Portierisch
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Portierisch

Nachrichten aus dem Berge in Courier New

  1. 184 Seiten
  2. German
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Portierisch

Nachrichten aus dem Berge in Courier New

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

"Portierisch", das heißt "gewöhnlich". Der ErzĂ€hler ist aus diesem gewöhnlichen Umfeld in die inneren Kreise altösterreichischer Adelsreste aufgestiegen. Dort verfolgt er die Beziehungen und Hierarchien zwischen den Einheimischen mit genauen und ironischen Beobachtungen. Immer an seiner Seite: der Amerikaner Courier, der durch seine VerstĂ€ndnisschwierigkeiten GesprĂ€chen oft eine sprachspielerische Wendung gibt. Nachrichten aus dem Berge nennt Ferdinand Schmatz seine Aufzeichnungen, die einen klar umrissenen Raum zum Thema haben: ein abgeschiedenes Tal in den steirischen Bergen samt seiner Bewohner.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783709974230

1
Drinnen in Fustritztal
oder der Tod, plötzlich

– Ich habe mich entschlossen, keinen Roman zu schreiben, sagt der Amerikaner,
– dennoch trifft er mich sicher ins Herz, der SchriftschĂŒtze, male ich mir aus, wĂ€hrend wir miteinander krĂ€ftig Schritt holen auf der Landstrasse, die zunĂ€chst in engen Kehren den Sattel hinaufsteigt und sich nach der Passhöhe sanft nach unten schlĂ€ngelt,
– so sanft, wie ich mit den Tasten ansetze auf dem Vorstellungsklavier, denke ich, er heisst Courier und ist auf der Suche nach Spuren jenes Philosophen, der sich in dem Ort weiter unten, vor dem Pass, aufgehalten haben soll,
– halt!, schreit da jemand, sie betreten privates Forstgebiet,
– stop!, rufe ich dem Amerikaner zu, der Förster des Grafen Zup versperrt uns den Weg,
– aber wir sinds doch, gebe ich mich dem Förster Rasinger zu erkennen,
es war zum Lachen, dieser plötzliche und unerwartete Widerstand des Herrn Rasinger, doch Beruf ist Beruf, sagt er, was ich dem Courier ĂŒbersetze, dieser zischelt mir zu, aber Gastwirt ist er auch, und wir beide verstehen
– habt ihr vielleicht Löwen hier, brĂŒllt er den Rasinger an und schĂŒttelt sich seine MĂ€hne vor Lachen, der Amerikaner hat langes gewelltes Haar, mir fĂ€llt da­zu die Föhnwelle ein, als hinter uns dreien der Gutsherr Zup hupt, der zu seinem Herren­haus rauffĂ€hrt und irgend etwas Englisches in Richtung Courier nuschelt,
ich blicke nachdenklich zu Boden, aber sofort wieder hoch, mich hat der Föhn angeweht, mein Blick bleibt am kahlgerodeten Gegenhang kleben, auf frischem Grund zwischen den BaumstĂŒmpfen wiegt das Gras im Wind seine grĂŒne MĂ€hne,
– Philosophie und PrĂ€rie, das reimt sich, aber Welle und Föhn, rĂ€tselt Courier,
– das kann man zusammensetzen, weil es aus dem richtigen Leben kommt, sage ich zu Courier, aus dem Berufsleben nĂ€mlich, und der schĂŒttelt den Kopf,
der Förster fĂ€hrt inzwischen in Schlangenlinien dem Grafen Zup nach, sie halten, treten beide auf die neu aufgeschĂŒttete, baumlose Terrasse vor dem Haus und zeigen auf den dichten Baumbestand darunter,
– hier wird bald Holz gefĂ€llt, dann hat der Föhn keine WiderstĂ€nde mehr, prophezeit der Amerikaner in das SĂ€useln des Windes hinein, der in Richtung Fustritz­wald blĂ€st, das in einer kleinen Senke unter dem Herren­haus liegt,
– hui, hui, der Wind das liebliche Kind, summe ich, und Courier drĂ€ngt zu den Rasingers auf ein Bier in die einzige Wirtsstube von Fustritzwald hinab, verballhornt dabei den Markennamen und fragt mich dann ohne jede Scheu ĂŒber den Tisch hinweg, ob wir hier im GrĂŒnmĂ€rkischen nur GĂŒsser trinken, sodass ich zurĂŒck- und ihn ansprudle, ö, ö, Mister Courier, und ĂŒberhaupt so nebenbei, Biere habe ich schon bessere getrunken –
das war der letzte Satz vom Vater meiner Frau Belinda auf der Intensivstation, nach gut ĂŒberstandener Aorta-­Operation mit einem rosigen Gesicht und einem Brustkorb, der sich hob und senkte durch die kĂŒnstliche Beatmung wie noch nie in seinem Leben zuvor, sein Körper frisch aufgepumpt, die Backen voll und die Wangenhaut gespannt, gab er eine FĂŒlle von Leben ab
– so richtig ungesund gesund, dachte ich mir noch, ein echtes Wellental ist dieses Leben, wĂ€hrend sie ihm Blut abnahmen und ihm die ganze Brust aufstachen, da sie auf den Armen keine Abzapfstelle mehr fanden, wodurch unzĂ€hlige blutige Papierfetzchen auf seinem Bett herumlagen, nachdem die kĂŒnstliche Beatmung vorbei und er auf dem Weg der Besserung war und deshalb auch auf der Inter-care-Station lag, aber mit einem Schlag, und schon war es schnell aus –
das Spiel neigt sich dem Ende zu, der Sieger steht noch nicht fest, wen wird es wohl treffen, höre ich eine Stimme aus dem laufenden Radio ĂŒber der alten Holzschank im Gasthaus krĂ€chzen, und mein Freund fĂ€llt mir ein, der andere Dichter, der wĂ€hrend seiner Schreibepausen zu­hört, aufschaut, nachdenkt und sich dabei sehr oft den Kopf halten muss vor lauter Weh –
ist er ein wahrlich ganzer Dichter, sportresultathör­besessen und ein eleganter Fusswanderer zugleich, das heisst, er simuliert Gehen und Wandern durch das mehr oder minder heftige Kreisen seines Unterwadenfusses sowie durch Anziehen und Loslassen des Ristbeines, mit dem er gekonnt Kilometer fĂŒr Kilometer durch sein Gebirg geht, diese Wege dabei immer konsequenter geht in der Vorstellung seiner Muskeln, die tanzen und zittern,
ich sehe sie, wenn er sich schnell und verlegen vor mir umkleidet, und ich bin, ich weiss nicht, beeindruckt oder angewidert von dem, was da so abgeht
– wir gehen eben, wie es uns halt geht, rede ich mir ein, aber Courier will solche ErklĂ€rungen nicht hören, er sieht das Leben nicht so, er blickt vom Talpanorama zurĂŒck auf die Einzelheiten und geht nicht vom Detail der Wellen aus, sondern vom ganzen Wellental eben, das fĂŒr ihn im GesprĂ€ch immer das Auge, der Mund, die Stirn des GegenÂ­ĂŒbers ist, die Föhnwelle registriert er kaum,
– fragen Sie mich nie, was einer antrug, stellt er dazu fest, und ich verbessere ihn, was einer anzog, meinen Sie, was er trĂ€gt, welche Kleider und so, tragen, trug, getragen, wandelt er ab, eifrig wie immer, und ich ziehe ihn am Är­mel, um ihn zurechtzustutzen,
– GrĂŒss Gott, sagt da die Frau Rasinger, oder war es die Tante ihres Mannes, die den Hund des Försters be­hĂŒtet, der ĂŒbrigens einen Hut trĂ€gt, sage ich mit vorgehaltener Hand zu dem Philosophiesucher und greife mir automatisch an die Stirn, weil sich der Rasinger, der Hundeherr, den Hut vom Kopf reisst, als er den beeindruckenden Courier sieht,
den Philosophen, der aus der kĂŒnstlichen Intelligenz kommt und sich aus dieser zurĂŒckgezogen hat, ihr und somit sein eigener Kritiker wurde, eine amerikanische Eiche, ein mĂ€chtiger Baum im Wald der WiderstĂ€ndler, die sich mit grauer werdenden Haarwellen gegen die von ihnen ins Leben gerufene Austauschbarkeit des Einzigartigen stemmen,
mich interessiert das fĂŒr mein Schreiben, aber der Dichterfreund lĂ€chelt nur – Philosophie und Literatur unter einem Hut, tut nicht gut, ist fraglich pur, ergĂ€nzt Courier, und bestĂ€tigt die Meinung des Dichterfreundes, dass Courier ein begnadeter GesprĂ€chspartner hier in den Bergen sei, wo
– wie uns die Tante erzĂ€hlt, nicht nur der Hund zu blöd ist, um sich Menschen zu merken und stets eine Beiss- und Schnappgefahr darstellt, weshalb ich nicht mehr beleidigt bin, von ihm nicht wiedererkannt zu werden, anders bei Courier, der sagt ihm was, und so zieht das Viecherl den Schwanz ein, als Frau Rasinger zwei Gösser-Helle auf den Nachbartisch stellt, HolzfĂ€ller, junge Burschen, schĂŒtten sie sofort hinunter, Weizen­baum kommt mir da in den Sinn, aber so bekannt wie dieser ist Courier nicht, ausserdem trinkt er kein Weissbier,
da ruft ĂŒberraschend der Gutsherr in der Gaststube an und lĂ€dt uns zu einem Schnitzelessen ein, kommt ihr Freund auch, fragt mich Courier und ich bin sicher, dass er kommt, es bleibt nĂ€mlich stets bei derselben Gesellschaft im Gutshaus, zu dem die Einheimischen Schloss sagen und sich so die alte Ehrfurcht bewahrt haben und ein klein wenig Untertanen geblieben sind, leben sie doch vom Gutsherrn, dem Grafen Zup, aber eine der beiden Seiten versteht sich als kleinerer, die andere als grösserer Ausbeuter, und so funktioniert die Partnerschaft hier sehr sozial –
Zup jedoch reflektiert die sozialen AbhĂ€ngigkeiten und Verstrickungen weder von oben noch von unten, die GebĂ€ude des Lebens, die An- und Abwesen jener, die in diesen ihr Dasein auszutragen haben, wie Courier sagt, nimmt er als gegeben hin, kĂŒhl und selbstverstĂ€ndlich, wie er mit Belesenheit und feinstsinnigem Kunstverstand seine Urteile fĂ€llt, ĂŒber das in den GrĂ€ben Gebaute hinwegsehend, ob­wohl er Architektur studiert hat und einen Skulpturenpark und Bauerngarten anlegen will vor seinem in Weiss und Braun gebauten Haus, das ihn als das ausweist, was er ist hier, der Herr Graf Zup
– sein Kosename, der ist fĂŒr jede Maschine ein Problem, platzt es aus Courier heraus, als der Grafenname fĂ€llt, es donnert, und schon platzt ein Gewitterregen herab, da trinke ich lieber mein GĂŒsser, sagt er unverdrossen, und Rasingers Hasso verzieht sich unter die Tische im kleinen Nebenzimmer, der Förster und Wirt Rasinger lacht, aber er und wir wissen nicht, wem er, als es ans Zahlen geht, wirklich dankt,
– und keiner sagte was zum wirklichen Tod, die Tatsache der Endlichkeit schien irgendwo ins Unend­liche verschoben, raisoniere ich, in leichter Bierstimmung, vorweinschwer, selbst die SchwĂ€tzer hielten sich damit zurĂŒck, nur mein Vater erzĂ€hlte beim Leichen­schmaus des Belindavaters eine Geschichte, als es ums Verbrennen oder Beerdigen ging, die zeichne ich nicht auf, sperrt sich Courier mĂŒrrisch und dreht sein Diktier- und TonbandgerĂ€t, das er immer dabei hat, ab – jeder Tscheche wird vergast, soll mein Vater so zum Spass zum Arbeitskollegen in den fĂŒnfziger Jahren gesagt haben, aber ich nicht, antwortete sein Hafnerkollege in der Firma Malenkuvich, in meinem Geburtsort Kornenburg, doch du auch, – ja, das war ein ziem­licher Spass, erzĂ€hlte mein Vater, als sie den einen dann hineingestopft haben in den Ofen, und die Hitze darin fĂŒr das Tongeschirr- und Kachelbrennen soll extrem stark gewesen sein, aber
– ich hörte nicht richtig hin, und zum Tod fĂ€llt sowieso keinem was Gescheites ein, schon gar nicht, wenn es so schwĂŒl ist wie an diesem Vormittag, will ich noch hinzufĂŒgen, aber Courier hat den Raum verlassen und rennt einem Mann entgegen, der kurzhemdĂ€rmelig und patschnass die Strasse zum Gasthof heraufeilt, fĂ€ngt ihn auf der Höhe der ehemaligen Eisenbahnhalle ab und redet wie wild auf ihn ein,
– allein das GerĂ€usch des Windes kĂŒhlt, sage ich an einem anderen Tag zu Belinda, wir wandern den Ohrwaschlgraben hinauf, und ich denke mir, wozu tu ich mir das an, bei dieser Hitze mit vollem Magen, und denke mir, alles lĂ€uft wie von selbst, immer wieder, und schon kommt uns der Herr Winder mit seinem Traktor entgegen, eine Fuhre Erde und Betonreste auf dem AnhĂ€nger, er schwitzt in seinem blauen Arbeitsanzug und winkt uns verlegen zu –
ich aber mache in diesem Moment den rechten Winkel mit dem gestreckten Arm zur Brust hin, denn ich stehe in der Hauptstadt und somit in der Waagerechten, nĂ€mlich meinen tĂ€glichen Turnus turnend, der mich am Kreislaufleben hĂ€lt, der meine SĂ€fte zirkulieren lĂ€sst, dass mir das Gleichgewicht erhalten bleibt und ich das alles zu tragen und ertragen verstehe, was ich unter anderem hier von Courier und dem Fustritzwald schildere, wĂ€hrend ich meine Übungen zur ErtĂŒchtigung des Körpers durchziehe, regelmĂ€ssig, wie es mir so eigen ist, so wie ich regelmĂ€ssig einiges andere wie etwa den Ab­wasch oder die Staublurchfegeaktion mit dem Stielwedel oder das DurchlĂŒften der RĂ€ume abwickle, um mir ja keinen Wickel aus Fett, Staub oder Mief einzuhandeln, so halte ich auch hier meine mir selbst auferlegte Passion durch, atme ein, beuge mein Knie, kreise meinen Rumpf, frage mich, was das so ist – mein Körper, vor allem das, was er denn so will von mir, atme aus, wie es sich gehört, und höre, was mir mein GedĂ€chtnis und meine inneren Bilder in das GegenwĂ€rtige diktieren, dass ich es aufzeichne und umforme gemeinsam mit Courier, dem Schrifthelfer, ganz frei von der so unfreien Leber weg,
auf jene ebenso nicht ganz freien, sich nicht mehr von selbst regenerierenden Geister, etwa auf den Herrn Winder hin, von dem der Zup einmal sagte, ihn behalte ich, damals, als er die letzte grosse KĂŒndigungswelle im Dorf startete, der Herr Winder kann bleiben, und so fĂ€hrt dieser jeden Tag abgehetzt durch die Gegend, einmal den Forstweg mit dem Traktor rauf, dann die Hauptstrasse mit dem Rover hinunter, einmal biegt er im eigenen Kleinjeep zum Feuerwehrhaus ab, dann wieder bremst er sich vor dem ehemaligen Forsthaus gegenĂŒber dem Schloss mit dem Bagger ein, wo jetzt der Herr Zorn mit seiner migrĂ€negebeutelten Frau lebt und alle, auch unseren Rasen rund­herum mĂ€ht, je nachdem, wie es die Arbeit, die vom Fen­­s­ter­öffnen bis zum Leitungslegen reicht, verlangt, oder er biegt zur Garage ab, die von den Fenstern des Dichterfreundes aus zu sehen ist, auf die auch der Herr Zorn mit seinem Aufpasserexjagdhund Hirschmann sein stets wachsames Auge werfen kann,
jene Ablade- und Dingverhortungsstelle, in die ich jetzt, langsam, aber unsicher in den Handstand ĂŒbergehend, blicke, in meinen Abstellplatz der gespeicherten RĂ€ume, und festhalte, wĂ€hrend ich fast keinen Halt mehr am Bo­den finde, dass die Garage, einst die Schneidehalle des SĂ€gewerks, unterhalb vom ehemaligen Forsthaus liegt und mehrgeschossig angelegt ist, eine perfekte Maschine des frĂŒhen Jahrhunderts, unterkellert, dort mit RĂ€umen versehen, die miteinander verbunden und nach oben und unten hin durch Luken und grosse FalltĂŒren geöffnet wa­ren, wo ein Arbeitsvorgang den anderen ablöste, hier die StĂ€mme zugefĂŒhrt, dort entrindet, dann in die SĂ€gehalle hinein, und die Schnittreste plumpsten bereits in das Kellerbecken durch die geöffnete FalltĂŒr und wurden dort zerhackt, und die StĂ€mme weitergeschoben durch die ihnen angepassten Löcher die Mauer hindurch bis zum Verladeplatz, wo der Holzgeruch die ganze Talsenke erfasste
– ah!, riecht das stark, entfĂ€hrt es mir auf dem HĂŒgel darĂŒber, als ich auf ein StĂŒck Baumrinde trete im Ohrwaschlgraben, wie gut doch geschnittenes Holz schmeckt, es tanzt mir auf der Zunge und treibt meine Empfindungen aus, dass sie weiterblĂŒhen – vom gut riechenden Holz zum knus­­prigen Braten und zum ĂŒberschĂ€umenden Bier, zu den sich zuprostenden HolzfĂ€llern, JĂ€gern und Förstern an den sich biegenden, aus handwarmem Holz zusammengenagelten Tischen, in ihren HĂ€nden die ĂŒbervollen BierglĂ€ser, vor denen die gar nicht so schamhaften Frauen aus dem ganzen Tal warteten, warteten auf das, was zu erwarten war, die hatten noch was zu tragen,
– aber zu ertragen auch, wirft Courier ein, als ich ein wenig zu euphorisch das Hohelied der guten alten Zeit anstimme, in mein Innenohr, dennoch, noch einmal bitte, fordert er die Mutter der Friseuse von Rotten auf, im grösseren Einkaufsdorf einige Kilometer weiter unten im Tal Richtung SĂŒden, wie war das frĂŒher, als es die Waldbahn noch gab,
– ja, da war was los, viele Feste gab es damals bei denen im Graben drinnen, jede Woche wurde getanzt und getrunken, wir sind immer wieder hineingefahren mit der Waldbahn oder zu Fuss hingewandert, Kirtag fĂŒr Kirtag, Lohntag fĂŒr Lohntag, aufgeregt waren wir, schön hergemacht und so ĂŒberhaupt
– und ich kratze mich am Kopf, unter den kurzen Haaren löst die darauf brennende Sonne Schweissperlen aus – oder sind es die Kniebeugen – und ich spĂŒre die Schere der meine Haare schneidenden Frisiersalontochter, als mich Belinda beim Grabenanstieg an­spricht, setz dir doch die Kappe auf bei dieser Hitze, und ich im Nacken schon ganz leicht das brennende Frösteln hochsteigen spĂŒre, das mich beim NachspĂŒren hier in Fustritz­wald und in der Hauptstadt begleiten wird, das Bild des SpĂŒrhundes Courier stĂ€ndig vor Augen, wie er alle ausfragt und interessiert tut, obwohl er sicher nicht alles versteht, was ihm da alles so erzĂ€hlt wird ĂŒber Haus, Herr und Hund aus der besseren Vergangenheit,
– der Hund, der Hund, riefen die Kinder, aber schon hatte der Gutsherr seinen Guggug am SchĂ€del erwischt und angefahren, als er seine drei Kinder auf dem Rollschlitten mit dem Range Rover ĂŒber den Parkplatz vor der ehemaligen Schneidehalle zog, ein schneller, glĂŒcklicher Tod, stellen wir dann alle ĂŒbereinstimmend nach dem Abendessen im grossen GĂ€steraum fest, ich aus dem Schatten des Kerzenlichts vor den ĂŒberziselierten StĂ€ndern heraus, fĂŒge noch hinzu, dass der Hund kein GlĂŒck gehabt hat, der Guggug, widerspreche mir also und denke an diesen leibhaftig tierischen Widerspruch, das Riesenbaby Hund, der sich immer bellend vor die wegfahrenden Autos warf, aber bis auf dieses eine letzte Mal es verstand, den Kopf oder den Körper rechtzeitig wegzudrehen vor dem letzten, allerletzten Stoss, oder der es in diesem letzten Fall verstand, den allerletzten Stoss kommen zu lassen, den Erlösungsstoss, den HinĂŒberstoss aus diesem eigenartigen Unterwerfungsleben, das er so gerne als geliebter Schlossherrhund gefĂŒhrt hĂ€tte, aber wenig Chancen bekam, zeigen zu können, wie schön er seine Hundeunterwerfung angelegt hĂ€tte von der schnöden Zurechtweisung bis zum liebevollen Umfassen der stets triefenden Schnauze durch das Herrl Zup, Guggug aber galt bloss als Stinker, der stĂ€ndig puhte und sein entzĂŒndetes Fell zeigte, seelisch krank, das war mit seiner mĂ€chtigen Erscheinung einfach nicht vereinbar, das war einmal krank zu viel, aber sein Tod hatte For...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. 1 Drinnen in Fustritztal oder der Tod, plötzlich
  3. 2 Das Symposion, Zeitlupe
  4. 3 Gruppen, ich ist eine andere (Gruppe)
  5. 4 Der Morgen, um das Bett herum
  6. 5 Beste FlÀche oder der Wissenschaft, der Kunst und der Erheiterung des Lebens
  7. 6 Die Jagd und der rote Punkt oder das Interview kann beginnen
  8. 7 Stoffwechsel, ĂŒbergehend
  9. 8 Umzug, anziehend
  10. 9 Hinter den Burgen, Fest und Wein
  11. 10 Das Nest nach dem Sturm
  12. Ferdinand Schmatz
  13. Zum Autor
  14. Impressum
  15. Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag