Kassiopeia
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Kassiopeia

Roman

  1. 344 Seiten
  2. German
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Kassiopeia

Roman

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Über dieses Buch

EINE TRAGIKOMÖDIE ÜBER DEN SCHMALEN GRAT ZWISCHEN LEIDENSCHAFTLICHER LIEBE UND STALKING VOR DER TRAUMHAFTEN KULISSE VON VENEDIGJudit Kalman und Markus Bachgraben sind ein Traumpaar - zumindest wenn es nach ihr geht. Mit ihm, dem jungen Erfolgsautor, will sie noch einmal ganz von vorne beginnen. Gefolgt von ihrer Freundin Erika, die endlich Judits neuen Freund kennenlernen will, reist sie zu Bachgraben nach Venedig, wo er an seinem neuen Roman arbeitet. Das Paar verbringt einen romantischen Abend, der ein unerwartetes Ende findet - und nicht nur Judit muss sich die Frage stellen: Welches Spiel wird hier gespielt - und wer bestimmt seine Regeln? MITREISSEND GEFÜHLVOLL UND MIT VIEL WITZ In ihrem neuen Roman erzählt Bettina Balàka von der Tragikomödie zwischenmenschlicher Beziehungen, vom Wunsch, sein Schicksal selbst in die Hand zu nehmen, und vom langen Schatten der Familiengeschichte, dem man nicht so leicht entkommt - doppelbödig, überraschend und mit einer gehörigen Portion Witz.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783852187433

