Old Danube House
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Old Danube House

Roman

  1. 304 Seiten
  2. German
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Old Danube House

Roman

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Wien, Moskau und Sarajevo sind die Schauplätze dieses Romans, in dem es u.a. um die Frage geht, was für die meisten Menschen heute das eigentlich Fremde ist: die Zuwanderer aus anderen Kulturen, die technikbesessenen jungen Leute und ihre Rituale, die verdrängte Vergangenheit oder die ungewisse Zukunft. Der Quantenphysiker Johan Nichol gerät durch die über das Internet verbreitete Nachricht vom Selbstmord des bosnischen Physikers Nicola Sahli in eine existenzielle Krise. Der geheimnisvolle Kollege wird zur Schlüsselfigur bei der Suche nach Sinn und Mut im Beruf wie im Privatleben. Er fährt nach Sarajevo und findet jenes Old Danube House, wo Sahlis Vater mit Adoptivkindern verschiedener Nationalitäten ein multikulturelles Experiment verfolgt hatte...

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783709973639
DIE MASCHINEN

ONE UND SIDESTEP

Marina Nichol fuhr mit dem Auto in der Wiedner Hauptstraße vor. Wie jeden Freitag wartete Johan gegen sechs in der Zufahrt, zwischen der Mensa und dem Lehrmittelladen.
Es regnete. Marina hatte sich ein wenig verspätet, und schon hatte sich Nichol dabei ertappt, panisch auf die Uhr zu sehen. Banale Unstimmigkeiten verunsicherten ihn. Etwa war Marcel Hofer tagsüber nicht im Labor aufgetaucht, seit ihrem Kinobesuch vor einer Woche nicht mehr. Hofer hinterließ kurze Nachrichten, arbeitete offenbar nachts. Der Regen brachte eine in dieser warmen Luft angenehme Feuchtigkeit. Nichol war im Schutz der Arkade geblieben.
Zehn Schritte zum Auto, dann wartete er an der Tür. Marina räumte die Sporttasche auf den Rücksitz. Er wurde durch und durch naß.
„Du Armer. Leg das Handtuch auf den Sitz. Und damit trocknest du dein Haar.“
Sie war schon im Gymnastikleibchen und der hautengen kurzen Hose, hatte einen Overall über der Schulter liegen. Er küßte sie auf die Wange, und Marina fuhr los.
„Du wirkst müde“, sagte er.
„Fühl mich nicht so schön, Johan.“
„Das Fitneßstudio wird dir guttun.“
Er legte seinen Arm um ihre Schulter, massierte ihren Nacken. Der Regenguß war so stark, daß der Scheibenwischer nicht nachkam, der Verkehr kam zum Erliegen.
„Chéri, ich werde kündigen“, sagte Marina. Ihre Zunge war schwer und ihr Gesicht ausdruckslos.
„Du wirst es schaffen, Marina. Sie werden dein Konzept akzeptieren. Das braucht Zeit. Ich bin mir sicher.“
„Das ist es nicht. Ich finde die Kollegen in der Kunsthalle sehr lieb. Und über Didaktik kann man verschiedener Ansicht sein. So eng will ich meine Time-Line nicht sehen.“
Ratlos versuchte er etwas in ihrem Gesicht zu lesen.
„Meine innere Landschaft, verstehst du?“ fügte sie hinzu. Der Verkehr stand, aber sie vermied jeden Augenkontakt. „Ich finde mich nicht mehr, ich bin überhaupt nicht mehr bei der Sache. Ich fühle mich lächerlich.“
Redete Marina tatsächlich über sich selbst? Oder zeichnete sie ein Bild, mit dem sie ihn meinte?
„Und dein Psycho-Power-Kurs?“ sagte er.
„Hab doch alles versucht.“
Der Regen ließ nach, die Kolonne kam wieder in Fahrt. Sie fuhren gerade am Burggarten vorbei, unweit des Parlaments, die Sträucher und Bäume leuchteten grün.
„Warum sagst du nichts, Johan?“
Marina saß weit nach vorn gebeugt, mit dem Kopf über dem Lenkrad, dicht an der Scheibe. „Weil du mir nie zuhörst. Ich erzähl dir Managementdinge, und du hörst einfach nicht zu. Die Selbstmotivationsmethode geht davon aus, daß wir mehr Gleichklang herstellen müssen. Beim Kalibrieren nehmen wir den anderen wahr, und beim Pacing versuchen wir, eine positive Einstellung aufzubauen.“
