Fleisch essen?
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Fleisch essen?

Eine Aufklärung

  1. 272 Seiten
  2. German
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Fleisch essen?

Eine Aufklärung

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Über dieses Buch

Aufklärung über einen IrrtumDr. Ulrike Weiler analysiert Fakten und Vorurteile zum Thema Fleisch, diskutiert Konflikte zwischen Tier-, Umwelt- und Genießerschutz und zeigt den Weg zu politisch korrektem Hedonismus.Fleisch ist in Verruf geraten. Verbraucher quälen Zweifel ob der Produktionsbedingungen, es herrschen Angst vor Gesundheitsrisiken und Bedenken, ob Fleischkonsum aus Gründen des Tier- und Umweltschutzes überhaupt vertretbar ist. Gleichzeitig formiert sich eine Gegenbewegung, die hedonistischen Fleischkonsum feiert, das Luxussegment mit Kobe und dry aged beef erzielt steigende Umsätze. Dieses Buch greift vielfältige Aspekte rund um das Thema Fleisch auf und zeigt aus wissenschaftlicher Sicht, was gutes Fleisch ist, wie man es findet und welche Zielkonflikte bestehen.

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Information

Verlag
Westend
Jahr
2016
ISBN
9783864896248

1 Warum dieses Projekt

Bei wohl wenigen Lebensmitteln scheiden sich die Geister so sehr wie beim Thema Fleisch. Die Zeit des hochgeschätzten Veredelungsprodukts – so hat man Fleisch früher mal genannt – ist vorbei. Heute polarisiert das Thema Fleisch die Diskussionen, da viele Verbraucherinnen und Verbraucher darüber nachdenken, ob man Fleisch denn überhaupt essen darf, denn dafür stirbt ja ein Tier. Zudem haben Berichte über Missstände in der Tierhaltung und über negative Umweltfolgen und fehlende Nachhaltigkeit der Fleisch­erzeugung zum negativen Imagewandel beigetragen. Auch die beteiligte Fleischindustrie trägt aufgrund von Fleischskandalen und den Arbeitsbedingungen der dort beschäftigten Menschen zum negativen Bild bei. In puncto Glaubwürdigkeit und Ansehen bei der Bevölkerung haben sie inzwischen einen schlechteren Ruf als Politiker. Mit gutem Gefühl Fleisch essen können nur noch diejenigen, die diese Diskussionen ausblenden und bewusst ignorieren, oder die Menschen, die wissen, was in der Produktion wirklich passiert, die nicht der medialen Schwarz-Weiß-Malerei verfallen sind und die guten und die schlechten Seiten der Erzeugung kennen.
Zusätzlich zu diesen ethischen Aspekten werden mit Vehemenz die Fragen des ernährungsphysiologischen Werts und möglicher gesundheitlicher Folgen des Fleischkonsums diskutiert, ob man denn nicht ohne gesünder lebt oder ob dadurch eine Mangelernährung vorprogrammiert ist. Die Agitation für einen vegetarischen oder gar veganen Lebensstil hat inzwischen eine Professionalität erreicht, die hinter der Werbung der Fleischwirtschaft in keiner Weise zurückbleibt. Zum Teil angetrieben durch hochprofessionelle Kampagnen der Tierschutzorganisationen, die vom Infostand für Festivalbesucher bis hin zu Schulkampagnen alles bedienen, verweigern zunehmend jüngere Menschen den Fleischkonsum. Neben den fast 10 Prozent Verbrauchern, die behaupten, sich ohne Fleisch zu ernähren, wächst die Gruppe der sogenannten Flexitarier rasant an. Flexitarier ernähren sich überwiegend vegetarisch, Fleisch wird qualitätsbewusst und in kleinen Mengen in den Speiseplan integriert.
Doch was ist dann wirklich Qualität? Produktqualität mit hohem Genusswert? Oder die Art der Erzeugung: tiergerecht und um­weltfreundlich, aber mit Abstrichen hinsichtlich des Ge­nuss­werts?
Doch auch die Menschen, die Fleisch weiterhin fast täglich essen, haben keine wirkliche Wertschätzung für dieses Lebensmittel. Häufig ist es ein zweifelhafter Proteinträger mit geringem Genusswert, nur für wenige bedeutet Fleisch noch eine hochgeschätzte Quelle der Gaumenfreude.
Der Markt trägt diesen Entwicklungen Rechnung, treibt sie voran. Vegetarischer Wurstersatz erobert die Theken, während in normalen Läden zunehmend auch der Wunsch nach High-End-Fleisch erfüllt werden kann. Biofleisch hat eine hohe Reputation und wird als Alternative heftig diskutiert, aber der Anteil am Verbrauch dümpelt zum Beispiel bei Schweinefleisch bei weniger als 1 Prozent. Viele Verbraucher sehen die regionale Erzeugung in kleinbäuerlichen Betrieben als Alternative zu den Produkten, die unter den zweifelhaften Bedingungen der Massentierhaltung erzeugt werden und für die Tiere leiden und sterben müssen.
Aber stimmen diese Bilder? Ist das wirklich eine Alternative? Ist denn Fleisch aus landwirtschaftlichen Großbetrieben wirklich schlechter als das aus kleinen Betrieben? Und geht es Tieren im Kleinbetrieb besser, sind Tiere dort wirklich glücklicher?
Diese extremen Bilder und Vorstellungen basieren zum erheblichen Teil darauf, dass Menschen heute wenig Ahnung davon haben, wie das Lebensmittel Fleisch erzeugt wird, was gutes Fleisch ausmacht, welche Beziehungen zwischen tiergerechter Produktion, Produktqualität und Genusswert wirklich bestehen. Das Buch möchte hier wesentliche Grundlagen der Fleischerzeugung und der Produktqualität erläuterten und mit gängigen Vor- und Fehlurteilen aufräumen. Ich diskutiere seit vielen Jahren diese Themen mit Studierenden im Rahmen meiner Lehrveranstaltungen an einer Universität und habe dabei festgestellt, wie viel Interesse und Wissensbedarf selbst bei landwirtschaftlich orientierten Studierenden zu diesem Thema besteht. Der größte Bedarf zeigte sich dabei für mich bei den Themen aus den Grenzbereichen zu anderen Diszi­plinen, ein Grund, warum ich für meine Lehrveranstaltungen auch den Kontakt zur Ernährungswissenschaft, der Fleischbranche und der Spitzengastronomie gesucht habe, um auch diese Sichtweisen und spezifischen Anforderungen in meine Lehre zu integrieren. Dieser interdisziplinäre Ansatz ermöglicht dann nicht nur Studierenden Erkenntnisse, die über die Enge der Disziplinen hinausgehen. Aus dieser lebendigen Lehrkooperation hat sich auch für dieses Buch die fruchtbare Zusammenarbeit mit einem Spitzenkoch eines benachbarten Sternelokals ergeben. Markus Eberhardinger ergänzt aus seiner Sicht die Themen des Buches mit kulinarisch-hedonistischen Aspekten sowie wissenschaftlicher Küchenkunst.

