Nur Blau
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Nur Blau

  1. 232 Seiten
  2. German
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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Die faszinierenden Bilder von Yves Klein bestimmen das Schicksal von Jo: Er ist besessen von dem strahlenden Blau in Kleins Monochromen - und von der Idee, es ganz für sich zu besitzen. In seinem Freund Mosca findet er einen Begleiter, der bereit ist, mit ihm gemeinsam alle Grenzen zu überschreiten. Doch der Weg, auf den ihn seine Obsession gelenkt hat, führt geradewegs auf einen Abgrund zu. In intensiven Bildern erzählt Bernhard Aichner die packende Geschichte einer großen und ausweglosen Leidenschaft und zeichnet ein einfühlsames Porträt der Menschen, die im Bann der großen Kunst von Yves Klein stehen.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783852189109

1.

Zuerst Jo.
Wie der schmächtige Pole schaute und zusammensank.
Wie Jo ihn getreten hat, seinen Schuh tief in das polnische Fleisch schlug, wie die Waffe aus der polnischen Hand fiel, wie Jo das Bild nahm und rannte.
Gehen Sie, hat der Pole gesagt. Das Bild bleibt hier und das Geld auch. Gehen Sie.
Er hat Jo mit der Waffe bedroht, sie ihm unsicher entgegengestreckt, sie ihm an die Brust gedrückt. Seine Hand hat gezittert, sein Gesicht war gierig.
Ein kleiner schmächtiger Mann. Und wie seine Hand zitterte.
Gehen Sie, hat er immer wieder gesagt.
Jo hat überlegt. Er hat die Waffe gespürt an seiner Brust, er hat auf die Tasche gestarrt, auf das Geld, sein Geld, und auf das Bild. Wie es blau dalag. Er würde es mitnehmen. Er hatte es gekauft, bezahlt mit seinem Geld, es dem Polen auf seinen Schreibtisch gelegt, er hat ihm so oft geschrieben, mit ihm telefoniert. Er war nach Warschau gekommen und er würde mit diesem Bild von hier weggehen. Einen anderen Weg zurück gab es nicht.
Kommen Sie am Dienstag, hatte der Pole gesagt, dann habe ich das Bild hier, es ist aus der Mailänder Ausstellung, achthunderttausend, seien Sie pünktlich.
Bin ich, hat Jo gesagt.
Er packte das Geld in eine Tasche und fuhr nach Warschau, hinauf in den zweiten Stock, wo das Bild war. Er würde nicht ohne dieses Bild gehen. Er würde dem Polen zwischen die Beine treten und rennen, das Geld würde er liegen lassen.
Jo rannte. Der Pole stöhnte und schrie. Er wollte Jo festhalten, ihm das Bild aus den Händen reißen. Er brüllte vor Schmerz, er wollte sich auf ihn stürzen, doch Jo war schneller. Er rannte einfach los. Durch die Tür hinaus, die Stiegen hinunter, hinaus auf eine dunkle Warschauer Straße. Er rannte immer weiter, er hörte, wie der Pole hinter ihm war, wie er sich am Geländer festhielt und nach unten stolperte. Er hörte, wie er keuchte. Jo drehte sich nicht um. Das Bild war unter seinem Arm. Nicht umdrehen, dachte er. Weiter­laufen, schnell.
