Teil III
Anregungen zur Praxisentwicklung
Anregungen zur Praxisentwicklung
Diana Düring, Valentin Kannicht, Friedhelm Peters
1.Sich auf den Weg machen …
Bei der Kindertagesbetreuung (Kita), den Hilfen zur Erziehung (HzE) wie auch beim Allgemeinen Sozialdienst (ASD) handelt es sich um Praxen, die immer schon in einer spezifischen Art und Weise strukturiert sind: u. a. durch ihre historischen und aktuellen sozialpolitischen Vorgaben und Zielsetzungen, ihre sich wandelnden gesetzlichen Rahmungen, spezifische und sich ggfs. verändernde Adressierungen ihrer Zielgruppen, z. T. unterschiedliche professionelle Traditionen, Methoden und Zielsetzungen ihrer Fachkräfte. Des Weiteren zeichnen sie sich dadurch aus, dass sie einem sozialpädagogischen oder sozialarbeiterischen Sinnzusammenhang verpflichtet und stets auch territorial verankert und sozialräumlich organisiert sind.
Gehen wir ferner davon aus, dass sich sozialpädagogisches Handeln immer vermittels Interaktionen von Individuen realisiert und in bestimmten Kontexten stattfindet, gelangen wir zur Vorstellung von vier zusammenhängenden und die angesprochenen Felder (Kita, HzE, ASD) konstituierenden Phänomenen, die zugleich als Ausgangspunkte möglicher Veränderungen fungieren können: Interaktion – Organisation sowie Individuum – Sozialraum. Diese Sichtweise folgt einem typischen, selbst sozialpädagogischen „Blick, der zwischen Feld- und Bildungsbezug, zwischen Subjekt- und Strukturperspektive, zwischen institutionellen und personellen Aspekten seinen Horizont entwickelt“ (Rauschenbach/Thole 1998: 20).
Praxisentwicklung
Mit verstehen, kooperieren, öffnen und flexibilisieren sind die zentralen Handlungsmodi benannt, die in unserem Modell als relevant für Veränderungen gelten können: Pädagogisches Handeln, sprich INTERAKTIONEN, verändern sich durch ein verändertes Verstehen von INDIVIDUEN und ein Mehr an Kooperation mit anderen Personen und Institutionen im SOZIALRAUM; ORGANISATIONEN verändern sich, indem sie sich, bezogen auf die Interessen und Bedarfe von Individuen (in erster Linie Adressat*innen, aber auch Mitarbeiter*innen), flexibilisieren und sich gegenüber dem Sozialraum und in den Sozialraum hinein (als aktiver Bestandteil einer sozialisationsrelevanten Infrastruktur) öffnen und sich niedrigschwellig als Gelegenheitsraum zu Verfügung stellen. Durch diese Veränderungen verändern sich wiederum auch die Individuen und der soziale Raum entlang folgender Dimensionen:
die materielle (Ausstattungs-)Dimension die symbolische Dimension als „Zeichen-, Symbol- und Repräsentationssystem“ die Raumnutzung (Aneignung) und Raumherstellung von Individuen und Gruppen die politische Dimension als Betrachtung der relevanten rechtlichen und normativen Regulationen, die strukturieren, wie und durch wen Raum hergestellt und genutzt werden kann (vgl. Läpple 1991: 196, zit. nach Gestring/Janssen 2002: 149). Die schematische Anordnung und die Wechselwirkungspfeile in der obigen Abbildung zeigen an, dass sich alle vier Entwicklungspfade gegenseitig bedingen und einander beeinflussen. Für eine gelingende Praxisentwicklung müssten idealiter in allen vier Feldern zugleich Entwicklungen und Aktivitäten initiiert und stabilisiert werden. Es geht dabei u. a. um die praktische Beantwortung folgender Fragen:
Wie können sich Einrichtungen (Kita, HzE, ASD) in den Sozialraum öffnen? Wie können sich Einrichtungen (Kita, HzE, ASD) flexibilisieren? Wie können Fachkräfte (Kita, HzE, ASD) ihr (Fall-)Verstehen weiterentwickeln? Wie kann eine verbesserte sozialräumliche Kooperation entwickelt werden? Mit den folgenden Anregungen zur Praxisentwicklung wollen wir einige ausgewählte Strategien, Methoden und Techniken vorstellen, die sich im Projektkontext für einen Veränderungsprozess als hilfreich und unterstützend erwiesen haben.
Sozialräumliche Analysen, die sozialstrukturelle Merkmale als auch die subjekt- und aneignungsbezogenen Aspekte umfassen, können mit Hilfe eines breiten Methodenspektrums vorgenommen werden.
Grob lassen sich hier strukturorientierte Ansätze, die vor allem die soziale und demographische Zusammensetzung der Bewohner*innen sowie (quantifizierbare) Merkmale der baulichen und infrastrukturellen Ausstattung erfassen, von eher interaktions- oder subjektorientierten Ansätzen unterscheiden. Letztere zielen v. a. darauf ab, „objektive Gegebenheiten“ aus der Perspektive von Menschen zu erfassen und darüber Rückschlüsse auf Handlungsrelevanzen und subjektive Bedeutungen zuzulassen (vgl. Boettner 2009: 262ff.)
Wichtige und hilfreiche Methodenbücher bzw. Links:
Deinet, U. (Hrsg.) (2009): Methodenbuch Sozialraum. Wiesbaden
BBS-EHS-Trier/Fachschule Sozialwesen/Fachrichtung Sozialpädagogik: Methodenpool. 55 Beispielmethoden mit Kurzerläuterungen für unterschiedliche Erziehungsbereiche in Sozialpädagogischen Einrichtungen (www.bbs-ehs-trier.de/schulformen/fs/fss/fss*Methodenpool*Sozialpädagogik.pdf)
Früchtel, F./Budde, W./Cyprian, G. (32013): Sozialer Raum und Soziale Arbeit Fieldbook: Methoden und Techniken, Wiesbaden (Orig. 2007)
Eine Vielzahl von zwar primär an Unterricht/Schule orientierten, aber durchaus übertragbaren Methoden in Kurzbeschreibung und mit kurzen Erläuterungen findet man unter: http://methodenpool.uni-koeln.de/download.html
2.ÖFFNEN – Wie können sich Einrichtungen (Kita, HzE, ASD) sozialräumlich verstehen und in den Sozialraum öffnen?
2.1Sozialraumverständnis und Grundprinzipien
Auf der Handlungsebene einer konzeptionell hergeleiteten Sozialraumorientierung sind insbesondere folgende methodische Prinzipien zentral: die Konzentration auf die Ressourcen der im Quartier bzw. im Sozialraum lebenden Menschen in ihrer empirischen Vielfalt, die materielle Struktur des Quartiers sowie ein zielgruppen- und bereichsübergreifender Ansatz. Damit geht es um eine methodische Orientierung, die an den Stärken, Ressourcen und Bedarfen von Adressat*innen ansetzt. Gelingen kann dies dann, wenn Organisationen (und Steuerungssysteme) entsprechend umgebaut werden (vgl. u. a. Fehren/Hinte 2013).
Um diese methodischen Orientierungen einordnen zu können, wird nachfolgend kurz das unterliegende Sozialraum verständnis skizziert. Das Wort Sozial vor dem Wort Raum verdeutlicht, dass hier von einer Raumvorstellung ausgegangen wird, mit der die Herstellung und Aneignung von Räumen in den Fokus gerückt wird. Aspekte wie nahräumliche Beziehungsstrukturen, professionelle und bürgerschaftliche Hilfsangebote sowie sozioökonomische und kulturelle Rahmenbedingungen werden in (sozial)pädagogisches Handeln einbezogen (vgl. Kessl/Reutlinger 2010: 247).
Überträgt man die vorgenannten Dimensionen – die materielle (Ausstattungs-)Dimension, die symbolische Dimension, die Aneignungsdimension, die politische Dimension – z. B. auf Kitas, will man also Kita über ein sozialwissenschaftliches Raumverständnis beschreiben, fällt der Blick in der materiellen Dimension auf die materielle Ausstattung, z. B. Spielgeräte im Innen- und Außenbereich; vorhandene Spielflächen/Garten, Gebäude etc.
Die symbolische Dimension zeigt sich in einer spezifischen Gestaltu...