Exil auf Mauritius 1940 bis 1945
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Exil auf Mauritius 1940 bis 1945

Report einer "demokratischen" Deportation jüdischer Flüchtlinge

  1. 320 Seiten
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Exil auf Mauritius 1940 bis 1945

Report einer "demokratischen" Deportation jüdischer Flüchtlinge

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Über dieses Buch

Die ersten Schüsse, die britische Soldaten bei Kriegsausbruch am 1. September 1939 abfeuerten, töteten zwei Juden. Diese waren mit 1.400 Leidengefährten aus Hitlerdeutschland geflüchtet und wollten nach Palästina. Ihr Schiff lief 200 Meter vor der Küste auf Grund - die Briten eröffneten das Feuer...Andere jüdische Flüchtlinge wurden auf die Kronkolonie Mauritius im Indischen Ozean deportiert, wo sie fast fünf Jahre hinter Stacheldraht zubringen mußten. Bislang wurde das Schicksal dieser 1.581 Menschen, von denen fast jeder zehnte auf der Insel starb, und die Umstände ihrer Deportation noch nie untersucht.Erstmals ist dieses dunkle Kapitel dokumentiert. Dazu wurden vom Autor europäische Archive, Einrichtungen in Israel, in den USA und auf Mauritius aufgesucht.Die Zeugnisse belegen: Britische Behörden waren mitunter alles andere als hilfsbereit und kooperativ, wenn es um Menschen in Not ging. Zuweilen war die Krone sich selbst und ihren eigenen Interessen am nächsten.