Er wollte dieses Bild. Unbedingt. Lange schon.
Wie er es auspackte. Wie es oben auf dem Schreibtisch lag, wie der Pole ungeduldig mit den Fingerkuppen auf die Tischplatte trommelte und wie Jo die Pigmente unter dem Vergrößerungsglas betrachtete. Wie er die Leinenfasern bis 1957 zurückverfolgte. Es war echt, und es würde ihm gehören. Er würde mit diesem Bild über die Grenze fahren, es würde in seiner Stadt hängen, an seiner Wand. Alles war perfekt, sein Traum schien wahr zu werden, er hatte alles getan, was der Pole von ihm verlangt hatte, alles. Und trotzdem war da plötzlich diese Waffe, die ihn bedrohte. Ihn und alles, was ihm wichtig war.
Das Bild. Das Geld, die Pistole.
Mit großen Augen starrte er das Bild an. Mit aller Kraft trat er zu.
Sein Fuß zwischen polnischen Beinen. Wie der kleine Mann in die Knie ging und wie Jo das Bild nahm. Wie er es fest an sich drückte. Ein blaues Bild über die Stiegen nach unten.
Jo rannte. Der Pole bekam kaum noch Luft, er stolperte, der Abstand zwischen ihnen wurde größer. Niemand konnte mehr verhindern, dass Jo in den Wagen stieg. Niemand würde ihm sein Bild nehmen. Niemand.
Mosca hatte ihn sofort gesehen, er hat gestartet und die Türe geöffnet.
Schnell, schrie er. Fahr los. Jetzt. Bitte, Mosca, schnell.
Der Pole blieb stehen. Die Arme auf den Knien abgestützt, wild schnaufend. Er hustete und spuckte. Im Rückspiegel kotzte er sich seine Seele aus dem Leib.
Scheiß Pole, sagte Jo.
Mosca lachte.
Das war vor zwei Jahren.
Mosca und Jo fuhren mit dem Bild über die Grenze. Es lag im Kofferraum, in eine Decke eingewickelt. Der Beamte winkte sie durch. Wie auf dem Hinweg. Sie schauten sich an und grinsten. Jo schrie vor Glück. Er hüpfte auf dem Sitz auf und nieder, bis Mosca stehenblieb, das Auto am Straßenrand anhielt und Jo um­armte.
Jetzt hast du dein Bild, sagte er.
Er strich mit der Hand über Jos Haare und küsste ihn. Jo wurde ruhig, er blieb in Moscas Armen liegen und spürte die vertraute Zunge in seinem Mund. Das Bild lag im Kofferraum. Ungeduldig berührten sich ihre Zungen. Jo wollte es ansehen, es in seinen Händen spüren, es halten, mit den Fingern über die Farbe streichen, es anschauen, die ganze Nacht lang. Er konnte es kaum noch erwarten, trotzdem blieb er sitzen.
Ich warte, bis wir da sind. Auf das richtige Licht, und du machst den Wein auf. Fahr schnell, sagte er. Jetzt.
Mosca brauchte zehn Stunden von Warschau nach Frankfurt.
Sie fuhren zurück in ihr Hochhaus, in den zweiund­dreißigsten Stock, in ihre sichere Welt, eng aneinander ihre Körper im Lift nach oben, das Bild in der Decke eingewickelt unter Jos Arm.
Er hielt es fest. Seine Finger waren wie Schnüre, fest gebunden.
Dann ging die Tür auf. Das Licht ging an. Und da war es dann.
Wie es dastand, wie es an der weißen Wand lehnte, in dem weißen Zimmer.
Ein blaues Bild von Yves Klein.

