Flucht aus Syrien
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Flucht aus Syrien

Neue Heimat Deutschland?

  1. 403 Seiten
  2. German
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Flucht aus Syrien

Neue Heimat Deutschland?

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Inhaltsverzeichnis
Quellenangaben

Über dieses Buch

Die Stiftung Respekt! hat sich ein Jahr lang mit jungen Geflüchteten aus Syrien beschäftigt, Wissenschaftler*innen u. a. Expert*innen befragt – und vor allem junge Geflüchtete selbst. In diesem Buch kommen sie zu Wort. Denn Wissen und Empathie schützen vor Vorurteilen und Hassschürern.

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Information

Verlag
Hirnkost
Jahr
2018
ISBN
9783945398821
Alaa aus Damaskus, 23 Jahre

„Berlin ist besser als Damaskus. Hier findet man alles, was man will: arabisches Essen, arabische Märkte, ganze Straßen voller arabischer Bewohner …“

Alaa, wie bist du aufgewachsen?
Ich wurde in Damaskus geboren. Zuletzt wohnte ich mit meiner Familie in einem mittelgroßen Bezirk, der Al-Qanawaat heißt und in der Mitte von Damaskus liegt, aber aufgewachsen bin ich in Al-Fahammeh, einem anderen Stadtteil nicht weit von Al-Qanawat. Zwischendurch haben wir noch im Bezirk Mashroo Dummar gewohnt. Wegen unserer vielen Umzüge bin ich in drei Schulen gegangen. Das Abitur habe ich zwar bestanden, aber meine Noten waren nicht gut genug, um etwas Gutes in Syrien zu studieren, deshalb bin ich in den Libanon gezogen, um in Beirut an einer privaten Uni zu studieren. Aber dort lief es überhaupt nicht gut, weil die Lage für Syrer im Libanon immer schwieriger wurde. Unter anderem haben Hisbollah-Leute meinen Bruder, der auch in Beirut lebte, entführt, weil er mit seinem Auto in einen von dieser Miliz kontrollierten Stadtteil gefahren ist. Sie haben behauptet, dass er eine Bombe dabeihabe, dann aber schnell festgestellt, dass nichts dergleichen in seinem Auto war. Dann haben sie ihn zwar wieder freigelassen – aber trotzdem haben wir uns nach diesem Vorfall entschieden, nach Syrien zurückzukehren. Es ist besser, zu Hause zu sterben als in einem fremden Land. Nach unserer Rückkehr habe ich mein Abitur wiederholt und mit besseren Noten bestanden. Das erlaubte mir, mich für ein Wirtschaftsstudium an der Universität von Damaskus zu immatrikulieren.
In welchem Jahr war das?
2013 bis 2014. Anschließend habe ich ein Wirtschaftsstudium angefangen – und war total schockiert davon. Vorher war mir gesagt worden, dass man in diesem Studiengang nur praktische Dinge lernt. Aber in Wirklichkeit gab es im ersten Jahr nur vier von 13 Modulen, die sich mit dem praktischen Bereich der Wirtschaft beschäftigten, der Rest war Theorie. Ich bin aber eine eher praktische Person – ich arbeite zum Beispiel schon lange als Kosmetikerin – und mag keine theoretischen Fächer, deshalb habe ich nur die vier praktischen Module bestanden und den Rest nicht.
Ein weiterer Grund dafür war, dass damals quasi täglich Bomben in Damaskus fielen. An dem Tag, an dem ich Prüfung hatte, wurde der Bus, mit dem ich zur Uni fuhr, fast getroffen. Ein anderes Mal war ich unterwegs zu einer Prüfung – und plötzlich fiel eine Bombe vom Himmel direkt vor unserem Bus auf die Straße. Wie soll man unter solchen Umständen studieren? Mich hat diese Situation so fertiggemacht, dass ich mich kaum noch konzentrieren konnte.
Erzähle von deiner Familie: Wie viele seid ihr, was machen deine Eltern, deine Geschwister?
Wir sind insgesamt acht Personen. Meine Mutter und mein Vater, meine drei Schwestern – davon ist eine meine Zwillingsschwester –, meine zwei Brüder und ich. Mein Vater hat lange in den Vereinigten Arabischen Emiraten gearbeitet. Er kam nach Beginn des Krieges 2011 nach Syrien zurück. Wegen uns. Er ist studierter Maschinenbauingenieur, aber nach seiner Rückkehr bekam er keine Arbeit. Meine Mutter ist schon immer Hausfrau, sie hat meinen Vater geheiratet, als sie 13 war. Mein älterer Bruder war schon an der Uni, er studierte Business Administration. Später ist er in die USA geflohen, um dort sein Studium fortzusetzen. Meine jüngere Schwester war noch wie meine Zwillingsschwester und ich in der Schule, später hat sie das Abi bestanden. Meine ältere Schwester hat englische Literatur studiert und danach geheiratet. Meine Zwillingsschwester ist jetzt auch verheiratet, die jüngere verlobt.
Und dein zweiter Bruder?
Mein zweiter Bruder ist hier mit uns in Deutschland. Er ist 13 Jahre alt und geht gerade in die Schule.
Seid ihr eine religiöse Familie?
Wie sind normal, also wir beten und fasten wie alle Muslime, sind aber nicht zu konservativ. Aber sowohl meine Mutter als auch ich und alle meine Schwestern tragen Kopftücher, schließlich sind wir richtige Musliminnen.
Dass deine Mutter schon mit 13 geheiratet hat, also vermutlich jemanden, den sie gar nicht kannte, ist normal?
Früher gab es verschiedene Arten und Weisen, wie man eine Frau heiraten konnte. Viele haben ihre Cousinen geheiratet oder die Tochter eines Nachbarn. Aber die meisten Mütter haben einfach fremde Leute spontan besucht, indem sie an die Tür einer Familie klopften und die Frage stellten, ob diese Familie Mädchen im Heiratsalter hat. Wenn die Gastfamilie bejaht, kommt die klopfende Frau rein und guckt das Mädchen an. Wenn sie ihr gefällt, stellt sie der Familie einen Heiratsantrag. Es gibt noch andere Möglichkeiten, aber so hat meine Mutter geheiratet.
Wie wichtig ist dir persönlich die Religion?
Ich bin bei einer muslimischen Familie aufgewachsen. Das heißt, ich bin mit den islamischen Regeln aufgewachsen. Ich habe einen Hijab an und faste auch, jedoch bete ich nicht, und ich kann nicht sagen, dass ich eine strenge Muslimin bin. Aber es ist mir auf jeden Fall wichtig.
Falls ja, kannst du sie hier in Berlin, wo die Mehrzahl der Bevölkerung Atheisten sind, genauso praktizieren wie in Syrien?
Ich muss meine islamischen Rituale nicht in der Öffentlichkeit praktizieren. Man kann alles zu Hause machen: Beten, fasten und Gottesdienst. Ich habe die ganze Zeit mein Hijab an und niemand sagt irgendwas dagegen. Vielleicht würde es in einer anderen Stadt in Deutschland anders aussehen, aber Berlin ist eine tolerante Stadt.
Wo steht deine Familie politisch?
Mit Politik haben wir uns vor dem Krieg nie beschäftigt. Mein Vater war lange im Ausland und wir waren deshalb vor allem mit unserer Mutter zusammen, als wir klein waren. Und überhaupt, vor der Revolution kamen wir gar nicht auf die Idee, über Politik zu reden.
Wie war eure finanzielle Lage vor dem Krieg?
