ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
2004: Juliane sitzt beim Esstisch und löffelt Suppe, desgleichen ihr gegenüber ein junges Ehepaar, Tochter und Schwiegersohn, im Hintergrund laufen ein acht- und ein siebenjähriges Mädchen herum, spielen, beschäftigen sich. Vorne an der rechten Seite der Bühne ein kleiner Schreibtisch, Utensilien und das Foto eines älteren Mannes in einem schwarzen Rahmen.
Allmählich wird die Bühne dunkel. Und nach kurzer Zeit wieder hell. Jetzt steht Juliane mit dem Rücken zu den Zuschauern bei einem Fenster. Die anderen Personen haben die Bühne wieder verlassen. Im Vordergrund steht Herzog mit einer roten Rose in der Hand. Juliane dreht sich um und lächelt ihn an.
JULIANE:
Was für eine Ehre
Mittags der Anruf
Und jetzt schon hier?
Und diese gelbe Rose
Ist für mich?
HERZOG:
Geh Juli, die Rose ist nicht gelb.
JULIANE:
Juli! Wie lange ist es her
Dass ich den Namen hörte
Ich liebe gelbe Rosen
Und gleich ein ganzer Strauß!
Nimmt ihm die rote Rose weg, steckt sie in eine Vase, die auf dem Schreibtisch vor dem Bild ihres Mannes steht, ohne Wasser dazuzugeben.
HERZOG | in Julis Gesicht starrend: |
Damals mochtest du
Bloß eine rote Rose.
JULIANE:
Noch immer dein schüchtern-verwegener Blick!
Was führt dich zu mir?
HERZOG:
Ich will dich!
JULIANE:
Du willst mich? Und wann?
HERZOG:
Frag doch nicht so!
Er beginnt sie zu umkreisen und umkreist sie.
Ich kam zurück aus dieser Sartrestadt
Mit einem Lebenshunger und ich hatte
Glück und Glück und Glück
Der Vormund starb, ich kam ans Erbe
Und lebte mich hinein ins eigne Leben
Die Frauen mochten mich.
JULIANE:
Ich weiß.
HERZOG:
Vor allem, wenn sie mir was Neues
Was Eignes zeigten und mich nahmen
Heraus aus meinem Leben in ihr Leben
Wie einst die reizende Julie.
JULIANE:
Sag nicht Julie zu mir.
HERZOG:
Wie heißen deine Kinder?
JULIANE:
Juliette und Joseph.
HERZOG:
Was ich auch erlebte
In welchen Gluten ich mich wälzte
Dich vergaß ich nie.
Du bist die Existenz der Liebe.
Ich lieb dich nach wie vor und abermals.
JULIANE:
Die Enkerln sind Elvira
Und Anuschka. Du willst
Eine Großmutter verführen?
HERZOG:
Von einst nach einst. Mir steigt
Mein Sinn, und jetzt verblassen
Die Frauen ganz und gar
An deinem Augenlicht.
Bleibt stehen. Zeigt auf das Bild.
Liebtest du deinen Otti?
JULIANE:
Halb.
HERZOG:
Die andere Hälfte?
JULIANE:
Du weißt es.
HERZOG:
Mich halb?
JULIANE:
Dich immer ganz.
Juli, mein Leben, verlass mich nie mehr.
JULIANE | über die Schulter auf die Rose blickend: |
Rot ist sie wieder geworden.
Verwandlung.
ZWEITE SZENE
In Herzogs Wohnung wie zu Beginn. Konstantin sitzt auf dem Sofa, Herzog geht im Zimmer hin und her.
KONSTANTIN:
Was hast du jetzt wieder getan
Wohin bist du jetzt wieder entflohn
Konnt sie dir mit Liebe drohn?
Bleib doch einmal dran!
HERZOG:
Während wir uns küssen Mund und Ohren
Tritt Fremdheit ein und applaudiert
Im Beifall der Vereinigung gehen wir verloren
Verneigung. Und das Glück wächst unbeirrt.
Du hast es schon wieder vertan
Deine Sinne sind ohne Geduld
Am End sind die Weiber dann schuld
Bleib doch einmal dran!
HERZOG:
Was soll ich sagen, Konstantin
Nichts von Existenz und Freiheit
Sartre ein toter Hund
Aus ihren Augen schimmerte
Angst, Konstantin, Angst.
KONSTANTIN:
Angst vor dir?
L...