Wie viel Bank braucht der Mensch?
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Wie viel Bank braucht der Mensch?

Raus aus der verrĂŒckten Finanzwelt

  1. 256 Seiten
  2. German
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Wie viel Bank braucht der Mensch?

Raus aus der verrĂŒckten Finanzwelt

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Über dieses Buch

Dem Atomausstieg sollte nun auch der Bankenausstieg folgen. Denn die Luftnummern des Finanzmarktkapitalismus haben gezeigt, wie Unternehmen und ganze Staaten in den Ruin getrieben werden. Weniger Bank ist daher mehr, weshalb die modernen Finanzprodukte auf den PrĂŒfstand zu stellen sind: Wie viel Kredit soll eine Bank vergeben können, so dass es zu keiner Überschuldung und keinem Crash kommt? Außerdem fordert Thomas Fricke: Ein Großteil der Gelder darf nicht mehr in Finanzspekulationen fließen, sondern muss fĂŒr gesellschaftlich wichtigen Aufgaben zur VerfĂŒgung stehen. Hierzu gehört nicht zuletzt die derzeit grĂ¶ĂŸte globale Herausforderung, der Klimaschutz.

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Information

Verlag
Westend
Jahr
2013
ISBN
9783864895371
Zweiter Teil
Vom Ausstieg als Chance – warum es uns ohne Bankenwahn besser ginge
Ob Aktiencrash, Asien-Krise oder New-Economy-Sturz – bis zur Großen Finanzkrise 2007 wiegelten Aufseher und Finanzmarktfans noch ab: keine Panik! Wenn Investoren erst nach Asien rennen und dann schnurstracks wieder davon, habe das nichts mit FunktionsmĂ€ngeln des Markts zu tun, dann liege das an den LĂ€ndern und ihren Regierungen. Stichwort: mangelnde Transparenz. Die haben den Investoren halt nicht alles gesagt. Aha, und schon ist das Weltbild wieder in Ordnung.
Dann wurden StatistikĂ€mter in SchwellenlĂ€ndern gedrĂ€ngt, schneller Daten rauszurĂŒcken. Oder neue Aufsichtsbehörden geschaffen. Und Banken mussten fortan Dutzende Zeilen Disclaimer an jede Mail und Publikation hĂ€ngen, die kein Mensch liest, aber angeblich fĂŒr Klarheit sorgen und darĂŒber informieren, dass man mit Aktien auch Geld verlieren kann. Ach. Motto: Da gibt es halt ein paar Dummerchen.
Seit 2007 scheinen selbst Altorthodoxe an ihrem Weltbild zu zweifeln. Seitdem gibt es kaum einen Monat, in dem nicht eine neue Direktive zur Umsetzung von schĂ€rferen Regeln fĂŒr Finanzjongleure kommt. In Basel wurde das mittlerweile dritte internationale Richtwerk entworfen. Plötzlich gibt es Bankenabgaben, Finanztransaktionssteuern und Vorschriften zur Boni-Begrenzung. In den USA ist im Juli 2010 das Dodd-Frank-Gesetz verabschiedet worden, das die Freiheit der Banker einschrĂ€nkt. In Großbritannien darf die Finanzaufsicht kĂŒnftig notfalls bei Banken eingreifen. Das hĂ€tte kĂŒrzlich noch als kontinentaler Kommunismus gegolten. Ähnlich wie die Idee, das BankgeschĂ€ft zwangsaufzuteilen, wie es die EU-Expertengruppe um Erkki Liikanen im Herbst 2012 vorschlug. Oder Peer SteinbrĂŒck. Und wie Finanzminister Wolfgang SchĂ€uble es plant.
All das hat mit Abwiegeln nichts mehr zu tun. Die Frage bleibt, ob in all den neuen Regeln das Zeug fĂŒr eine große Wende steckt. Treffen Bankenabgaben und Trennbanken den Kern des Dilemmas der Finanzglobalisierung? Oder wird da nur hektisch an Symptomen kuriert, was am Ende bloß die nĂ€chste Krise heraufbeschwört? Was hilft es, die Ursachen vergangener Krisen anzugehen, wenn Finanzkrisen nie exakt gleich daher kommen? So schnell wird es keine Subprime-Blase mehr geben. Da hilft eine stĂ€rkere Regulierung von Hypothekenkrediten an Ärmere nichts.
Was also hilft? Darum soll in den nĂ€chsten Kapiteln gehen: um die Frage, was jene fatale Eigendynamik der MĂ€rkte bricht, die in drei Jahrzehnten Finanzglobalisierung zunehmend Desaster produziert hat. Und in welche Reformen die grĂ¶ĂŸte Energie gesteckt werden sollte. Damit am Ende kein Regelmonster herauskommt, das keiner mehr versteht und viele Möglichkeiten fĂŒr findige Finanzjongleure bietet, die Regeln (wieder) zu umgehen.
Es gilt dabei auch zu prĂŒfen, ob es nicht besser wĂ€re, ein paar wenige große Reformen anzustreben, die radikal die Logik der Finanzwelt Ă€ndern und manchen Bankspielplatz schließen – statt unkoordiniert in jedem Land zig Verordnungen zu diesem und zu jenem zu erlassen. Dann mĂŒsste sich jede neue Regel daran messen lassen, wie stark sie dazu beitrĂ€gt, das Finanzsystem viel weniger anfĂ€llig fĂŒr das Urproblem zu machen: jenen sich selbst verstĂ€rkenden Hang zu absurden Booms und anschließend entgleisenden Crahs, zu Herdentrieben und prozyklischen Übertreibungen nach oben wie nach unten und zur Konzentration von Vermögen bei wenigen.
Wie radikal sollte das Schrumpfen ausfallen? Und wÀre es sinnvoll, als Vorbild die langweilige Finanzwelt der 50er bis 70er Jahre zu nehmen, in der die Banken weniger wichtig waren und es dem Rest der Wirtschaft gar nicht so schlecht ging? Was zu klÀren voraussetzt, welche GeschÀfte sinnvoll sind und welche uns von Insidern nur kompliziert verklausuliert mit dem Argument verkauft werden, dass die Wirtschaft ohne dieses Wunderprodukt oder jenes Derivat angeblich sofort kollabiere.
Eine Menge lĂ€sst sich bei alledem aus der Geschichte lernen. Immerhin ist es nicht das erste Mal, dass die Menschheit vor der Aufgabe steht, eine geplatzte Finanzmarktillusion wieder unter Kontrolle zu bringen – und die Banken nach jahrelangen Exzessen zu schrumpfen. Das gab es schon einmal.
1. Menschliche LernschwĂ€che? – Geschichte in der Wiederholungsschleife
Es hat etwas Tröstliches oder Frustrierendes – je nachdem, wie man es betrachtet: Was die Welt seit 2007 erlebt, Ă€hnelt in Vielem auf schaurige Art dem, was vor und nach dem großen Crash 1929 passiert ist. Auch damals gab es vor dem Kollaps jahrelang atemberaubend wachsende Vermögenswerte, konnten Banken frei schalten und walten. Die GehĂ€lter in der Finanzbranche lagen dramatisch ĂŒber dem Schnitt im Rest der Wirtschaft. Bis der Crash kam, die Wirtschaft kollabierte – und Franklin D. Roosevelt ansetzte, die Banker wieder unter Kontrolle zu bringen, weil sie mehr Schaden angerichtet hatte als Nutzen zu stiften. In seiner Antrittsrede am 4. MĂ€rz 1933 wetterte er in alttestamentarischer Strenge ĂŒber die Banker, wie es inhaltlich heute auch passen wĂŒrde:
»Die Geldwechsler sind aus ihren hohen Sitzen im Tempel unserer Zivilisation geflohen. Jetzt können wir diesen Tempel wieder nach alten Wahrheiten herrichten. Diese Wiederherstellung misst sich daran, wie stark wir wieder gesellschaftliche Werte zur Geltung bringen, die nobler sind als der schiere finanzielle Profit 
 Wir brauchen Schutzmechanismen gegen die RĂŒckkehr des Bösen: Es muss eine strikte Überwachung sĂ€mtlicher BankgeschĂ€fte und Kredite geben; und Investitionen, so dass dem Spekulieren mit fremder Leute Geld ein Ende bereitet wird.«
Das Frustrierende ist, dass die Menschheit ĂŒber Generationen hinweg doch zu erschreckender Vergesslichkeit neigt, weshalb auch eine Idee wie die Ultraliberalisierung der FinanzmĂ€rkte wundersam wiederkehren kann, die kaum ein halbes Jahrhundert zuvor verheerenden Schaden angerichtet hat. Das Ergebnis hĂ€tte man wissen können.
Das Gute ist, dass man aus den Erfahrungen der 30er Jahre lernen und mindestens drei Lehren ziehen kann, wenn es darum geht, Exzesse zu beheben. Immerhin schrumpfte die aufgeblĂ€hte Finanzbranche damals anschließend ebenso spektakulĂ€r – auf ein Maß, wie es auch jetzt womöglich wieder sinnvoll wĂ€re.
Erste Lehre: Alles schon mal dagewesen
Als in den Morgenstunden des 24. Oktober 1929 an der New Yorker Börse Panik auszubrechen begann, hatten die USA eine Zeit scheinbar unbegrenzten GlĂŒcks hinter sich – und eine Entwicklung, die in vieler Hinsicht von Ă€hnlichem Ambiente und vergleichbaren Finanzexzessen geprĂ€gt war wie die vor Ausbruch der Finanzkrise 2007.
»Die Leute rissen sich um Aktien, um in den Genuss der Wertsteigerung zu kommen«, schrieb spĂ€ter John Kenneth Galbraith in seinem legendĂ€r gewordenen Buch Der große Crash 1929. Es habe kaum jemals eine Zeit gegeben, in der man schneller reich werden konnte als in den Jahren bis 1928 – dem Jahr, bevor der Einbruch kam.
Was die Euphorie der »Roaring Twenties« ursprĂŒnglich ausgelöst hat? Da spielten die Erfolge der großen Industriekonglomerate offenbar ebenso eine Rolle wie die TechnologieschĂŒbe der vorangegangenen Jahrzehnte, die zu ganz neuem Lebenskomfort gefĂŒhrt hatten – ob dank elektrischen Lichts oder der Kanalisation. Und auch manches Wundermittel aus der Finanzwelt wie die freizĂŒgige Vergabe von Krediten, um mit dem geliehenen Geld (noch mehr) Aktien kaufen zu können, so der Bonner Wirtschaftshistoriker Moritz Schularick. Und es gab jene Investmenttrusts, die aus einer Aktie gleich den Kauf der nĂ€chsten finanzierten, was nach Galbraiths Interpretation dazu fĂŒhrte, dass es am Ende kaum noch einen Zusammenhang zwischen den gehandelten Wertpapieren und den tatsĂ€chlich vorhandenen Werten gab. Stichwort: Leverage – Hebelwirkung.
Auch wenn manches im Detail anders war – im Prinzip sind die Parallelen erschreckend. Nach Berechnungen des Wirtschaftshistorikers Thomas Philippon war der Anteil des Finanzsektors am US-Bruttoinlandsprodukt in den 20er Jahren rapide hochgeschnellt – von etwas mehr als 3 auf rund 6 Prozent. Das ist vergleichbar mit der sprunghaften Entwicklung, die es seit den 1980er Jahren erneut gab.
Ähnliches gilt fĂŒr die Bezahlung von Bankmanagern – ebenfalls keine Besonderheit heutiger Zeit. Wie Philippon herausfand, lagen die durchschnittlichen GehĂ€lter von Bankern Ende der 20er Jahre zwischen 50 und mehr als 60 Prozent ĂŒber dem, was im Rest der Wirtschaft verdient wurde. Ebenfalls eine fast perfekte Parallele zu dem, was passierte, seit die Bezahlung Anfang der 90er Jahre hochzuschießen begann. Vor Ausbruch der Finanzkrise 2007 waren Banker sogar mehr als 70 Prozent besser bezahlt als der Rest.
Kein Zufall. Nach Philippons Analyse korreliert die Bezahlung mit dem Grad der Finanzmarktliberalisierung – wobei auch hier gilt, dass der Freiheitsgrad der 1920er auf atemberaubende Art vergleichbar mit dem der 1990er und 2000er Jahre war. Die Liberalisierung habe jedes Mal zu hoher KreativitĂ€t gefĂŒhrt, komplexe Finanzprodukte zu entwickeln, so Philippons ErklĂ€rung. Das zog, zusammen mit der guten Bezahlung, wiederum hochqualifizierte KrĂ€fte an. Damals wie diesmal. Was an sich ja noch nicht verboten ist und durchaus auch eine bessere Bezahlung als im Schnitt der Wirtschaft rechtfertigt. Wie Philippon berechnete, schossen die GehĂ€lter aber beide Male auch stark ĂŒber das hinaus, was durch die höhere Qualifikation angemessen gewesen und im Rest der Wirtschaft ebenfalls bezahlt worden wĂ€re. Sprich: Es gab Ende der 1920er wie in den 2000er Jahren eine zusĂ€tzliche PrĂ€mie fĂŒr Finanzleute, die sich nur durch Natur und Funktionsweise einer Branche erklĂ€ren lĂ€sst, die ihre Gewinne selbst erfĂŒllend (fast) von allein schafft.
Nach Philippons KalkĂŒl war diese PrĂ€mie vor dem Crash von 1929 auf 30 Prozent hochgeschnellt. Sprich: Etwa die HĂ€lfte der ĂŒberdurchschnittlichen Bezahlung beruhte auf keinerlei gĂ€ngig erklĂ€rbaren Faktoren. Ähnliches PhĂ€nomen wie jetzt. Bei Ausbruch der jĂŒngsten Krise waren die Banker im Schnitt um 40 Prozent zu hoch bezahlt, gemessen an dem, was man bei Ă€hnlicher Ausbildung und vergleichbarem Jobrisiko ĂŒberall sonst bekam.
Und noch eine Parallele. Heute wie damals wurde die Finanzeuphorie von enorm wachsendem GefĂ€lle zwischen Arm und Reich begleitet. Im Jahr 1929 seien »die Reichen besonders reich« gewesen, unkte Galbraith: Über 30 Prozent der Einkommen seien damals auf 5 Prozent der US-Bevölkerung konzentriert gewesen. So ein GefĂ€lle hat es danach nicht wieder gegeben – bis zur neuen Finanzglobalisierung. Geschichte in der Wiederholungsschleife.
Als die Aktienkurse im Oktober 1929 abstĂŒrzten, setzte eine atemberaubende Kettenreaktion ein – Ă€hnlich wie nach 2007. Da endlos viel Vermögen nur entstanden war, weil Investoren sich endlos Geld zum Kauf von immer noch mehr Wertpapieren geliehen hatten, ging die Spirale jetzt in umgekehrter Richtung los. Aus Leverage wurde Deleveraging. Da nĂ€hrte die Angst plötzlich die Angst. Der Crash löste neue Wellen von VerkĂ€ufen aus, was die besonders traf, die sich im Glauben an endlos steigende Werte verschuldet hatten – als erstes die Banken. Auch das eine Parallele: »Wenige Menschen verloren jemals so rapide ihr Ansehen wie die Bankleute von New York in den fĂŒnf Tagen vom 24. bis 29. Oktober 1929«, so Galbraith spĂ€ter (höchstens ahnend, dass der Rekord noch mal eingestellt werden könnte).
Im FrĂŒhjahr und Sommer 1931 brach in den USA wie in Europa eine schwere Bankenkrise aus – Zeitvergleich: Die Zuspitzung kam wie 2007/08 ein bis eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Krise. Bis dahin hatten sich die Wertverluste durch das System gefressen und immer mehr SchĂ€den hinterlassen – Prozyklik. Was damals der Bankrott von Banken wie der Wiener Creditanstalt und der deutschen Danat-Bank war, war im September 2008 die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers. Da schien das gesamte Finanzsystem zu kollabieren. Beide Male löste das eine spektakulĂ€re AbwĂ€rtsspirale aus.
