1 Einleitung
Kultur wird in Deutschland jährlich in Milliardenhöhe subventioniert. Wie aus dem zuletzt im Jahr 2014 erschienenen Kulturfinanzbericht hervorgeht, lagen die öffentlichen Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden 2012 bei 9,50 Milliarden Euro.1 Rechnet man die sogenannten kulturnahen Bereiche hinzu, zu denen auch Rundfunk- und Fernsehanstalten gehören, erhöht sich die Summe auf 11,80 Milliarden Euro.2 Über ein Drittel der Kulturausgaben und damit den größten Anteil erhielt 2012 mit 3,37 Milliarden Euro die Sparte Theater und Musik.3
Dagegen sind die Mittel, die jährlich in die Filmförderung fließen, eher gering. 2012 betrugen sie 343,54 Millionen Euro.4 Dies ist rund ein Zehntel der Ausgaben für Theater und Musik in demselben Jahr.
Dass die Fördermittel für Film vergleichsweise niedrig ausfallen, liegt an dessen Doppelcharakter: Film gilt nicht nur als reines Kultur-, sondern auch als Wirtschaftsgut. Wie Film wahrgenommen wird, hängt von den Umständen sowie vom Betrachter ab: Als eigenständige Kunstgattung ist Film klar als Kulturgut typisiert. Allerdings gibt es auch Gründe, Film als Wirtschaftsgut zu betrachten, allen voran die Möglichkeit der Refinanzierung. Film hat zudem einen gewissen Warencharakter, der sich unter anderem darin äußert, dass mit Filmrechten gehandelt wird. Darüber hinaus ist Film ein Produkt, an dessen Herstellung eine Vielzahl spezialisierter Unternehmen beteiligt sind, weshalb man Filmförderung unter anderem auch als eine Branchenförderung verstehen kann.
Dementsprechend fungiert die Filmförderung gleichzeitig als Kultur- und Wirtschaftsförderung. Der stark ausgeprägte wirtschaftliche Aspekt des Films ist als Grund dafür zu nennen, dass sich die Filmförderung nicht nur im Umfang, sondern auch in ihren Modalitäten von anderen staatlichen Kulturförderungen unterscheidet. Bei den Filmfördermitteln handelt es sich nicht ausschließlich um öffentliche Gelder; die Filmförderungsanstalt (FFA) finanziert sich aus Abgaben der Filmwirtschaft und in die Fördertöpfe einzelner Länderförderinstitutionen zahlen neben der öffentlichen Hand gleichfalls privatwirtschaftliche Unternehmen ein. Hier besteht eine Differenz zu subventionierten Kultursparten wie beispielsweise dem Theater, das sich primär aus öffentlichen Mitteln finanziert.
Ebenso gibt es hinsichtlich der Rückzahlung einen Unterschied: Während die Kulturausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden Subventionen sind, die nicht zurückgezahlt werden müssen, werden die Filmfördermittel sowohl als Zuschuss als auch als erfolgsbedingt rückzahlbares Darlehen ausgereicht. Bei Zuschüssen besteht keine Rückzahlungsverpflichtung, erfolgsbedingt rückzahlbare Darlehen müssen dagegen im Erfolgsfall (beispielweise bei Veräußerung von Filmrechten oder ab einem bestimmten Einspielergebnis) getilgt werden.
1.1 Das Dilemma der Filmförderung
Der duale Charakter des Films (Film als Kultur- und Wirtschaftsgut), der ein Pendant in der Filmförderung findet (Filmförderung als Kultur- und Wirtschaftsförderung), führt zu einer paradoxen Situation: Einerseits kann man in der Möglichkeit, den Film als Wirtschaftsgut zu deklarieren, den Grund dafür ausmachen, dass der Filmförderung im Vergleich zu anderen öffentlich subventionierten Kultursparten relativ geringe Mittel zur Verfügung gestellt werden. Andererseits bedarf der Kulturförderaspekt der Filmförderung zunehmend einer Legitimation durch wirtschaftliche Kriterien. Diese Tendenz tritt beim Film deutlicher zutage als in anderen Kulturbereichen und hat die Konsequenz, dass die Filmförderung in ihrer Rolle als Wirtschaftsförderung prägnanter und effektiver auftreten kann, als im Gewand der Kulturförderung. Die Gefahr, die dieser Entwicklung innewohnt, liegt auf der Hand: Die wirtschaftliche Seite der Filmförderung droht die kulturelle Seite zu marginalisieren und könnte im Extremfall dazu führen, diese vollends zu verdrängen.
Die ökonomischen Effekte der Filmherstellung können genau beziffert werden. In der zuletzt im Jahr 2015 erschienenen Studie der Initiative Kultur- und Kreativwirtschaft der Bundesregierung wird der volkswirtschaftliche Anteil der Filmwirtschaft belegt.5 Diese erzielte demnach im Jahr 2014 einen Umsatz von 9,28 Milliarden Euro und hatte damit einen Anteil am Gesamtumsatz der Kultur- und Kreativwirtschaft von 6,34 Prozent. In absoluten Beträgen ausgedrückt lag dieser 2014 bei rund 146 Milliarden Euro. Wenn man diesen Betrag in Relation zu anderen Wirtschaftsbereichen setzt, dann hat die Kultur- und Kreativwirtschaft 2014 im Hinblick auf ihrem Umsatz einen Anteil von 2,39 Prozent an der Gesamtwirtschaft. Auch wenn dieser Prozentsatz auf den ersten Blick gering erscheint, ist er dies nicht. Die Bruttowertschöpfung der Kultur- und Kreativwirtschaft befindet sich im Vergleich zu anderen großen Industriesektoren im Mittelfeld (sie ist beispielsweise höher als in der chemischen Industrie und bei Energieversorgern, aber geringer als im Maschinenbau und der Automobilbranche).6
Die Studie zur Kultur- und Kreativwirtschaft liefert wichtige Erkenntnisse für die Filmbranche, zur Legitimation von Filmförderung eignet sie sich jedoch nicht. Denn dies kommt einer »Ökonomisierung von Kultur«7 gleich, welche sich auch in anderer Hinsicht ausdrückt:
Die Tendenz, den Erfolg der Kultur an ökonomischen Parametern zu messen, begann in den siebziger Jahren, erfährt gegenwärtig aber eine entscheidende Zuspitzung. In den siebziger Jahren bahnte sich die Ökonomisierung der Kultur darin an, dass Besucherzahlen zum Kriterium einer scheinbaren Rentabilität gemacht wurden.8
Walter Grasskamp schreibt in Kunst und Geld, dass Kultur sich nicht betriebswirtschaftlich darstellen ließe. Sie sei, wenn überhaupt, eine Angelegenheit der Volkswirtschaft und erfordere daher einen ganz anderen Hintergrund für die Diskussion von Daten, als das bei der Innenansicht konkurrierender Wirtschaftsbereiche nötig sei.9
Den Erfolg von Filmförderung mit wirtschaftlichen Parametern wie Besucherzahlen zu messen, wird der Sache nicht gerecht. Dennoch wird eine solche Gleichung immer wieder aufgestellt. Unter anderem von Alan Posener, der im November 2014 in Die Welt einen Artikel mit dem Titel »Die bittere Bilanz der deutschen Filmwirtschaft« verfasste. Darin setzte er die Fördersumme von neun im Jahr 2013 geförderten Filmen (unter anderem KOKOWÄÄH, FRAU ELLA, FÜNF FREUDE 2 und DAS KLEINE GESPENST) ins Verhältnis zu deren Zuschauerzahlen. Besonders schlecht, wird proklamiert, schneide dabei DAS KLEINE GESPENST ab, das mit rund 3,90 Millionen Euro gefördert wurde und lediglich 908.000 Kinobesucher hatte.10
Auf diesen Artikel gab es empörte Reaktionen aus der Filmbranche. Eine stammte von Prof. Dr. Klaus Schaefer, dem Geschäftsführer des FFF Bayern. Er warf Posener eine bedauerliche Stimmungsmache vor, die überwiegend auf falschen Erkenntnissen, schlechter Recherche oder unzutreffenden Rückschlüssen beruhe. Bei der Filmförderung ginge es nicht um eine Subventionierung der Filmindustrie, sondern um die Förderung des Kulturguts Film. Schaefer sagt Filmförderung sei Kulturförderung und als Maßstab für den Erfolg von Filmförderung dürften keineswegs nur Besucherzahlen herangezogen werden.11 Der künstlerische Wert eines Filmwerks, »der sich weniger an verkauften Tickets, als an Festivalteilnahmen und Preisen oder auch am Echo in den Feuilletons […] und in der öffentlichen Debatte misst, und vor allem die inhaltliche Relevanz des Themas in historischer, gesellschaftlicher oder auch sozialer Hinsicht«12 seien mindestens genauso wichtig.
Ob Filmförderung als Kultur- oder Wirtschaftsförderung wahrgenommen wird, hängt auch von der Art der geförderten Filme ab: Werden kulturell anspruchsvolle Filme gefördert, ist von Kulturförderung die Rede. Werden kommerziell ausgerichtete Filme gefördert, von Wirtschaftsförderung. Nach Wolfgang Längsfeld, dem ehemaligen Professor der Abteilung III Kino- und Fernsehfilm der Hochschule für Fernsehen und Film München (HFF München), werden »›Kunst‹ und ›Kommerz‹ häufig als sich ausschließende Gegensätze empfunden, wobei letzterem bestenfalls das Etikett ›gute Unterhaltung‹ zugedacht wird. Der Film ist demnach entweder eigentlich verachtete Marktware oder geliebhaßtes Kulturgut.«13
»Kunst« und »Kommerz« müssen sich aber nicht ausschließen. Viel wichtiger ist, dass sich beides nicht eindeutig voneinander trennen lässt. Denn sind kommerzielle Filme wie KEINOHRHASEN, FACK JU GÖHTE 1 und 2 oder FÜNF FREUNDE 1 bis 4 nicht auch Kunst? Und können Arthousefilme, denen ein besonderer künstlerischer Wert zugesprochen wird, wie beispielsweise OH BOY, VICTORIA oder TONI ERDMANN nicht auch kommerziell sein?
Mit dieser Dissertation möchte ich Argumente dafür liefern, dass die Filmförderung ebenso eine Daseinsberechtigung als Kulturförderung hat und dass es gilt, diese nicht nur zu bewahren, sondern auch zu pflegen. Um diese These zu überprüfen, bediene ich mich eines gedanklichen Experiments: Ich diskutiere Filmförderung anhand von Mäzenatentum und vergleiche hierbei fünf unterschiedliche Mäzene. Dies mag zunächst verwundern, handelt es sich bei der Filmförderung doch um eine institutionalisierte Form von Kulturförderung und beim Mäzenatentum (im klassischen Sinne) um eine private Form von Kulturförderung. Es besteht also in Bezug auf die Mittelherkunft und -vergabe eine eindeutige Diskrepanz. Dennoch gibt es einen klaren Bedeutungszusammenhang zwischen Filmförderung und Mäzenatentum, der sich aus der genaueren Betrachtung des eingesetzten Kapitals und der damit zu erzielenden Effekte ergibt. Denn sowohl bei der Filmförderung als auch beim Mäzenatentum spielt kulturelles Kapital eine prägnante Rolle. Der Begriff entstammt Bourdieus Kapitaltheorie. Was genau darunter zu verstehen ist und welche weiteren Kapitalkategorien Bourdieu benennt, wird in Kapitel 2 ausgeführt. Zunächst sei jedoch festgehalten: Filmförderung und Mäzenatentum operieren mit kulturellem Kapital und darin liegt eine grundlegende Gemeinsamkeit.
1.2 Aktueller Forschungsstand
Ein Blick in die wissenschaftliche Literatur zeigt, dass es bisher keine Arbeit gibt, in welcher der Wert der Filmförderung als Kulturförderung explizit hervorgehoben wird.
Filmförderung wird vor allem im Bereich der Medien-, Rechts- und Sozialwissenschaften thematisiert.
Hier finden sich vornehmlich Überblickswerke mit einem ökonomischen oder geschichtlichen Fokus, in denen Filmförderung lediglich in Unterkapiteln behandelt wird.14 Zu den Standardwerken zählen: Filmproduktion, Filmförderung und Filmfinanzierung von Knut Hickethier und Jan Berg, Einführung in die Medienwirtschaft ebenfalls von Knut Hickethier, Filmfinanzierung von Dirk Eggers sowie das Handbuch der Mediengeschichte von Helmut Schanze.
Darüber hinaus gibt es explizite Überblickswerke zur Filmförderung – meist in einem deutschen und/oder europäischen Kontext.15 Der Großteil dieser Arbeiten ist jedoch nicht mehr zeitgemäß. Das aktuellste Werk stammt aus dem Jahr 2009, es heißt Filmförderung in Deutschland und der EU 2009 und wurde v...