Schluss mit Lobbyismus!
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Schluss mit Lobbyismus!

50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt

  1. 224 Seiten
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Schluss mit Lobbyismus!

50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt

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Tagtäglich versuchen lobbyisten auf verschiedenen Ebenen die Interessen kleiner Gruppen gegen das Gemeinwohl durchzudrücken. Mit allen Mitteln versuchen sie, ihre Profite durch Einflussnahme auf politische Entscheidungsprozesse zu steigern. die Autoren zeigen anhand von 50 Beispielen, wie einflussreich lobbyisten sind und wie man ihnen Einhalt gebieten kann.

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Information

Verlag
Westend
Jahr
2012
ISBN
9783864895210

Politik und Lobby

39 Staaten und Großunternehmen wollen das Internet kontrollieren. Wer steckt eigentlich hinter ACTA?

Von Meike Laaff
Still und heimlich sollte das internationale Handelsabkommen ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ausgehandelt werden: Von den ersten Vorgesprächen zwischen den USA und Japan 2006 bis zur zwölften Verhandlungsrunde im Dezember 2010 in Sydney wurde hinter verschlossenen Türen gesprochen – und Informationen darüber, was dort eigentlich vor sich ging, erhielt selbst die interessierte Fachöffentlichkeit lediglich tröpfchenweise. Ein Grund dafür könnte der große Einfluss von Unterhaltungs- und Softwareindustrie sowie der Pharmabranche gewesen sein. Deren Lobbyisten und Anwälte hatten vor allem durch die US-Delegation Zugang zu den Verhandlungen und den Entwürfen bekommen. Unschätzbar wertvoll für sie, schließlich ging es um ihre Interessen: den Schutz von geistigem Eigentum rigider durchzusetzen und die Regeln für Produktpiraterie zu verschärfen.
Wie das künftig aussehen soll, hatten die USA erstmals im Sommer 2006 mit Japan besprochen. Das belegt ein Ende 2010 veröffentlichtes Dokument auf der Whistleblowingplattform Wikileaks – eine von tausenden US-Diplomatendepeschen. Darin wird geschildert, wie der US-Verhandlungsführer Stanford McCoy 2006 den japanischen Regierungsvertretern das ACTA-Vorhaben vortrug: Er kündigte ACTA als »Goldstandard für die Durchsetzung von geistigen Eigentumsrechten« an, sprach von Verhandlungen zwischen einer kleinen Anzahl gleichgesinnter Länder. Die Japaner, so heißt es in dem Dokument, hätten »enthusiastisch« reagiert. Sie hatten sich zuvor mit einem Entwurf für ein derartiges Abkommen, das das Vorgängerabkommen TRIPS aktualisieren sollte, und der Bitte um Hilfe an die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gewandt. Doch McCoy, der in seiner früheren Karriere bei einer US-Anwaltskanzlei Klienten in Urheberrechts- und Anti-Produktpirateriemaßnahmen vertreten hatte, versicherte ihnen, dass es nicht nötig sei, die OECD oder eine andere internationale Organisation zu involvieren. Denn das US-Amt des Handelsbeauftragten (USTR) – jene Behörde, die McCoy als Verhandlungsführer entsandt hatte – verfüge über ausreichende Expertise in diesem Gebiet. Bloß keine Aufmerksamkeit von außen!
Warum sich diese US-Behörde so wenig wie möglich in die Karten schauen lassen will, wird mit einem Blick auf das Personal klar. Denn dort arbeitet – unmittelbar betraut mit den ACTA-Verhandlungen – als stellvertretende Assistentin für die Durchsetzung von geistigem Eigentum Kira Alvarez. Eine Frau, in deren Lebenslauf nicht nur eine Tätigkeit als stellvertretende Chefin der »Global Public Policy«-Abteilung bei Time Warner auftaucht, sondern auch eine Beschäftigung beim weltweit operierenden Pharmakonzern Eli Lilly.
Außerdem, so gab das USTR auf Drängen einer NGO zu, schickte es die US-Entwürfe für die internetbezogenen Kapitel von ACTA während der laufenden Verhandlungen 2009 an alle Mitglieder des zuständigen USTR-Beraterkomitees für geistige Eigentumsrechte – und das heißt übersetzt: an 42 Lobbyisten und Vertreter großer Unternehmen. Denn in diesem Beraterkomitee sitzen vor allem Vertreter der großen Unterhaltungsindustrieverbände: für die Filmindustrie die Motion Picture Association of America, für die Musikindustrie die Recording Industry Association of America (RIAA), für die Softwareindustrie die Entertainment Software Association (ESA) und als Dachverband dieser und anderer Verbände die International Intellectual Property Alliance (IIPA). Außerdem wurde das Papier, gegen Unterzeichnung eines Stillschweigeabkommens, auch an über dreißig weitere Firmenvertreter weitergegeben – darunter Juristen und Lobbyisten von Google, Intel, Dell und Ebay. Ebenfalls auf der Liste taucht die Business Software Alliance auf, die unter anderem Unternehmen wie Microsoft oder Apple vertritt, Sony Pictures Entertainment und Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp.
Weil ACTA im Geheimen verhandelt wurde, kann nicht genau eingeschätzt werden, wie groß der tatsächliche Einfluss all dieser Konzerne auf die Vorschläge der USA in den ACTA-Verhandlungsrunden gewesen ist. In Blogs, auf Wikileaks und an anderen Stellen im Netz tauchten zwar Papiere auf, in denen Verbände Vorschläge machten, wie der ACTA-Text gestaltet werden könnte – deren Echtheit ist im Einzelfall aber ebenso schwer zu beurteilen wie der tatsächlichen Einfluss der Lobbyverbände auf die Verhandlungen. Nach außen gaben sich die informierten Lobbyisten allerdings abgezockt: Stephan Metalitz etwa, Vertreter des Dachverbands der Unterhaltungslobby IIPA und einer der wenigen, die sich überhaupt öffentlich zu der Thematik äußerten, sagte bei einer öffentlichen Diskussionsveranstaltung im Januar 2010, dass nicht er ACTA aushandle, sondern das zuständige USTR. Und dass ACTA transparenter als andere internationale Abkommen sei.
Heraus jedenfalls kam – trotz einiger Abstriche gegenüber früheren Entwürfen des Vertragstexts – ein Abkommen, das die Interessen von Hollywood, Musikmultis und anderen Firmen, die mit dem Schutz geistigen Eigentums viel Geld verdienen, durchaus wohlwollend vertritt. In vielen Ländern kritisierten Netzaktivisten und Wissenschaftler ACTA jedoch rege – wegen der mangelnden Transparenz im Verhandlungsprozess, aber auch wegen Geist und Text des Abkommens. Erste Leaks von Vertragstextentwürfen tauchten schon 2008 auf, wurden in Blogs veröffentlicht und scharf kritisiert – weil darin besonders im Umgang mit Filesharern drastische Maßnahmen enthalten waren. Zum Beispiel der »Three Strikes«-Mechanismus: Wer dreimal beim Herunterladen von urheberrechtlich geschütztem Material erwischt wurde, dem sollte der Internetzugang gekappt werden. Derartige Passagen tauchen im finalen ACTA-Text nicht mehr auf – ebenso wie andere, radikalere Textteile, die in Vorabversionen noch enthalten waren.
Doch auch diese endgültige Version attackierten Kritiker wie die französische Netzbürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net oder der kanadische Wissenschaftler Michael Geist scharf. Unter anderem fürchteten sie, dass ein im Abkommen festgeschriebener ACTA-Ausschuss auch nach Inkrafttreten des Abkommens dessen Inhalt verändern und erweitern könnte.
Anfang 2012, als immer mehr Staaten begannen, das Abkommen zu unterzeichnen, formierte sich in mehreren Ländern Europas plötzlich unerwartet großer Widerstand: Zehntausende kamen zu Anti-ACTA-Demonstrationen, mobilisiert von US-Protesten gegen die dortigen Anti-Piraterie-Gesetzesentwürfe SOPA und PIPA. Unter dem Eindruck der Proteste kündigten einige EU-Staaten, darunter Deutschland, an, das Abkommen nicht zu unterzeichnen. Vorerst. Bis das Europäische Parlament darüber abgestimmt habe.
Eben dieses Europäische Parlament lehnte ACTA Anfang Juli 2012 mit überwältigender Mehrheit ab. Und das, obwohl die Abgeordneten zuvor noch einmal Ziel von besonders engagierten Pro-ACTA-Lobbybemühungen geworden waren: Ein bunter Zusammenschluss aus Vertretern vom internationalen Musikverband IFPI über Softwarefirmen bis hin zum deutschen Aktionskreis gegen Marken- und Produktpiraterie – unter dessen Schirm vom Bundesverband der Deutschen Industrie über Autokonzerne bis zu Pharmafirmen zahlreiche große deutsche Unternehmen und Verbände organisiert sind – legten eine Broschüre auf, mit der sie potentiell widerspenstige Parlamentarier wieder auf ihre Linie einstimmen wollten.
Nach der ACTA-Ablehnung drehte sich die Erzählung: Diverse konservative Zeitungen und Politiker deuteten die junge Anti-ACTA-Protestbewegung zum digitalen Mob um, unter dessen Druck die EU-Politiker eingeknickt seien.
Nach dem Nein im Europäischen Parlament kann ACTA in Europa nicht in Kraft treten. Die Idee des Abkommens ist aber nicht tot: Schon jetzt kursieren Entwürfe für ganz ähnliche internationale oder europäische Abkommen unter kryptischen Namen wie CETA, IPRED2 oder TPP. Doch trotz noch so kryptischer Namen werden diese Vorhaben nicht so still und heimlich lanciert werden können wie das ACTA-Vorhaben – die Aufmerksamkeit im Netz ist ihnen gewiss.

40 Früher hatte jede anständige Kommune ein öffentliches Frei- oder Hallenbad, heute kann sich kaum noch eine Stadt eines leisten. Warum nicht?

Von Edith Kresta
»Bäder werden geschlossen, weil die Gemeinden kein Geld haben«, sagt schlicht und ergreifend Franz Reinhard Habbel, Pressesprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Bäder werden geschlossen, weil der politische Wille sie zu erhalten nicht da ist. Denn: Öffentliche Bäder sind keine Profitzentren. Sie verursachen immer mehr Kosten als Einnahmen, wenn sie einem breiten Publikum dienen sollen. Hinzu kommt: Die Bäder haben privatwirtschaftliche Konkurrenz bekommen. Spaßbäder mit Tropenfeeling und überfrachteten Badelandschaften lassen die funktionalen öffentlichen Schwimmbäder schlicht erscheinen. Und da der Sommerurlaub auch zum Lebensstil der meisten Familien gehört, sind vor allem manche Freibäder in den kurzen Sommermonaten wenig ausgelastet. Ein Zuschussgeschäft.
In den sechziger Jahren, als der Schwimmbadsegen über Westdeutschland kam, gab es den politischen Willen, den Sport breitflächig zu fördern. Man nannte das den »Goldenen Plan«. Bis zu achtzig Prozent der Kosten eines Schwimmbades übernahm damals das Land, die Gemeinde musste nur zwanzig Prozent zusteuern. Anders im Osten Deutschlands: Zu DDR-Zeiten wurden vor allem Sportleistungszentren und nicht der Breitensport gefördert.
Die Folge: Der Osten hatte zur Wiedervereinigung eine doppelt so hohe Ertrinkungsrate wie der Westen, wie eine Statistik der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) zeigt. Auch heute noch, nach 22 Jahren Wiedervereinigung, liegt diese um dreißig Prozent höher als im Westen. Zudem sterben im Osten heute viele Gemeinden aus und es fehlen die Einnahmen durch Gewerbesteuer, die zunehmenden Bäderschließungen zeitigen Konsequenzen: »Konnten vor einigen Jahren noch neunzig Prozent der Siebtklässler schwimmen, sind es heute nur noch siebzig Prozent«, sagt der Präsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Dr. Klaus Wilkens.
Heute gibt es noch 6 200 öffentliche Bäder in ganz Deutschland, jeweils zur Hälfte Hallen- und Freibäder. 1 100 Bäder wurden in den letzten zehn Jahren geschlossen. Immer öfter fragen sich Kommunen angesichts leerer Kassen, ob sie sich ein Schwimmbad, das in den sechziger Jahren als Inbegriff der Innovation auch einen Pluspunkt in der Wählergunst brachte, noch leisten wollen. »Es gibt achtzig Prozent festgelegte Ausgaben einer Gemeinde, dazu gehören Schulen und soziale Ausgaben. Zu den zwanzig Prozent freiwilligen Ausgaben gehören Schwimmbäder, aber auch Museen, Vereinsförderungen oder touristische Infrastruktur«, weiß Habbel vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. »Die Kommunen stehen mit dem Rücken zur Wand«, sagt er. Zwar stehe die Sportförderung im Gesetz, trotzdem sei der Betrieb von kommunalen Bädern laut Rechnungshof eine »freiwillige Ausgabe«. Wenn das Geld knapp werde, könne man schließlich nicht bei den Schulen oder der Feuerwehr sparen. Der Bürger hat keinen gesetzlichen Anspruch auf ein öffentliches Schwimmbad.