2.

Olivier roch nach Müll.
Deshalb hat ihn seine Frau verlassen. Weil er keinen normalen Beruf haben konnte. Weil er Müllfahrer war. Weil er täglich den Müll anderer Leute spazieren fuhr, weil er danach roch, wenn er nach Hause kam, weil sie sagte, dass es widerwärtig ist, Würmer und volle Windeln und Dreck herumzufahren. Sie ist einfach gegangen, hat ihre Sachen gepackt und ist weg. Sie kam nicht wieder.
Du stinkst, hat sie noch einmal gesagt.
Dann war sie weg.
Das ist mein Beruf, hat er geantwortet, es ist ein guter Beruf.
Das ist doch kein Beruf, hat sie gesagt.
Er war wütend. Sie soll nicht undankbar sein, sagte er, was sie denn sonst essen sollten, fragte er, wo sie denn wohnen sollten, wenn er nicht die Scheiße der anderen Leute auf den Müll fahren würde. Sie würde ihren Arsch sowieso nicht in die Gänge bekommen, um Geld zu verdienen. Sie wäre wahrscheinlich ohnehin zu blöd dafür.
Er war außer sich. Genauso wie sie. Sie sagte, dass er stinkt, dass sie ihn nicht mehr ertragen kann, dass er eine stinkende alte Drecksau ist.
Dann ist er ins Wirtshaus. In einen Münchner Biergarten, ohne sich zu duschen.
Dann stinke ich eben, hat er gedacht, aber ich weiß wenigstens warum.
Und während er Bier trank, hat sie ihn verlassen, sie ist einfach weggegangen, hat ihm die Schlüssel da­gelassen und die Schulden für die neue Eigentums­wohnung. Sie ist einfach auf und davon.
Das war vor einem halben Jahr.
Danach trank er mehr als früher und las auch nicht mehr.
Er hatte immer gerne gelesen, nach der Arbeit geduscht und in seinem Plüschsessel gelesen. Alles hat er gelesen, alles, was er in die Hände bekam, er stopfte es hinein in sich, egal, ob es wichtig war oder nicht.
Er hat gelesen, obwohl sie ihn ausgelacht hat.
Was willst du mit Kunstgeschichte, du bist Müllfahrer, Olli.
Ich heiße Olivier, hat er gesagt und weitergelesen.
Was weißt du schon, hat er gedacht, und von der Antike bis zur Gegenwart durchgelesen. Er hat sich in seinem Plüschsessel zurückgelehnt und die Welt um sich vergessen.
Den Sessel hatte er aus dem Müll. Die guten Stücke hat er immer mitgebracht.
Wir sparen viel Geld, hat er gesagt, und sie hat den Kopf geschüttelt.
Jetzt bringt er schon wieder den Müll mit nach Hause, das ertrage ich nicht, hat sie gesagt.
Sie hat lange den Kopf geschüttelt, hat ihn verachtend angeschaut, sich hübsch gemacht und ist ausgegangen.
Fast jeden Abend, sie hat sich aushalten lassen von irgendwelchen Arschlöchern.
Ich brauche dein Geld nicht, hat sie gesagt.
Du hast ja diese Arschlöcher, hat er gesagt.
Olivier war nicht eifersüchtig. Sie ist gegangen und er hat gelesen. Bücher, Zeitschriften, Stadtpläne, er hat sich keine Gedanken gemacht, was sie wohl tut, ob sie ihm treu ist. Sie kam immer wieder zurück und das beruhigte ihn. Er saß in seinem Plüschsessel und sie stolperte in Stöckelschuhen zur Tür herein. Halbnackt.
Du schaust aus wie eine Nutte, hat er einmal gesagt.
Er las gerade einen Artikel über Harninkontinenz, darüber dass man sie jetzt heilen kann, dass sie eine Methode gefunden haben. Eine medizinische Sensation. Und sie stand da und war wütend. Mehr als das. Sie ging zu ihm hin, steckte sich ihren Zeigefinger in den Hals und übergab sich über ihn. Es rann aus ihr heraus in sein Hemd und tief in den Plüschsessel hinein.
Und du stinkst, sagte sie.
Dann kotzte sie noch einmal. Dann schlug er sie. Ein paar Tage später hat sie ihn verlassen.
Olivier war nicht traurig, als sie ging. Das glaubte er jedenfalls.
Er hat begonnen, viel Alkohol zu trinken und Karten zu spielen.
Im Biergarten gab es eine dunkle Ecke, in die er sich verlief. Dort verlor er sein Geld und trank Bier. Es rann in ihm hinunter und blieb liegen auf dem Eichentisch im Biergarten. Er fühlte sich allein, wenn er zu Hause war. Da war niemand mehr. Sie war nicht da, saß nicht mehr vor dem Fernseher, lackierte ihre Nägel nicht mehr. Auch wenn sie nie viel geredet hatten, vermisste er sie. Er konnte es nicht ertragen, in seiner Wohnung, die Nächte allein, unter der Decke. Er verbrachte seine freie Zeit im Biergarten.
Vergiss die Schlampe, hat Atze...

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  29. Impressum
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