Die Dynamik ökologischer Märkte
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Die Dynamik ökologischer Märkte

Eine feldanalytische Betrachtung des Marktes für Bio-Molkereiprodukte

  1. 468 Seiten
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Die Dynamik ökologischer Märkte

Eine feldanalytische Betrachtung des Marktes für Bio-Molkereiprodukte

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Über dieses Buch

Ökologische Märkte, d.h. Märkte auf denen 'umweltfreundliche' Güter gehandelt werden, gelten bei Politikern, Unternehmern und Umweltaktivisten gleichermaßen als Hoffnungsträger. Lisa Suckert entschlüsselt in ihrer wirtschaftssoziologischen Studie die paradoxe Dynamik, die die gegenwärtige Entwicklung prägt: Denn während ökologische Märkte auf ökonomisches Wachstum zielen und sich öffnen, ist ihre Existenz gleichzeitig an die Bewahrung ökologischer Authentizität und damit an eine verstärkte Abgrenzung geknüpft. Am Beispiel des Marktes für Bio-Molkereiprodukte, dessen Herausbildung von den 1980er-Jahren bis in die Gegenwart rekonstruiert wird, gelingt es der Autorin zentrale Funktionslogiken herauszuarbeiten. Es wird deutlich, dass die paradoxe Dynamik der simultanen Öffnung und Schließung erst durch das historische Ineinandergreifen von sich wandelnden Machtpositionen, neu etablierten Konsekrationsinstanzen, ambivalenten Akteursstrategien und einer sukzessiven Umdeutung dessen, was auf dem Markt Wert besitzt, ermöglicht wurde. Der feldanalytische Fokus auf Macht, Ambivalenz und Diskurse erlaubt völlig neuartige Einblicke in die Funktionsweise ökologischer Märkte sowie eine kritische AuseinanderSetzung mit dem Phänomen selbst. Mit der fruchtbaren Erweiterung der Bourdieu'schen Feldtheorie durch Konzepte der Economie des Conventions sowie einem innovativen Forschungsdesign, das Märkte durch korrespondenz- und diskursanalytische Instrumente als Felder greifbar macht, leistet die Untersuchung einen wesentlichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Marktsoziologie.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783744508759

1 Ökologische Märkte

Jeder Konstruktion, ob physisch oder gedanklich, sollte ein vernünftiges Fundament zugrunde liegen. Der Aufgabe des Fundaments nimmt sich dieses erste Kapitel an, indem es eine schrittweise Näherung an den Untersuchungsgegenstand vollzieht und den Ausgangspunkt für die weitere Analyse entwickelt. Die Annäherung erfolgt dabei in drei Stufen: Zunächst erfolgt eine begriffliche Näherung, um einzugrenzen, was im Einzelnen unter „ökologischer Markt“ verstanden werden soll. Im Rahmen der begrifflichen Näherung werden auch Desiderate der bisherigen Forschung zu „Umweltschutzmärkten“ kenntlich gemacht und aufgezeigt, wo die vorliegende Studie ansetzt. Dem schließt sich eine Darstellung des politischen Kontexts an, in dem ökologisches Markthandeln stattfindet. Ausgehend von einem tiefgreifenden umweltpolitischen Paradigmenwechsel wird aufgezeigt, wie eine „Ökologisierung der Märkte“ (oder respektive eine „Vermarktlichung von Ökologie“) zum erklärten globalen Förderziel wurde. Der letzte Abschnitt stellt schließlich den Versuch dar, dem Phänomen ökologischer Märkte näher zu kommen, indem ein Blick aus größerer Entfernung gewagt wird: Ökologische Märkte werden als spezifische Form moralisierter Märkte betrachtet. Auf der stärker abstrahierten Ebene wird umso klarer erkennbar, was ökologische Märkte von konventionellen Märkten unterscheidet und welche Aspekte für die weitere Untersuchung besonders zu berücksichtigen sind.

1.1 Eine begriffliche Näherung

Ein Ziel dieser Studie ist es zu zeigen, wie ausgehandelt wird, was gemeinhin als „ökologisches“ Produkt gilt oder gelten darf. Es soll nachvollzogen werden, wie auf Basis dieser Aushandlungsprozesse und den resultierenden Produktdefinitionen ein eigenständiger Markt entsteht, zu dem sich unterschiedliche Akteure als zugehörig betrachten und betrachtet werden. Ein wesentlicher Beitrag liegt somit darin, aufzuzeigen, wie sich der Markt selbst definiert und konstituiert. Vor diesem Hintergrund scheint eine vorweggenommene, von außen herangetragene Definition ökologischer Märkte kontraproduktiv. Sie birgt die Gefahr, den Blick von vornherein unzulässig einzuengen und das Ergebnis somit zu verfälschen.
Um das Phänomen ökologischer Märkte in diesem einleitenden Kapitel greifbar zu machen, seine Bedeutung, Entwicklung und Besonderheiten aufzuzeigen und letztendlich einen ökologischen Markt für die weitere Analyse auswählen zu können, scheint es dennoch angebracht, zu konkretisieren, was im Folgenden unter dem Begriff „ökologischer Markt“ zu verstehen ist. Es soll ausdrücklich keine Definition geboten werden, sondern lediglich eine vorsichtige begriffliche Näherung erfolgen. Indem unterschiedliche Typen von ökologischen Märkten gegenüber gestellt werden, lässt sich das Untersuchungsinteresse klarer eingrenzen.
Der Begriff „Ökologie“ bezeichnet ursprünglich die Lehre vom Naturhaushalt4, d.h. die Wissenschaft, die sich mit den Wechselbeziehungen von Lebewesen und unbelebter Natur befasst (Bahadir, 2000: S. 835). Im umgangssprachlichen und populärwissenschaftlichen Gebrauch handelt es sich jedoch um einen unscharfen Sammelbegriff, der sich auf den Zusammenhang Mensch-Umwelt und insbesondere den Bereich Umweltschutz bezieht. Im Rahmen dieser Studie soll „ökologisch“ im Sinne von „an Umweltschutzzielen ausgerichtet“ verstanden werden. Ökologische Güter sind demnach Güter, denen zugeschrieben wird, dass sie zum langfristigen Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen beitragen oder bereits entstandene Schäden durch menschliche Eingriffe beseitigen (Bahadir, 2000: S. 1222).5 Als „ökologischer Markt“ kann demnach im Allgemeinen das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage hinsichtlich eines ökologischen Gutes verstanden werden.6
Es zeigt sich jedoch, dass wenn in Forschung7 und Praxis die Rede von ökologischen Märkten, Umweltschutzmärkten oder grünen Märkten ist, oft sehr unterschiedliche Phänomene gemeint sind. Selten explizit, meist implizit und oft wenig stringent wird die dargelegte, allgemeine Definition weiter zugeschnitten. Ausgehend von den unterschiedlichen Begrifflichkeiten der, vor allem seit den 1990er Jahren vorangetriebenen, Forschung zu Umweltschutzmärkten erfolgt an dieser Stelle eine Typisierung ökologischer Märkte anhand dreier Dimensionen, die sich auf die gehandelte Güterart beziehen. Tabelle 1.1 zeigt die verschiedenen Typen im Überblick und gibt jeweils Beispiele an.
Tabelle 1.1: Kategorisierung von Umweltschutzgütern
Umweltschutzgüter i.e.S.Umweltschutzgüter i.w.S.
ProduktionsgutKonsumgut