DREIUNDZWANZIG

Judit Kalman konnte nach dem Tod ihres Mannes keine Haustiere mehr halten, und schließlich wollte sie es auch nicht mehr. Haustiere waren Menschenersatz. Sie würde sich ganz darauf konzentrieren, den richtigen Menschen zu finden. Den, der zu ihr gehörte, so wie es in den Heiligen Büchern der Vorsehung bestimmt war. Was Bücher betraf, hatte sie ebenfalls eine Veränderung festgestellt. Ihr Leben lang hatte sie die Werke toter Autoren vorgezogen. Sie schienen bedeutender, haltbarer zu sein. Es war, als würde mit dem Tod eines Autors ein Jüngstes Büchergericht einberufen, das darüber entschied, ob etwas gut oder weniger gut war. War das Gericht zu einem positiven Bescheid gelangt, so hielt dieser für die Ewigkeit. Man bekam für sein eigenes Urteil ein Vor-Urteil und fühlte sich wohlbehütet dabei. Doch nun ertappte Judit sich beim Lesen immer öfter bei dem Gedanken: „Was willst du denn, du bist doch tot.“ Sie führte mit den verstorbenen Schriftstellern Zwiegespräche und warf ihnen ihr Totsein vor. „Du hast nichts mehr zu sagen“, erklärte sie, oder: „Die Zeiten haben sich geändert“, oder: „Das alles wissen wir doch schon.“
Sie entschloss sich, nur mehr die Bücher lebender Autoren zu lesen. Bevor sie ein Buch kaufte, googelte sie seinen Verfasser, um sicherzugehen, dass er nicht kurz­fristig dahingegangen war.
Später dann führte sie eine dritte Maßnahme durch. Sie begann, nach Zeichen Ausschau zu halten. Oder eigentlich: von Gott, an den sie nicht glaubte, Zeichen zu verlangen. Soll ich mit Rebecca nach Sardinien fahren? Ja oder nein? Im Fernsehen kam ein Beitrag über die italienische Staatsverschuldung und Judit wertete das als Nein. Soll ich Katalin anlässlich ihres Geburtstages Generalamnestie gewähren? Da den ganzen Tag von Katalin kein lästiger Anruf kam, wertete sie das als Ja.
Das Verfahren hatte einen unbestreitbaren Vorteil. Man musste selbst keine Entscheidungen treffen. Man war nicht verantwortlich. Gott, an den man nicht glaubte, war der einzige, der zur Rechenschaft gezogen werden konnte, wenn eine Entscheidung unerfreuliche Folgen hatte. Das Faszinierende war, dass man plötzlich Zusammenhänge erkannte, die einem vorher entgangen waren. Man veränderte sich. Man sah ein Gesicht in der Menge, das dem Wolfgangs ähnelte, und man beschloss, ihn anzurufen, um zu fragen, wie es ihm in den letzten Jahren ergangen sei. Man erfuhr, dass er wieder geheiratet, die Frau ihn aber hintergangen habe, sodass er nun mitten in seiner zweiten Scheidung steckte, und das tröstete einen irgendwie.
Und so standen zwei Jahre nach Stefans Tod drei Posten auf Judits Liste „Neubeginn“:
1. Keine Haustiere mehr.
2. Nur mehr Bücher von lebenden Autoren.
3. Handeln nur mehr nach Zeichen.
Das Buch, das ihr so wichtig werden sollte wie kein zweites, machte durch ein Zeichen auf sich aufmerksam. Es trat gewissermaßen selbstständig an Judit heran. Oder: Der Autor hatte sein Buch in die Welt ausgesandt, nur um eine bestimmte Person zu finden. Das Buch als Lockstoff für den einzigen Menschen, der den Geruch zu deuten wusste. Das Buch als Geheimschrift, ähnlich einem codierten Zeitungsinserat, das nur der, den es anging, verstand.
Es fing damit an, dass sie gar nicht in die Buchhandlung gehen hatte wollen. Sie hatte große Buchvorräte angelegt und noch lange keinen Bedarf an Nachschub. Aber Tita hatte darauf bestanden, sie suchte dringend ein bestimmtes Buch, das sich mit der Pflege und Restaurierung alter Bücher beschäftigte.
Während sie auf Tita wartete, ging Judit die Regalreihen entlang. Psychologie/Lebenshilfe, Wellness/Sport, Kochen/Abnehmen, Sexualität/Liebe. Ganz hinten, wie ein vergessener Archipel: Österreichische Literatur. Anzengruber. Amanshauser. Bernhard. Bachmann. Und da stand es: KASSIOPEIA. Schmal und unscheinbar. Markus Bachgraben hieß der Autor, Judit hatte noch nie von ihm gehört. Aber das Wort Kassiopeia kannte sie. Es war die Nummer drei auf der Liste ihrer Lieblingswörter.