Meine Familie gehört eher zu den reichen Leuten in Syrien; du weißt doch, alle Leute, deren Eltern in den Ländern am Arabischen Golf arbeiten, stehen finanziell im Vergleich zu den anderen gut da.
Wie war die Lage in eurem Bezirk in Damaskus vor eurer Flucht?
Wir wohnten in der Nähe des Präsidentenpalastes. Dort ist es sehr gefährlich, weil das Regime die Umgebung unbedingt halten will und die Rebellen sie unbedingt erobern wollen. Deshalb explodierte dort fast jeden Tag eine Autobombe.
Wer schickte die Autobomben?
Die Leute von Zahran Alloush. Und sie schickten nicht nur Autobomben, sondern griffen die Gegend auch auf alle möglichen anderen Arten an.
War das deiner Meinung nach gut, was Zahran Alloush und seine Leute machten?
Nein! Alloush war nicht vernünftig. Er und seine Armee haben Baschars Palast nie getroffen, ihre Bomben haben nur den normalen, unschuldigen Menschen dort geschadet! Sie haben auch Leute entführt und getötet. Ganz normale Leute. Das war für den Kampf gegen das Regime völlig sinnlos.
Wann hast du dich entschieden, Syrien zu verlassen?
Meine Zwillingsschwester war in einen Typen verliebt, der in Schweden wohnte und ihr einen Heiratsantrag gemacht hat. Er hat sie zu sich eingeladen, und es sah auch einen Moment so aus, als würde sie ein Visum kriegen. Aber dann stellte sich heraus, dass das ewig dauern würde, und das konnte sie nicht ertragen. Ich habe damals auch viel darüber gejammert, dass ich wegen des Krieges nicht konzentriert studieren konnte. Und ich habe meinen Eltern immer öfter gesagt, dass ich Syrien verlassen möchte, da es dort nicht sicher ist. Ein ganzes Jahr lang habe ich diverse Ausreisen geplant – aber ich bin nie gegangen, weil meine Eltern das nicht akzeptierten. Außerdem hatte ich das Geld für die Reise auch nicht. Ich habe versucht, mir Geld bei Verwandten und Freunden zu leihen, aber das hat nicht geklappt.
Du hast heimlich versucht, Geld zu leihen? Also ohne dass deine Eltern das wussten?
Die wussten das schon – aber sie haben mir es nicht verboten, weil ihnen klar war, dass es mir nicht gelingen würde. Aber dann konnte die Schwester, deren Verlobter in Schweden war, die Lage nicht mehr ertragen: Sie wollte zu ihrem zukünftigen Mann. Das wurde zu Hause lange diskutiert – und am Ende hat sich die Familie entschieden, sie nach Schweden zu schicken. Aber meine Schwester wollte nicht allein reisen, sondern hat darauf bestanden, mich mitzunehmen. Am Ende kam auch meine Mutter mit und wir sind zusammen – meine Mutter, meine Schwester, mein kleiner Bruder und ich – in die Türkei gefahren.
Was hat dein Vater dazu gesagt?
Mein Vater wollte uns keine Steine in den Weg legen, unsere Zukunft nicht behindern. Er hat mich nach jeder Bombe, die in unserer Nachbarschaft gefallen ist, mehr bemitleidet. Ich war vollkommen kaputt und hatte immer stärkere Schlafstörungen.
Wie verlief eure Flucht?
Wir sind durch die Türkei bis nach Izmir gereist. Dort haben wir uns sofort auf den Weg zu einem bestimmten Strand gemacht, den uns ein Schlepper, den wir vorher beauftragt hatten, genannt hatte. Er hatte versprochen, dass wir dort ein gutes Boot finden würden, mit dem wir nach Griechenland fahren können. Aber als wir ankamen, sahen wir, dass das Boot sehr klein war und dort schon viel zu viele Leute warteten. Aber das war den Schleppern am Strand egal, sie haben die Leute aufs Boot geschubst, als ob sie Tiere wären. Nur meine Schwester und ich haben uns geweigert, in diesem Boot zu reisen. Gott sei Dank stellte sich heraus, dass meine Mutter das Geld für die Schlepper nicht dabeihatte, sondern es nach der Überfahrt abheben und ihnen geben wollte. Also mussten sie uns gehorchen, sonst hätten sie keinen Dollar und keinen Euro gesehen. Sie haben uns einfach am Strand gelassen und sind abgefahren.
Wie ging eure Flucht dann weiter?
Nach ein paar Stunden kam ein anderer Schlepper und meinte, es gäbe ein gutes Boot und wir dürften mitreisen. Wir sind dann mit ihm an einen anderen Strand gefahren, in ein Boot gestiegen, das auch wirklich besser war, und nur ein paar Stunden später auf der Insel Samos gelandet. Dor...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. „Überall in der Stadt fielen Bomben. Nur Glück, der Zufall entschied, ob man überlebte oder nicht.“
  7. „In Deutschland kann ich mich endlich unabhängig bewegen, ohne Hijab.“
  8. „Über Religion, Politik und Sport spreche ich ungern. Jeder hat seine Meinung und ändert sie nie.“
  9. „Faulheit ist auf jeden Fall nicht gewollt im Ramadan.“
  10. „Sie haben mit uns an der Militärakademie eine systematische Gehirnwäsche gemacht.“
  11. „Die Revolution ist tot. Wir haben verloren.“
  12. „Meine Zukunft liegt hier in Deutschland.“
  13. Von der Revolution zum Stellvertreterkrieg
  14. „Ich habe keine Angst. Nie.“
  15. „Wir können in Deutschland viel Gutes machen.“
  16. „Dort hatte ich ein Leben, hier habe ich ein Ziel.“
  17. „Es ist falsch, mit Gewalt für den Frieden zu kämpfen.“
  18. „Es fehlt Forschung, die den urbanen Alltag zum Sprechen bringt.“
  19. „Als der Islamische Staat unsere Stadt eroberte, hörte das Leben dort auf, als könne das Herz der Stadt nicht mehr schlagen.“
  20. „Vor dem Krieg war das Leben in Syrien richtig schön.“
  21. „Diese Nazis stören mich.“
  22. Ankommen, Alltag und Zukunft in Deutschland – Perspektiven junger Männer aus Syrien im Bundesfreiwilligendienst
  23. „Die Sprache ist der Schlüssel des Landes.“
  24. „Viele Leute hier wissen nicht, dass wir auch einen Kühlschrank haben. Sie denken, dass wir aus der Wüste kommen, in einem Zelt wohnen und auf einem Kamel reiten.“
  25. „Ich kann nicht einfach nur herumsitzen, ich muss etwas machen.“
  26. Die Kopftuchfrage
  27. „Ich bin wegen dem Krieg hier. Aber ich will meine Religion behalten. Sie ist mein Leben. Ich bin so glücklich, dass ich Muslimin bin.“
  28. „Das Wichtigste am Islam ist eigentlich, dass man ein guter Mensch ist und sich verantwortungsvoll verhält.“
  29. „Es ist viel Hass entstanden.“
  30. Männliche* Geflüchtete: Von der Teilnahme zur Teilhabe in pädagogischen Angeboten
  31. „Es gibt viele Gesetze hier, und das ist, was ich wirklich mag.“
  32. „Auch bei einer Hand sind nicht alle Finger gleich.“
  33. „Den Geruch unseres Kaffees vermisse ich jeden Tag.“
  34. „Verglichen mit Deutschland gibt es in Syrien viel mehr Kulturen.“
  35. Mehrsprachigkeit als Chance
  36. „Ich werde mein ganzes Leben lang überall auf der Welt immer, wenn jemand mich böse anguckt, denken: Der kommt aus Deutschland.“
  37. „Eigentlich habe ich mich in Syrien wie ein Fremder gefühlt.“
  38. „Die Proteste haben die Seelen der Menschen befreit.“
  39. Die Insel der Glückseligen und die Geflüchteten
  40. Anhang