Die Tattoo-Szene
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Die Tattoo-Szene

Die Verbildlichung postmoderner IdentitÀtskonstruktionen

  1. 76 Seiten
  2. German
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Die Tattoo-Szene

Die Verbildlichung postmoderner IdentitÀtskonstruktionen

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

TĂ€towierungen sind schon lange kein PhĂ€nomen der sozialen Unterschicht mehr. Die verschiedensten Berichterstattungen und Dokumentationen in den öffentlichen Medien weisen seit einigen Jahren eine gĂ€nzlich neue Wahrnehmung von TĂ€towierungen auf, die sich durch gesellschaftliche Akzeptanz auszeichnet. Die Zeiten in denen nur gesellschaftliche Randgruppen, wie Seefahrer, Kriminelle oder Prostituierte TĂ€towierungen auf der Haut trugen sind scheinbar vorbei. Mittlerweile haben immer mehr Filmstars oder Musiker TĂ€towierungen und generieren so ein differenzierteres Bild in der Öffentlichkeit. Doch hat sich das Bild in der Gesellschaft wirklich gewandelt? RĂŒckt die TĂ€towierung von ihrer stigmatisierenden Wirkung ab? Und was viel wichtiger ist, welche Wirkung hat die TĂ€towierung auf die heutigen Jugendlichen? Besonders in einer Zeit, in der die traditionellen Sozialisationsinstanzen und Gemeinschaften kaum noch Tragkraft und Anziehung fĂŒr die Jugendlichen haben. Immer hĂ€ufiger schließen sich Jugendliche heute Szenen an, anstelle von traditionellen Formen der Gemeinschaft, wie Familie, Kirchengemeinden, Vereinen, Parteien etc. Diese Szenen bieten den Jugendlichen Halt und dienen ihnen dazu sich selbst auszuprobieren, um so eine eigene IdentitĂ€t zu konstruieren und zu etablieren. Die Forschungen von Hitzler u. a. verdeutlichten den Stellenwert der Szenen fĂŒr die Jugendlichen durch den Faktor der Vergemeinschaftung. Durch eben diese sind mittlerweile auch viele der heutigen Jugendszenen wissenschaftlich erforscht und dargestellt worden. Innerhalb dieses Forschungszweigs sind allerdings noch Leerstellen vorhanden, an denen diese Forschungsarbeit anknĂŒpft. Ziel ist unter BerĂŒcksichtigung des theoretischen Rahmens und DurchfĂŒhrung von Interviews eine neue, noch nicht erforschte Szene zu ergrĂŒnden.Die Szene, um die es sich handelt, ist die Tattoo-Szene...