2 Menschen essen Fleisch

2.1 Karnivore, Omnivore, Vegetarier: kein Neuzeitproblem

Fleisch zu essen ist Teil der evolutionären Entwicklung unserer Spezies. Fast alle Primaten sind strikt auf pflanzliche Nahrung programmiert, nur für Schimpansen und Paviane wird gelegentlicher Verzehr von Fleisch berichtet. Menschen sind im Gegensatz dazu Omnivoren, das heißt, unser Gebiss, unser Verdauungssystem sind darauf ausgelegt, dass wir sowohl pflanzliche als auch tierische Nahrung zu uns zu nehmen. Damit sind wir eine höchst anpassungsfähige Spezies, die mit unterschiedlichen Ernährungsgrundlagen überleben kann. Das heißt aber auch, dass eine prinzipielle Negierung von Produkten tierischen Ursprungs nicht den physiologischen Bedürfnissen unserer Spezies entspricht.
Wie die wenigen detaillierten ethnographischen Daten von Menschen, die aktuell noch als Jäger und Sammler leben, zeigen, variiert auch hier die Zusammensetzung der Kost bei den einzelnen Gruppen erheblich. Sie reicht von einer Ernährung, die fast nur auf tierischen Produkten basiert, bis hin zu einer vorwiegend aus pflanzlichen Ressourcen bestehenden Nahrung.1
Im Verlauf der Evolution war das Ernährungsverhalten der prähistorischen Menschen – wie das seiner pleistozänen Vorfahren – sehr flexibel. Unsere Vorfahren waren auf eine energetisch hochwertige, nährstoffreiche Kost ausgerichtet; eine weitergehende Spezialisierung auf bestimmte Lebensmittel, ein charakteristisches Pflanzen-Tier-Verhältnis oder eine definierte Makronährstoffverteilung sind nicht zu erkennen.
Fleisch hat einen hohen Gehalt an hochwertigem Protein und Fett, zudem zum Teil andere Vitamine und Mineralstoffe als Pflanzen. Nach einer Übersichtsarbeit von Ströhle und Kollegen (2009) zeigen neuere Isotopen-Auswertungen, dass die Australopithecinen vor 4,5 bis 2,5 Millionen Jahren bereits geringe Mengen tierischer Nahrung aufgenommen haben, ansonsten jedoch überwiegend harte, abrasive pflanzliche Kost konsumierten, die der Nahrung der heutigen Schimpansen ähnelte. Die ersten Vertreter der Gattung Homo wie Homo erectus und Homo habilis (vor 2,5 bis 1,5 Millionen Jahren) hingegen hätten bereits eine energetisch gehaltvollere, nährstoffreichere Kost verzehrt, was auch die typischen Veränderung des Gebisses in Richtung Omnivore, der Grazilisierung, erkläre. Wie der Homo sapiens sollen diese Vorläufer unserer Spezies eine omnivore Ernährungsstrategie verfolgt haben.2
Die Entwicklung und die Nutzung unserer großen Gehirnmasse sind energetisch höchst aufwendige Prozesse, daher verwenden Menschen im Vergleich zu Primaten und anderen Säugern einen wesentlich höheren Anteil des Grundumsatzes – das heißt des Energieverbrauchs in Ruhe – für den Energiebedarf des Gehirns. Eine speziesübergreifende Analyse der Nahrungszusammensetzung bei Primaten zeigt, dass paradoxerweise mit steigender Nahrungsqualität der relative Anteil der Nahrungsenergie ansteigt, der für das Gehirn benötigt wird. Diese Beobachtung stützt die Hypothese, dass die enorme Gehirnentwicklung im Laufe der Evolution erst durch die Verfügbarkeit von nährstoffreicher Nahrung und damit mehr Energie möglich wurde, das heißt, die starke Gehirnentwicklung wurde mit der Wandlung vom Pflanzenfresser zum Omnivoren möglich.
Im Vergleich zu anderen Primaten haben Menschen einen relativ kleineren Verdauungstrakt, insbesondere einen kleineren Dickdarm. Diese anatomischen Unterschiede belegen, dass der Verdauungstrakt an energetisch hochwertige, leichtverdauliche Nahrung angepasst ist. Menschen sind zudem weniger bemuskelt und fetter als andere Primaten ähnlicher Größe. Der außergewöhnlich hohe Fettanteil ist insbesondere in der Kindheit feststellbar. Der Körperfettgehalt von neugeborenen Menschen ist mit 16 Prozent weitaus höher als bei anderen Spezies, bei denen der Fettanteil im Schnitt nur 2 bis 3 Prozent des Geburtsgewichts beträgt, so auch bei Schimpansen.3 Der Fettgehalt erreicht mit 15 Monaten vorübergehend ein Maximum von 25 Prozent. Normalgewichtige habe einen so hohen Körperfettanteil erst wieder im fortgeschrittenen Erwachsenenalter. Dieser höhere Fettanteil und die geringere Muskelmasse erlauben in der Kindheit die rasche Gehirnentwicklung, quasi eine Schwerpunktsetzung bei der Gehirnentwicklung zu Lasten des Restkörpers. Bei Neugeborenen verbraucht das Gehirn fast 90 Prozent der Energie, die der Körper im Ruhezustand benötigt, mit 18 Monaten sind es immerhin noch über 50 Prozent, bei Erwachsenen etwa 25 Prozent.4