Sie schlug die Autorenvita auf der hinteren Umschlagklappe auf, um zu erfahren, ob Bachgraben ein Zeitgenosse war. Geboren 1978 in Salzburg. Man durfte also davon ausgehen, dass er noch lebte. Und Salzburger war er obendrein. „Dieser Roman ist sein fulminantes Debüt.“ Darunter die Fotografie eines etwas zu dünnen, überrascht dreinblickenden Mannes. Als hätte man ihn im Schlaf aufgestört. Sie blätterte zum Impressum. Das Buch war bereits zwei Jahre alt, was erklärte, weshalb es nicht weiter vorne auf den Tischen mit den Neuerscheinungen lag. Hier, neben den Klassikern, die im kollektiven Gedächtnis weiterlebten, sank es ins Vergessen. Ein Laden­hüter. Auf der vorderen Umschlagklappe stand die Kurzbeschreibung. Liebe, Tod, etc., Odyssee, Tour de Force. „Am Ende steht die Gewissheit, dass jeder sein Glück findet, der mit offenen Augen durchs Leben geht.“ Judit kaufte das Buch.
Zu Hause öffnete sie am Netbook die Liste mit ihren Lieblingswörtern:
1. Bakelit
2. Pfirsich
3. Kassiopeia
4. Palimpsest
5. Zikkurat
6. Sequoia
7. Palmendieb
8. Nautilus
9. Schottenrock
10. Mangrove
11. Kolibri
12. Skandinavien
13. Malachit
14. Achat
15. Ammonit
16. Paradies
17. Axolotl
18. Bezoar
19. Magnesium
20. Lotus
21. Azimut
22. Sukkubus
23. Permafrost
24. Purpur
25. Elfenbein
26. Geisterzeichnung
27. Palisander
28. Posament
29. Einfrischen
30. Unverblümt
31. Apperzeption
32. Alabaster
33. Zypresse
34. Myzel
So gut wie jedes irische Wort (Sidhe, Uisce Beatha).
Amerikanische Ortsnamen, die auf Indianersprachen zurückgehen (Tallahassee, Potomac).
Seit Jahren hegte sie die Liste wie einen Garten mit seltenen Pflanzen. Manchmal kam ein neues Exemplar dazu, manchmal wurde ein verdorrtes entfernt. Im Großen und Ganzen blieb der Bestand aber gleich. Judit liebte den Klang der Wörter, den Duft, den sie verströmten. Man konnte sie mit geschlossenen Augen wahrnehmen. Ihre Bedeutungen waren es, die dem Garten Rot und Grün und gezackte und runde Blätter verliehen. Palimpsest, der Text, durch den andere Texte hindurchschimmerten. Palmendieb, der Landeinsiedlerkrebs, der so groß geworden war, dass er kein Schneckenhaus mehr bewohnen konnte. Sequoia, der Mammutbaum, benannt nach einem Cherokee-Indianer, der für seine Sprache die Schrift erfunden hatte. Zikkurat, der gestufte Turm zu Babel, der so weit in den Himmel wuchs, dass die ihn Erklimmenden in den Wolken verschwanden. Und dann gab es Wörter, die man wörtlich nehmen musste: Elfenbein, das zarte Knöchlein einer Elfe. Geisterzeichnung, das Fellmuster, das man bei schwarzen Panthern im direkten Sonnenlicht durchscheinen sah. Oder: das kryptische Gekritzel, das Geister auf Wänden hinterließen.
Das Wort Kassiopeia hatte Judit in ihrer Kindheit entdeckt. Lange war es auf Platz zwei gewesen, gleich nach dem Pfirsich, mit dem alles begonnen hatte, und erst spät vom Bakelit verdrängt worden. Es stammte aus einem Kinderbuch, das von einem Waisenmädchen handelte, das mit seiner verarmten Großmutter in einer elenden Dachkammer lebte. Die Großmutter sparte nicht mit den Dingen, von denen sie reichlich besaß: Stil, Bildung, Herzlichkeit. Wenn der Himmel über London es erlaubte, erklärte sie ihrer Enkelin die Sternbilder: „Das ist Kassiopeia, mein Schatz.“
Judit war von dem Wort verzaubert. Es war das beste Wort in dem ganzen Buch – in allen Büchern, die sie gelesen hatte. Sie machte sich auf die Suche nach ihren Eltern, um sie zu fragen, wie die Leute, die die Sternbilder benannt hatten, auf dieses Wort verfallen waren. Ihre Eltern waren nicht zu Hause, aber Frau Claudia, die Köchin, war bereit, der Sache auf den Grund zu gehen. Sie konsultierte das dreißigbändige Konversationslexikon und fand heraus, dass es sich bei Kassiopeia um eine äthiopische Königin aus einer griechischen Sage handelte. Sie hatte behauptet, schöner als die Nereiden, die Nymphen des Meeres zu sein, und dadurch den Zorn Poseidons auf sich gezogen. Das Meeresungeheuer Keto überfiel die Küsten, Kassiopeias Tochter Andromeda wurde als Opfer an einen Felsen geschmiedet, und der Held Perseus musste das Schlamassel wieder in Ordnung bringen.
Frau Claudia äußerte die Ansicht (der weltanschauliche Einfluss ihres Arbeitgebers war nicht ohne Folgen geblieben), die griechischen Götter hätten – wie auch der christliche Gott und andere Diktatoren – ein Problem mit der freien Meinungsäußerung gehabt. Was für ein Drama, nur weil jemand etwas gesagt hatte! Den Gott Poseidon kannte Judit bereits, er sah wie der in der Salzach hausende Wassermann aus. Eines der Kindermädchen, die schnell wieder verschwunden waren, hatte damit gedroht, Judit im Falle weiteren Ungehorsams besagtem Wassermann zu ewiger Gefangenschaft am Schlammgrund des Flusses auszuliefern. Judit fand, dass Kassiopeia eine coole Person war, und dass Frau Claudia ihr in nichts nachstand.
Bei den sibirischen Tschuktschen heiße das Sternbild „Fünf Rentiere“, in Lappland dagegen „Teil des Elchgeweihs“, erklärte das Lexikon noch.
Das dreißigbändige Konversationslexikon war schon lange Geschichte. Es stand auf der Liste: „Dinge, die es früher gab“:
1. Teppichklopfstangen, dazu gehörend: Teppichpracker (Rätsel: Weshalb wurden Teppiche bis in die Achtzigerjahre auf Stangen und mit Prackern ausgeklopft, obwohl es schon lange Staubsauger gab?)
2. Schwarz-Weiß-Fernsehen. Nur 2 Fernsehprogramme. Kein Fernsehen vor 16.00 Uhr. Kein Fernsehen nach Mitternacht. Für Kinder eine einzige Sendung am Tag: Das Betthupferl, 18.00 Uhr. (Ausnahme: Der Kinderfilm am Samstagnachmittag.) Zimmerantennen, die mühsam justiert werden mussten und nur dann optimalen Empfang lieferten, wenn jemand neben dem Fernseher stand und sie, der Freiheitsstatue mit ihrer Fackel gleich, in die Höhe hielt. Keine Fernbedienung! Man musste AUFSTEHEN und zu dem Fernseher GEHEN, um umzuschalten!
3. 1 Stollwerck um 10 Groschen.
4. Telefone mit Viertelanschluss, die man nur benutzen konnte, wenn Nachbarin A ihren Mittagsschlaf hielt, Nachbarin B beim Einkaufen und Nachbar C mit seinen Behördenquerelen für den Tag fertig war (Danke Papa, dass wir nie in einem solchen Elend leben mussten!). Wählscheibentelefone, die mit einer Schnur an die Wand gefesselt waren.
5. Stofftaschentücher. (Wurden von manchen Leuten wochenlang vollgerotzt. Dies war uns strengstens verboten: Einmal verwenden, dann sofort ab in die Wäsche damit!)
6. Spazierstöcke. (In jedem Schirmständer standen sie herum, kein Mann schien sich ohne sie im Freien fortbewegen zu können!)
7. Weibliche Körperbehaarung. Gabi Kirbaumer galt in der Siebten noch als amerikanisierter Freak, weil sie mit rasierten Achselhöhlen in der Schule erschien. Damit zusammenhängend der amerikanische Witz: How do you recognise a European airplane? It’s got hair under its wings.
8. Das Flämmen von Hendln. (Frau Claudia, wie sie mit der Kerze die Federreste von der Haut der rohen Hendln brennt, bis die ganze Küche stinkt!) Offensichtlich hat sich die Rupftechnik im Laufe der Jahre verbessert.
9. Schreibmaschinen. Eine weiße Flüssigkeit namens „Tippex“, mit der man Tippfehler übermalte. Junge Menschen, die sagten: „Ich schwöre bei allem, was mir heilig ist, nie und nimmer setze ich einen Finger auf eine Computertastatur!“
10. Garçonnièren.
11. Knickse und Verbeugungen abseits der Opernbühne. (Die Buben mussten einen „Diener“ machen, die Mädchen einen Knicks. Danke, Mutter, dass ich infolge dieser Konditionierung noch mit zwanzig jedes Mal in die Knie ging, wenn mir jem...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Zitate
  3. Widmung
  4. EINS
  5. ZWEI
  6. DREI
  7. VIER
  8. FÜNF
  9. SECHS
  10. SIEBEN
  11. ACHT
  12. NEUN
  13. ZEHN
  14. ELF
  15. ZWÖLF
  16. DREIZEHN
  17. VIERZEHN
  18. FÜNFZEHN
  19. SECHZEHN
  20. SIEBZEHN
  21. ACHTZEHN
  22. NEUNZEHN
  23. ZWANZIG
  24. EINUNDZWANZIG
  25. ZWEIUNDZWANZIG
  26. DREIUNDZWANZIG
  27. VIERUNDZWANZIG
  28. FÜNFUNDZWANZIG
  29. SECHSUNDZWANZIG
  30. SIEBENUNDZWANZIG
  31. ACHTUNDZWANZIG
  32. NEUNUNDZWANZIG
  33. DREISSIG
  34. Bettina Balàka
  35. Zur Autorin
  36. Impressum
  37. Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag