Lebensläufe nach aufsteigender Linie
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Lebensläufe nach aufsteigender Linie

  1. 814 Seiten
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Lebensläufe nach aufsteigender Linie

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Dieser durch verschiedene Ich-Rollen, gebrochene Roman, in dem satirisch bis ernsthaft über das Schreiben reflektiert wird, war sein bekanntestes und renommiertestes zeitgenössisches Werk. Es wurde in den literarischen Kreisen und deren Publikationen hoch geschätzt. Sowohl Goethe und Schiller wie auch später Jean Paul haben sich mit dieser Arbeit, die eine literarische Modewelle der Ich-Erzählungen ausgelöst hatte, beschäftigt.

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Information

Jahr
2012
ISBN
9783849638542

Beilage B. Abdankung des Organisten in L –.

Ich möchte was drum geben,
So wenig es auch ist,
Denn daß ich blutwenig habe, ist euch bekannt.
Allerseits nach Tugend und Alter lieb
und werthe Nachbaren!
Und wenn man mir noch obenein die Leichenabdankungen entzieht, wie es heute (unter uns gesagt) schier den Anfang genommen, so werd' ich wohl am Ende gar nichts drum geben können.
Und doch möcht' ich was drum geben, wenn ich fein der Erste gewesen, welcher das menschliche Leben mit einer Mahlzeit verglichen hätte.
Gelt, es ist ein schmackhafter Vergleich?
Indessen haben außer mir schon andere kluge Leute diesen gesunden Einfall gehabt und wohl gewußt, was gut schmecke; denn in Wahrheit, es ist der natürlichste Gedanke, den ein Mensch, wenn er nämlich einen gesunden Magen im Leibe hat, nur haben kann. Wir essen und trinken, das heißt: wir leben, und wir leben, das heißt: wir essen und trinken. – Die liebe Seele ist beim Leben nur, so zu sagen, zu Gaste – in der andern, oder in der Seelenwelt – soll der Leib der Seele Kostgänger werden; denn wie man liest, so wird unser Leib was Extrafeines seyn. So ein Unterschied, wie zwischen Hirt's Lise und der Gräfin Friederikchen – ihr kennt beide, meine Lieben. Mir ist bange, wenn ich die Gräfin Friederikchen ansehe, daß mein Blick ihr einen Fleck machen wird, so fein ist sie; man hat nicht das Herz sie anzusehen.
Wenn wir auf diese Welt kommen, heißt es, wie vor Tische:
»Aller Augen warten auf dich, Herr, du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit, du thust deine milde Hand auf und sättigest alles, was lebet, mit Wohlgefallen.«
Die jungen Raben sperren den Mund gen Himmel auf, als hochgähnten sie, und schreien den lieben Gott an, wie unverschämte Bettler uns. Kleine Kinder, das hab' ich an meinem Caspar gesehen, der sich wieder erholt hat und dick und fett ist – ja, ich wollte von kleinen Kindern sagen – die sehen nicht gen Himmel – ich dachte schon, das käme wegen der Erbsünde und weil wir uns dem lieben Gott entwöhnt haben; allein ich besinne mich wieder – denn nicht wahr? alles was saugt, sieht auf die Mutter, und sein Blick kommt erst durch Umwege zum lieben Gott. – Wer in die Höhe steht, ist gleich ein paar Zoll größer. Das wissen die Werber wohl, die uns Angst und Furcht genug einjagen. – Ist aber je ein Rabe, wenn ihn gleich seine Eltern nach Rabenart behandeln, Hungers gestorben? Habt ihr je so was von der kleinsten Mücke gehört? Ich nicht. Und doch sagt man von Menschen, daß sie im eigentlichen Brodverstande Hungers gestorben sind. Daß sich Gott über solche Bengel erbarme, die nicht werth waren junge Raben zu seyn! – Seyd ihr nicht mehr, denn sie? hätte man auf das Grab dieser Verhungerten schreiben und ein Nest voll junger Raben, eben im Gebet begriffen, aushauen sollen. Sterben wir, liebe getreue Nachbaren und desgleichen, sterben wir, so heißt es, als wenn wir vom Tisch aufstehen und das Tischtuch, bald hätt' ich Leichentuch gesagt, zusammenlegen:
Wir danken Gott für seine Gaben,
Die wir von ihm empfangen haben,
Und bitten Gott, unsern lieben Herrn,
Er woll' uns allzeit mehr bescher'n.
Er speis' uns stets mit seinem Wort,
Damit wir satt werden hier und dort.
Ach lieber Gott, du wollst uns geben
Nach dieser Welt das ewige Leben.
Kann ein besseres Todten- oder Begräbnißlied seyn?
Aber zur Sache zu kommen. Der Student der im ersten Paar mit dem hochgebornen Herrn ging, mag wohl wissen, wie's in Curland bei Begräbnissen gehalten wird; von unserer Manier weiß er keinen Theelöffel aufzuwaschen, das ist ein Löffelchen wie mein kleiner Finger. – Der Jüngling würde mich sonst ersucht haben, ein Wort aufs Grab zu sprechen, das mir immer zusteht, wenn die Leiche nicht ins Gewölbe kommt, sondern in die Kirchhofserde. – – Ich sag' es nicht des Gewinnstes wegen, denn seine Schöne (Ende gut, alles gut, sonst wäre noch mancherlei und manches davon zu sagen, daß er sich ihr und sie sich ihm verpfändet hatten; mein Sohn sollt' es nicht versuchen! doch sie ist todt), seine Schöne, seine verstorbene Wilhelmine ist eines Geistlichen Tochter und er Predigers Sohn; wie ich, wiewohl alles nur durchs Schlüsselloch, gehört habe. Eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus. Ich hätte keinen Dreier genommen, ob ich gleich es eben jetzt zum Fuder Holz nöthig habe. – Doch wenn ihr Nahrung und Kleider habt (an Holz ist nicht gedacht, wie es denn auch unser Glaubensvater Luther bei der vierten Bitte, Gott weiß, warum, ausgelassen hat), so lasset euch begnügen.
Was ich also heute rede, das red' ich von Herzen; denn ich hab' es oft und viel bemerkt, daß meine Grabreden oder Leichenabdankungen nicht ohne Segen geblieben.
Gott verzeih' mir die Sünde! Manchmal dacht' ich, wenn ihr alle aufs Grab weintet, so, daß die Thränen ordentlich drauf zu kennen waren, der selige Mensch werde bald aufgehen – und ich hätte die Ehre gehabt, diese Pflanze Gottes auf seinem (nämlich Gottes) Acker zu begrüßen.
Wenn man recht herzlich weint, hat man nicht Zeit, an einen Schwamm zu denken; und es ist wahrlich ein schöner Anblick, so natürlich weg weinen zu sehen. – Aber wieder auf das Leben und die Mahlzeit zu kommen.
Kennt ihr, lieben getreuen Nachbaren und deßgleichen, kennt ihr was Angenehmeres als eine gute Mahlzeit? – Ich glaube, es thut den Engelchen leid, wenn sie uns essen sehen, daß sie es nicht auch können. – Der liebe Gott hat uns alle, nach dieser Welt, mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch bitten lassen – das wird schmecken! Freilich werden nur bloß geistliche Gerichte aufgetragen werden, aber man sieht doch daraus, daß der liebe Gott selbst an Essen und Trinken denkt und wohl weiß, daß uns der Mund alsdann eher nach dem Himmel wässern werde, als wenn er gesagt hätte, wir sollten mit Abraham, Isaak und Jakob dort eine lange Predigt anhören. Wenn ihr so mit euern gesunden Kinderchen um den Tisch euch lagert und bei Sommerszeit Milch und bei Winterszeit Erbsen und Speck eßt: o Nachbarn, mich hungert, wenn ich daran denke, und ich würde mich bei einem von euch gleich heut Abend auf frischer That zu Gast bitten, um meinen heutigen Vortrag recht lebhaft zu machen, wenn ich nicht bei dem Herrn Pfarrer gebeten wäre. Der Herr Pfarrer weiß schon, was einem Handlanger am göttlichen Wort zukommt, und ich versichere euch, daß ich dem Studenten begegnen werde wie meinem eigenen Kinde, obgleich er die Landesmanier nicht weiß und mir nicht die Ehre angethan hat, eine Leichenabdankung bei mir zu bestellen.
Seht, liebe Nachbaren, wie die Mahlzeit, so das Leben. Es ist, unter uns gesagt, recht gut zu leben. – Wenn ihr nicht arbeiten möchtet, würd' es euch wohl schmecken? Die wenigsten Vornehmen essen und trinken, sie thun nur so, als äßen und tränken sie; und dann am Sonntage – denkt nur noch an jenen Sonntag, wo wir des Morgens um vier Uhr ein Werk der Liebe und der Noth verrichteten und dem Herrn Pfarrer sein Getreide wegen des bezogenen Himmels in die Scheuer sammelten, und hernach, wiewohl nach der Predigt, unterm Schauer saßen und regnen sahen, und unser guter Seelenhirte mitten unter uns. Das ging: Prosit, Gevatter! und ich glaube, solcher Prosittage habt ihr viel gehabt.
Niemand ist schläfrig zum Todesschlaf. Jedes hat noch Luft ein Stündchen aufzubleiben. Alles will gern leben. Die lahme Trine im Hospital hätte gern noch einige Jahre gehinkt, und es ist gewiß und wahrhaftig so viel Hübsches, besonders im Sommer, in der Welt zu sehen und zu hören, daß man recht gern lebt. – Ich liebe darum vorzüglich den Sommer, weil so viel Leben drin ist. – Alles lebt im Sommer. Die ausgewachsenen Bäume sind für Vögel und Gewürme große Städte, so wie das Gras schlechte Dörfer und Gesträuch Kirchdörfer sind. – Manche Eiche könnte man wohl ein Schloß nennen; alles, wie man es nehmen will. – Mir hat noch keine Fliege einen Gedanken weggesummt, und es ist mir gleich nicht recht, wenn nicht ein paar in meiner Stube sind. Kann sie ein so großer Herr, als der liebe Gott ist, in seiner Welt leiden, so können sie doch wohl in meiner Stube seyn? Ich hab' es von einem sehr vornehmen Herrn, der bei einem Feste auch für seine Fliegen und Mücken Wein eingießen läßt, um alles, was um ihn lebt und schwebt, zu sättigen und zu tränken mit Wohlgefallen. Seine Hausthiere müssen alle ein Spitzgläschen Wein haben; allein das halt' ich, unter uns gesagt, unrecht, wenn man die Thiere zu menschlich macht. – Man wird schon einen Lazarus finden, warum also Fliegen und Mücken? Der Gevatter Briese sprach mir gestern von der Größe des lieben Gottes, und ich hatte den Einfall, daß der liebe Gott jeden Sperling, jeden Stieglitz, jeden Hänfling, jede Milbe, jede Mücke mit Namen zu nennen wüßte, so wie ihr die Leute im Dorfe: Schmied's Greger, Brisen's Peter, Heifried's Hans – Denkt nur, wenn der liebe Gott so jede Mücke ruft, die sich einander so ähnlich sehen, daß man schwören sollte, sie wären alle Schwestern und Brüder; denkt nur!