Trotz extrem üppiger Gewerbesteuereinnahmen dank der angezogenen Konjunktur in Deutschland kämen viele Kommunen heute nicht über die Runden. »Das liegt auch am demographischen Wandel, der älter werdenden Gesellschaft und der Notwendigkeit, bei vielen Rentnern die Grundsicherung aufzustocken«, sagt Habbel. Die zunehmenden Ausgaben für Arme, Alte und Behinderte belasteten den Sozialetat der Gemeinden. Notwendige Sanierungen und Modernisierungen von Bädern blieben dabei auf der Strecke. Den Hallenbädern fehlt heute die öffentliche Lobby.
Doch nicht nur Sozialleistungen, sondern auch die Schulden steigen, vor allem in übermöblierten urbanen Landschaften wie dem Ruhrgebiet, wo sich manche Gemeinde in Prestigeobjekte versteigt. Schleunigst müssen neue Geldquellen her. Oberhausen treibt eine Sexsteuer für Bordellbesuche ein, Köln experimentiert mit einer Tourismusabgabe, andere senken die Wassertemperatur in Bädern oder schließen das Bad gleich ganz. In Nordrhein-Westfalen schafften von 427 Städten und Gemeinden nur 39 Städte einen ausgeglichenen Haushalt. Die anderen müssen Rücklagen aufzehren – oder neue Schulden aufnehmen. Siebzehn weitere Städte sind bereits überschuldet oder stehen kurz vor der Pleite. Wären sie Unternehmen, müssten sie Insolvenz anmelden. Weil zur Not das Land einspringt, gibt es weiter Geld von der Bank. Der kommunale Offenbarungseid ist oftmals auch überforderten Kämmerern und inkompetenten Räten geschuldet. Selten kommt es zu Kooperationen mit benachbarten Städten. Der Nachbar ist immer zugleich Konkurrent um Steuergelder, Einwohner und Firmen. Und die Kommunen lassen sich nicht gern in die Karten schauen. Sollten sie aber – und sich etwa fragen: Wie effizient arbeitet eine Verwaltung im Vergleich zur Nachbargemeinde? Warum ist der Nahverkehr günstiger als anderswo?
Trier ist die erste Stadt in Rheinland-Pfalz, die eine sogenannte Public-Private-Partnership eingegangen ist, um ein sanierungsbedürftiges Freibad langfristig zu erhalten. Die Partnerschaft vermittelte die Projektentwicklungsgesellschaft des Landes Rheinland-Pfalz (PER). Die Risikoverteilung ist laut PER so angelegt, dass jede Partei das Risiko trage, »das sie am besten steuern kann«. Das kann aber auch so ausgelegt werden, dass die Gewinne verteilt würden, die finanziellen Risiken aber trägt – wie so oft – die Stadt. Denn: Ein privatwirtschaftlicher Partner will verdienen und hat weder Breitensport noch soziale Aspekte im Blick.
Aufgrund der finanziellen Situation der Gemeinden könnte das rein kommunal betriebene Bad tatsächlich bald zum Auslaufmodell werden. Schon jetzt ist die DLRG mit fünfzig Bädern Deutschlands größter Bäderbetreiber. »Die Finanzierung kommt von den Gemeinden und wir unterstützten die Bäder mit einem breiten Netzwerk von ehrenamtlichen Mitarbeitern«, sagt DLRG-Präsident Klaus Wilkens. Er fordert: »Wir brauchen wieder ein bundesweites, ortsnahes Netz an Schwimmbädern, also eine Kehrtwende in der Kommunalpolitik.«
Ein Kehrtwende dahin, dass sich Gemeinden nicht mit prestigeträchtigen Projekten schmücken, sondern öffentliche Räume für Alte, Junge, Arbeitslose und Mütter unterstützen und vor allem finanzieren: ein Schwimmbad als bezahlbares, klassenübergreifendes Vergnügen. Auch als Lobby für die Volksgesundheit.

41 Einkaufszentren am Stadtrand sind oft der Tod der Innenstädte. Wie kann dann ausgerechnet der größte Shoppingcenterbetreiber mit einer Stiftung »Lebendige Stadt« punkten?

