Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser
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Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser

Roman

  1. 117 Seiten
  2. German
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Verirren oder Das plötzliche Schweigen des Robert Walser

Roman

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Über dieses Buch

Sensibel und zurückhaltend nähert sich Jürg Amann in seinem Roman dem Schaffen und besonders dem Menschen Robert Walser. Eine einfühlsame und ergreifende Geschichte.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783709973103
I
Wie also heute Sie, Herr Seelig, als sein Freund und Vormund, vor mir stehen, stand eines Tages hier vor mir Herr Walser. Nur daß ich ihn nicht hergerufen hatte.
Hölderlin, sagte er, habe es lange vor ihm für durchaus angezeigt gehalten, und das heiße für taktvoll, im vierzigsten Lebensjahr den gesunden Menschenverstand einzubüßen. Er selbst sei jetzt ungefähr fünfzig, so genau wisse er das nicht, er habe seit einiger Zeit die Jahre nicht mehr gezählt, aber das sei ja ohne weiteres nachprüfbar auf dem Geburtsschein, den er mir hiermit vorlege.
Damit legte mir Herr Walser seinen Geburtsschein vor.
Kennen Sie Nietzsche, fragte er mich, sicherlich kennen Sie Nietzsche, indem er mich ins Auge faßte, Sie sind ja doch wohl ein gebildeter Kopf. Urplötzlich, wissen Sie, und auf der Stelle ist er zusammengebrochen, der Wahnsinn, gegen den er jahrzehntelang angeschrieben und in den er sich gleichzeitig jahrzehntelang hineingeschrieben hatte, urplötzlich aus ihm hervorgebrochen und ein für allemal ausgebrochen und über ihn hereingebrochen, sagte Herr Walser, dem er sein Leben lang Wort für Wort entgegengehalten, Satz für Satz entgegengesetzt, Buch für Buch entgegengetürmt hatte, entgegengebaut, entgegen, ins Gesicht geschleudert hatte, aus diesem Gesicht plötzlich hervorgebrochen und über dieses Gesicht hereingebrochen mit Blitz und mit Donner und hat dieses Gesicht auseinandergerissen, entzweigerissen, auseinandergespalten, ich höre noch, wie er das sagt, verzerrt, ein vollkommen verzerrtes Gesicht, hat er gesagt, das da auf dem Turiner Pflaster eines Tages urplötzlich und hart und ohne Schutz aufgeschlagen ist, hingeschlagen ist, hingestreckt durch den Anblick eines ausgepeitscht werdenden Pferdes. Ein Zufall, nichts als ein perfider Zufall, diese brutale Begegnung. Und sofort auf das Tier zugestürzt, weinend sich dem Tier um den Hals geworfen, unter dem Tier im gleichen Augenblick zusammengebrochen und auf der Stelle urplötzlich verrückt gewesen. Dann, erwachend, auf dem Bett seines Hotelzimmers, stundenlang an die Decke gestarrt, ruhig, als ob nichts gewesen wäre, drei, vier Stunden an die Decke gestarrt, dann aus der Ruhe heraus plötzlich aufgesprungen, auf dem Schreibtisch das Papier zurechtgelegt, gefaltet, liniert, wiederum in aller Ruhe, dann sich hingesetzt und auf dem Papier seine Anordnungen getroffen, seine letzten Erlasse erlassen, den Fürstentag nach Rom einberufen und in die Welt hinaus geschrieben, zuletzt wäre er lieber Basler Professor als Gott, aber er habe es nicht gewagt, seinen Privat-Egoismus so weit zu treiben, um deshalb die Schaffung der Welt zu unterlassen, gezeichnet Der Gekreuzigte, und wieder aufgesprungen, nach dem Wirt geklingelt, dem Wirt einen Stoß Papier aufgenötigt und den Wirt eidesstattlich verpflichtet, seine Korrespondenz zu expedieren, dann ermüdet auf den Klavierstuhl zurückgesunken, in die Musik hinein versunken, sich in die Klaviatur versenkt, in die Klaviatur mit vollen Händen hineingegriffen, stundenlang die Klaviatur hinauf und hinunter, auf dem Klavier unausgesetzt phantasiert oder seine eigenen und fremde Kompositionen gespielt, ohne Unterbruch, ohne Ruhe phantasiert und das Klavier gespielt und das Klavier zuletzt nicht mehr gespielt, sondern mit Händen und Füßen und mit dem Kopf bearbeitet und beim Spielen und Bearbeiten zerstört und mit dem Zerstören des Klaviers auch sich selber immer weiter zerstört, unter den Augen der in der Türe schon stundenlang stehenden Wirtsleute sich vollkommen zerstört und ruiniert und dann nach stundenlangem ununterbrochenem Phantasieren und Spielen und Sich-und-das-Klavier-Ruinieren hat er den Klavierdeckel zugeworfen und ist von Stund und Minute an ruhig gewesen. Ruhig hat er sich abführen lassen, ruhig ist er im Zug von Turin nach Basel zurückgekehrt, ruhig ist er in Basel eingefahren, inkognito, versteht sich, nicht einmal durch das Fenster gegrüßt hat er sein Volk. Und sehen Sie, hat Herr Walser gesagt, sehen Sie, Herr Doktor Hinrichsen, all das wollen wir doch nicht riskieren.