Die erste Errungenschaft: mehr Fleisch

Die Entwicklung der Jagd und der hierdurch steigende Fleischverzehr gelten als Schlüsselereignisse in der menschlichen Evolution. Der höhere Fleischanteil in der Nahrung lieferte mehr Energie und ermöglichte die Entwicklung eines größeren Gehirns, welches wiederum für die Kommunikation, Planung und die Verwendung von Werkzeugen bei der Jagd essentiell ist.
Dabei waren die tierischen Nahrungsmittel zudem eine reiche Quelle für die wichtigen mehrfach ungesättigten langkettigen Fettsäuren (PUFA), die insbesondere für die Gehirnentwicklung essentiell sind.5 Mit der Entwicklung zum Omnivoren mit natürlichem hohem Anteil tierischer Nahrung haben Menschen die Fähigkeit verloren, diese speziellen Fettsäuren selbst zu bilden. Sie wurden dann durch den steigenden Anteil tierischer Nahrung zugeführt.
Die verbesserte Nahrungsqualität hatte wohl auch Konsequenzen für die Fruchtbarkeit und damit die Verbreitung der menschlichen Vorfahren: Der steigende Fleischanteil in der Ernährung ermöglichte es, die Dauer des Stillens zu verkürzen und Kinder früher auf andere Kost umzustellen, da durch Fleisch hochwertigere, leichter verdauliche Proteine als in rein pflanzlicher Kost verfügbar waren. Eine kürzere Stilldauer führt dazu, dass eine erneute Schwangerschaft früher möglich wird.
Der Zusammenhang zwischen Nahrungszusammensetzung und Still- beziehungsweise Säugedauer wurde erst vor wenigen Jahren von einer schwedischen Forschergruppe durch den Vergleich von siebzig Säugetierspezies hergeleitet.6 Fleischfressende Arten haben eine kürzere Laktationsdauer als reine Pflanzenfresser. In ursprünglich lebenden Jäger- und Sammlergemeinschaften beträgt die durchschnittliche Stilldauer zwei Jahre und vier Monate. Bei den stärker auf pflanzliche Nahrung ausgerichteten Schimpansen beträgt die Säugedauer hingegen vier bis fünf Jahre. Daher wird die durch den Fleischanteil hochwertigere Nahrung als der zentrale Einflussfaktor gesehen, der es Menschen ermöglichte, sich zahlreicher fortzupflanzen, so dass sie zu einer unglaublich erfolgreichen Spezies wurden.

Die ...

Inhaltsverzeichnis

  1. Titel
  2. Inhaltsverzeichnis
  3. 1 Warum dieses Projekt
  4. 2 Menschen essen Fleisch
  5. 3 Parallelwelten: Wertschätzung, Entfremdung und das Idyll
  6. 4 Fleischessen und Gesundheit
  7. 5 Fleischerzeugung und Nachhaltigkeit – ein Widerspruch?
  8. 6 Tierschutz – ein (Ver-)Kaufs­argument?
  9. 7 Und wo bleibt der Genuss? Was darüber entscheidet, ob Fleisch schmeckt
  10. 8 Vom Muskel zum Fleisch
  11. 9 Vom Schlachten
  12. 10 Was die Landwirtschaft kann: Beispiel Schweinefleisch
  13. 11 Was die Landwirtschaft kann: Beispiel Rindfleisch
  14. 12 Wie man gutes Fleisch findet
  15. Anmerkungen
  16. Literatur