Petra Roth
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Petra Roth

Die Biographie

  1. 240 Seiten
  2. German
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Petra Roth

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Über dieses Buch

Politik aus LeidenschaftPetra Roth regiert Frankfurt mit Eleganz und EloquenzNach 17 Jahren kehrt Petra Roth dem Frankfurter Rathaus den Rücken. Doch die scheidende Oberbürgermeisterin bleibt das Gesicht Frankfurts. Weil sie anders Politik gemacht hat - mutig, selbstbewusst, leidenschaftlich. Das ist bei den Menschen gut angekommen. Mit einer solchen Politik lässt sich ein Staat machen. Petra Roth bleibt als Vorbild.Im Augenblick ist Politik nur ein anderes Wort für Verdruss. "Die da oben" gelten als unerreichbar, machtgierig, von eigenen Interessen geleitet. Politik muss aber gar nicht Verdruss heißen. Politik kann auch bedeuten, etwas für das Gemeinwesen aus Leidenschaft zu tun. So macht Petra Roth Politik. Kommunale Politik, weil von den Städten aus die zentralen Weichenstellungen für das 21. Jahrhundert erfolgen sollten. Petra Roth ist die großen Themen unserer Tage angegangen, stand als Frankfurter Oberbürgermeisterin für die Internationalität ihrer Stadt und hat im Alltag auch als Präsidentin des Deutschen Städtetages bewiesen - das Zusammenleben der nach Individualität strebenden Bürger kann in einer sich auf ihre großen Traditionen besinnenden Stadtgesellschaft gelingen. Wenn man Politik mit sicherem Instinkt und großen Gefühlen macht.

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Information

1 Abgang mit Ansage – schöne Sommertage in Polen
Über den Sommerurlaub 2011 mit »der Prinzessin« hat sich Petra Roth schon Monate zuvor Gedanken gemacht. Sie suchten auf Landkarten gemeinsam Orientierung in dem unbekannten Terrain, suchten Adressen für Unterkünfte, machten sich mit Hilfe von Reiseführern kundig, wie es wohl in den ländlichen Regionen aussieht. Die Stadt Krakau, die kannten sie. Schließlich setzten sich die Oberbürgermeisterin und die Vorsitzende des Kulturausschusses für diese seit 1991 bestehende Städtepartnerschaft zwischen Frankfurt und Krakau ein. Sie wollten sich gut vorbereiten auf das, was auf sie zukommen könnte. Denn diese Rundreise durch Polen würde doch etwas ganz Besonderes sein: zwei Frauen reiferen Alters, die eine 73, die andere 67 Jahre alt, unterwegs mit dem eigenen Auto in einem für sie bis dahin nahezu unbekannten Land. Lange vor der Abreise in Richtung Stettin kommt Petra Roth immer wieder auf die bevorstehende Tour »mit der guten Freundin« zu sprechen. Petra Roth und Alexandra Prinzessin von Hannover kennen sich ihr halbes Leben lang. Über die CDU. Durch soziale Anliegen fanden beide in die Politik. Vier Jahrzehnte liegt das zurück.
Als die Tour losgeht, ist »die Prinzessin« gerade seit drei Monaten keine Stadtverordnete mehr. Nach mehr als zwei Jahrzehnten. Seitdem fehlt Petra Roth eine kulturpolitisch feste Größe. »Die Prinzessin« konnte unwirsch werden, wenn wieder mal einer aus der Kommunalpolitik auf die Idee kam, haushaltspolitischen Turbulenzen mit Einsparungen bei der Kultur entgegensteuern zu wollen. Auf »Ada«, wie Petra Roth die Weggefährtin freundschaftlich nennt, ist Verlass.
Seit dem Sommerurlaub 2011 grübelte Petra Roth über das Ende ihrer Amtszeit. 2013, das könnte ein bedeutendes Wahljahr werden. Im Bund stehen Wahlen an, in Hessen, in Frankfurt am Main. Petra Roth dachte hartnäckig darüber nach: Es könnte ihrer Partei guttun, wenn es gelänge, die Direktwahl des neuen Oberbürgermeisters für Frankfurt am Main von den anderen beiden Urnengängen zu trennen. Denn erfahrungsgemäß setzen sich bei Wahlen Trends fest. Positiv wie negativ. Für den Bewerber oder die Bewerberin der CDU würde es bestimmt von Vorteil sein, früher an den Start zu gehen. Denn vom Herbst des Jahres 2011 aus betrachtet, konnte man keine Wette auf Wahlerfolge der Union eingehen: in Berlin nicht und in Wiesbaden auch nicht, da die Partei den radikalen Modernisierungsschub von Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa in der Energiepolitik nach wie vor nicht zu verkraften schien. Die Konservativen in den eigenen Reihen blieben überaus skeptisch. Vor allem aber, weil ein anderer Koalitionspartner als die Freidemokraten weit und breit nicht in Sicht zu kommen schien. Mit dieser FDP aber wollte man für Berlin wie für Wiesbaden, längst bevor man in Nordrhein-Westfalen Neuwahlen angesetzt hat, besser nicht auf Sieg setzen.
Sich in den Dienst der eigenen Partei zu stellen, so wie es sich Petra Roth schließlich im Herbst des Jahres 2011 vornimmt, musste in den vier Jahrzehnten zuvor nicht unbedingt das erste sein, was ihr in den Sinn kam. Denn leicht haben sie es der Frau in jungen Jahren in der eigenen Partei nicht gemacht. Petra Roth sah sich oft mit einer Riege stockkonservativer Honoratioren konfrontiert. Sie strebten in Frankfurt am Main nach Macht, träumten von den längst vergangenen Zeiten satter Mehrheiten in den siebziger und achtziger Jahren unter dem Oberbürgermeister Walter Wallmann, der die sozialdemokratische Hegemonie durchbrechen konnte. Sie wollten selbst aber nicht in die erste Reihe treten, wenn ihnen eine Wahl als reichlich aussichtslos erschien. Keiner mochte Mitte der neunziger Jahre der CDU nach dem Machtverlust und dem Wiederaufleben der SPD ernsthaft Chancen einräumen, eine erstmals angesetzte Direktwahl für das Amt des Stadtoberhaupts für sich und den eigenen Bewerber entscheiden zu können.
Niemand zweifelte daran: Eine Clique in Fraktion und Partei schob Petra Roth 1995 vor – in einen der CDU selbst als wenig aussichtsreich geltenden Kampf gegen den Amtsinhaber und Routinier Andreas von Schoeler von der SPD. Petra Roth gab sich lieber keinen falschen Vorstellungen hin: Oft, das vertraute sie 1995 der Wochenzeitung Die Zeit in einem Gespräch an, seien es »Männer gewesen, die es ganz geschickt fanden, die Petra Roth in dieses oder jenes Amt zu setzen«.
Lange ließ sie das nicht mit sich machen. Von einem »Frauenbonus« in der Partei und den schier unermüdlichen Zuschreibungen der lokalen Medien, eine überaus attraktive Frau zu sein, wollte und will sie partout nichts hören. Denn wirklich voran bringe einen das nicht, sagt sie, sicher gerate es nicht zum Nachteil. Gutes Aussehen sei alles andere als ein Selbstläufer, in der Politik bekomme man nichts geschenkt, da »muss man kämpfen«, hebt Petra Roth immer wieder hervor, kämpfen, um etwas erreichen zu können. Alsbald setzte Petra Roth, angetrieben von einem schier unglaublichen Optimismus, selbst die Pflöcke. So sollte es schließlich auch bei ihrem Abgang sein – Regie führte sie selbst.