Der Unterschied: In den 30er Jahren geriet diese Spirale völlig außer Kontrolle. Im Laufe des dramatischen Jahrzehnts gingen in den USA insgesamt 9 000 Kreditinstitute pleite. Bis 1932 fiel die Industrieproduktion in den USA und Deutschland um mehr als 40 Prozent. Der internationale Austausch von Waren kollabierte, auch weil die Regierungen zum Schutz ihre Importzölle drastisch erhöhten. Und die Arbeitslosigkeit erfasste bei Amerikanern wie Deutschen 1932 sage und schreibe 25 Prozent derer, die eigentlich hĂ€tten arbeiten können und wollen.
In den USA folgte nach der Bankenkrise 1931 eine fatale Deflation – mit krisenbedingt immer neuen PreisnachlĂ€ssen, die zu noch mal sinkenden Löhnen fĂŒhrten, was die Krise weiter verstĂ€rkte, weil niemand bereit war, mehr auszugeben. Und als 1936/37 das Schlimmste ĂŒberwunden zu sein schien, folgte der nĂ€chste RĂŒckschlag. So richtig endete die Depression in den USA erst mit Eintritt in den Zweiten Weltkrieg. Die Kriegswirtschaft brachte erstmals nach einem schlimmen Jahrzehnt wieder so viele Leute in Arbeit, dass die Quote wieder unter 10 Prozent sank.
Bizarr: In den 30er Jahren stieg das relative Gewicht der entzauberten Bankenbranche erst noch weiter, was daran lag, dass der Rest der Wirtschaft noch schneller schrumpfte als die Finanzindustrie. Der Trend ging dennoch bereits abwĂ€rts. SpĂ€testens als Roosevelt im MĂ€rz 1933 eine regelrechte Zeitenwende einleitete – und das Ende des Experiments.
Damals hĂ€tte sicher kein Politiker und Wirtschaftsexperte darauf gewettet, dass es ein paar Jahrzehnte spĂ€ter wieder Politiker und Wirtschaftsexperten geben wĂŒrde, die viele Regeln und Gesetze fĂŒr Banken abermals rĂŒckgĂ€ngig machen und – als wĂ€re nichts gewesen – auf die große Weisheit von Finanzjongleuren setzen wĂŒrden, deren brutale Entzauberung nach dem 24. Oktober 1929 viele Jahre Massenelend und Dramen mit sich gebracht hatte.
Das Positive ist: Die Krisenmechanismen von 1929 und 2007 scheinen sich bei allen Unterschieden stark zu Ă€hneln – und die Frage ist, ob nicht jene Rezepte erneut helfen könnten, mit denen die Welt nach den 30er Jahren wieder in einen Zustand zurĂŒckfand, in dem Banken ganz normale Wesen ohne Sonderstatus und Boni waren und die Wirtschaft offenbar trotzdem blĂŒhte, vielleicht auch: gerade deshalb.
Zweite Lehre: Bankenirrwitz ist kein Schicksal
Es mag schwer fallen, sich eine Welt ohne große Banken vorzustellen – nach drei Jahrzehnten, in denen wir fast tĂ€glich die große Wichtigkeit und (Narren-)Freiheit von Finanzakteuren zu spĂŒren bekamen, in denen uns die Börsenkurse vor den Abendnachrichten zelebriert wurden, in denen es bei Banken die schönsten EmpfĂ€nge in den höchsten Chefetagen gab und der Chef der Deutschen Bank (und nicht etwa der von Obi) selbstverstĂ€ndlich zu den engsten Vertrauten der Bundeskanzlerin zĂ€hlte, wenn es um wirtschaftliche Probleme geht. Umso faszinierender ist, was in den zehn bis 15 Jahren nach dem Crash 1929 passierte. Auch damals muss es den Beteiligten erstmal schwergefallen sein, sich eine Welt ohne hochbezahlte und großspurig auftretende Banker vorzustellen. Und doch kam irgendwann ein Bruch, der die nĂ€chsten Jahrzehnte bestimmen sollte.
Nach dem Börsendesaster von 1929 dauerte es noch eine Weile, bis die Illusionen manches Bankers verflogen waren, wonach sich die Dinge schon wieder irgendwie einrenken wĂŒrden. ZunĂ€chst nahm auch der Abstand der BankergehĂ€lter irrwitzigerweise noch einmal zu – was, wie erwĂ€hnt, vor allem daran lag, dass die Löhne im Rest der Wirtschaft noch schneller sanken. Die Illusion schwand mit der Bankenkrise von 1931. Da wurde selbst denen bange, die vorher gepredigt hatten, so eine Krise mĂŒsse man halt aushalten. Und da gewannen jene an Gewicht, die das Bankgewerbe ordentlich schrumpfen wollten.
Was nach der Krise folgte, gehört mit Sicherheit zu den atemberaubendsten StrukturbrĂŒchen der Wirtschaftsgeschichte. Wie gesehen, ließ sich die US-Finanzbranche ihr Wirken am Ende der unbeschwerten 20er Jahre rund 6 Prozent der gesamten US-Wirtschaftsleistung kosten.1 Der Einbruch, der dann folgte, war noch spektakulĂ€rer als der Aufstieg. Bis Ende der 30er Jahre war die Bankerbranche so viel stĂ€rker geschrumpft als der Rest der US-Wirtschaft, dass der Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt nur noch bei 4 Prozent lag. Kurz nach Kriegsende waren es sogar nur noch 2,5 Prozent – weniger als zu Beginn der Boomphase nach dem Ersten Weltkrieg.
Geschrumpft wurden da auch die BankgehĂ€lter. In der zweiten HĂ€lfte der 30er Jahre begann die Bezahlung von FinanzbeschĂ€ftigten in den USA dramatisch zu sinken.2 Lagen die GehĂ€lter noch 1933 mehr als 60 Prozent höher als im Rest der Wirtschaft, waren es 1941 nur noch 40 Prozent. Bis Ende der 50er Jahre setzte sich der Trend fort, bis schließlich aller Bonus weg war und ein Banker im Schnitt kaum noch besser bezahlt wurde als andere Menschen. Und das sollte fĂŒr weitere zwei Jahrzehnte etwa so bleiben – bis ziemlich genau 1982, also dem Jahr, in dem Ronald Reagan die große Finanzmarktreform anschob.
Als die Banker noch bescheiden waren
Um wieviel die GehĂ€lter in der Finanzindustrie ĂŒber dem Schnitt der Wirtschaft liegen, in %
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Quelle: Philippon
LĂ€sst sich die Erfahrung aus der Zeit nach 1933 wiederholen und der Bankensektor auf Ă€hnlichem Wege diesmal erneut schrumpfen? Um das beantworten zu können, ist es nötig, genauer hinzusehen und auszumachen, was genau damals zum Schrumpfen fĂŒhrte. Einen Teil hat dazu beigetragen, dass die Banken in den Jahren bis 1933 ziemlich brutal fallen gelassen wurden, es eine regelrechte Pleitewelle gab, die sowohl auf das Volumen der BankgeschĂ€fte als auch auf die Bezahlung dĂ€mpfend wirkte. Das taugt als Rezept nur sehr bedingt. Denn: Diese Bereinigung sei damals viel zu schnell und zu brutal vonstatten gegangen, sagt Philippon. Was zur Großen Depression stark beitrug. Nicht zu Unrecht ziehen heutige Krisenmanager daraus ja den Schluss, Banken erstmal zu stabilisieren.
Einen zweiten Beitrag zum beschleunigten Bankenschrumpfen leistete damals de facto der Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg. Die Kriegswirtschaft nÀhrte vor allem die Industrie. Das Wirtschaftsgeschehen hing an...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckel
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Einleitung: Abschied aus dem Geldparadies
  6. Erster Teil
  7. Zweiter Teil
  8. Schluss: Eine kleine Utopie – von Bankfurt zu Solarfurt
  9. Literatur