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Mauritius 115
Die Insel
Mauritius ist eine Insel im Indischen Ozean, etwa 20 Grad südlicher Breite und 60 Grad östlicher Länge gelegen, 800 Kilometer östlich von Madagaskar, der größten Insel vor Afrika. Mit einer Fläche von etwa 2.000 Quadratkilometern ist sie die wichtigste Insel einer größeren Inselgruppe, zu der auch Rodrigues und Agalega sowie die Cargados-Carajos-Inseln gehören. Die Insel Mauritius ist vulkanischen Ursprungs. Landschaftlich bestimmend sind die knapp 700 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Plateauflächen, die von (erloschenen) Vulkanen mit einer Höhe von bis zu 900 Metern überragt werden. Nach Süden und Westen fallen die Plateauflächen steil ab und gehen in eine buchtenreiche Küste mit vielen kleinen und großen vorgelagerten Inseln über.
Das Klima ist subtropisch bis tropisch, während der Regenzeit, also von November/Dezember bis Februar/März, erreichen die Temperaturen fast 40 Grad Celsius, in der Trockenzeit, von April/ Mai bis September/Oktober, sinkt die Temperatur gelegentlich auf 10 bis 15 Grad Celsius. Die Luftfeuchtigkeit ist zu allen Jahreszeiten sehr hoch. Diesen klimatischen Bedingungen und dem sehr fruchtbaren Boden hat Mauritius eine reiche Vegetation zu verdanken. Zuckerrohr, hochwertiger Tabak und andere landwirtschaftliche Produkte bilden bis heute das Rückgrat der Wirtschaft von Mauritius.
1940 zählte Mauritius schätzungsweise 500.000 Einwohner, heute leben hier etwa 1,1 Millionen Menschen, die die Insel zu einer der am dichtesten besiedelten Gegenden der Erde, mit allen sich daraus ergebenden Problemen, machen. Doch trotz einer Verdopplung der Einwohnerzahl in den letzten rund 50 Jahren hat sich die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung nur unwesentlich verändert: Etwa 55 Prozent sind Kreolen, rund 39 Prozent Inder und nur etwa 4 Prozent Europäer. Hauptstadt und größte Siedlung ist Port Louis, das heute etwa 130.000 Einwohner zählt.
Anfang des 16. Jahrhunderts wurde die damals unbewohnte Insel von Portugiesen entdeckt, die den Seeweg nach Indien suchten. Doch die eigentliche Geschichte von Mauritius begann erst im Jahre 1598 mit der Besetzung durch die Holländer, die hier einen Stützpunkt für ihren Schiffsverkehr mit den niederländischen Kolonien in Südostasien errichteten. Den Holländern verdankt Mauritius auch seinen Namen: Sie benannten die Insel nach dem Statthalter der Niederlande, dem Prinzen Moritz (Maurice) von Oranien.
Von 1715 bis 1810 war Mauritius französische Kolonie, und dieses knappe Jahrhundert hat die Insel ethnisch, kulturell und damit auch sprachlich bis zum heutigen Tag geprägt: Die heute politisch und wirtschaftlich herrschende Schicht in Mauritius sind die Nachkommen französischer Einwanderer, die hier schon in der siebenten oder sogar achten Generation leben.
Im Gefolge der Napoleonischen Kriege fiel Mauritius im Jahre 1815 an Großbritannien, das es schließlich zur Kronkolonie machte. Großbritannien war jedoch nicht in der Lage, eine echte britische Bevölkerungsgruppe auf der Insel zu verwurzeln. Über rund eineinhalb Jahrhunderte waren die Briten auf der Insel zumeist nur durch Kolonialbeamte oder Angehörigen von Handelsfirmen, die ein paar Jahre Dienst auf Mauritius taten und dann in ihre eigentliche Heimat zurückkehrten, vertreten. Dieser Sehnsucht nach der Heimat hat Mauritius auch einen nicht unwesentlichen Teil seiner Berühmtheit zu verdanken: Um die Post nach Großbritannien mit den eben »erfundenen« Briefmarken versehen zu können, ließ der Gouverneur von Mauritius 1847 eigene Briefmarken drucken – die wenigen enthaltenen Exemplare der orangefarbenen 1-Penny-Marke und der blauen 2-Pence-Marke sind heute beinahe unbezahlbare philatelistische Raritäten.
Bis in die 70er Jahre des 19. Jahrhunderts hatte Mauritius eine überragende militärstrategische und kommerzielle Bedeutung: Bis zur Eröffnung des Suezkanals im Jahre 1868 waren faktisch alle Schiffe von und nach Indien gezwungen, Mauritius anzulaufen und Kohle und andere Vorräte für die Weiterfahrt nach Asien oder Europa zu bunkern. Mauritius trug in jener Zeit, völlig zu Recht, den lateinischen Beinamen »Stella Clavisque Maris Indici«: »Stern und Schlüssel des Indischen Ozeans«.
1832 war auf Mauritius die Sklaverei abgeschafft worden, und in den folgenden Jahren kamen Zehntausende Inder als billige Landarbeiter auf die Insel. Bis zum heutigen Tag ist der Anbau und Export von Zuckerrohr die wichtigste Devisenquelle, auch wenn die inzwischen gut entwickelte Industrie und der Tourismus zunehmend an Bedeutung gewinnen. (Etwa 300.000 Besucher kommen jährlich auf die »Insel der Regenbogen und der Wasserfälle«, wie die Werbung Mauritius zutreffend beschreibt.)
1968 wurde Mauritius unabhängig, blieb aber als Mitglied des britischen Commonwealth parlamentarische Monarchie mit der britischen Königin als Staatsoberhaupt. Erst 1992 wurde die Republik Mauritius ausgerufen.
Für den durchschnittlichen Mitteleuropäer ist Mauritius noch immer ein exotisches Land, über das er kaum etwas weiß. Ähnlich ging es im Jahre 1940 den 1.581 aus Palästina deportierten jüdischen Flüchtlingen, die gegen ihren Willen auf die Insel gebracht wurden. Und obwohl sie fast fünf Jahre auf Mauritius verbringen mußten, blieb ihnen die Insel fremd. Als Gefangene in einem gut bewachten und von der Außenwelt abgeschirmten Lager hatten sie nur wenig Gelegenheit, und vielleicht auch nicht den Wunsch, den Ort ihres unfreiwilligen Exils genauer kennenzulernen.
Das Lager
Vom Hafen in der Hauptstadt Port Louis wurden die 1.581 »detainees«, die »Internierten«, wie sie fortan im offiziellen Sprachgebrauch hießen, mit Bussen in das Gefängnis von Beau Bassin gebracht, das ihr »Zuhause« für die nächsten fast fünf Jahre sein sollte.
Die kleine Stadt Beau Bassin liegt etwa sieben Kilometer von der Westküste und etwa zehn Kilometer von Port Louis entfernt, in einer Höhe von etwa 200 Metern über dem Meeresspiegel. Etwas außerhalb des Ortes war auf einem Gelände von rund fünf Hektar schon zur Napoleonischen Zeit das Gefängnis errichtet worden, das von einer massiven, fast fünf Meter hohen Steinmauer umgeben war. Zwei etwa 100 Meter lange Gebäude, die Zellenblöcke A und B mit jeweils 340 Zellen, wurden zum Männerlager innerhalb des Internierungslagers umfunktioniert. Die nur etwa vier Quadratmeter großen Zellen, mit kleinen vergitterten, aber nicht verglasten Fenstern und nur mit einer Hängematte ausgestattet, wurden von nun an im Normalfall von einem Mann bewohnt. (Nur im Block A waren einige wenige Doppelzellen vorhanden.)
Elektrisches Licht gab es nicht, einzige Lichtquelle waren Kerzen und Öllampen. Erst später kamen in die Zellen auch einfache Schränke, Betten, Tische und Stühle. Die Zellentüren wurden grundsätzlich nicht abgeschlossen, trotzdem empfanden die meisten der Internierten die Unterbringung als Demütigung und Erniedrigung. Sehr schnell bemerkte man jedoch, daß diese Gefängniszellen ein gewisses Privatleben erlaubten, ein sehr angenehmer Gegensatz zu dem erzwungenen monatelangen Leben in einer Gemeinschaft, das jede Privatheit unmöglich gemacht hatte.
Im Männercamp gab es zudem einen »Erholungsbezirk«, den »recreation ground«, mit zahlreichen Bäumen und einem großen Stück Wiese, der die Gefängnisatmosphäre bedeutend auflockerte. Später wurden zwei Synagogen, eine orthodoxe und eine – größere – liberale, im Männerlager von den detainees eingerichtet.
Das Frauenlager, in dem auch einige Jungen unter 13 Jahren lebten, war außerhalb des eigentlichen Gefängnisses angelegt worden. Es war gleichfalls von einer hohen Betonmauer umgeben und sowohl von der Außenwelt als auch, zumindest in den ersten Jahren, vom Männerlager hermetisch abgetrennt.
Für die Bewohnerinnen waren zahlreiche Wellblechhütten errichtet worden, die jedoch in ihrer Mehrzahl nicht in einzelne Räume unterteilt waren, so daß wieder 20 bis 25 Menschen in einem Raum leben mußten. Auch hier beschränkte sich die Einrichtung zunächst auf einfache Betten, anfangs gab es für je zwei Frauen nur einen Schrank. Lediglich grob gezimmerte lange Bänke, wie im Speisesaal einer Kaserne oder eben eines Gefängnisses üblich, »vervollständigten« das Mobiliar. Während der heißen Jahreszeit heizte sich das Wellblech stark auf und verstärkte die für Europäer ohnehin kaum erträgliche Hitze. Und während der Regenzeit erzeugte der heftig fallende Regen einen unvorstellbaren Lärm, der den Bewohnern der Hütten buchstäblich den Schlaf raubte und im Grunde jede Unterhaltung in normaler Lautstärke unmöglich machte.
Jede der Hütten hatte eine Dusche, und für jeweils drei Hütten, mit insgesamt etwa 70 bis 75 Bewohnerinnen, waren zwei Toiletten vorhanden. Einige der Hütten dienten in der Folgezeit als Werkstätten, und in einer der Hütten wurde die Schule untergebracht.
Zum Lager gehörten außerdem mehrere kleine Steinhäuser, in denen die Kommandantur, die Werkstätten, Lagerräume, die Kantine und andere Einrichtungen, darunter der berüchtigte Block C mit den Arrestzellen, dem »Gefängnis im Gefängnis«, untergebracht waren.
Die sanitären Einrichtungen, also Waschgelegenheiten und Toiletten, befanden sich anfangs in einem guten Zustand, der sich jedoch im Laufe der Jahre zum Teil dramatisch verschlechterte. Ihre Säuberung und Instandhaltung, soweit dafür finanzielle und materielle Mittel durch die Lagerverwaltung bereitgestellt wurden, oblag während der gesamten Zeit einheimischen Angestellten des »Detainment Camp Beau Bassin«116, wie die offizielle Bezeichnung des Internierungslagers lautete.
Außerhalb der Gefängnismauern, aber ebenfalls zum Camp gehörend, befanden sich einige Tausend Quadratmeter landwirtschaftlicher Nutzfläche, vor allem für den Gemüseanbau, aber auch für die Erzeugung von Papayas, Mangos, Bananen und Ananas, was nicht unwesentlich zur Versorgung der Internierten beitrug.
Auch das Lagerkrankenhaus, über das an anderer Stelle noch ausführlicher zu berichten sein wird, befand sich außerhalb des eigentlichen Lagers, etwa einen halben Kilometer entfernt.
Die Menschen im Lager
Zum Zeitpunkt ihrer Ankunft auf der Insel Mauritius betrug die Zahl der Deportierten 1.581 Personen, darunter 635 Frauen und 96 Kinder.117 Im Verlaufe der fast fünf Jahre der Internierung ging diese Zahl zurück, da die Zahl der Todesfälle die Zahl der Geburten im Lager deutlich überstieg und 212 Internierte als Freiwillige in die alliierten Streitkräfte aufgenommen wurden. Etwa zehn weitere Personen wurden aus unterschiedlichen, aber immer sehr individuellen Gründen vorzeitig freigelassen. Dazu gehörten beispielsweise die Mutter eines britischen Offiziers sowie eine junge Frau, die vom tschechischen Konsul in Südafrika als Sekretärin »angefordert« und eingestellt wurde.
Im August 1945, als das Lager aufgelöst wurde, betrug die Zahl der Internierten noch 1.310 Personen.
Die ersten Todesfälle gab es bereits im Januar 1941, wenige Tage nach der Ankunft auf Mauritius. Die Typhusepidemie, die bereits an Bord der »Atlantic« ausgebrochen und während des kurzen Aufenthaltes in Palästina nicht entsprechend bekämpft worden war, forderte jetzt weitere Opfer. Auf einer wenige hundert Quadratmeter großen Fläche nahe dem Camp, am Rande des Friedhofs St. Martin, das der Gouverneur der Insel zu diesem Zweck bereitstellte, wurde ein Friedhof eingerichtet, auf dem die Toten des Camps nach jüdischem Zeremoniell beigesetzt wurden. Dazu hatte sich bereit...

Inhaltsverzeichnis

  1. Impressum
  2. Das Buch
  3. Der Autor
  4. Titel
  5. Vorwort
  6. Die Toten von Mauritius
  7. Das politische Umfeld
  8. Nach Palästina
  9. Die »Patria«
  10. Mauritius
  11. Die Rückkehr