Irrweg Grundeinkommen
eBook - ePub

Irrweg Grundeinkommen

Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden

  1. 224 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
eBook - ePub

Irrweg Grundeinkommen

Die große Umverteilung von unten nach oben muss beendet werden

Angaben zum Buch
Buchvorschau
Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Freiheit, Gleichheit, Grundeinkommen?Ist das bedingungslose Grundeinkommen das Tor zur "schönen neuen Welt", in der alle nach ihren Bedürfnissen, Vorstellungen und Fähigkeiten sorgenlos leben können? Oder ist es nicht vielmehr eine gigantische potemkinsche Fassade, die die bittere Realität verführerisch verdeckt? Reiche werden immer reicher, Arme immer ärmer, und eine Clique feudaler Finanzmogule teilt die Welt unter sich auf - diese Zustände kann das Grundeinkommen jedenfalls nicht beseitigen.Das bedingungslose Grundeinkommen ist ein Irrweg. Befürworter sehen es als bequemen und rettenden Ausweg, um - gestützt auf permanenten Konsum und exorbitante Besteuerung vor allem der Arbeitnehmer - die Menschenwürde des Einzelnen und die Grundlagen der Gesellschaft zu bewahren. Zweifellos gut gemeint, doch so würden nach Auffassung der Autoren die fundamentalen finanziellen, sozialen und gesellschaftlichen Ungleichheiten weiter verschärft. Um die Probleme zu lösen, bleibt nur diese Konsequenz: den eher mühseligen Weg gehen und durch Leistung, Arbeit, gerechte Entlohnung, ein strikt nach Leistungsfähigkeit bemessenes Steuer- und Sozialsystem, Umverteilung von Einkommen und Vermögen von oben nach unten sowie eine zukunftsorientierte Ausgabenpolitik unsere Existenz und die unserer Kinder sichern.

Häufig gestellte Fragen

Gehe einfach zum Kontobereich in den Einstellungen und klicke auf „Abo kündigen“ – ganz einfach. Nachdem du gekündigt hast, bleibt deine Mitgliedschaft für den verbleibenden Abozeitraum, den du bereits bezahlt hast, aktiv. Mehr Informationen hier.
Derzeit stehen all unsere auf Mobilgeräte reagierenden ePub-Bücher zum Download über die App zur Verfügung. Die meisten unserer PDFs stehen ebenfalls zum Download bereit; wir arbeiten daran, auch die übrigen PDFs zum Download anzubieten, bei denen dies aktuell noch nicht möglich ist. Weitere Informationen hier.
Mit beiden Aboplänen erhältst du vollen Zugang zur Bibliothek und allen Funktionen von Perlego. Die einzigen Unterschiede bestehen im Preis und dem Abozeitraum: Mit dem Jahresabo sparst du auf 12 Monate gerechnet im Vergleich zum Monatsabo rund 30 %.
Wir sind ein Online-Abodienst für Lehrbücher, bei dem du für weniger als den Preis eines einzelnen Buches pro Monat Zugang zu einer ganzen Online-Bibliothek erhältst. Mit über 1 Million Büchern zu über 1.000 verschiedenen Themen haben wir bestimmt alles, was du brauchst! Weitere Informationen hier.
Achte auf das Symbol zum Vorlesen in deinem nächsten Buch, um zu sehen, ob du es dir auch anhören kannst. Bei diesem Tool wird dir Text laut vorgelesen, wobei der Text beim Vorlesen auch grafisch hervorgehoben wird. Du kannst das Vorlesen jederzeit anhalten, beschleunigen und verlangsamen. Weitere Informationen hier.
Ja, du hast Zugang zu Irrweg Grundeinkommen von Heiner Flassbeck, Friederike Spiecker, Volker Meinhardt, Dieter Vesper im PDF- und/oder ePub-Format sowie zu anderen beliebten Büchern aus Politics & International Relations & Politics. Aus unserem Katalog stehen dir über 1 Million Bücher zur Verfügung.

Information

Verlag
Westend
Jahr
2012
ISBN
9783864890079
1  Warum Grundeinkommen?
Drei Grundpositionen stehen beim Thema Grundeinkommen im Wettstreit miteinander: zum einen die neoliberale, die möglichst wenig Eingriffe des Staates in die Einkommensverteilung für richtig hält und das bedingungslose Grundeinkommen ablehnt; zum anderen die der Befürworter von Umverteilung durch den Staat, die das derzeitige Umverteilungssystem in Richtung höherer Gleichverteilung reformieren, aber nicht gänzlich umkrempeln will; und drittens die, die mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens eine Art dritten Weg jenseits von möglichst unangetasteter Primärverteilung und starker Umverteilung beschreiten möchte. Wir stellen dagegen eine neue Position vor, die vor allem bei der Primärverteilung ansetzt.
Der Staat als Nachtwächter der Einkommensverteilung?
Die neoliberale Argumentation zur Einkommensverteilung in einer nach marktwirtschaftlichen Gesetzmäßigkeiten produzierenden Gesellschaft basiert auf der Annahme, dass Einkommen zunächst relativ isoliert vom Staat an Märkten erzielt werden, also Marktergebnisse darstellen. Man spricht von Primäreinkommen. Die Preise an den Märkten wiederum sind das Ergebnis von Knappheit, wenn ein hinreichend starker Wettbewerb zwischen allen Marktteilnehmern herrscht. Durch den Marktmechanismus von Angebot und Nachfrage werden die richtigen Anreize dafür gesetzt, dass Knappheiten beseitigt werden und ein den Wohlstand fördernder Strukturwandel stattfindet. Wo der Wettbewerb unzureichend ist (zum Beispiel bei kartellartigen Strukturen) oder gar fehlt (zum Beispiel bei natürlichen Monopolen), muss er ordnungspolitisch hergestellt werden oder müssen die Preise in dem Sinn kontrolliert werden, dass Wettbewerb sozusagen simuliert wird. Jeder darüber hinausgehende Eingriff in die Primärverteilung durch den Staat zum Beispiel mittels Steuern, Abgaben, Subventionen und Transfers verzerrt die knappheitsgerechten Preise und ist daher kritisch zu hinterfragen.
Für die Bereitstellung öffentlicher Güter (öffentliche Verwaltung, Sicherheit, Bildung, Infrastruktur etc.) muss der Staat zwar Einnahmen erzielen, also Steuern und Abgaben erheben. Und für bestimmte sozialpolitische Aufgaben (Arbeitslosen-, Unfall-, Kranken- und Rentenversicherung etc.) benötigt er ebenfalls Ressourcen, die seine Bürger erwirtschaftet haben. Aber insgesamt dürfen Mittelentzug und Mittelvergabe nicht zu umfangreich sein. Denn beide können die Preise als Knappheitssignale beeinträchtigen und Fehlanreize setzen, je nachdem, an welcher Stelle Mittelentzug und Mittelvergabe stattfinden. Hohe Lohnnebenkosten zum Beispiel verteuern den Faktor Arbeit und verringern auf diese Weise die Nachfrage nach Arbeitskräften. Zu großzügig gewährte Transfers oder Subventionen senken die Leistungsanreize für Transfer- und Subventionsempfänger, zu hohe Steuern und Abgaben wiederum verringern die Leistungsbereitschaft der Zahler. In diesem Zusammenhang werden sinkende Arbeitsteilung (Stichwort »Boom der Heimwerkermärkte«) und damit verbundene Produktivitätsverluste bis hin zu Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung beklagt.
Das allerdings zeigt: Die durch den Staat vorgenommene Umverteilung nimmt bereits auf die Entstehung der Primäreinkommen und deren Verteilung Einfluss. Weil das so ist, fordert die neoliberale Position die Minimierung staatlicher Eingriffe, da sonst das Wachstumspotential verringert würde und der langfristige Wohlstand der Gesellschaft in Gefahr sei. Das gelte insbesondere in Zeiten der Globalisierung, in denen der internationale Konkurrenzdruck zugenommen habe. Das vor Jahrzehnten noch einigermaßen tragbare Wohlfahrtsstaatsmodell müsse den neuen Gegebenheiten angepasst werden, indem die Umverteilung auf das absolut notwendige Minimum begrenzt werde.
Reparatur der Verteilung durch Sekundärverteilung?
Die zunehmende Ungleichheit in der Einkommens- und Vermögensverteilung und die reale Schlechterstellung der untersten Einkommensgruppen im Verlauf der letzten zehn bis 20 Jahre haben die Kritik an der neoliberalen Position lauter werden lassen. Wenn immer weniger Menschen an den Wohlstandsgewinnen einer wachsenden Wirtschaft teilhaben, dient die Marktwirtschaft offenbar nur den oberen oder obersten Einkommensschichten, so der Vorwurf. Und das sei in einer auf demokratischen Strukturen aufbauenden Gesellschaft nicht hinnehmbar. Warum sollten die Bürger unterer Einkommensschichten das Wirtschaftssystem eines Landes mittragen, wenn sie sich im Vergleich zur Oberschicht laufend schlechtergestellt sehen? Dabei sei nicht einmal der dauernde Verlust in der relativen Einkommensposition das Schlimmste, sondern die absolute Verschlechterung der Realeinkommen in den unteren Einkommensschichten. Ein System, das auf Dauer nur den einen nützt und den anderen schadet, könne sich nicht glaubwürdig auf das demokratische Prinzip »one man one vote« stützen.
Die von den Neoliberalen üblicherweise mitgelieferte Erklärung, die Entwicklung der Primäreinkommen sei vor allem der Globalisierung geschuldet, helfe den Schlechtergestellten hierzulande nicht weiter, sondern verstärke Gefühle der Unsicherheit und Bedrohung, die letzten Endes Fremdenfeindlichkeit und eine Art Wagenburgmentalität förderten. Freihandel und Freizügigkeit würden nicht als Voraussetzung für steigenden Wohlstand erfahren, sondern als Einfallstor für sozialen Abstieg.
Dieser Situation versuchen diejenigen zu begegnen, die für eine deutliche Korrektur der Einkommensverteilung durch den Staat eintreten. Eine wieder zunehmende Umverteilung der Markteinkommen und Vermögen von oben nach unten, also eine »gleichere« Sekundärverteilung soll die entstandene Schieflage in der Primäreinkommensverteilung beseitigen helfen. Selbst wenn Umverteilung Wachstumseinbußen mit sich bringen sollte, müsse die Demokratie in Form des Wohlergehens vieler im Rang über der maximal möglichen Steigerung des Gesamtergebnisses des Marktes stehen, so die Überlegung. Eine schlüssige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung, wie sie die Neoliberalen sehen, bleiben die Befürworter verbesserter Sekundärverteilung allerdings zumeist schuldig.
So stehen sich beide Positionen unversöhnlich gegenüber. Die Neoliberalen kritisieren an denjenigen, die für Umverteilung plädieren, sie verstünden nichts von Wirtschaft, machten den Leistungseliten das Leben schwer, wollten die Veränderungen durch die Globalisierung nicht wahrhaben und stattdessen den Dornröschenschlaf des Wohlfahrtsstaates aus den 1970er Jahren weiterschlafen. Die Umverteilungsbefürworter werfen den Neoliberalen Egoismus, mangelndes Demokratieverständnis und politische Kurzsichtigkeit vor.
Grundeinkommen als Verteilungsersatz?
In dieser Kontroverse treten die Befürworter des Grundeinkommens dafür ein, jedem Bürger eine menschenwürdige und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigende Grundversorgung durch das Grundeinkommen zu garantieren, unabhängig von seiner Bedürftigkeit und unabhängig von seiner Teilnahme am Produktionsprozess durch Erwerbsarbeit. Keiner müsse mehr aus Angst um seine nackte Existenz menschenunwürdige Arbeitsbedingungen akzeptieren, vielmehr stehe es jedem frei, prekäre Arbeitsverhältnisse und Niedriglöhne abzulehnen. Finanziert werden könne das Grundeinkommen je nach Modell durch Verbrauchsteuern1, Einkommensteuern, Lohnsummensteuern und diverse andere Abgaben und Steuern.2
Der vermeintliche Hauptunterschied zur neoliberalen und zur Position der verbesserten Sekundärverteilung besteht beim Grundeinkommen darin, dass eine Art dritter Weg suggeriert wird: Es könne sozusagen unabhängig von der an den Märkten erzielten (Primär-)Einkommensverteilung eine positive materielle Ausgangsposition für alle Mitglieder der Gesellschaft geschaffen werden. Zwar müssten natürlich auch hier die Mittel dafür aus dem Produktionsprozess stammen – woher sonst? –, aber sie würden ihm – zumindest in der Grundeinkommensvariante von Götz Werner – nicht nach der Leistungsfähigkeit der Bürger entzogen und in vielen Modellen würden sie nicht gemäß der Bedürftigkeit der Bürger verteilt. Wie hoch das Grundeinkommen sein solle, sei eine politische Entscheidung und damit Sache der gesellschaftlichen Mehrheit. Diese Legitimierung schaffe Ausgleich zwischen den (ungleichen) Ergebnissen der Marktwirtschaft und den Anforderungen an menschenwürdige Existenzbedingungen und Gleichheit in einer Demokratie.
Eine neue Position
Die Frage nach den Spielregeln, unter denen die Primärverteilung gegenwärtig und nach einem Systemwechsel dann zukünftig zustande kommt, wird allerdings weder von den Befürwortern des Grundeinkommens noch von denen ernsthaft gestellt, die auf die herkömmliche, zu verstärkende Sekundärumverteilung von oben nach unten setzen. Von den Neoliberalen hingegen wird diese Frage gestellt, aber – wie zu zeigen sein wird – falsch beantwortet. Hier liegt unserer Ansicht nach der Kern der zu führenden Auseinandersetzung. Denn wenn man die momentanen Ergebnisse der primären Einkommensverteilung für ungerecht, unsozial und die Gesellschaft schädigend ansieht – wie das die Autoren dieses Buches tun –, muss man sich zuerst mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit sie systembedingt sind. Gehören zunehmende Ungleichheit und Verarmung der unteren Einkommensschichten auf Dauer und unter den Bedingungen der Globalisierung unvermeidlich zum Marktmechanismus dazu?
Wenn ja – davon sind die Neoliberalen überzeugt –, muss die Frage gestellt und beantwortet werden, ob die Marktwirtschaft heute und vor allem in Zukunft noch mit einer demokratischen Gesellschaftsordnung in Einklang zu bringen ist. Denn wenn die Reparaturversuche der sozialen Schäden, die die Marktwirtschaft dann offenbar systematisch anrichtet, mittels der Sekundärverteilungsmöglichkeiten des Staates das System Marktwirtschaft selbst wiederum schädigen oder zumindest beeinträchtigen (wie das die Neoliberalen meinen), scheinen sich die Anforderungen des Wirtschaftssystems und die des politischen Systems logisch zu widersprechen. Dann wäre der Kampf gegen Armut und gesellschaftliche Spaltung innerhalb eines marktwirtschaftlichen Systems letzten Endes zum Scheitern verurteilt. Die Suche nach einem anderen politischen System, in dem sich ökonomische Ungleichheit und politische Teilhabe entsprechen (etwa in einem Ständestaat mit Klassenwahlrecht), wäre dann aufrichtiger als das Hinauszögern des Unabänderlichen, indem man die Sozialversicherungssysteme lieber dahinsiechen lässt, statt sie ganz abzuschaffen, oder indem man das Steuersystem nur nach und nach zu einer Umverteilungsmaschinerie von unten nach oben abändert, statt es sofort und offen zugunsten der Oberschicht auszugestalten. Man kann den besagten Widerspruch natürlich auch andersherum aufzulösen versuchen und nach einem anderen Wirtschaftssystem Ausschau halten, das sich als demokratie-kompatibler als die Marktwirtschaft erweist. Doch fündig wird man seit dem Untergang des real existierenden Sozialismus derzeit offenbar nicht. Dass die Ideen zum Grundeinkommen hier ebenfalls keine neuen Wege weisen, dazu weiter unten mehr.
Beantwortet man die Frage nach der Zwangsläufigkeit der gesellschaftlichen Spaltung durch Marktprozesse mit nein, wie das die Autoren dieses Buches tun, bedarf es der Analyse, warum diese Entwicklung dennoch de facto so gekommen ist und ob und wie sie wieder abgestellt werden kann. Wäre eine andere, nämlich von vornherein »gleichere« Primäreinkommensverteilung auch unter den Bedingungen der Globalisierung systemkonform oder für das System Marktwirtschaft sogar notwendig, dann läge hier der Schlüssel zur Lösung der Armutsprobleme. Dann stünde es um die Dringlichkeit der Armutsbekämpfung durch staatliche Umverteilung ganz anders. Und dann würden sich auch die Vorwürfe, unser bisheriges Umverteilungssystem habe sich überlebt, da es nicht mehr finanzierbar sei, sehr stark relativieren.
Da auch die Finanzierung jeder Variante des Grundeinkommens letzten Endes auf dem beruht, was produziert wird, ist es reine Augenwischerei zu behaupten, man habe eine Art »dritten Weg« gefunden, die Bedürfnisse der von den Märkten Benachteiligten in Einklang zu bringen mit den Ergebnissen ebendieser Märkte. Die Schwerkraft kann niemand per Beschluss abstellen, und auch die grundlegende Budgetrestriktion des Wirtschaftens, dass nur verbraucht werden kann, was produziert worden ist, lässt sich nicht mit schlaraffenlandähnlichen Ideen außer Kraft setzen, egal, wem die Früchte dieser Ideen zugedacht sind.
Es spricht jedoch nichts dagegen, die oft beherrschende Stellung der »Marktkräfte« in unserem Denken zu hinterfragen. Die Budgetrestriktion zu beachten erfordert nicht, sich über ihr Zustandekommen und ihre konkrete Höhe keine Gedanken zu machen. Allzu oft wird vergessen, dass Marktergebnisse selbst zu erheblichen Teilen Ergebnisse politischer Entscheidungen und keinesfalls Folgen eines unabänderlichen Naturgesetzes sind. Denn die Wirtschaftspolitik setzt mit der Ordnungspolitik den institutionellen Rahmen für die Märkte und wirkt mit der Lohn-, Fiskal- und Geldpolitik massiv auf die Abläufe innerhalb der Märkte ein. Wie die Wirtschaftspolitik besser – und zwar vor allem besser im Sinne der Armen in unserer Gesellschaft und im Sinne des Erhalts unserer Demokratie – auf diese Marktergebnisse einwirken kann und dringend sollte und wie sie es nicht tun kann, darum geht es in diesem Buch.
2 Das Grundeinkommen
Ansätze eines bedingungslosen Grundeinkommens
In der öffentlichen Diskussion werden unter dem Begriff »Grundeinkommen« ganz unterschiedlich motivierte und sehr verschieden konstruierte Ansätze verstanden. Undifferenziert werden Bürgergeld, Grundsicherung und (bedingungsloses) Grundeinkommen in einen Topf geworfen. Zudem werden leicht modifizierte, als solche aber nur schwer erkennbare Hartz-VI-Ansätze zu den Grundeinkommensmodellen hinzugezählt. Eine präzise Definition ist daher notwendig, will man die Grundprinzipien dieser Vorschläge vorstellen und auf ihre Vor- und Nachteile hin untersuchen.
Unter einem sozialen Absicherungssystem mit einem bedingungslosen Grundeinkommen wird ein System verstanden, in dem alle Menschen eines Staates Anspruch auf eine monetäre Leistung haben, die folgende Kriterien erfüllt:3
1. Die Höhe der Leistung muss existenzsichernd sein.
2. Es besteht ein individueller Rechtsanspruch auf sie.
3. Es erfolgt keine Überprüfung der Bedürftigkeit.
4. Es besteht kein Zwang zur Arbeit.
Ein großer Teil der Modelle eines Grundeinkommens, die in der Bundesrepublik Deutschland diskutiert werden, ist nach diesen Kriterien nicht als »bedingungslos« zu bezeichnen. Eine Zusammenstellung der diversen Ansätze ergibt 24 Modelle, zwölf davon werden nach Ronald Blaschke zu der Gruppe der bedingungslosen Grundeinkommensmodelle gezählt. Allerdings erfüllen nur drei Modelle die oben genannten Kriterien vollständig. Blaschke unterstellt mittels Berechnungen auf der Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe und der Ausgaben für Unterkunft, dass die Mindesthöhe für die Existenzsicherung derzeit 850 Euro pro Monat beträgt. Modelle, die die oben genannten Kriterien, vor allem das Kriterium einer existenzsichernden Höhe, nur teilweise erfüllen, werden zu der Kategorie »partielles Grundeinkommen« zusammengefasst.