Aus dem Gedanken, der sich im Herbst des Jahres 2011 allmählich entfaltete, entwickelte sich schließlich die Idee, das Amt als Oberhaupt der Stadt Frankfurt am Main bereits nach siebzehn Jahren aufzugeben. Siebzehn Jahre. Eigentlich lief ihre Amtszeit bis Ende Juni 2013. Schließlich hatten es die Bürger genau so gewollt, als sie sich bei der Direktwahl 2007 wieder für Petra Roth als Frankfurts führende Repräsentantin, als engagierte Streiterin für eine weltoffene Stadtplanung, als Wegbereiterin guter Ideen, als Fürsprecherin der Integration und als Vermittlerin kultureller Impulse entschieden haben. Es würde die längste Amtszeit eines Stadtoberhaupts nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankfurt am Main werden.
Am 1. November sollte es so weit sein, sollte die Öffentlichkeit davon erfahren, sollte alle Welt wissen, welche Idee bei Petra Roth gereift ist, seit sie mit »der Prinzessin« an der Ostsee und in Masuren gewesen war. Wenige Wochen nach der Verkündung ihres zunächst so einsam erscheinenden Beschlusses, der Frankfurt für einen Augenblick in eine Schockstarre versetzte, steht bei ihr bereits außer Frage: Die Idee ist gut gewesen. Es ist ein Aufbruch zur Freiheit. »Völlig richtig« ist sie aus freien Stücken nach vorne gegangen, sie traf ihre ureigene Entscheidung und hat so zähe Monate als »lahme Ente«, als »lame duck« vermieden, wie die Amerikaner die letzte Phase einer dem Ende entgegengehenden Regierungszeit eines Präsidenten nennen.
Nur gut, sagt Petra Roth später einmal während des zu Beginn des Jahres 2012 aufziehenden Wahlkampfs um die Besetzung des exponiertesten Amts, das Frankfurt zu vergeben hat, nur gut, dass sie sich das erspart hat.
1. November, erste Runde
An diesem Dienstag, 1. November 2011, ist Roths Dienstzimmer gut besucht. 25 zur CDU gehörende Frauen und Männer aus der Stadtregierung und dem Kreisvorstand der Partei hat die Chefin in den zweiten Stock des Rathauses gebeten, um über kommunalpolitische Weichenstellungen zu sprechen. Sie sollen zuerst erfahren, dass Petra Roth sich zurückzieht und es eine vorgezogene Direktwahl des neuen Stadtoberhaupts geben würde.
Für die frühere Abstimmung kann die CDU einen Kandidaten nach ihrem Wunsch aufbieten: Boris Rhein, den jungen Parteichef in Frankfurt und Innenminister in Wiesbaden. Von den Grünen aus dürfte ihm keine ernsthafte Konkurrenz erwachsen – die von Petra Roth als Umweltdezernentin geschätzte Manuela Rottmann, an die sich lange Zeit parteiintern große Erwartungen knüpften, weil die junge Frau als politisches Talent gilt, steht als Bewerberin für das Amt des Stadtoberhaupts nicht zur Verfügung.
Petra Roth spinnt einen Leitfaden für dieses Gespräch mit der Führungsmannschaft ihrer Partei. Sie hat sich gut vorbereitet, Notizen gemacht. Bei öffentlichen Auftritten orientiert sie sich meist nur an Stichworten, hält sich selten an einem Manuskript fest, variiert ihr Thema immer wieder, nimmt Impulse auf, verarbeitet Eindrücke, die sie seit dem Betreten eines Raumes aufgenommen hat. Heute nicht. Heute ist nicht Alltag.
