Das Rätsel von Miramare

Roman, Band 78 der Gesammelten Werke

Karl May, Lothar Schmid, Bernhard Schmid

• Verlag: Karl-May-Verlag
• Jahr: 2009
• ISBN:
  9783780215789
• Thema: Literature
• Thema: Classics

Die Titelgeschichte bringt ein Wiedersehen mit dem Wurzelsepp und dem "Märchenkönig" Ludwig II. Die Spuren einer gemeinen Mädchenhändlerbande führen Mays Helden an die Adriaküste. In und um Triest spitzen sich die Ereignisse dramatisch zu. Eine zweite Erzählung behandelt die Geheimnisse "In den Gewölben von Schloß Grafenreuth". Der Band enthält folgende Erzählungen: 1.) Das Rätsel von Miramare2.) In den Gewölben von Schloß GrafenreuthDie vorliegenden Erzählungen spielen in den 80er- und 70er-Jahren des 19. Jahrhunderts. Die Titelgeschichte ist eine Bearbeitung aus dem Kolportageroman "Der Weg zum Glück", die zweite Erzählung aus "Deutsche Herzen - Deutsche Helden", beide entstanden zwischen 1885 und 1887.

IN DEN GEWÖLBEN VON SCHLOSS GRAFENREUTH

In seinem Roman Deutsche Herzen, deutsche Helden (1885–1887) erzählt Karl May die Geschichte der deutschen Familie Adlerhorst. Deren Mitglieder – die Tochter Lisa (zunächst als vorgebliche Tscherkessensklavin ‚Tschita‘ genannt) und die Söhne Hermann, Martin und Gottfried – wurden durch die schlimmen Machenschaften des Türken Ibrahim Bei und des ehemaligen Kammerdieners Florin in alle Welt zerstreut.

Erst den Bemühungen einer Gruppe ‚deutscher Helden‘ unter Führung des Weltreisenden Oskar Steinbach – in Wirklichkeit Prinz Oskar, Bruder eines deutschen Großherzogs – gelingt es, die Adlerhorsts nach unzähligen Abenteuern in Stambul, in Nordamerika und sogar unter den Verbannten Sibiriens aufzuspüren und wieder zusammenzuführen. Dabei finden am Ende auch die beiden Verbrecher Ibrahim und Florin ihre gerechte Strafe.

Die Haupthandlung dieses Romans kann man sorgfältig überarbeitet in den Bänden 61 Der Derwisch, 62 Im Tal des Todes und 63 Zobeljäger und Kosak der Gesammelten Werke Karl Mays lesen.

Die Erstdrucke waren von Karl May wie alle Münchmeyer-Ausgaben als verfälscht abgelehnt und andererseits in bearbeiteter Form zur Aufnahme in die Gesammelten Reiseerzählungen bestimmt worden. Deshalb gestaltete Dr. Euchar Albrecht Schmid unter Mitwirkung von Franz Kandolf 1931–1934 das ursprünglich seltsam fremde und die Geschehnisse kaum auflösende Ende im Sinne des Autors als ‚Gottesgericht‘ völlig neu.

Dieser sehr erfolgreichen Fassung stellen wir nun das letzte Kapitel Zum guten Schlusse (Lieferungen Deutsche Herzen, deutsche Helden 96–109) in der Münchmeyer-Version gegenüber, um dadurch die Gesammelten Werke mit einem bisher kaum bekannten Text abzurunden und Vergleiche zu ermöglichen. Stil und Rechtschreibung erfuhren eine behutsame Anpassung an den derzeitigen Sprachgebrauch. Kleinere Straffungen und Eingriffe waren zum Abmildern von Längen und offensichtlichen Widersprüchen unumgänglich. Allerdings kann nicht bestritten werden, dass diese Episode May nicht auf der gewohnten Höhe seines erzählerischen Könnens zeigt. Lust und Langeweile mischen sich. Schmerzlich vermisst man die sonst willkommenen geografischen und räumlichen Beschreibungen als Atempause zwischen überlangen Dialogen. Und dennoch blitzt das Genie des Schriftstellers immer wieder durch. Unwillkürlich wird man an ein Lesedrama erinnert. Bedenkt man, dass Rollenspiel und Doppelrolle handlungstragende Elemente sind, so eröffnet sich ein neuer Blickwinkel: May zeigt die Welt hier als ein ironisches, ja fast schon absurdes Theaterstück.

Es sei noch darauf hingewiesen, dass Prinz Oskar alias Oskar Steinbach – die geheime Hauptfigur des Romans in der Münchmeyer-Fassung – in den Bänden 61–63 nicht vorkommt. Seine Aktionen waren zum Teil anderen Figuren übertragen worden. Daraus ergeben sich auch manche notwendige Abweichungen zwischen den genannten Titeln und einigen Handlungsdetails in den Gewölben von Schloss Grafenreuth.

Näheres zur Entstehungsgeschichte und zu Fragen der Authentizität dieses Erzählfinales wird im Nachwort erläutert.

1. Unter Verschwörern

Schloss Wiesenstein ragt von einem steilen Granitfelsen so hoch empor, dass oft die Wolken um seine Zinnen streichen. Es blickt weit in das Land hinein, und wer im Bahnzug sitzend durch das Fenster die Gegend betrachtet, der bekommt es bereits eine Stunde, bevor er Wiesenstein erreicht, von mehreren Seiten zu Gesicht, da die Bahn sich dem Ort in weiten Kurven nähert.

Das Schloss ist der Lieblingsaufenthalt Prinz Oskars, des Bruders des Großherzogs. Doch war er seit längerer Zeit nicht mehr dort gesehen worden. Angeblich sollte er große Reisen in den Orient und nach Amerika gemacht haben und sich nun gegenwärtig in Russland befinden, wo ihn der Zar wegen seiner hervorragenden militärischen Fähigkeiten zum Ehrenkommandanten eines Gardekavallerieregiments ernannt habe – so munkelte man. Der Prinz bekleidete den Rang eines Generalleutnants; wohl niemals zuvor hatte sich ein Mitglied des regierenden Herrscherhauses einer so großen und allgemeinen Beliebtheit bei der Bevölkerung erfreut wie er. Es war allgemein bekannt, dass Prinz Oskar nichts lieber tat, als Menschen glücklich zu machen.

Er verfügte über ein beträchtliches Vermögen, aus seiner Privatschatulle flossen aber große Summen den Armen und Bedürftigen des Landes zu und der Segen von Hunderten und Aberhunderten, die er beglückt hatte, dankte ihm laut und im Stillen für seine Wohltaten.

Prinz Oskar war unverheiratet. Eigentlich erforderte seine Stellung die Wahl einer fürstlichen Gemahlin, er aber hatte erklärt, er werde niemals eine Pflichtehe eingehen. Er wolle sein Weib aus Liebe wählen; fi...

Inhaltsverzeichnis

• Cover
• Titel
• Impressum
• Inhalt
• DAS RÄTSEL VON MIRAMARE
• IN DEN GEWÖLBEN VON SCHLOSS GRAFENREUTH
• Nachwort