Von diesen Modellen klar zu unterscheiden sind solche, bei denen weiterhin eine Überprüfung der Bedürftigkeit für den Leistungsbezug vorgesehen ist. Diese Gruppe umfasst das gegenwärtige System der Grundsicherung für Arbeitsuchende und der Sozialhilfe sowie die Modelle, die dieses System nur in Teilen modifizieren. Dazu gehören auch das Modell »Grüne Grundsicherung« von Bündnis 90/Die Grünen und die negative Einkommensteuer von Joachim Mitschke.4
Im Folgenden konzentrieren wir unsere Darstellung auf drei Ansätze, die die oben genannten Kriterien weitgehend erfüllen und die entweder im Vordergrund der öffentlichen Diskussion stehen (das Modell von Götz Werner und das solidarische Bürgergeld nach Dieter Althaus) oder am weitesten bezüglich der Finanzierung und der sozialen Sicherungssysteme ausmodelliert sind (das emanzipatorische Grundeinkommen).
Keine der großen politischen Parteien hat bisher ein umfassendes Grundeinkommenskonzept in den Katalog ihrer parteipolitischen Ziele aufgenommen. Vorschläge dieser Art sind sowohl bei Bündnis 90/Die Grünen als auch bei der Linken auf Bundeskongressen mehrheitlich abgelehnt worden. Die Konzepte, die diese Parteien (einschließlich der FDP) im Bereich der Grundsicherung vertreten, beschränken sich – bis auf Einzelmaßnahmen wie das Kindergrundeinkommen bei Bündnis 90/Die Grünen – auf Modifikationen des bestehenden Grundsicherungssystems.
Bei der Bewertung und Einschätzung der folgenden Ausführungen ist zu beachten: Mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens für alle Bürger werden sowohl das gegenwärtig geltende soziale Sicherungssystem als auch das Steuer- und Abgabensystem grundlegend verändert. Die Befreiung von Gegenleistungen betrifft einerseits die Verpflichtung zu (zumutbarer) Arbeit und andererseits – in einigen Modellen – die bisherige Kopplung des Leistungsbezuges beziehungsweise der Höhe von Leistungen an die vorherige Zahlung von Beiträgen oder die Bedürftigkeit. Außerdem werden bestehende Abgabenlasten strukturell verändert und – je nach Erwerbsbeteiligung und Einkommenshöhe – teilweise im Vergleich zum Status quo deutlich erhöht. Es ist davon auszugehen, dass die Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens, dessen Höhe existenzsichernd sein soll und folglich die materielle Sicherung ohne Erwerbsarbeit ermöglicht, ebenso wie die veränderten Abgabenbelastungen erwirtschafteter Erwerbseinkommen das Verhalten der Menschen in vielerlei Hinsicht verändern können. Auswirkungen auf die Bereitschaft zur Arbeitsaufnahme, das Anstreben bestimmter Einkommenshöhen, auf Bildungsambitionen, weitere Absicherungsmaßnahmen und auf das Konsumverhalten sowie die Familienplanung sind zu erwarten.
Daher sind Abschätzungen zur Finanzierbarkeit von Grundeinkommensmodellen schwierig. Zunächst geht man zwar von den gegenwärtigen Gegebenheiten wie etwa dem aktuellen Volkseinkommen aus, um etwa die zur Finanzierung des Grundeinkommens notwendigen Steuersätze zu berechnen. Es ist allerdings fraglich, ob diese Bemessungsgrundlagen in einer neuen »Grundeinkommenswelt« in gleicher Höhe und Struktur weiterbestehen werden. Wahrscheinlicher ist, dass sich hier – möglicherweise sogar erhebliche – Abweichungen ergeben würden. Somit sind die hier vorgenommenen Berechnungen und Vergleiche mit Anleihen am gegenwärtigen Status quo unter dem Vorbehalt zu sehen, dass die wirtschaftliche Entwicklung genau wegen des Systemwe...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckel
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1. Warum Grundeinkommen?
  7. 2. Das Grundeinkommen
  8. 3. Die große Umverteilung von unten nach oben und ihre Folgen
  9. 4. Der Staat als Verstärker der großen Umverteilung
  10. 5. Das Ende der großen Umverteilung
  11. Abkürzungen
  12. Anmerkungen
  13. Literatur