Dieser 1. November des Jahres 2011 ist ein ganz besonderer Tag. Petra Roth spannt einen Bogen. Sie spricht zunächst von der Wahl neuer Dezernenten ihrer Stadtregierung, die ihre Partei längst mit den Grünen verabredet hat. Insgesamt fünf Dezernenten sollen neu in den Magistrat gewählt werden oder aber in eine zweite Amtszeit starten. Zwei Grüne, drei Schwarze. Da darf nichts schiefgehen. Bloß nicht. Nur zu gut erinnern sich alle, die in Frankfurt mit kommunaler Politik zu tun haben, an die »vier Schweine«. Gemeint sind damit Stadtverordnete, die vor Jahren in Zeiten von Rot-Grün sich dem Willen der damaligen Koalition widersetzten und den Grünen Lutz Sikorski bei seiner Wahl in den Magistrat als Umweltdezernenten durchfallen ließen. So etwas sollte sich nicht wiederholen dürfen, darüber waren sich die schwarz-grünen Koalitionäre Ende 2011 einig.
Die Spitzen der Koalition ließen daran keinen Zweifel aufkommen, denn sie wussten um die Verschleißerscheinungen, die dieses schwarz-grüne Bündnis allmählich zeigte. Furios waren sie fünf Jahre zuvor in die erste Phase schwarz-grünen Zusammenwirkens gestartet, um der Republik zu zeigen: Es geht. Schwarze und Grüne, die sich lange Jahrzehnte ihre grundlegenden Übereinstimmungen gerade in ethischen Fragen nicht eingestehen wollten, würden in Frankfurt den Beweis antreten, aus dieser Stadt eine Green City machen und das Gebot der Energieeffizienz realisieren zu können.
Doch die zweite Wahlzeit 2011 begann weniger schwungvoll, die Koalition wirkte flügellahm. Die Verhandlungen über eine Neuauflage dieses Bündnisses tat dazu ein Übriges: Die Konservativen unter den CDU-Leuten betonten den Eindruck, die Grünen hätten ihre Partei über den Tisch gezogen, zu viele ihrer Themen durchgesetzt, sich aber vor allem bei der Besetzung des Magistrats zentraler Posten bemächtigt. Die Wahl der neuen Dezernenten unterstrich diese Sicht der Dinge: Die Grünen besetzten mit der früheren Landtagsabgeordneten Sarah Sorge das Bildungsdezernat neu und übernahmen mit dem ehemaligen Fraktionschef Olaf Cunitz das prestigeträchtige Planungsdezernat von der CDU.
Der Frankfurter Magistrat würde seine beiden profilierten Frauen an der Spitze verlieren: die Grüne Jutta Ebeling, die Bürgermeisterin, und Petra Roth, die Oberbürgermeisterin. Sie galten als Garanten der schwarz-grünen Koalition.
Gerade sechs Wochen nach dem 1. November, der zu diesem Zeitpunkt längst in die Geschichte der Stadt eingegangen ist, bestimmt die CDU Boris Rhein als ihren Kandidaten für den vorgezogenen Wahlgang der Frankfurter am 11. März 2012. Mit überwältigender Mehrheit. Ein wirklich guter Start in eine kurze, modern gestaltete Kampagne der Wählerwerbung, die nach den Winterferien schnell Fahrt aufnehmen sollte. Viele Frankfurter empfanden den Wahlkampf als langweilig, weil sich die Kandidaten nur an wenigen Punkten wirklich reiben und der Fluglärm, der von der neuen Landebahn des Frankfurter Flughafens ausgeht, zu dem alles andere überlagernden Wahlkampfthema wird.
Am frühen Abend des 11. März steht fest: Rhein muss in die Stichwahl. Gegen den Sozialdemokraten Peter Feldmann. Damit hatte keiner gerechnet, dass der Sozialpolitiker sich gegen den Innenminister so wacker schlagen würde. Die CDU schlägt Alarm, für die Stichwahl müssten sämtliche Potentiale mobilisiert werden. Denn wenn sich Linke, Flughafenausbaugegner und linke Grüne für Feldmann entschieden, würde es für Rhein nicht reichen.
Es reichte nicht. Der vierzig Jahre alte Innenminister musste sich geschlagen geben. In der Nacht des 25. März triumphiert Feldmann.