Er kenne das nämlich von seinem Bruder Hermann, sagte er, indem er mir gegenüber Platz nahm, der als Klaviervirtuose sein Leben in der Berner Waldau geendet habe. Auch dieser habe plötzlich nicht mehr aufgehört, nicht mehr aufhören können offenbar, und sei stundenlang und zuletzt auch tage- und nächtelang mit seinen Klavierspielerfingern die Klaviatur hinauf- und heruntergeflogen, bis er geblutet habe aus seinen Musikerfingern heraus und endlich auf den schwarzen Tasten zum endgültigen Stillstand gekommen sei. Das habe Spuren bei ihm hinterlassen, und seine Mutter habe auf diese Weise ein sehr schweres Leben gehabt.
Wollen Sie nicht auch Platz nehmen, Herr Seelig?
Allenthalben und wohin man sehe, stoße man auf die widerwärtigste Hoffnungslosigkeit. Jeder Mensch, dem man gegenübersteht oder gegenübersitzt oder dem man gegenübergestellt wird, ist ein hoffnungsloser Mensch, hat Herr Walser gesagt, und darum ein widerwärtiger Mensch, ein widerwärtiger und hoffnungsloser Mensch, und habe er dennoch eine Hoffnung, obwohl er ein solcher von Grund auf hoffnungsloser Mensch sei, so sei es eine eingebildete und eine falsche Hoffnung und also in Wahrheit eine doppelte Hoffnungslosigkeit, in welcher sich der Betreffende befinde.
Er selber sei zwar kein Klaviervirtuose wie etwa sein Bruder Hermann, aber die Hoffnungslosigkeit, die immer eine bodenlose sei, stecke natürlich, einfach indem er ein Mensch sei, auch in ihm. Er habe immer und von Kindesbeinen an zu allem Möglichen und also auch zu allen möglichen Berufen Lust gehabt, sagte er, darum ist mir das Wählen auch immer eine schwere und im Grunde unmögliche Sache gewesen. Bis ich mir eines Tages gesagt habe, sagte er, daß es vielleicht unter diesen Umständen, der bodenlosen Hoffnungslosigkeit ohnehin einerseits, der größten, gegen diese Hoffnungslosigkeit gerichteten Neugier und Lebensgier andrerseits, das Beste ist, irgendeinen und das heißt gerade den erstbesten zu ergreifen, ihn auszuprobieren und, wenn ich ihn satt habe, wieder an den berühmten Nagel zu hängen. So sei er Dichter geworden, und so habe er seinen Dichterberuf jetzt an den Nagel gehängt.
Noch bevor er Dichter geworden sei, sagte Herr Walser, habe er allerdings Schauspieler werden wollen. Aber da sei er noch grün hinter den Ohren gewesen.
Stumpen, Herr Seelig?
Nach einer Aufführung der »Räuber« jedenfalls, die er vom dritten Rang herunter oder, wie man auch sage oder zu dieser Zeit zumindest, die es betreffe, gesagt habe, von der sogenannten Flohbühne herunter, sogenannt weil man von da aus auf der Bühne die Menschen nur noch wie Flöhe so klein sehe, also gar nicht eigentlich gesehen habe, sei es bei ihm felsenfest festgestanden, daß er ein Schauspieler werden wolle. Er sei dann doch kein Schauspieler geworden, man wisse ja nun seit geraumer Zeit, wie fest Felsen stünden, obwohl er auf der anderen, unprofessionellen Seite und auf seine ganz undramatische Weise doch immer so etwas wie ein Schauspieler gewesen sei und eigentlich bis auf den heutigen Tag, hat Walser gesagt, so etwas wie ein Schauspieler geblieben sei, auch in seinem andern Beruf, oder wenigstens eine Art Halunke und Versteckspieler, und man müsse sich vor ihm schon in acht nehmen.
Zigarette, Herr Seelig?
Daß er aber kein wirklicher, und das heiße für ihn jetzt kein Berufsschauspieler geworden sei, der seine bitteren Späße auf der Bühne zum besten gebe, wie er es sich von der Flohbühne herunter noch vorgenommen habe, habe er später, als er solche wirklichen Schauspieler aus der Nähe, nämlich aus der Nähe des Parketts, aber nicht nur des Parketts, sondern auch des täglichen Lebens, wie etwa dann in Berlin, wo er oft in solche Gesellschaften hineingeraten sei, gesehen habe, gar nicht mehr so sehr bereut.
Ihm hätten die Bretter nie die Welt bedeutet, sondern auf eine plötzliche und magische Weise die Blätter, die leeren, weißen, unbeschriebenen Blätter, die er auf eine ihm selber tatsächlich unerklärliche Weise nicht habe leer und weiß und unbeschrieben lassen können und die er sofort, wenn sie vor ihm gelegen hätten, mit seiner Welt habe anfüllen müssen, indem er sie beschrieben habe. Seine Welt, das bilde er sich gar nicht ein, sei keine große gewesen, schon kleine Papierfetzen und Kartonabfälle hätten ihm, jedenfalls zu Beginn noch, durchaus genügt, um sie darauf zu entwerfen.
Gekommen sei das so. Er sei zuerst ein gewöhnlicher Commis gewesen. Aber das Talent zum Schreiben, das er dazu auch gebraucht habe, habe sich eines Tages ganz unbemerkt selbständig und aus ihm einen Schriftsteller und Dichter gemacht. Während er noch Commis gewesen sei, sei er gleichzeitig auch schon ein Schriftsteller und sogenannter Dichter gewesen. Auf jeden Fall sei es plötzlich immer häufiger vorgekommen, daß auf demselben Blatt, auf dem irgendeine Berechnung gestanden habe, auch ein Gedicht zu finden gewesen sei, und bei genauerem Hinsehen oder, wie man auch sagen könne, Zusehen – so hat Herr Walser immer gesprochen – sei dieses Gedicht von ihm, Walser, gewesen. Das sei das einzige Mal gewesen, daß er mit seinen Gedichten etwas verdient habe, weil sie ja nämlich innerhalb der Arbeitszeit und also Lohnzeit entstanden seien. Trotz dieses ohne Zweifel gewaltigen und nicht zu unterschätzenden Vorteils habe er dennoch seine Stellung als Commis wieder aufgegeben, ganz einfach deshalb, weil er zum damaligen Zeitpunkt, nämlich dem seines frühen Mannesalters, der redlichen Meinung gewesen sei, daß die Kunst etwas Großes wäre und keine anderen Götzen neben sich dulde, keinesfalls aber die niedere Lohnarbeit.
Wenn er dennoch zwischendurch sein Geld oder seinen Lebensunterhalt, wie man auch sage, hat er angefügt, mit etwas anderem als mit dem Schreiben, und damit meine er jetzt und fortan und in Ewigkeit das künstlerische freie Schreiben im Gegensatz zum pflichtgemäßen und geschäftlichen Höflichkeitsschreiben, wenn er also im beschriebenen Sinne sein Leben mit etwas anderem als mit Schreiben habe verdienen müssen, sei er jedesmal sofort wieder gegangen, schon nach der kürzesten Zeit, obwohl man ihn nie und nirgends geschickt habe trotz seiner privaten Schwarzarbeit oder besser Schwarz-auf-Weiß-Arbeit, wieder gegangen, aus freier Lust am Austreten ausgetreten, kurz nachdem er eingetreten sei. Kann ich mal austreten, habe er sich pro forma gefragt, denn er habe immer auf Formen gehalten und halte diese seine Gewohnheit heute noch hoch, kann ich mal austreten, also, und nachdem er sich ebenso förmlich dazu die Erlaubnis gegeben habe, sei er ausgetreten. Wörtlich: Kann ich mal austreten? Ausgetreten! Auf diese Weise habe er immer das Unglück gerade noch verhindert.
Mit diesem Satz, Herr Seelig, ist Herr Walser aufgestanden, unaufgefordert, und hat begonnen, vor meinem Schreibtisch und damit vor meinen Augen auf und ab zu gehen.
Ich habe immerhin einige Absonderlichkeiten und einige sogenannte Verrücktheiten in meinem Leben begangen, sagte er mit einem absonderlichen Lächeln, ohne die ein Leben aber gar kein Leben wäre, es jedenfalls gar nicht verdienen würde, ein Leben genannt zu werden. Meiner bescheidenen Meinung nach, Herr Direktor Hinrichsen, fügte er hinzu, indem er mich, einen Schritt aussetzend, einen Moment lang ins Auge faßte. Aber jetzt bin ich ja nicht mehr der Jüngste, mich dünkt, jetzt ist damit genug, indem er weiterging, ich habe jetzt die Welt im Sack.