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Information

Jahr
2011
ISBN
9783943774597

1. Einleitung

TĂ€towierungen sind schon lange kein PhĂ€nomen der sozialen Unterschicht mehr. Die verschiedensten Berichterstattungen und Dokumentationen in den öffentlichen Medien weisen seit einigen Jahren eine gĂ€nzlich neue Wahrnehmung von TĂ€towierungen auf, die sich durch gesellschaftliche Akzeptanz auszeichnet. Die Zeiten in denen nur gesellschaftliche Randgruppen, wie Seefahrer, Kriminelle oder Prostituierte TĂ€towierungen auf der Haut trugen sind scheinbar vorbei. Mittlerweile haben immer mehr Filmstars oder Musiker TĂ€towierungen und generieren so ein differenzierteres Bild in der Öffentlichkeit. Sie suggerieren, dass eine TĂ€towierung keine ausgrenzende Funktion mehr hat, sondern vielmehr eine Art von Lifestyle und Kunst bedeutet. Doch hat sich das Bild in der Gesellschaft wirklich gewandelt? RĂŒckt die TĂ€towierung von ihrer stigmatisierenden Wirkung ab? Und was viel wichtiger ist, welche Wirkung hat die TĂ€towierung auf die heutigen Jugendlichen? Besonders in einer Zeit, in der die traditionellen Sozialisationsinstanzen und Gemeinschaften kaum noch Tragkraft und Anziehung fĂŒr die Jugendlichen haben. Immer hĂ€ufiger schließen sich Jugendliche heute Szenen an, anstelle von traditionellen Formen der Gemeinschaft, wie Familie, Kirchengemeinden, Vereinen, Parteien, etc. (vgl. Hitzler, Bucher, Niederbacher 2001, S. 13) Diese Szenen bieten den Jugendlichen Halt und dienen ihnen dazu sich selbst auszuprobieren, um so eine eigene IdentitĂ€t zu konstruieren und zu etablieren. Die Forschungen von Hitzler u.a. verdeutlichten den Stellenwert der Szenen fĂŒr die Jugendlichen durch den Faktor der Vergemeinschaftung. Durch eben diese sind mittlerweile auch viele der heutigen Jugendszenen wissenschaftlich erforscht und dargestellt worden. Innerhalb dieses Forschungszweigs sind allerdings noch Leerstellen vorhanden an denen diese Forschungsarbeit anknĂŒpft. Ziel ist unter BerĂŒcksichtigung des theoretischen Rahmens und DurchfĂŒhrung von Interviews eine neue, noch nicht erforschte Szene zu ergrĂŒnden. Die Szene um die es sich handelt, ist die Tattoo-Szene. Daraus lĂ€sst sich die zentrale Fragestellung dieser Forschung generieren: Existiert eine Tattoo-Szene? Und wenn ja, was macht diese Szene und ihre AnhĂ€nger aus? Um diese Fragen zu beantworten wird zuerst ein theoretisches GerĂŒst aufgebaut. Beginnend mit der Kulturgeschichte der TĂ€towierung, soll erlĂ€utert werden, woher die TĂ€towierung stammt, wie sich die TĂ€towierung in Europa etabliert hat und welche Wirkung sie seitdem auf die Menschen ausĂŒbt (Kap. 2).
Nach dieser Darstellung wird aufgezeigt, wodurch sich eine Jugendszene im Kontrast zu traditionellen Formen der Vergemeinschaftung auszeichnet. (Kap. 3) Daran schließt sich die ÜberprĂŒfung an, welchen Stellenwert die TĂ€towierung bei Jugendlichen haben kann. Also welche Motivation sich hinter dem Stechen einer TĂ€towierung verbirgt und welchen Sinn und welche Weltdeutung hinter der Symbolik der TĂ€towierung liegen kann. Der Fokus richtet sich dabei auf den Aspekt der postmodernen IdentitĂ€tskonstruktion, besonders in Bezug auf die Faktoren der neuen Körperlichkeit, der Ästhetik und der Symbolik. VerknĂŒpft werden diese Faktoren dann mit der Rolle der TĂ€towierung. (Kap. 4) Da diese Faktoren aber mittlerweile nicht mehr nur in der realen Welt zu tragen kommen, sondern verstĂ€rkt auch in der Virtuellen, besonders in Zeiten des Web 2.0 und den Social Network Sites, ist es unabdingbar zu ergrĂŒnden, wie Jugendliche diese medialen Interaktions- und KommunikationsrĂ€ume nutzen. In diesem Kontext wird thematisiert, wie sich Jugendliche innerhalb des Internets darstellen und welche Funktion dabei die TĂ€towierung einnimmt. In einem weiteren Schritt wird untersucht, auf welche Weise virtuelle Kommunikation und Interaktion dazu beitragen IdentitĂ€t zu generieren. (Kap. 5) Um eine mögliche Tattoo-Szene aber nicht nur durch Theorie zu implementieren, wurden fĂŒr diese Studie fĂŒnf Interviews mit tĂ€towierten MĂ€nner und Frauen gefĂŒhrt, um einen spezifischen Einblick in deren Lebenswelt zu erlangen, und um spezielle Informationen zu deren TĂ€towierungen und deren Bedeutungen zu bekommen. Nach einer EinfĂŒhrung in den Forschungsstand und nach ErklĂ€rung des Forschungsdesigns, werden die durchgefĂŒhrten Interviews interpretiert und die Ergebnisse zusammengefasst, um so ein möglichst breites Bild von einer vermeintlichen Tattoo-Szene aufzeigen zu können. (Kap. 6) Zusammenfassend werden die theoretischen und die empirischen Ergebnisse miteinander verknĂŒpft und daraufhin ĂŒberprĂŒft, inwiefern die Tattoo-Szene tatsĂ€chlich existent ist. (Kap. 7)

2. Die Entwicklung der TĂ€towierung bis heute

TĂ€towierungen werden heutzutage nicht selten als „Modeerscheinung“ der Jugend tituliert. Doch TĂ€towierungen sind keine PhĂ€nomene der Neuzeit. Der erste belegte Fund einer TĂ€towierung tauchte in den 1990er Jahren mit dem Fund des „Ötzis“ auf. Auf dieser circa 5200 Jahre alten Eismumie wurden zunĂ€chst unerklĂ€rbare Zeichen, genauer gesagt 47 strichförmige TĂ€towierungen, entdeckt. Diese sind gewiss nicht mit heutigen TĂ€towierungen vergleichbar. Noch kann wohl kaum davon ausgegangen werden, dass sich dieser vorzeitliche Mensch darĂŒber Gedanken gemacht hat, ob diese TĂ€towierungen einem Schönheitsideal, oder auch eben keinem Schönheitsideal gleich kommen. Es wird allerdings deutlich, dass die TĂ€towierung „eine seit Jahrtausenden bestehende Tradition der Menschheit.“ (Friedrich 1993, S. 16) zu sein scheint. Friedrich erklĂ€rt, dass die ersten Funde sogar in eine noch weiter entfernte Vergangenheit datiert werden können. Er gibt an, dass in den verschiedensten LĂ€ndern Europas Nadeln mit Pigmentresten gefunden wurden, die ungefĂ€hr 8000 Jahre alt sein sollen (vgl. ebd. 1993, S. 16ff). Allerdings ist es nicht von existentieller Bedeutung, ob die erste TĂ€towierung vor 8000 oder vor 5200 Jahren entstanden ist, wesentlich ist, dass sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht als „TĂ€towierung“ bezeichnet wurde. Dies lĂ€sst sich aus dem Grund anzweifeln, da der Begriff der TĂ€towierungen erst viel spĂ€ter geprĂ€gt werden sollte. Doch woher kommt der Begriff der TĂ€towierung und wie entwickelte sich das Hautbild gerade hier in Europa bis zur heutigen Zeit? Auf den folgenden Seiten soll genau darĂŒber Aufschluss gegeben werden.

2.1. Etymologie des Begriffs TĂ€towierung

Der Begriff TĂ€towierungen lĂ€sst sich nicht, wie die meisten anderen Wörter unserer Sprache aus dem indogermanischen Sprachbereich ableiten (vgl. Friedrich 1993, S. 13). Er entwickelte sich um das Jahr 1774 in Europa. Zu Anfang wurde aber noch von Tatauierung gesprochen. James Cook, der auf seiner Reise im sĂŒdpazifischen Raum Eingeborene entdeckte, die sich Bilder in die Haut stachen, beschrieb dies als „Tattaw“. Dieses Wort wurde im Sprachbereich der pazifischen Inseln verwendet (vgl. ebd. 1993, S. 14). Neben diesem Begriff entwickelte sich in England auch das Wort „Tattow“, welches sich spĂ€ter in „Tattoo“ wandelte. Beziehend auf Joest, erklĂ€rt Friedrich weiter, dass dieser die These aufstellte, dass das Wort Tatauieren sich auf den auf Tonga und Samoa verwendeten Begriff „tatau“ beziehen lĂ€sst. Das Wort TĂ€towieren ist dann durch einen Transponierungsfehler von der englischen in die deutsche Sprache entstanden, in dem der Buchstabe w eingesetzt wurde (vgl. ebd. 1993, S. 15). In der deutschen Sprache existierten dann sowohl der Begriff Tatauierung, als auch der Begriff TĂ€towierung. Heutzutage wird umgangssprachlich fast ausschließlich entweder der Begriff TĂ€towierung, oder auch Tattoo genutzt. Man lĂ€sst sich also entweder tĂ€towieren oder ein Tattoo stechen. Viele TĂ€towierte nutzen aber auch noch weitere Synonyme. So bedeutet sich den „Arm zu hacken“ oder sich einen „Sleeve“ machen, dass der Arm ganz tĂ€towiert wird. Bei einer GanzkörpertĂ€towierung wird dagegen beispielsweise von einem ‚Bodysuite’ gesprochen. Auch der Ausdruck „bunt sein“ wird gerne umgangssprachlich von TĂ€towierten benutzt.

2.2. Definition der TĂ€towierung

Da es neben der TĂ€towierung noch andere Möglichkeiten gibt, wie der Körper verĂ€ndert werden kann, die der TĂ€towierung aber Ă€hnlich sind, wie beispielsweise Piercings, Brandings1 oder Scarifications2, erscheint es notwendig den Begriff und den Vorgang des TĂ€towierens nĂ€her zu beleuchten. Friedrich erklĂ€rt, und bezieht sich dabei auf ThĂ©voz, dass „die TĂ€towierung eine bewusst vorgenommene, bleibende Einlagerung von Farbkörpern in der Haut [ist]. Sie zĂ€hlt zu den kĂŒnstlich herbeigefĂŒhrten VerĂ€nderungen des menschlichen Körpers. [
] Die TĂ€towierung gehört, [
] zur Gruppe der kĂŒnstlich herbeigefĂŒhrten, bleibenden VerĂ€nderungen der menschlichen Haut. (Friedrich 1993, S. 62ff) Bei der Suche nach dem Begriff TĂ€towierung in der Brockhaus EnzyklopĂ€die, wird auf die Definition Tatauierung verwiesen und es kann folgendes in Erfahrung gebracht werden:
„Tatauierung [zu polynes. Tatau »Zeichen«], umgangssprachlich „TĂ€towierung“, das einstechen oder einritzen von Ornamenten in menschl. Haut. In musterhaft angeordnete Stiche oder Schnitte reibt man Farbstoffe (oft mit PflanzensĂ€ften gebundenen Ruß). In manchen Gebieten (NO-Asien und Nordamerika) wurden geschwĂ€rzte FĂ€den in die Haut genĂ€ht. T. ist in außereurop. Kulturen weit verbreitet. Bes. in Afrika wird die Narben-T. angewendet, bei der die Schmuckformen durch wiederholtes Verunreinigen der Wunden und Abreißen des Schorfs (auch Einbrennen) entstehen; meist haben sie mag. Bedeutung oder symbolisieren die Aufnahme Jugendlicher in den Kreis der Erwachsenen. Dagegen erzĂ€hlen die hauptsĂ€chlich in O-und SO-Asien sowie in Ozeanien (aber auch regional in Amerika) verbreiteten Stich-T. komplexe Geschichten, zeugen von gesellschaftl. Rang oder heroischen Taten. Die Kunst des Hautstichs war v.a. in Polynesien und Japan hoch entwickelt. Seeleute machten sie in Europa bekannt.“ (Brockhaus 2006, S. 82)
Neben diesen beiden Definitionen soll noch darauf hingewiesen werden, dass sich die Betrachtung der TĂ€towierung in dieser Arbeit auf eine freiwillige Handlung bezieht. Denn neben den freiwillig durchgefĂŒhrten TĂ€towierungen existieren noch die Straf-oder ZwangstĂ€towierung, deren Charakter selbsterklĂ€rend ist, und die Unfall-oder SchmutztĂ€towierung. Diese letztgenannten entstehen beispielsweise bei Explosionen oder StĂŒrzen auf Asphalt, wobei Farbpartikel in die menschliche Haut eindringen und sich einlagern (vgl. Friedrich 1993, S. 64).

2.3. Kulturgeschichte der TĂ€towierung

Die ersten Spuren eines vermeintlich tĂ€towierten Menschen lassen sich auf ein Alter von circa 5200 Jahre datieren. Die „Ötzi“ genannte Eismumie wies 47 strichförmige TĂ€towierungen auf ihrem Körper auf. Jedoch sollte bei diesen TĂ€towierungen wohl nicht von SchmucktĂ€towierungen gesprochen werden, wie ein MĂŒnchner Akupunkturarzt auch belegen konnte. Viel eher scheinen diese TĂ€towierungen der Linderung von Schmerzen gedacht gewesen zu sein. So schreibt LobstĂ€dt, „nach einer Rekonstruktion der Anatomie des Eismenschen fand er heraus, dass die TĂ€towierungsgruppen an einigen klassischen Akupunkturpunkten lagen.“ (LobstĂ€dt 2005, S. 167) Diese Punkte dienten und dienen auch heute noch zur Linderung von Beingelenk- und Wirbelschmerzen. Ein radiologischer Befund bewies, dass der Eismensch die TĂ€towierungen aufgrund der Behandlung dieser Symptome hatte. Die ersten SchmucktĂ€towierung, am Körper und an den ExtremitĂ€ten, wurden dagegen an Mumien von zwei Ă€gyptischen MĂ€dchen gefunden, die ungefĂ€hr 2000 v. Chr. gelebt haben (vgl. ebd. 2005, S. 168). Scheinbar waren TĂ€towierungen den alten Hochkulturen wohl bekannt und wurden von diesen auch praktiziert. Im Vergleich dazu sahen die Griechen und die Römer die TĂ€towierung aus einem ganz anderen Blickwinkel. FĂŒr diese beiden Kulturen dienten die TĂ€towierungen „als Kennzeichnung des Eigentums, der Erniedrigung oder der Strafe.“ (ebd. 2005, S. 168) Da das Wort TĂ€towierung erst im 18 Jahrhundert n. Chr. etabliert wurde, nannten Römer und Griechen diese Hautbilder Stigma, dass wiederum so viel wie Mal, Zeichen oder Wundmal bedeutete. Dieses Stigma wurde meist von Söldnern oder Sklaven getragen, aber auch von Tieren, wodurch deren Stellung in der Gesellschaft verdeutlicht wird. Nicht tĂ€towiert, dafĂŒr aber gebrandmarkt wurden die Verbrecher bei den Römern. So wurde „dem UrkundenfĂ€lscher [
] die Schreibhand und dem VerrĂ€ter die Zunge.“ (ebd. 2005, S. 168) gezeichnet. LobstĂ€dt erklĂ€rt weiter, dass die Römer selbst angebrachte TĂ€towierungen nur von ihren FeldzĂŒgen in Britannien kannten. Auch die HebrĂ€er lehnten diese Körperbemalung ab. Laut der Bibel stellte eine TĂ€towierung fĂŒr sie wahrscheinlich das im Buch Mose genannte Kainsmal dar. Wobei LobstĂ€dt hier anfĂŒgt, das sich dies letztendlich nicht genau sagen lĂ€sst, sondern nur vermutet werden kann. Dennoch wurden die TĂ€towierungen als Zeichen bei den frĂŒhen Christen verwandt. Diese Zeichen, oft entweder die Anfangsbuchstaben vom Namen Christus, ein Lamm, ein Kreuz oder ein Fisch, die erst als ein unfreiwilliges Erkennungsmal fĂŒr den Rest der Gesellschaft gedacht waren, wurden schnell zu einem Zugehörigkeitszeichen. Oettermann erklĂ€rt dazu, „zeigte es doch in aller Öffentlichkeit, das man fĂŒr seinen Glauben zu leiden bereit war“ (Oettermann 1995, S. 13). Die Gruppenstabilisierung, die dieses Mal mit sich brachte wurde von den Christen, die in der Diaspora lebten, noch bis ins 20. Jahrhundert tradiert (vgl. ebd. 1995, S. 13). Erst in den Gegenden in denen das Christentum langsam zur erstarkenden Religion wurde, gerieten die TĂ€towierungen in Verruf, verschwanden jedoch nicht. Oettermann erklĂ€rt, dass die TĂ€towierung zu dieser Zeit in Europa immer eine Grenzziehung war (vgl. ebd.1995, S. 14) und weiter, „in der Phase des Übergangs von der Verfolgung zur Etablierung der christlichen Gemeinde zur Staatskirche wurde die TĂ€towierung beibehalten, Ă€nderte aber ihre Bedeutung: aus dem Outgroup-Stigma wurde das Ingroup-Erkennungszeichen.“ (ebd. 1995, S. 14) Mit Beginn der Missionierung begannen sich die Christen von ihrem „Ingroup-Erkennungszeichen“ zu distanzieren, um sich von den Völkern die die TĂ€towierung als Tradition etabliert hatten abzugrenzen. Das Konzil von Calcuth in Nordumberland (Britannien) sprach sogar im Jahre 787 ein Verbot der TĂ€towierungen aus. Mittelalterliche Belege ĂŒber TĂ€towierungen zeigen allerdings, dass die Kreuzritter, sich Kruzifixe und Ă€hnliche Emblemes tĂ€towieren ließen, mit dem Gedanken, dass sie im Falle ihres Ablebens ein christliches BegrĂ€bnis bekommen wĂŒrden. Es existieren auch Belege dafĂŒr, dass Pilger, die versuchten die GrabstĂ€tte Jesu in Jerusalem zu erreichen, sich Hautzeichen als Beweis dafĂŒr tĂ€towieren ließen. Weitere Dokumente ĂŒber die TĂ€towierungen sind eher selten. Und obschon es ab dem 15. Jahrhundert einen starken Anstieg an schriftlichen Quellen ĂŒber die Geschichte der Menschheit gibt, sind die Quellen, die Nachweise ĂŒber TĂ€towierungen liefern, sehr begrenzt.
Die Wahrnehmung der Menschen in Bezug auf TĂ€towierungen Ă€nderte sich allerdings mit den beginnenden Seereisen und geographischen Entdeckungen der EuropĂ€er im spĂ€ten 17. Jahrhundert. Durch den Abenteurer, Piraten und Entdecker William Dampier bekamen die EuropĂ€er den ersten tĂ€towierten SĂŒdseeinsulaner zu sehen. Dampier brachte den Prinz Giolo 1691 von der Insel Meangis mit nach London (vgl. ebd. 1995, S. 22). Prinz Giolo wurde ĂŒber Nacht zu einer Sensation, selbst in den höchsten Kreisen wurde er mit großem Interesse bestaunt und zur Schau gestellt. Das Interesse lag vermutlich an der Andersartigkeit des Prinzen, nicht nur bezogen auf seine TĂ€towierungen, sondern auch bezogen auf sein fremdartiges Aussehen im Allgemeinen. Jedoch verlor man schnell das Interesse an ihm, so dass er an einen Schausteller ĂŒbergeben wurde, der ihn in einem Gasthaus gegen Geld zur Schau stellte. Seine Hautzeichen, das Wort TĂ€towierung war zu dieser Zeit noch nicht bekannt, wurden als magische Schutzzeichen gegen allerlei böse MĂ€chte gedeutet und halfen einen mystischen Charakter um Giolo zu entwickeln. Doch Giolo ĂŒberlebte die europĂ€ische Welt nicht lange. Krankheiten, die auf seiner Heimatinsel nicht existent waren und dadurch von seinem Immunsystem nicht abgewehrt werden konnten, ließen ihn erkranken und sterben. Dieses Schicksal sollte nicht nur ihn ereilen, sondern auch viele andere SĂŒdseeinsulaner. Die meisten sind allerdings in Vergessenheit geraten. Oettermann erklĂ€rt dieses PhĂ€nomen damit, „da das Wort fehlte, um ihre Besonderheit zu bezeichnen, verschwanden sie rasch wieder aus der Erinnerung.“ (ebd. 1995, S. 21) Dies Ă€nderte sich mit den Entdeckungsreisen von James Cook, der nicht nur wie oben schon erwĂ€hnt, dass Wort „tattaw“ mit nach Europa brachte, sondern im Jahre 1774 seinerseits auch einen SĂŒdseeinsulaner mit Namen Omai mitbrachte. Omai teilte zwar das Schicksal seiner VorgĂ€nger, das bedeutet auch er wurde zur Schau gestellt und zu einer großen Sensation, jedoch geschah dies nicht auf die gleiche brutale Weise, wie bei den anderen gefangenen SĂŒdseeinsulanern. Omai wurde nicht den Schaustellern ĂŒbergeben, sondern reiste mit Sir Joseph Banks, einem berĂŒhmten Naturforscher quer durch England (vgl. ebd. 1995, S. 24). Omai genoss ein hohes Maß an PopularitĂ€t, denn „zeigte er sich auf der Straße, war er sofort von Menschenmassen umgeben. Jedermann wusste, wer er war und woher er kam, in den Zeitungen wurde sein Lebenslauf mehrfach abgedruckt.“ (ebd. 1995, S. 26) Omai starb im Gegensatz zu seinen VorgĂ€ngern nicht an den Krankheiten der westlichen Zivilisation, sondern wurde von Cook, zurĂŒck auf seine Heimatinsel Tahiti gebracht. Das Omai das Schicksal der anderen SĂŒdseeinsulaner nicht teilen musste, ist schwierig zu deuten. Am wahrscheinlichsten ist es, dass durch die EinfĂŒhrung des Wortes Tattoo, seinen Hautzeichen ein neuer Sinn gegeben wurde, und es dadurch einfacher wurde ĂŒber ihn und seine Hautzeichen zu kommunizieren. LobstĂ€dt geht noch einen Schritt weiter und versucht das PhĂ€nomen wie folgt zu deuten, „die TĂ€towierung hatte jetzt einen Namen und wurde zum Symbol der Freiheit des Wilden, die im Gegensatz zur selbstverschuldeten UnmĂŒndigkeit des EuropĂ€ers gesehen wurde. [
] Die europĂ€ische Erfahrung absolutistischer Herrschaft hatte der Wilde nicht erdulden mĂŒssen.“ (LobstĂ€dt 2005, S. 172) Friedrich erklĂ€rt, dass „die EuropĂ€er die Welt der SĂŒdsee geografisch und politisch zu einem Paradies [
] hochstilisierten, wobei die TĂ€towierungen als Zeichen oder Schrift dieser Welt empfunden wurden.“ (Friedrich 2003, S. 20) Die TĂ€towierungen der Wilden waren etwas Besonderes, Unbekanntes und SpektakulĂ€res zu jener Zeit, so dass es nicht verwundert, dass noch viele weitere Insulaner nach Europa gebracht wurden und dort zur Schau gestellt wurden. Oettermann erklĂ€rt, „die TĂ€towierten waren Teil der großen [
] Zahl von Wilden, die man, etwa seit Beginn des 17. Jahrhunderts, nach Europa zu verschleppen begann, zunĂ€chst um die KuriositĂ€t von FĂŒrsten, dann um den Wissensdurst der Gelehrten und zuletzt das SensationsbedĂŒrfnis der Massen zu befriedigen.“ (Oettermann 1995, S. 29) Diese Verschleppung geschah noch bis ins 19. Jahrhundert hinein. Auf der anderen Seite begann eine weitere Strömung die TĂ€towierungen nach Europa zu bringen. Die Entdeckung der tĂ€towierten SĂŒdseeinsulaner sollte auch das Interesse der Seefahrer zu dieser Zeit wecken. LobstĂ€dt erklĂ€rt, dass „schon bei Cooks erster Reise sich 1769 einige Seeleute zum Andenken an die Inseln von Tahitianern tĂ€towieren [ließen].“ (LobstĂ€dt 2005, S. 172ff) Doch auch Runaways und Beachcombers, also Seeleute die von den Schiffern desertierten oder Schiffbruch erlitten ließen sich von Insulanern tĂ€towieren, um in deren Stamm aufgenommen werden zu können. Die zurĂŒckgekehrten tĂ€towierten Seeleute prĂ€sentierten in den HĂ€fen Europas ihre Hautzeichen und ersannen die verblĂŒffensten Geschichten um deren Bedeutung. Ferner brachten sie das Wissen um die Technik des TĂ€towierens mit nach Europa, so dass schon bald auch Seeleute tĂ€towiert waren, die niemals in der SĂŒdsee waren. LobstĂ€dt erklĂ€rt zur Motivwahl und deren Bedeutung, dass sich „Inhalte des eigenen kulturellen Horizonts wieder[fanden], die der westlichen Vorstellung von SĂŒdseetĂ€towierungen entsprachen.“ (LobstĂ€dt 2005, S. 173) Diese Motive waren meist Palmen, Schlangen oder nackte Frauen. Durch die TĂ€towierungen der Seeleute wurden auch die Soldaten dieser Zeit auf diese Körperkunst aufmerksam. So waren viele Soldaten der französischen Armee tĂ€towiert. TĂ€towierungen hatten im 18. Jahrhundert noch eine andere Funktion. Oettermann zĂ€hlt einige Beispiele auf, die darĂŒber berichten, dass die TĂ€towierungen eher als ein Erkennungszeichen, denn als Körperkunst gelten konnten. In Pariser ArmenspitĂ€lern wurden beispielsweise...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Impressum
  3. Titel
  4. Inhalt
  5. 1. Einleitung
  6. 2. Die Entwicklung der TĂ€towierung bis heute
  7. 3. Szenen heute
  8. 4. Postmoderne IdentitÀtskonstruktionen
  9. 5. Selbstdarstellung und IdentitÀtsaufbau durch die Möglichkeiten des Web 2.0
  10. 6. Die Tattoo-Szene: Ergebnisse eines Forschungsprojekts
  11. 7. Fazit: Existenz der Tattoo-Szene
  12. 8. Literaturverzeichnis