Kurz, lieben Freunde, der liebe Gott ist ein guter Herr, bei dem ihr dient, und seyd ihr gleich auf Taglohn bei ihm, und ist die Welt gleich nicht verdungen Werk, hat gleich jeder Tag das Seine, und wird gleich nicht fürs Leben im ganzen Stück, sondern für jede Tagesabtheilung Rechenschaft gegeben, was schadet es? Je kürzer die Rechnung, desto leichter alles übersehen. Wir sind wahrlich nicht in Egypten, wenn wir dem lieben Gott dienen. – Seyd ehrlich. – Habt ihr wohl über eure weltliche Herrschaft zu klagen, ob es gleich oft adeliche Egyptier gibt und unter den königlichen Beamten manchen pharaonischen Frohnvogt? – Der liebe Gott läßt jedem, was er hat. – Er nimmt nicht Zoll und Accise, nicht Hufenschoß und Vorspann, er will nur das Herz, das heißt, daß ihr das Eurige gut anwendet und euch all' zusammen für Schwester und Bruder haltet. Er gönnt uns Würden und Ehren und läßt den beim Schulzenamt, den einen Landgeschwornen, den einen Hausvater seyn und mich einen Mitdiener am göttlichen Worte. Er will nur das Herz, das heißt: daß wir uns einander Gevatter nennen und nicht einer über den andern erheben und alle einander die Hand geben und wohl bedenken, daß nicht wir, sondern er durch uns regiert; daher werden auch die Schulzen und Landgeschwornen, wie die liebe Obrigkeit all' zusammen, Götter der Erde genannt. – Der liebe Gott hat's nicht verboten, in den Krug zu gehen und ein Gläschen zu trinken und Hannchen herumzudrehen, wenn es nur des Sonntags ist, nichts dabei versäumt wird und alles in Züchten und Ehren bleibt. Pfui, wer wollte sich betrinken, um vergnügt zu seyn, wer sich die Augen verbinden, um desto besser zu sehen!
Seht, lieben Freunde, so ist das Leben eine Mahlzeit.
Es gibt aber auch bei jeder Mahlzeit mancherlei und manches, was unangenehm ist. Wo Weizen ist, da schleicht sich auch Unkraut herein, wie in unseres Herrn Pfarrers Weizenland. Gott wolle geben, daß in seiner Gemeinde weniger Unkraut sey, als dieß Jahr auf seinem Acker. – Sonst würden die lieben Engelein zu jäten kriegen, und es würden nicht viele in Frieden und Jauchzen eingeführt werden in die Scheuern – das ist auf den Kirchhof, den ich für des lieben Gottes Scheuer ansehe.
Wir essen im Schweiße des Angesichts, wir essen, was wir sauer verdient haben. – Ich kann zuweilen das Brod nicht ansehen, ohne daß mir der Angstschweiß ausbricht; denn ich weiß, was es mir gekostet hat. Wenn man nur bedenkt, was der liebe Gott erst mit dem Brode für Wege geht, eh' es Brod wird. Wer kann es ohne Sorgen essen? Und mit dem Hemde, eh' es ein Hemd wird. Wer kann es ohne Seufzer anziehen? Gott weiß, wie es kommt, man sorgt am liebsten am Tische und sieht auf die Erde, obgleich man dankvoll gen Himmel sehen sollte. – Man sieht alle um sich herum, die Nahrung und Kleider haben wollen, und das bringt uns in einen Gedankenwald. – Oder man glaubt vielleicht, sich das Sorgen leichter zu machen, wenn man bei Tische sorgt; allein man macht es sich schwerer, denn man wird dadurch unthätig, und anstatt daß man die verlorenen Kräfte ersetzen sollte, verliert man ihrer noch mehr. – Es ist so, wie ein unruhiger Schlaf, der mehr schadet als nützt, man ist nach ihm noch schläfriger. – Wenn man einmal ins Sorgen hinein kommt, findet man sobald nicht heraus. – Mein College in B-, der in seiner Jugend Barbier gewesen, ist bis zur Verzweiflung betrübt, daß er nicht so viel Bücher hat, als sein Pfarrer....

Inhaltsverzeichnis

  1. Theodor Gottlieb von Hippel – Biografie und Bibliografie
  2. Lebensläufe nach aufsteigender Linie
  3. Erster Theil.
  4. Zweiter Theil.
  5. Dritter Theil.