ProduktFilter, Messanlage für Schadstoffe, KatalysatorenWärmepumpe, energiesparende ProduktionsanlageNaturlack, Bio-Fleisch, Naturkosmetik
DienstleistungUmweltsimulation, Risikoplanung, UmweltschulungCSR-Beratung, umweltfreundliche Logistik, Product-SharingCar-Sharing, Energieberatung, ökologischer Reise anbieter
Eine Unterscheidung, die in Bezug auf ökologische Güter häufig angewandt wird, ist die Unterscheidung von materiellen Gütern, also Produkten, und immateriellen Gütern, d.h. Dienstleistungen (vgl. Rave, 2002). Dienstleistungen kommt im Umweltbereich steigende Beachtung zu (vgl. Rave, 2002; Guggenheim, 2005; Hirschl, 2009; Sonnenschein, 2001; Sprenger u.a., 1994). Materielle Güter werden vermehrt und sehr gezielt durch Dienstleistungen substituiert. Die Bedürfnisbefriedigung soll vom Produkt entkoppelt und (materielle) Ressourcen eingespart werden. Ein und dasselbe Bedürfnis (Mobilität) kann sowohl durch Produkte (umweltfreundliches Auto) also auch durch funktional äquivalente Dienstleistung (Car-Sharing, Car-Pooling) befriedigt werden.
Als weitere Dimension lässt sich eine Unterscheidung in Umweltschutzgüter im engeren Sinne und im weiteren Sinne ableiten.8 Umweltschutzgüter i.e.S. zielen primär auf den Umweltschutz, wie beispielsweise Filter- oder Wasseraufbereitungsanlagen. Sie werden oft unter dem Schlagwort Umwelttechnologien oder Umweltindustrie zusammengefasst. Im Gegensatz dazu können unter Umweltschutzgüter i.w.S. Güter verstanden werden, die eigentlich einen anderen Primärnutzen haben und bei denen der Umweltschutzaspekt nur nachgeordnet ist. Dies ist z.B. bei energiesparenden Produktionsanlagen der Fall, gilt aber in der Regel auch für alle Konsumgüter, die mit Umweltschutz in Verbindung gebracht werden können, wie beispielsweise Umweltpapier oder Öko-Textilien.
Die in der Ökonomik weit verbreitete Unterscheidung zwischen Konsum- und Produktionsgütern ist in der Tat auch für den Bereich ökologische Märkte zielführend. Konsumgüter dienen der unmittelbaren Befriedigung von menschlichen Bedürfnissen und werden meist privat konsumiert, wie z.B. Milch, Kosmetik, aber auch Autos oder Haushaltsgeräte. Produktionsgüter, wie beispielweise Rohstoffe, Maschinen oder Werkzeuge, werden in Produktionsprozessen eingesetzt und dienen der Herstellung von Konsumgütern (Schierenbeck, 2008: S. 4). Die Unterscheidung zwischen Konsum- und Produktionsgütermärkten lässt sich durch die unterschiedliche Natur der Tausch- und Entscheidungsprozesse begründen.9 Während ökologische Produktionsgüter Umweltschutzgüter im engeren oder weiteren Sinne sein können, haben Konsumgüter meist einen anderen Primärnutzen.
Die bisherige Forschung zu Umweltschutzmärkten hat einen klaren Fokus auf Produktionsgüter und Umweltschutzgüter i.e.S, wenngleich dies in kaum einer Studie explizit benannt wird. Die Existenz und zunehmende Relevanz ökologischer Konsumgüter wird meist hervorgehoben, in den eigentlichen Studien finden selbige jedoch nur randständig Erwähnung (vgl. z.B. Sprenger u.a., 1994: S. 63ff). Bei genauerer Betrachtung dieser Studien lässt sich die oft implizite Verengung des Blickfeldes darauf zurückführen, dass gerade im Bereich der Konsumgüter eine Definition von „ökologischem Mehrwert“ sehr schwer fällt. Scheinbar objektive Bewertungen, wie Schadstoffausstoß oder Energiebilanzen, die oft auf Produktionsgüter angewandt werden, lassen sich bei Konsumgütern nur schwer nachvollziehen. Was macht Zahnpasta zu umweltfreundlicher Zahnpasta? Wie definiert sich der ökologische Mehrwert von Heftumschlägen aus chlorfreigebleichtem Papier? Die Studien zur Umweltmarktforschung kämpfen sichtlich damit, festzulegen, welche Konsumgüter als ökologisch oder umweltorientiert gewertet werden können und welche nicht (Lemke, 2000: S. 33f). Was in der öffentlichen Diskussion als „ökologisch korrektes“ Produkt gewertet wird, bemisst sich offensichtlich nach kaum generalisierbaren Maßstäben.
Aus eben diesem Grund ist der hier verfolgte Ansatz, d.h. zu betrachten, wie sich ökologische Märkte aus sich selbst heraus definieren, für den Bereich Konsumgüter erfolgsversprechend. Er erlaubt es, ökologische Konsumgüter zu analysieren, ohne sich dabei in den Widersprüchen einer scheinbar objektiven ex ante Definition verstricken zu müssen. Indem „ökologischer Mehrwert“ gezielt als soziales Konstrukt verstanden wird, können ökologische Konsumgütermärkte greifbar gemacht werden und auf ihre Besonderheiten hin untersucht werden. Der vorliegenden Studie kann es somit gelingen, eine breite Forschungslücke zumindest ansatzweise zu schließen.
Aber handelt es sich tatsächlich um eine Forschungslücke? Findet Forschung zu ökologischen Konsumgütermärkten nicht einfach unter einem anderen Label, jenseits der „Umweltmarktforschung“ statt? Wie sich entlang der vorliegenden Studie zeigen wird, besteht in der Tat eine gewisse Forschungstradition, die sich mit verschiedenen ökologischen Märkten und nicht zuletzt mit Märkten für Bio-Lebensmittel auseinandersetzt. Diese Untersuchungen begrenzen sich jedoch meist darauf, zu beschreiben, wie sich die Lage eines bestimmten ökologischen Konsumgütermarktes darstellt. Dabei wird der jeweilige Markt jedoch, anders als in der Umweltschutzmarktforschung und anders als in der vorliegenden Studie, nicht dezidiert als „ökologischer“ Markt betrachtet. Besonderheiten, die mit dieser spezifischen Ausrichtung einhergehen, können so weder empirisch noch theoretisch gefasst werden. Einige der wenigen wirtschaftswissenschaftlichen Arbeiten, die sich (auch) mit Märkten für umweltfreundliche Konsumgüter befassen und dabei dezidiert versuchen, die Besonderheiten ökologischer Märkte herauszuarbeiten, werden in Abschnitt 2.1 vorgestellt.
Ökologische Märkte, lässt sich abschließend festhalten, sollen im Folgenden als Märkte verstanden werden, auf denen ökologische Konsumgüter gehandelt werden. Diese Güter dienen zwar in erster Linie der Befriedigung anderer Bedürfnisse (z.B. Ernährung, Bekleidung usw.), ihnen wird jedoch auch die Fähigkeit zugesprochen, die Umwelt in gewisser Weise zu schonen. Was dezidiert unter „die Umwelt schonen“ zu verstehen ist, durch welche sozialen Konstruktionsprozesse und Machtkämpfe diese spezifische kognitive Rahmung entsteht, ist nicht zuletzt Gegenstand dieser Studie.

1.2 Politischer Rahmen: Umweltpolitik als Ökologische Modernisierung

Der folgende Abschnitt greift den Wandel der deutschen Umweltpolitik in den letzten 40 Jahren auf. Der historische Hintergrund, vor dem sich ökologische Märkte im oben beschriebenen Sinne sukzessive entwickelt haben, soll so nachgezeichnet werden. Dabei wird davon ausgegangen, dass nationale und internationale politische Akteure, deren Politikverständnis, inhaltlichen Agenden und Förderinstrumente immer in einem Wechselverhältnis zu breiteren gesellschaftlichen Dynamiken stehen. Auch im Umweltbereich lässt sich nicht klar bestimmen, ob politisches Handeln eher als Ursache oder Folge von gesteigertem Umweltbewusstsein, nachhaltigem Wirtschaften oder ökologisch motiviertem Konsum zu verstehen ist. Der globale umweltpolitische Wandel, der im Folgenden dargestellt wird, fungiert in jedem Fall jedoch als wichtiger Kontext für die zunehmende Ausbreitung ökologischer Märkte.

1.2.1 Deutsche Umweltpolitik im Umbruch

Umweltthemen stellen in Deutschland noch ein eher junges Politikfeld dar.10 Bis auf vereinzelte Gesetze, die die Verschmutzung von Wasser oder Luft tangierten, wurden ökologische Fragen bis Anfang der 1970er Jahre nicht systematisch von der Politik behandelt. Erst im Zuge eines um sich greifenden Umweltbewusstseins wurden Umweltbelange auch auf die politische Agenda gesetzt. Einen Meilenstein stellte das 1971 von der sozial-liberalen Koalition verabschiedete „Umweltprogramm“ dar. Umweltschutz wurde darin erstmals als gesellschaftliches Ziel und als eigenständiges Politikfeld deklariert (Alber, 2000: S. 86f). In der Folge wurden wichtige politische Institutionen wie der Sachverständigenrat für Umweltfragen (1971) oder das Umweltbundesamt (1974) gegründet.
Diese erste politische Euphorie ebbte jedoch bald ab. Kalter Krieg, Rezession und Ölkrise trugen dazu bei, dass Umweltschutz zunehmend als Kostenfaktor abgetan wurde, der ein etwaiges Wirtschaftswachstum zu bremsen drohte (Kösters, 2002: S. 14f). Während die staatliche Umweltpolitik unter den Regierungen Schmidt (SPD) und Kohl (CDU) stagnierte, entstand eine breite außerparlamentarische Umweltbewegung, die im Nachhinein gar als „ökologische Revolution“ (Radkau, 2011: S. 124; Uekötter, 2011: S. 101) beschrieben wurde. Entlang populärer Themen wie Atomenergie, Waldsterben und chemischer Verseuchung organisierte sich in den 1970er und 1980er Jahren eine Vielzahl lokaler Bürgerinitiativen und Umweltaktionen, die ökologische Sorgen außerhalb des politischen Systems aufgriffen. Auch wichtige NGOs und Institutionen, die die deutsche Umweltszene heute noch prägen, wurden in dieser Zeit gegründet: der BUND – Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (1975), Greenpeace (1980), Robin Wood (1982) oder ÖkoTest (1985) (Uekötter, 2011: S. 112ff). Aus der Umweltbewegung ging schließlich die Partei „Die Grünen“ hervor, die sich auf Umweltfragen fokussierte und 1983 erstmals in den Bundestag einzog.
Eine wirkliche staatliche Reaktion auf die erstarkende außerparlamentarische Bewegung erfolgte jedoch erst 1986, in Folge des Reaktorunglücks im ukrainischen Tschernobyl. Um eine zentrale Anlaufstelle für Umweltfragen zu schaffen, wurde erstmals ein Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit eingerichtet. Zudem wurden umfassende Leitlinien der Umweltvorsorge erarbeitet, die zukünftige Umweltzerstörung präventiv verhindern sollten und Umweltschutztechnologien als wesentlichen Lösungsbeitrag hervorhoben. Im Zuge dessen entstanden auch erste – oft staatlich dominierte – Märkte für Umweltschutzgüter im engeren Sinne (s.o.). Diese nährten den Glauben, dass Umweltschutz mit positiven ökonomischen Wachstumseffekten vereinbar sei. Auch dieser zweite umweltpolitische Schub ließ jedoch mit den Wirren der Wiedervereinigung (1989/90) und der nachfolgenden Krise bald nach. Umweltthemen wurden den wirtschaftlichen Interessen wieder klar untergeordnet, umweltpolitische Strategien und Instrumente kaum weiterentwickelt (Alber, 2000: S. 93f).
Erst als 1998 die Regierung Schröder (SPD) mit der erstmaligen Regierungsbeteiligung der Grünen an die Macht kam, nahm die staatliche Umweltpolitik wieder Fahrt auf. Unter Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) wurde ein Paradigmenwechsel in der Umweltpolitik eingeleitet, der weitestge...

Inhaltsverzeichnis

  1. Danksagung
  2. Vorwort
  3. Inhaltsverzeichnis
  4. Einleitung
  5. 1 Ökologische Märkte1.1 Eine begriffliche Näherung
  6. 2 Theorie des Marktes: Ökonomische und soziologische Zugänge
  7. 3 Macht, Kampf und Wertigkeit: Eine feldanalytische Perspektive auf die Funktionsweise von Märkten
  8. 4 Die Analyse ökologischer Märkte: feldtheoretischer Rahmen und feldanalytisches Forschungsdesign
  9. 5 Der Markt für ökologische Molkereiprodukte 1985–2011
  10. 6 Die Peripherie des Marktes: Erzeuger, Handel, Konsumenten
  11. 7 Der Kern des Marktes: Das Feld der Bio-Molkereien
  12. 8 Die Ambivalenz des Bio-Marktes als Wechselspiel zweier Ökonomien
  13. 9 Bio-Molkereien als diskursive Konstrukteure: Die Genese ökologischer Produktqualität
  14. 10 Zusammenschau: Empirische und theoretische Implikationen
  15. Literatur
  16. Anhang
  17. Weitere Informationen
  18. Impressum