Viele Wähler hätten gern noch einmal bei Petra Roth ihr Kreuzchen gemacht. Petra Roth selbst hätte auch gern als Stadtoberhaupt weitergemacht. Und sie hätte sich auch eine weitere Amtszeit zugetraut. Denn »ich habe immer noch genügend Kraft, um all die Probleme anzugehen, mit denen man es als Stadtoberhaupt zu tun hat«, sagt sie. Und nicht nur sie ist überzeugt davon: »Ich hätte die Wahl gewonnen.«
Aber die Hessische Gemeindeordnung stand mit ihren Regularien einer Wiederwahl entgegen, da Petra Roth dann die Altersgrenze überschritten hätte. In Paragraph 39 Absatz 3 ist festgeschrieben, dass Kandidaten nicht älter als 67 Jahre sein dürfen. An diesem Limit reibt sie sich ständig: Die Altersgrenze für Stadtoberhäupter hält sie für unzeitgemäß, zumal ein solches Limit für Bundeskanzler und Bundespräsidenten nicht gilt. Wie alt Konrad Adenauer als Bonner Regierungschef gewesen ist, darüber will Petra Roth in diesem Zusammenhang gar nicht reden. Gleichzeitig haben die Verfassungsgeber in Hessen später versäumt, den direkt gewählten Oberbürgermeister mit mehr Rechten auszustatten: »Es kann nicht sein, dass der Bürger seinen Oberbürgermeister wählt, und dessen Stimme hat im Magistrat genauso viel Gewicht wie die eines indirekt gewählten Stadtrats.« Um zügig Entscheidungen treffen zu können, hätte Petra Roth gern mehr Macht gehabt.
Immer wieder dienstags
Dass sich CDU-Stadträte dienstags morgens in dem modernen, überaus geschmackvoll gestalteten Dienstzimmer Petra Roths einfinden, ist alles andere als ungewöhnlich. Jeden Dienstag, neun Uhr, kommen die Dezernenten mit der Oberbürgermeisterin an dem großflächigen, stets mit frischen Blumengestecken der Saison geschmückten Tisch zu aktuellen kommunalpolitischen Beratungen zusammen. Woche für Woche im Dienstzimmer. Früher gab es dort die dunkle Holztäfelung, mittlerweile ist sie verschwunden, es dominiert Weiß, das den großen Raum noch größer macht. Wirft Petra Roth von ihrem dem Bauhausstil nachempfundenen Schreibtisch aus einen Blick nach rechts, bleibt der Blick an einem Gemälde von Gerhard Richter hängen. Aus Richters Frühzeit, abstrakt, kräftige Farben, schwungvoll gemalt, eine dynamische Komposition. Es ist eine Leihgabe des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt.
Dienstags gibt es im Dienstzimmer Schnittchen, die hübsch dekoriert auf einer großen Silberplatte in der Mitte des Tisches angerichtet sind. Besser gesagt: Es handelt sich um halbe Brötchen, belegt mit Schweinemett und ein paar Zwiebeln, mit in gleichmäßige Scheiben geschnittenen, hartgekochten Eiern oder schlichtem Scheibenkäse mit gesund anmutender Verzierung durch Kiwischeiben und Weintrauben. Dazu bietet »die Chefin« der Stadtregierung Kaffee, Tee oder heißes Wasser an. Sie selbst bevorzugt heißes Wasser, nicht erst, seit sich ihr früherer Bremer Kollege Henning Scherf werbend für dieses vitalisierend wirkende Getränk einsetzte. Heißes Wasser steht für den Augenblick, in dem sie zurückschaltet.
Man kommt im Dienstzimmer Petra Roths zusammen, vorausgesetzt, die Oberbürgermeisterin ist im Rathaus präsent und nicht unterwegs auf einer Dienstreise. In diesen Fällen ist das Dienstzimmer für die Stadträte ihrer Partei tabu.
Es gibt eine feste Sitzungsordnung an diesen Dienstagmorgen. Von der unmittelbaren Linken der Chefin aus lässt sich die Rangordnung innerhalb des Magistrats beschreiben. Neben Petra Roth sitzt der Stadtkämmerer, neben ihm der CDU-Fraktionschef, daneben der Kulturdezernent, ihm folgen die Sozialdezernentin, der Wirtschaftsdezernent, schließlich der Planungsdezernent, der nach einer weiteren Rundung des Tisches bereits wieder ganz nahe bei der Oberbürgermeisterin sitzt.
Diese Dienstage bieten die wichtigsten Möglichkeiten politischer Beratung. Die Themen gibt Petra Roth vor. »In dieser Reihenfolge«, sagt sie dann, wolle sie beispielsweise über den Verkauf der Wohnungen der Nassauischen Heimstätte vom Land Hessen sprechen, über das Konzept für die bessere Erschließung der Innenstadt und über den Stand der Dinge beim Neubau des Höchster Krankenhauses.
Zuallererst darf sich Uwe Becker als Kämmerer angesprochen fühlen. Er sagt, über die Zukunft der Nassauischen Heimstätte ließe sich noch nicht reden, weil es augenblicklich für eine Entscheidung zu früh sei.
Über den Finanzverwalter ist im Herbst 2011 eine heftige Welle hinweggegangen. Junge Stadtverordnete der CDU, zu diesem Zeitpunkt zumeist erst ein paar Monate im Parlament, probten den Aufstand: Was das Land Hessen mit seiner Schuldenbremse vorgemacht habe, wolle man jetzt auch in der Stadt angehen – keine neuen Schulden, geben sie als Leitmotiv aus. Die Opposition vermutet, dass die Jungen »Beckers Kopf« wollen. Der Mann, den seine eigenen Parteifreunde immer wieder wegen seines nachhaltigen Wirtschaftens rühmen, verschafft sich mit der Einrichtung einer Kommission, in der führende Kräfte der Koalitionsparteien von CDU und Grünen Sparpotentiale identifizieren sollen, ein bisschen Luft. Bei einer Absprache zwischen den Koalitionären über Einsparungen ließe sich damit rechnen, dass kritische Einwände allein bei ihm als Kämmerer abgeladen würden. Aber selbst dann – die Mittelständler in der Fraktion haben mit ihren Vorgaben, unbedingt sparen zu müssen, auf Becker gezielt und ihn empfindlich getroffen. Als Bewerber für die Nachfolge Petra Roths ist Uwe Becker seit Oktober 2011 nicht mehr im Gespräch.
Dienstzimmer mit Aussicht
Tritt Petra Roth aus ihrem Dienstzimmer auf den im Sandstein der Fassade des Rathauses gehaltenen Balkon hinaus, steht sie quasi direkt vor der Paulskirche. Ein Anblick, der Ehrfurcht einflößt. Die Paulskirche ist das wohl berühmteste Bauwerk der Stadt. Die Paulskirche, so steht es gleich am Eingang zur Rotunde zu lesen, ist »Symbol demokratischer Freiheit und nationaler Einheit«. Ein Ort, der ein bisschen Demut verlangt. Dabei ist die Paulskirche an sich alles andere als festlich. Und doch fällt einem hierzuland...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckel
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorwort: Im Namen der Bürger
  6. 1. Abgang mit Ansage – schöne Sommertage in Polen
  7. 2. Starke Frauen
  8. 3. Politische Beheimatung – Petra Roths Grundlagen
  9. 4. An der Spitze der Stadtregierung
  10. 5. Im Deutschen Städtetag
  11. 6. 11. März 2011, Fukushima
  12. 7. Petra Roths Vermächtnis
  13. Nachgang
  14. Bildteil
  15. Dank
  16. Literatur