„Deine Leutchen hätten vielleicht dabeisein müssen, ich meine, während dieser Übungen.“
„Wir sind doch alle im Kurs, alle aus der Führungscrew. Du bist schrecklich. Ich erzähl dir ja immer, daß wir nachher auf einen Drink gehen.“
„Ja, verzeih.“
„Die anderen fühlen sich auch gut. Mir aber ist alles zuwenig spirituell. Du bist so digital fixiert, Johan.“
„Ich verdiene genug, Marina, ich meine, wenn du ...“
„Du bist schrecklich, ich brauche sie, meine Unabhängigkeit.“
Im Fitneßstudio, nach dem Aufwärmen, dem Dehnen und Strecken, rang Nichol Marina das Versprechen ab, ihr Vorhaben einige Nächte zu überschlafen. Aus den Boxen kam welcome to the paradise. Marina mußte ihn mit sanftem Druck vom Langlaufsimulator zu den Hantelgeräten drängen, und er litt zwischen den glatten Körpern, den eingeölten Muskelpartien. Dann klatschte die Animatorin zum Aerobic-Training, eine Afrikanerin, die die schwarzen Locken nach hinten gekämmt hatte und ein gelbes Höschen trug; um ihren Kopf war das Richtmikrophon. Sie lächelte dauernd und wippte mit den Hüften.
„Are You ready?“
Die Musik fuhr mit der Lautstärke hoch. „One and sidsteps. And one, two, three ... one and sidesteps ...“
Später, im Ruheraum, massierte Nichol Marinas Nacken.
„Eine junge Schauspielerin hat mich angerufen, während du in Moskau warst“, sagte sie, „sie organisiert einen Kalender mit Fotos von erfolgreichen Frauen, eine Art Pinup-Kalender.“
„Ein Nacktkalender?“
„Ästhetische Bilder. Sei nicht prüde. Der Erlös aus dem Verkauf soll dem Forum Kinder von Tschernobyl zugute kommen. Die Schauspielerin hat mich eingeladen. Die Idee, den Kindern mit einem Kalender zu helfen, fand ich schön.“
Geschickt zog sie die Träger über die Schulter und holte aus der Umkleidekabine das Foto, auf dem sie noch langes Haar trug, zu einem Samurai-Zopf gebunden, eine schwarze, glatte Kopfoberfläche, die ihren langen Gazellenhals betonte. Im schwarzbraunen Bikini-Oberteil stand sie bis knapp unter dem Nabel im Wasser. Ihre rechte Hand faßte an den Ellbogen des linken Armes, wie in einer kreisenden Bewegung.
„Cheers“, sagte er später an der Bar, „auf das schöne Foto.“
Da entdeckte er die Laufmasche am rechten Knöchel ihres Strumpfes, was er für ganz ungewöhnlich hielt. Die Laufmasche zog ihn an wie ein Fetisch. Er öffnete, vom Barmann unbemerkt, Marinas Kleid an der Hüfte, und während er sie berührte, überkam ihn der Wunsch, sich selbst auszuziehen. Er zeichnete mit der Hand die Formen unter dem Kleid nach und malte sich aus, wie Marina ihren Körper preisgäbe. Als stünde er mit ihr nackt vor dem Fotografen, fühlte er mit der Scham eine exhibitionistische Freude. Marina war nur wenig kleiner, schlank und sportlich vom wöchentlichen Training, am ganzen Körper sorgfältig enthaart und gleichmäßig braun. Auch er konnte sich sehen lassen. Nur die trockene Haut und die kleinen Fettpölsterchen unter dem weiß gewordenen Brusthaar würden sein Alter verraten.
Als er sie zu küssen versuchte, kniff Marina die Lippen zusammen und blickte wie jemand, der in eine faule Frucht beißt. Seine Finger zitterten, und während seine Hand zwischen ihre Beine glitt, wurde ihr Körper starr und hart. Er ließ sofort ab, wollte sich entschuldigen, da klopfte ihm Marina auf seinen Schenkel.
„Wie besessen du von deinem Studenten bist“, sagte sie dann.
„Von Hofer?“
„Schaust mit ihm Kultfilme.“
„Ach, das Kino ... hab ich das nicht erwähnt?“
Er versuchte in ihrem Gesicht zu lesen, was in ihr vorging. Beschämt griff er nach dem Glas, mußte sich sagen, er wisse es nicht.
„Ich gebe nächste Woche ein Abendessen. Johan, weißt du, wir beide spielen Versteck, das ist kindisch.“

SEIN WAPPENTIER

Während Johan Nichol an der Wohnungstür auf Hofer und Karen wartete, dachte er ängstlich an Marinas Andeutungen. Wehrlos, wie ihm schien, ließ er über sich ergehen, was er am meisten verabscheute: ein Party.
Es läutete noch einmal, auf dem Bildschirm der Gegensprechanlage aber war niemand zu sehen. Vor einigen Tagen hatte er an Katharina geschrieben, seit Nächten müsse er an seinen feigen Rückzug denken, vor fünfundzwanzig Jahren. Nach ihrem Brief sei er damals geradezu gelähmt gewesen, zu kindlich, um anders als durch Abschottung zu reagieren. Rational mit ihrer Entscheidung einverstanden, hätte ihn ihr Realismus zugleich überfordert. Ein Kind, von ihm, und eine Abtreibung; er noch nicht lange dem katholischen Internatsleben entkommen, verwirrt. Vor einiger Zeit sei er mit zwei Studenten im Kino gewesen und habe auf dem Heimweg plötzlich daran denken müssen, daß heute das Kind so alt wäre wie sein Student.
Als er dann auf dem Bildschirm die beiden Studenten ausnahm, rief er nach Marina. Sie kam aus der Lounge, wo sie sich mit Frau Karafani und Derya Savran, einem jungen Bekannten Karafanis, unterhalten hatte. Es schien Nichol, als schwinge sie im wallenden tunesischen Kleid ihre Hüften heftiger als sonst. Sein schlechtes Gewissen bedrängte ihn, und zugleich kam ihm Marinas Vitalität verräterisch vor, dann dachte er daran, wer da gerade mit dem Aufzug zur Wohnung hochfuhr: Marcel Hofer, der ihm seit Wochen aus dem Weg ging. Ob das weniger mit Albert Stadler als mit Marina zu tun hatte? Andererseits strahlte sie seit Monaten nicht eben Lebensfreude aus.
Marina gestikulierte etwas wie ach, mühsam und flüsterte ihm ins Ohr: „Bin ich froh, daß deine Studenten endlich kommen. Mit Milica Karafani Konversation zu treiben, das ist Schwerarbeit. Sie ist sehr lieb, aber man muß ihr jedes Wort aus der Nase ziehen.“
„Meine Studenten? Hofers Freundin studiert nicht bei mir!“
„Ja. Freilich.“
Aus der Küche drangen blecherne Geräusche. Die Tür zur Lounge stand offen, von dort hörte er ein lebhaftes Gespräch.
Nichol atmete tief durch. Marina lud häufig Gäste zum Abendessen, ja das soziale Crossover, wie sie es nannte, war ihr Steckenpferd; solche Abende inszenierte sie, brachte Freunde aus der Kunsthalle mit seinen Kollegen an einen Tisch, lud die Nachbarin mit der Katze ein, auch die Putzfrau, eine Einwanderin, mit der sie Serbokroatisch lernte. Marina beherrschte das Zeremoniell, kochte ausgezeichnet und tänzelte um den Tisch, darauf achtend, daß artig Konversation geführt werde, bei leiser Musik.
„Mach nicht so ein zerknirschtes Gesicht. Hab ich für uns beide veranstaltet, Chéri, den heutigen Abend“, sagte sie und küßte ihn.
Sein Verdacht war gegenstandslos, gewiß, ärgerte er sich über sich selbst. Marina hatte ihm sogar die Kunsthallenleute und auch Stadler erspart! Nur seine Menschen, nicht gerade Freunde, aber solche, die sein Interesse geweckt hatten, waren eingeladen. Faruk Karafani machte Lärm in der Küche, seine Frau Milica und der junge Derya warteten in der Lounge, Hofer und Karen würden jeden Augenblick aus dem Aufzug steigen. Nichol öffnete die Tür, und als er die beiden Studenten sah, entspannte sich sein Gesicht.
„Hallo“, sagte Hofer freundlich.
„Hi“, grüßte Karen.
„Schön, Sie wiederzusehen.“ Sie erschien Nichol irgendwie verändert. Oder bildete er sich das ein?
Betont lässig betrat Marcel Hofer die Wohnung. Sein weißes Sweatshirt mit dem Linux-Schriftzug paßte zum Interieur. Auch Karen wirkte ganz seriös, in schwarzer Hose und weißer Bluse. Ihre Seriosität, das war es, was ihm vorhin ins Auge gestochen war....

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. DIE E-MAIL
  6. DIE MASCHINEN
  7. DAS AUTO
  8. DIE HAUT
  9. Weitere E-Books aus dem Haymon Verlag