es machbar. Und dann gab es die, die dazwischen standen, die sich in Mörder hineinversetzen konnten, ohne selbst so zu ticken wie sie.
„Ich habe sie fest im Griff“, pflegte Arnold Körber zu sagen, „sie frisst mir aus der Hand.“ Es klang ein wenig, als wäre Zorzi eine Löwin und er ihr Dompteur. Dabei war Zorzi eine kleine, zierliche Frau, die drei Männer ermordet hatte.
Zorzi war Elisabettas Nachname, aber alle Welt verwendete ihn als Kosenamen. Das Restaurant, das sie in Wien eröffnet hatte, hieß Cantinetta Zorzi.
Zorzi war bildschön. Nicht von jener Art Schönheit, wie die Natur sie erfand, sondern wie sie der Arbeit eines hingebungsvollen Schönheitschirurgen zu verdanken war. Er hatte ihre natürlichen Schlupflider entfernt und den Blick aus ihren rehbraunen Augen weit geöffnet. Die Nase hatte er klein und schmal gestaltet, den Mund dagegen voll und prall. Auf Zorzis kindlichen Körper hatte er runde Apfelbrüste gesetzt, die groß genug waren, um Aufmerksamkeit zu erregen, aber nicht so groß, dass sie die Ausgewogenheit ihrer Silhouette gestört hätten.
Die Operationen hatte Bernhard, Zorzis damaliger Lebensgefährte, gewünscht und bezahlt. Zorzi hatte sich Stück für Stück in einen Schwan verwandeln lassen, Verbände getragen, Schmerzen erlitten, sich wochenlang in einsamen Hotels in den Bergen versteckt und war am Ende sehr zufrieden gewesen mit dem Effekt, den sie nun bei Männern hervorrief. Sie konnten den Blick nicht von ihr wenden. Sie hörten ihr zu, wenn sie etwas sagte. Sie hielten ihr Türen auf, halfen in Mäntel, rückten Stühle zurecht, ließen ihr den Vortritt, nahmen ihr alles aus der Hand, was sie trug. Sogar die Kellner in ihrem Restaurant arbeiteten jedes Mal schneller und besser, wenn sie nach einer weiteren OP zurückkehrte. Auch Bernhard fand, dass sich die Investition in jeder Hinsicht gelohnt hatte. Die Cantinetta, die er als Zorzis kleines Spielzeug betrachtet hatte, begann so viel Gewinn abzuwerfen, dass er erwog, seinen Job zu kündigen und als Teilhaber mit einzusteigen.
Doch dazu kam es nicht mehr. So sehr Zorzi ihr eigenes Spiegelbild gefiel, begannen im Laufe der Zeit Zweifel an ihr zu nagen. Gedanken, die sie jahrelang in fest verschlossenen Behältern abgefüllt und weggestellt hatte, begannen zu gären, sprudelten, sprengten die Deckel und quollen überall hin. Es kam so weit, dass sie Tag und Nacht daran denken musste, dass Bernhard mit ihrem Originalzustand unzufrieden gewesen war. Sie konnte nicht mehr schlafen. Sie konnte sich bei der Arbeit nicht mehr konzentrieren. Sie konnte ihr neues Leben nicht mehr genießen, denn immer und immer ging es ihr im Kopf herum: Er hat mich verändern wollen. Er hat mich verändert. Er hat mich nicht so geliebt, wie ich war.
Der Originalzustand war weg, aber auch ihr anfängliches Verständnis für Bernhards Wünsche war verschwunden. Jetzt, wo die Männer sie umbalzten, sie in ihrem eigenen Lokal auf Getränke einluden, ihr Geschenke brachten und jeden erdenklichen Dienst antrugen, musste es doch möglich sein, einen besseren zu finden? Bestimmt gab es einen besseren für sie. Einen, neben dem sie nicht wachliegen musste, weil er sie „Kartoffelnase“ genannt hatte, „schmallippiges Mauerblümchen“, „Mini­titte“ und was nicht alles.
Bernhard machte ihr einen Antrag und Zorzi geriet so in Panik, dass sie ja sagte, nur, damit er die Frage nicht wiederholte. Sie bekam Herzrhythmusstörungen und hatte ein ständiges Würgegefühl im Hals. Als sie abzunehmen begann, traten ihre Wangenknochen noch weiter hervor und ihre Bewunderer bewunderten sie noch mehr. Bernhard schenkte ihr ein protziges Perlencollier. Es stammte von seiner verstorbenen Mutter und sah an Zorzi aus wie ein Würgehalsband.
Die Gelegenheit ihn loszuwerden ergab sich im Urlaub. Sie gingen Bergsteigen im Montblanc-Massiv. Die Franzosen wussten die Schönheit einer Frau zu schätzen und rings um Zorzi summte die Luft von Komplimenten. Bernhards Selbstbewusstsein stieg ins Unerträgliche. Er stellte sie überall als seine Ehefrau vor und wollte, dass sie sich nicht mehr Zorzi nannte, sondern Winkelhuber. Er war voller Energie und voller Kraft. Immer wollte er noch steilere Wege gehen, noch halsbrecherische Touren machen. Anders als Zorzis andere Verehrer sorgte er sich nicht um ihr Wohlbefinden. Wenn sie müde wurde, rief er: „Faulpelz!“, wenn sie Angst hatte: „Feige Nuss!“ Hatte sie Blasen an den Füßen, nannte er es „Tussi-Getue“.
Es war ganz einfach, als er einmal auf einer weit vorspringenden Felsplatte stand. Er breitete die Arme aus, schloss die Augen und schrie: „Ich bin der König der Welt!“ Von hinten berührte Zorzi seinen Rücken, das bemerkte er vermutlich gar nicht, und dann versetzte sie ihm einen ganz leichten Schubs. Bernhards Schrei hallte von den Felswänden wider, aber nur kurz, als hätte er es noch im Fall aufgegeben zu schreien. Zorzi verzichtete darauf, ihm nachzusehen, sie trat ein paar Schritte zurück und lauschte, ob ein Aufschlag zu hören war, aber da war nichts. Es war still und die Welt war leer, sauber und klar. Blitzblauer Himmel. Leichter Wind in den Latschenkiefern. Lautlos kreisende Dohlen. Splittrige Felsen rings um Zorzi und gestochen scharfe Bergketten in der Ferne. Sie setzte sich hin und genoss die Aussicht.
Als ihr beim Abstieg die ersten Leute entgegenkamen, gelang es ihr mühelos, sich in einen Zustand verzweifelter Aufgelöstheit hineinzuarbeiten: „Aidez-moi … è caduto! I can’t see him from above … o Dio Dio …“ Tränen strömten über ihr Gesicht, Schluchzer schüttelten ihren zarten Körper, in ihrer Hand hielt sie das Handy, mit dem sie, wie sie den Fremden erklärte, vergebens versucht hatte, Hilfe herbeizurufen.
Es dauerte zwei Tage, bis man Bernhards zerschmetterten Körper fand, die Dohlen hatten schon an ihm gepickt. Jeder wusste, dass er unvorsichtig gewesen war, sich selbst überschätzt hatte. Es schien absolut glaubwürdig, dass er, wie Zorzi es schilderte, sich zu weit vorgewagt und die Balance verloren hatte. Noch glaubwürdiger schien Zorzis Schilderung ihres Entsetzens, dies mitanzusehen. Wie er plötzlich weg war, einfach verschwunden, wie Zorzi an den Rand der Klippe kroch, um nach unten zu schauen, aber nichts sah als nackte Felsenschlünde.
Arnold Körber schilderte es später so: Zorzi war in einem Ausnahmezustand gewesen. Über Jahre hinweg war sie ihrem Körper und damit sich selbst entfremdet worden. Sie war durch Bernhards ständige Beschimpfungen und Ummodelungen gewissermaßen von ihrer physischen Existenz dissoziiert. Dazu kam die spezielle Situation des sie überfordernden Extrembergsteigens. Ohne Rücksicht auf ihre zarte Konstitution und generelle Untrainiertheit hatte Bernhard sie zwei Wochen lang in immer gefährlichere und anstrengendere Touren getrieben. War es ein Wunder, dass sie die Hand, die ihm den Stoß versetzte, nicht als ihre eigene empfand? War es nicht denkbar, dass sich ein Teil von ihr abspaltete, um diesem Wahnsinn ein Ende zu bereiten? Im Grunde, so Arnold Körber, war es nicht Zorzi, die den Mann in den Abgrund gestoßen hatte, sondern ihr gesunder Über­lebenstrieb.
Das war Jahre später, nachdem Zorzi die Tat gestanden hatte. Niemand hatte Arnold Körber nach seiner Meinung gefragt. Als Kriminalpsychologe war er für Fallanalysen und Profiling zuständig, er beschäftigte sich mit Tätern üblicherweise bis zu ihrer Überführung und dann erst wieder nach ihrer Verurteilung, wenn er sie im Gefängnis interviewte, um ihre Motive und ihr Verhalten für die Analyse zukünftiger Verbrechen besser zu verstehen. Während des Gerichtsverfahrens jedoch, wo es nicht zuletzt um die Feststellung der Schuldfähigkeit ging, war die Einschätzung der Täterpsyche Aufgabe des Gerichtspsychiaters. Aber Arnold Körber konnte Zorzi nicht einfach abgeben, er hatte das Gefühl, dass sie missverstanden wurde und in die falschen Hände fiel.