Anfänglich, sagte er, sei er zum Beispiel immer ins Ausland verreist, damit er nicht ins Militär habe einrücken müssen, oder er habe wenigstens vorgegeben, dringend ins Ausland verreisen zu müssen, in Wirklichkeit sich aber nur einfach abgemeldet und sei gar nicht in das sogenannte Ausland gegangen oder aber nur für die kürzeste Zeit, um sogleich nach der Abmeldung und nach der Ausreise und nach der Anmeldung im sogenannten Ausland postwendend aus dem sogenannten Ausland wieder in das sogenannte Inland einzureisen. Naturgemäß inkognito. Schließlich hätte man ihn aber doch dabei erwischt, und er habe doch noch alles nachholen müssen. Nur unter Aufbietung all seiner Verstellungskunst und also doch Schauspielkunst und unter Vortäuschung einer Überdosis an Naivität sei er einer zweifellos gerechten Strafe entgangen. Für die Uniform aber habe er sich dennoch nicht geeignet, was er schon vorher ja gewußt habe, weshalb er sich seinem Vaterland als ein ergebener und trotzdem mitdenkender Patriot habe ersparen wollen, und auch unter dem Stahlhelm und unter dem Käppi seien ihm andauernd ganz unbotmäßige und von Gesetzes wegen sogar verbotene, nämlich eigenbrötlerische Einfälle gekommen, welche die Moral der Truppe, wofern sie überhaupt eine solche gehabt hätte, hätten zersetzen nicht nur können, sondern müssen.
Wie Sie sehen, Herr Direktor Hinrichsen, hat er mich plötzlich wieder direkt angesprochen, habe ich mit meiner Uniform-Antipathie am Ende recht bekommen, obwohl ich unter den gegebenen Umständen, nämlich der über uns hereingebrochenen Weltkatastrophen, nicht einmal stolz sein kann darauf. Kein Krieg ohne die Uniform, rief er aus, keine Katastrophe ohne die Uniform, die Uniform ist die Katastrophe!
Und immer dabei weiter auf und ab gegangen, ein Wanderer, Herr Seelig, dieser Herr Walser, eine ewige Unruhe.
Immer wollte ich abreisen, und nie bin ich abgereist, nahm er den Faden wieder auf. Die Fahrkarte in der Tasche, nicht gefahren. Ich bin einfach nicht abgereist. Oder wenn ich doch abgereist bin, bin ich sofort wieder zurückgekommen. Manchmal bin ich, schon auf der Strecke, an der ersten Station, ausgestiegen und in der Gegenrichtung sofort in den nächsten Zug wieder eingestiegen und zurückgekommen, kurze Zeit später auch schon wieder zurück gewesen. Am Morgen habe ich mich abgemeldet, am Abend schon wieder angemeldet und damit auf den Amtsstuben oft eine heillose Verwirrung gestiftet, weil ich nicht habe angeben können, von wo ich zurückgekommen bin, da ich ja gar nicht eigentlich fort gewesen war, was man aber können muß, nachdem man einmal abgemeldet ist. Um die schweizerische Rechtsordnung, die ja natürlich auf der Ordnung solcher Amtsstuben beruht, nicht in Gefahr zu bringen oder gar aus den Angeln zu heben, bin ich später davon abgekommen, mich überhaupt noch abzumelden, wenn ich einmal weg wollte, mich plötzlich die Lust überkam, das Weite zu suchen, abzuhauen oder mich tatsächlich in der Welt umzusehen. Ich bin ohnehin nicht ausgereist, und es ist bei der Lust geblieben. Statt zu reisen, habe er innerhalb der Stadt nomadisiert, habe jedenfalls zum beweglichen Inventar gehört, indem er alle paar Wochen das Zimmer gewechselt habe und den Stadtteil. Tapetenwechsel, rief er aus und blieb stehen, Tapetenwechsel, und ging wieder weiter, hin und her. Er habe sich jedenfalls in der Vorstellung gefallen, unauffindbar für jedermann zu sein. Geradezu einen Spaß habe er sich beispielsweise daraus gemacht, schneller als die Post zu sein und noch bevor der Pöstler herausgefunden habe, wohin ihm die Post nachzusenden sei, schon wieder eine neue Adresse zu haben. Es habe ihm sehr vergnügte Stunden bereitet, wie er sich noch lebhaft erinnere, sich vorzustellen, wie man ihn an einem falschen Ort suche, immer da, wo er gerade noch gewesen war. Manchmal sei er gerade noch zur Tür heraus entkommen, während schon jemand auf die Klingel gedrückt habe, einmal habe er den Pöstler, der schon im Treppenhaus gewesen sei, fast über den Haufen gerannt.
Er lachte, Herr Seelig, wie Sie jetzt an dieser Stelle gelacht haben. Übrigens habe auch ich an dieser Stelle ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Widmung
  5. Kapitel I
  6. Kapitel II
  7. Kapitel III
  8. Kapitel IV
  9. Inhalt