Von Johannes Gernert
Alexander Otto und sein Unternehmen ECE dürften in Deutschland nur wenige Menschen kennen. Trotzdem hatten die meisten schon einmal mit Otto zu tun: Wenn man in einem Shoppingcenter einkauft, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es Alexander Ottos Unternehmen gehört oder er zumindest Anteile daran hält. 444 solcher Center gibt es in Deutschland, so zählt das EHI Retail Institute aus Köln in seinem aktuellsten »Shopping-Center-Report«. Der größte Entwickler dieser überdachten Einkaufsstraßen ist die ECE Projektmanagement GmbH – nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa. ECE ist das weniger bekannte Unternehmen aus der Otto-Familie. Es gibt den Otto-Versand mit seinem Katalog. Und es gibt ECE, die Einkaufscenter-Entwicklungsgesellschaft. Seit 2000 heißt ihr Chef Alexander Otto. Er ist der Sohn von Werner Otto, dem Gründer des Einkaufsimperiums.
ECE betreibt als Marktführer bald hundert deutsche Shoppingmalls. Und obwohl sich seit einigen Jahren Bürger und Politiker gegen den Bau einzelner Malls wehren, obwohl es Initiativen wie »Kein ECE-Center in Leer« gibt, obwohl mancher Otto vorwirft, mit seinen Centern die Innenstädte auszusaugen und tote Fußgängerzonen zu hinterlassen, obwohl mittlerweile verschiedene Stadtplaner nachgewiesen haben, dass Shoppingcenter die öffentlichen Einkaufsmeilen tatsächlich leeren: ECE baut weiter, und das mit großem Erfolg.
Dieser Erfolg beruht auch auf guten Kontakten in die Rathäuser, wo die Entscheidungen über den Bau solcher Center getroffen werden. Und auf einer Stiftung, die den Namen »Lebendige Stadt« trägt.
»Das mit der Stiftung ist ja ’ne Lachnummer«, sagt Eckhard Brockhoff, ein Konkurrent Ottos, der als Makler Ladenflächen in Innenstädten vermietet. »Der ruiniert die Städte und macht dann eine Stiftung für die lebendige Stadt.«
Die Stiftung Lebendige Stadt versammelt in ihrem Stiftungsrat Politiker und Verwaltungsleute aus allen Teilen Deutschlands. Sie behauptet von sich, unabhängig vom Unternehmen ECE zu operieren. Ihre wichtigsten Gremien allerdings – das Kuratorium und der Vorstand – sind mit ECE-Managern besetzt. Den Vorsitz des Kuratoriums hat Alexander Otto selbst, den Vorstand führt Andreas Mattner an, der gleichzeitig Geschäftsführer von ECE ist. Der Städteforscher Hans-Hermann Albers hat sich für seine Dissertation intensiv mit der Stiftung befasst. Er sagt: »ECE ist eine Lobby-Stiftung, weil sie durch Nähebeziehungen versucht, Sympathie für die ECE zu erzeugen.«
Wie die Stiftung Nähe schafft, kann man an einem Abend im Herbst 2011 im Dortmunder Signal Iduna Park beobachten. Scheinwerfer beleuchten den Rasen, aus Lautsprechern dringen Fangesänge. Unten in den Katakomben besichtigen Bürgermeister und Stadträtinnen aus ganz Deutschland die Dortmunder Umkleidekabinen, sie können Erinnerungsfotos mit dem Dortmunder Meistertrainer Jürgen Klopp machen. Der Höhepunkt ist die Verleihung von Preisen unter anderem an die Städte Ingelheim und Hiddenhausen, das Motto der Preisverleihungen: »Unverwechselbare Stadt«.
Anschließend, beim Umtrunk mit Buffet, stehen der Oberbürgermeister von Leipzig, der ehemalige Oberbürgermeister von Köln und der damalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein Peter Harry Carstensen an den runden Tischen. Auch der Freiburger Bürgermeister Dieter Salomon ist an diesem Abend da. Im Rat der Stiftung Lebendige Stadt sitzen neben Salomon der Oberbürgermeister von Dortmund Ullrich Sierau, der Oberbürgermeister von Köln Jürgen Roters, der Stadtentwicklungssenator von Berlin Michael Müller und der Oberbürgermeister von Jena Albrecht Schröter. Wobei das mit dem SPD-Mann Schröter etwas komplizierter ist. Weil die ECE gerade plant, in Jena zu bauen, habe Schröter seine Mitgliedschaft im Stiftungsrat ruhen lassen, teilt seine Pressereferentin mit. Schröter sei zu einem Zeitpunkt beigetreten, als viele andere namhafte Politiker das auch getan hätten. Er habe da auch nicht gewusst, so müsse man gestehen, in welchem Verhältnis ECE und die Stiftung stehen.
ECE ist auch in Köln aktiv. Einen Interessenkonflikt sieht dessen SPD-Oberbürgermeister nicht. Man schä...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckel
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Warum Lobbyismus kontrolliert werden muss
  7. Lobbyorganisationen und LobbyistInnen
  8. Banken und Finanzen
  9. Auto und Verkehr
  10. Agrar und Nahrung
  11. Ökologie und Energie
  12. Pharma und Drogen
  13. Politik und Lobby
  14. Die Autorinnen und Autoren