Nachdem die Untersuchung von Bernhards tragischem Unfall von verständnisvollen Beamten zügig abgeschlossen worden war, kehrte Zorzi als Witwe nach Wien zurück. Schwarz stand ihr gut. Sie genoss die neue Aufmerksamkeit in vollen Zügen. Das Personal der Cantinetta legte sich ins Zeug, um ihr jede Mühe zu ersparen und gleichzeitig den Umsatz zu erhöhen. Zorzis Küchenchef kreierte eine „Insalata di riso Zorzi“, die dem Restaurant eine begeisterte Hommage auf der Gastro-Seite eines Wochenmagazins eintrug.
Da Zorzi mit Bernhard nicht verheiratet gewesen war, konnte sie ihn leider nicht beerben, was sich erwies, als sein Bruder erschien, um das Auto, die Bohrmaschine und die CD-Sammlung abzuholen. Es ging ihr nicht um das Zeug, aber die Ersparnisse, die, wie sie wusste, irgendwo angelegt waren, wären als Entschädigung für den Aufwand, den sie mit ihm gehabt hatte, sehr willkommen gewesen. Sie verkaufte das Perlencollier und war fassungslos, wie wenig es einbrachte.
Beflügelt von dem Besuch des wohlwollenden Gastrokritikers begann Zorzis Küchenchef, traditionelle römische Rezepte, die Graupen und Innereien enthielten, neu zu interpretieren, also in winzigen Portionen anzurichten und Trüffel darüberzuhobeln. Weitere Gastrokritiker ­kamen, die fanden, dass „schöne Römerin“ eine stimmige Assonanz war. Dabei stammte Zorzi gar nicht aus Rom, sondern aus Apulien. Der Respekt, die Stimmung und das Niveau der Gäste stiegen. Zorzi zog wieder bunte Kleider an und binnen weniger Wochen war Bernhard restlos vergessen.
Einer der Gastrokritiker entdeckte, dass Zorzi die Tochter des Schriftstellers Emilio Zorzi war, was sie noch interessanter machte. Emilio Zorzi war kein berühmter Schriftsteller gewesen, allenfalls ein mittelbekannter, phasenweise auch ein in Vergessenheit geratender. Dies hatte ihn verbittert und launisch gemacht. Als er starb, betrauerten Zorzi und ihre Mutter in erster Linie die Tatsache, dass er nicht früher gestorben war.
Zorzi wurde nicht gerne auf ihren Vater angesprochen. Ja, sie hatte ihn bewundert, grenzenlos, wahrscheinlich mehr, als er es verdiente. Aber es war keine angenehme Bewunderung, bei der man auch ein bisschen zurückbewundert wurde. Das Bild, an das sie sich am häufigsten erinnerte, war, wie er in seinem gartenseitigen Studio am Schreibtisch saß, durch die Glastüre auf sie hinausblickte und voller Verachtung den Kopf schüttelte, als hätte sie gerade etwas ganz Dummes gemacht oder als wäre sie splitternackt oder fett oder grauenhaft angezogen. Als sie klein war, musste sie vor der geschlossenen Glastür im Gras spielen, damit ihr Vater ein Auge auf sie haben konnte, während die Mutter im Hotel Delle Palme als Hausdame die Brötchen verdiente. Wenn Zorzi von ihrer Playmobil-Hasenzucht aufsah und ihr Blick sich mit seinem kreuzte, gelang es ihr nur ganz selten, ihm ein Lächeln zu entlocken oder zumindest das verächtliche Kopfschütteln zu verhindern. Sie lernte, dass ihre Erfolgschancen größer waren, wenn sie das Köpfchen schief hielt, das Mündchen vorschob, die Augen weit aufriss. Sie durfte unter keinen Umständen laufen, lärmen, Freunde einladen, winken, zu nahe an die Scheibe herankommen oder gar an sie klopfen. Meistens starrte der Vater an ihr vorbei, da er nach Gedanken suchte, die durch keine heftigen Lebensäußerungen in der Gartenruhe durcheinandergebracht werden durften. Auf seinen Computerbildschirm schaute er nicht so gerne, da dies die Trümmerhalde war, auf der er einen Rohbau nach dem anderen begann und nur selten ein Haus fertig wurde.
Er erwartete, dass Frau und Tochter ansprechend gekleidet und schön frisiert waren, wenn er vom Schaffenskampf erschöpft und verschwitzt zum Abendessen erschien. Wenn ihm danach war, betrank er sich und bezichtigte seine Frau, mit Hotelgästen herumzuhuren. Er selbst hatte sie als Hotelgast kennengelernt, nachdem ihn seinerzeit seine Mailänder...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. "Für die einen war das Töten undenkbar,..."
  4. Bettina Balàka
  5. Zur Autorin
  6. Impressum
  7. Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag