Unter Menschen
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Unter Menschen

Roman

  1. 328 Seiten
  2. German
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Unter Menschen

Roman

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Berti heißt auch Fekete, Robert Pattinson, Ricky, Zorro und Bagheera. Er ist das Ergebnis der unglücklichen Liaison eines Jack Russell Terriers mit einem Straßenköter, er sieht aus wie ein schwarzer Fleck und benimmt sich wie ein übermütiges Kind. Er ruiniert die Geschäfte eines ungarischen Welpenhändlers, bricht einer Zwölfjährigen das Herz, weckt die Lebensgeister eines neurotischen Physikers und landet auf der Müllhalde eines Haustiermessies. Überall, wo er hinkommt, hinterlässt er seine Spuren in den Herzen und in den Leben seiner Menschen, die er als kleiner Schatten ihres Glücks und Unglücks begleitet. Bettina Balàka erzählt in ihrem neuen Roman nur scheinbar die Geschichte eines Hundelebens: Unter Menschen ist zugleich ein Reigen zwischenmenschlicher Tragödien und Komödien - grandios komponiert, durchtrieben ironisch und unterhaltsam, voll überraschendem Witz und geistreicher Erkenntnis.****************************************************************************************************************LESERSTIMMEN: "Wir gehen mit einem aufgeweckten und klugen Hund auf Entdeckungsreise und begegnen dabei außergewöhnlichen Charakteren. Unter Menschen bietet uns die brillante Gelegenheit, über ein Hundeleben hinter die Fassaden des menschlichen Daseins zu blicken.""Frech, spritzig und gerade aus: Bei Bettina Balàka sitzt jedes Wort an der richtigen Stelle. Wie auch schon bei ihrem vorigen Roman Kassiopeia hat sie mich auch diesmal wieder mit großartiger Leseunterhaltung beglückt". Für Sebastian Gilli (DER STANDARD) ist der Roman Unter Menschen "der gelungene Versuch, anhand der Lebensstationen eines Hundes Verhaltensweisen von Menschen aufzugreifen, zu hinterfragen und nachzuspüren. Gassigehen auf hohem stilistischem Niveau."****************************************************************************************************************Alle Bücher von Bettina Balàka erschienen bei Haymon: ´Auf offenem MeerKassiopeiaUnter Menschen

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783709935910

Bagheera

1.
Der Boden war kalt und roch nach Chlorreiniger. Das Hundebett roch nach den Schweißpfoten, Duftdrüsen und Hautschuppen vieler Hunde. Ringsum roch es nach Teer, denn das Tierheim war auf einer Sondermülldeponie errichtet worden, mit deren Eigenleben man nicht gerechnet hatte. Egal, ob Kies, Wiese oder Beton, überall drückte es den schwarzen Schlamm aus dem Boden, der an der Oberfläche lavagleich verklumpte und verschorfte. Es roch nach Giselle, die man nach dem Topmodel Giselle Bündchen benannt hatte, als man sie drei Jahre zuvor eines Morgens vor dem Tierheim angebunden gefunden hatte. Weshalb es Menschen gab, die es vorzogen, ihre Tiere nachts vor dem Eingang zu deponieren, anstatt sie einfach zu den Öffnungszeiten zu bringen, gab Anlass zu Spekulation bei den Pflegern. Man vermutete, dass solche Tierhalter sich schämten und unangenehme Fragen fürchteten – eine unberechtigte Furcht, da man im Interesse des Tieres jeden Abgabegrund hinnahm –, hielt ihnen aber zugute, dass sie ihre Tiere wenigstens nicht einfach am Straßenrand entsorgten.
In Giselle waren so viele Rassen vereinigt, dass man sie nur mehr mit Hilfe eines DNA-Tests ermitteln hätte können. Ihre Färbung ähnelte der eines Cavalier King Charles Spaniels, die Felllänge der eines Tibet-Terriers, die Statur der eines Staffordhire Bullterriers, die Ohren denen eines Esels und das Gesicht dem eines Boxers, der tatsächlich im Boxring gestanden hatte. Das Zusammenknirschen so vieler Gene hatte ihr einen schrecklichen Unterbiss beschert. Es gab kaum einen Hund auf der Welt, der Giselle Bündchen weniger ähnlich gesehen hätte. Sie hatte ein gravierendes Inkontinenzproblem, das ihre Vergabe zusätzlich erschwerte, aber sie war eine gute Seele, die man mit so gut wie jedem anderen Hund vergesellschaften konnte – selbst mit einem wie Berti, der kurzschnäuzigen Artgenossen mit einem gewissen Vorbehalt begegnete.
Der Geruch von Giselle, die nicht nur markierte, sondern auf Schritt und Tritt tropfte, war intensiv, aber beileibe nicht der einzige. Mehr als zweihundert andere Hunde pinkelten, kackten, pupsten, pressten ihre Analbeutel zusammen, legten Schweißfährten, sendeten Pheromone und Stresshormone aus. Manche waren dem Geruch nach ganz nah, manche weiter weg. Manchen gärten Speisereste in den Lefzen, andere sonderten bei Regen besonders viel Hautfett ab, die ganz alten erkannte man an ihrem Ohrgeruch, der dem von verbranntem Talg glich. Manche rochen nach Krankheiten und Medikamenten. Es waren so viele, dass sie eigentlich ein großes Rudel bilden hätten können, aber die meisten rochen nach Einsamkeit, Sehnsucht, Langeweile und Angst.
Doch das war noch nicht alles, es roch auch nach Katzen, Ziegen, Pferden, Ratten, Meerschweinchen, Schwänen, Tauben, Kaninchen, Papageien, Frettchen, sogar nach Waschbären und Schimpansen. Es roch scharf, erdig, pfeffrig, grasig, ätherisch, sauer, eine Geruchskakophonie, die bewirkte, dass Berti witterte, witterte, witterte, ohne jemals seiner Nase folgen zu können.
Durch die Gitterstäbe des Zwingers hindurch sah er nicht viel. Was er hörte, war allerdings ohrenbetäubend. Mehr als zweihundert Hunde bellten, Minute um Minute, Stunde um Stunde, Tag und Nacht. Hunde, die ihr Rudel verloren hatten.
2.
Den Dschungel lernte Lydia Prinz kennen, als sie aufbrach, um ihren seit elf Jahren verschollenen Sohn wieder nach Hause zu holen.
Dass der Dschungel bisweilen still war wie eine Kathe­drale, und dann wieder durchtönt wie ein Konzertsaal, überraschte sie nicht, davon hatte sie gelesen. Dass er atmete und in diesem großen Luftholen und Wiederausblasen den Menschen sachte schwanken ließ wie einen Halm, war eine Entdeckung, mit der sie nicht gerechnet hatte. War das gemeint, wenn vom „Atem der Götter“ die Rede war?
Am lautesten war der Dschungel, wenn es regnete. Das Aufprasseln der Millionen von Wassertropfen auf Millionen von Blättern, ihr Hinunterrieseln auf immer tieferliegende Blätter in langen Kaskaden, bis sie endlich am Boden ankamen, erzeugte ein so gewaltiges Rauschen, wie sie es weder am Land noch in der Stadt je gehört hatte. Das Rauschen war wie ein Mantel, in den man sich einhüllte, um dazusitzen und in Ruhe nachzudenken, und wie eine Opiumpfeife, die man schließlich rauchte, um aus seinen Gedanken zu fliehen.
Die Stille war eng mit der Sonne assoziiert. Je höher sie stieg, je heißer sie brannte, desto mehr schienen Schlaf und Trägheit sich auszubreiten. Nur die lautlosen Schmetterlinge waren dann unterwegs, ihnen konnte es nicht heiß und gleißend genug sein. Sie waren groß wie Hände, schwarz-grün, schwarz-blau oder schwarz-weiß. Einmal hatte Lydia eine Frucht, deren Namen sie nicht kannte, aufgeschnitten und gekostet, sie schmeckte unangenehm, süß und sauer und käsig zugleich. Lydia hatte die Fruchthälften am Geländer ihrer Veranda liegenlassen und die Schmetterlinge stürzten sich darauf, einander überlappend, und steckten ihre Rüssel hinein.
Früh morgens und in der Abenddämmerung war die große Zeit der Vögel. Der metallische Ruf des Flaggen­drongos, das Gluckern der wilden Tauben, das helle Zwitschern der Bülbüls, das Schnattern, Krächzen und Krakeelen der Sittiche und Papageien. Kolibris brummten wie Hummeln in dem Trompetenbaum vor der Veranda. Reiher, Fasane, Stare, Prachtfinken, Kuckucke – alle waren sie nicht nur bunter, sondern auch lauter, kreischender und melodischer als die Vögel zu Hause.
Wenn abends schneeweiße Dunstschwaden von den Bergen rannen und über den Lotosteichen zur Ruhe kamen, setzten die Frösche ein. Sie sangen „Ribitt“ und „Aragolock“ und Lydia glaubte zu hören, wie sie jeden Ton genossen, der in sorgfältiger Modulation aus ihren Kehlen rollte. Was für ein schöner Ort, dachte sie, und wie völlig egal mir das ist.
Manchmal schrien Makaken. Manchmal hörte Lydia, wie ihre Mutter sich hinter ihr in dem großen Bett unruhig wälzte, rotzte und schnarchte. Man hörte das schabende Geräusch, wenn sie sich im Schlaf lange kratzte, an den Stellen, wo Bettwanzen sie gebissen hatten. Das Zimmer war an zwei Seiten offen und nur durch hölzerne, mit Schnitzereien verzierte Pfosten von der Veranda getrennt – es war unheimlich, weder Tür noch Fenster zu haben, die man schließen konnte, aber man gewöhnte sich daran.
Ein einziges Mal sah Lydia Makaken, als ein Trupp gemächlich vorbeizog. Immer wieder hielten die Weibchen inne, und die Babys sprangen vom Rücken des einen auf den eines anderen. Anders als in den Touristengegenden schienen sie hier nicht gefüttert zu werden, sie zeigten kein Interesse am Menschen. Bis plötzlich ein großes Männchen sich aus der Gruppe löste, sich über das Geländer der Veranda schwang und auf den Tisch hinauf. Der Makake sah Lydia tief in die Augen, ihr schien, als könne er ihre Gedanken lesen. Auf dem Tisch lagen eine Banane und ihre Sonnenbrille, er entschied sich für letzere, schnappte sie sich und schlenderte damit davon. Warum habe ich nicht besser aufgepasst, dachte Lydia, durch meine Schuld hat ein wilder Affe nun ein Ding der Zivilisation in die Hände bekommen. Von heute an wird er Touristen verfolgen, ihnen die Kameras stehlen und sie ins Meer werfen. Sein Leben wird nicht mehr dasselbe sein.
Gerade als sie meinte, mit allen Klängen vertraut zu sein, kam ein neuer hinzu. Es war ein Flöten mit baritonaler Färbung, zumeist auf einem Ton, der gegen Ende hin einen Halbton sank. Ein melancholisches, flehentliches, durchdringendes Flöten, das aus einem Instrument zu kommen schien, das sie noch nie zuvor gehört hatte. Sie schrieb ihrer Mutter einen Zettel: „Bin spazieren, L.“ und machte sich auf den Weg. Sie folgte der schlammigen Straße, die steil den Berg hinaufführte. Aus den wenigen menschlichen Behausungen schien die Musik nicht zu kommen. Inmitten einer Weggabelung stand ein uralter Banyanbaum, zwischen dessen grauen, zu Stämmen gewordenen Luftwurzeln Hunde sich über die in Bananenblätter gewickelten Opfergaben hermachten. Büschel von Räucherstäbchen ragten aus der Erde, aus denen bläulich-weiße Rauchkringel strömten, daneben stand eine Schale, aus der weiße Orchideenblüten fielen. Der Baum war unten mit einem schwarz-weiß karierten Sarong umwickelt, oben trug er ein weißes Stirnband. Er war heilig, er wurde mit Nahrung, Bekleidung, Räucherwerk und Blumen versorgt. Lydia betrachtete die Hunde, die mit Zähnen und Pfoten geschickt die Blattpäckchen öffneten, um den Klebreis und das Schweinefleisch herauszuholen. Sie hatte das schon öfters beobachtet, niemand schien sich daran zu stoßen, die Versorgung der Hunde schien in jener des Baumes inkludiert. Vielleicht waren die Hunde Gehilfen des Banyan, seine Emissäre, kleine Seelen, die er mit seiner großen Seele beschützte.
Das Flöten erklang nun aus größerer Nähe. Sie lauschte in alle Richtungen und entschied sich dann für eine Abzweigung. Nach einer Weile kam sie zu einer Steinmauer, die mit Dämonen- und Tierfiguren verziert war: ein Tempel. Der Stein war porös und mit schwarzen Flechten und leuchtend grünem Moos bedeckt. Einige Stiegen führten hinauf zu einem hohen Tor, durch das sie in den Tempelhof kam. Dort stand die Quelle des Flötens: ein einsam angebundenes Kalb, das den Hals streckte und seine qualvollen Molltöne rief. Eines von jenen schönen orangefarbenen Rindern mit weißen Beinen, langen, stets zurückgelegten Ohren und schwarzbewimperten Rehaugen, die normalerweise die Reisfelder pflügten. Und normalerweise gingen die Kälber dort neben ihren arbeitenden Müttern her, denen sie auf Schritt und Tritt folgten. Warum nur hatte man dieses hier im Tempel angebunden, wo es verlassen im Dunst stand, von steinernen Fratzen angestarrt wurde und stundenlang wehklagte? Sollte es etwa eine Opfergabe sein? Aber das war nicht möglich, Kühe waren heilig, sie durften nicht geschlachtet werden. Sollte Lydia das Kalb einfach losbinden und mitnehmen? Das konnte Unmut erregen, bei Menschen wie Göttern. Ihre Gegenwart beruhigte das Tier jedenfalls nicht. Sie klopfte ihm auf die Lenden, streichelte seine Nüstern, redete sanft auf es ein. Doch es schien sie nicht wahrzunehmen, sie war machtlos. Sie war nicht seine Mutter. Irgendwann konnte sie den Klagegesang nicht mehr mitanhören. Wohin sollte sie gehen, um ihm zu entfliehen?
Sie beschloss, zu ihrem Pfahlhäuschen zurückzukehren, ihre Mutter aufzuwecken und ihr zu sagen, dass sie auf der Stelle abreisen mussten. Als sie wieder bei dem Banyan-Baum vorbeikam, hörte das Flöten schlagartig auf.
3.
Der Anruf vom Außenamt war zur Mittagszeit gekommen, als Lydia Prinz alleine im Büro war. Sie arbeitete gerne in der Stille, außerdem fand sie es nicht nötig, die Arbeit zu unterbrechen, nur weil man eine Schinkensemmel und einen Apfel verzehrte. Auf die Mittagsmenüs in den umliegenden Lokalen, die aus den Resten richtiger Mahlzeiten bestanden, konnte sie gerne verzichten. Die Zeit zwischen zwölf und vierzehn Uhr, in der arbeitende Menschen in ganz Österreich „Mahlzeit“ zueinander sagten, und zwar nicht zur Einleitung einer solchen, sondern als Gruß, war für sie eine Auszeit, um konzentriert und ungestört ihre Zahlen zu bündeln. Normalerweise kamen keine Anrufe in diesen zwei Stunden, es galt als sinnlos, wenn nicht ungehörig. Doch in besonderen Fällen arbeitete man im Außenamt durch.
„Spreche ich mit Frau Lydia Prinz?“
„Am Apparat.“
„Frau Prinz, ich darf Ihnen die Mitteilung machen, dass wir Ihren Sohn Oliver gefunden haben.“ Lydia fühlte, wie der Schinkensemmelbrei, den sie hinuntergeschluckt zu haben glaubte, plötzlich wieder da war und in ihrem ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Zitat
  3. Fekete
  4. Robert Pattinson
  5. Ricky
  6. Rocco
  7. Zorro
  8. Bagheera
  9. Berti
  10. Danksagung
  11. Bettina Balàka
  12. Zur Autorin
  13. Impressum
  14. Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag