Das Geheimnis des menschlichen Denkens
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Das Geheimnis des menschlichen Denkens

Einblicke in das Reverse Engineering des Gehirns

  1. 352 Seiten
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Das Geheimnis des menschlichen Denkens

Einblicke in das Reverse Engineering des Gehirns

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Über dieses Buch

Der Wettlauf um das Gehirn hat begonnen. Sowohl die EU als auch die USA haben gewaltige Forschungsprojekte ins Leben gerufen um das Geheimnis des menschlichen Denkens zu entschlüsseln. 2023 soll es dann soweit sein: Das menschliche Gehirn kann vollständig simuliert werden.In "Das Geheimnis des menschlichen Denkens" gewährt Googles Chefingenieur Ray Kurzweil einen spannenden Einblick in das Reverse Engineering des Gehirns. Er legt dar, wie mithilfe der Mustererkennungstheorie des Geistes der ungeheuren Komplexität des Gehirns beizukommen ist und wirft einen ebenso präzisen wie überraschenden Blick auf die am Horizont sich bereits abzeichnende Zukunft. Ist das menschliche Gehirn erst einmal simuliert, wird künstliche Intelligenz die Fähigkeiten des Menschen schon bald übertreffen. Ein Ereignis, das Kurzweil aufgrund der bereits in "Menschheit 2.0" entworfenen exponentiellen Wachstumskurve der Informationstechnologien bereits für das Jahr 2029 prognostiziert. Aber was dann? Kurzweil ist zuversichtlich, dass die Vorteile künstlicher Intelligenz mögliche Bedrohungsszenarien überwiegen und sie uns entscheidend dabei hilft, uns weiterzuentwickeln und die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.

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Information

Jahr
2015
ISBN
9783944203164

KAPITEL 1

Gedankenexperimente über die Welt

Darwins Theorie der natürlichen Selektion betrat erst spät die Bühne der Geschichte des Geistes.
Hatte ihr spätes Auftreten darin ihren Grund, dass sie in Opposition zur Wahrheit religiöser Offenbarung stand? Dass sie einen vollständig neuen Gegenstand in der Wissenschaftsgeschichte darstellte? Weil sie allein für lebende Wesen galt? Oder weil sie von Zwecken und finalen Ursachen handelte, ohne den Akt der Schöpfung vorauszusetzen? Ich denke nicht. Darwin entdeckte ganz einfach die Rolle der Selektion, eine Art der Kausalität, die von den Push-Pull-Mechanismen der damaligen Wissenschaft entscheidend abwich. Der Ursprung der fantastischen Vielfalt der lebendigen Dinge konnte durch den Beitrag von neuartigen Merkmalen, möglicherweise von zufälliger Herkunft, für ihr Überleben erklärt werden. Es gab wenig oder nichts in der physikalischen oder biologischen Wissenschaft, das Selektion als kausales Prinzip erahnen ließ.
B. F. SKINNER
Nichts ist letzten Endes heilig außer der Integrität deines eigenen Geistes.
RALPH WALDO EMERSON

Eine Metapher aus der Geologie

Im frühen 19. Jahrhundert dachten Geologen über eine fundamentale Frage nach. Riesige Höhlen und Schluchten wie der Grand Canyon in den Vereinigten Staaten und Vikos Gorge in Griechenland (angeblich die tiefste Schlucht der Welt) gab es überall auf dem ganzen Erdball. Wie kamen diese majestätischen Formationen dorthin?
Es gab dort stete Wasserströme, die die vorteilhaften Gegebenheiten des Geländes nutzten, um sich ihren Weg durch diese natürlichen Formationen zu bahnen. Aber vor Mitte des 19. Jahrhunderts schien es absurd, dass diese schwachen Ströme die Schöpfer solch riesiger Schluchten und Felswände gewesen sein sollten. Der britische Geologe Charles Lyell (1797–1875) äußerte nichtsdestotrotz die Vermutung, dass es tatsächlich die Bewegung des Wassers gewesen sei, die diese bedeutenden geologischen Änderungen über lange Zeiträume hinweg geformt hätte – im Grunde genommen Kieselstein für Kieselstein. Dieser Vorschlag erntete zunächst Spott, aber innerhalb von zwei Dekaden wurde er von der Mehrheit akzeptiert.
Eine Person, die aufmerksam die Reaktionen der wissenschaftlichen Gemeinschaft auf Lyells radikale These verfolgte, war der englische Naturforscher Charles Darwin (1809–1882). Vergegenwärtigen Sie sich die Situation der Biologie um 1850. Ihr Gegenstandsbereich war unübersehbar vielschichtig. Sie sah sich einer Unmenge von Tieren und Pflanzen gegenüber, von denen jedes für sich eine beachtliche Komplexität darstellte. Wenn überhaupt eine Einigkeit unter den Wissenschaftlern bestand, dann in der Verweigerung des Versuchs, eine einheitliche Theorie für diese überwältigende Mannigfaltigkeit und Vielgestaltigkeit der Natur aufzustellen. Diese Vielfalt diente vielmehr als Zeugnis für die Herrlichkeit der göttlichen Schöpfung – ebenso wie für die Intelligenz derjenigen Wissenschaftler, die imstande waren, dieselbe zu erfassen.
Darwin ging das Problem einer allgemeinen Theorie der Arten durch eine Analogie zu Lyells These an. Auf diesem Wege versuchte er zu erklären, dass es über mehrere Generationen hinweg schrittweise zu Veränderungen in der Gestalt der Arten gekommen sei.
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Charles Darwin, Autor von Die Entstehung der Arten, welches die Idee der biologischen Evolution begründete.
Er kombinierte diese Erkenntnis mit seinen Gedankenexperimenten und Beobachtungen, die er in dem berühmten Buch Die Fahrt der Beagle darlegte. Darwin behauptete, dass die Individuen jeder Generation, die am besten in ihrer ökologischen Nische überleben konnten, diejenigen seien, die die Individuen der Folgegeneration zeugen.
Am 22. November 1859 begann der Verkauf von Darwins Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl. In diesem sprach er deutlich aus, was er Lyell verdankte:
Ich weiß wohl, dass die durch die vorangehenden ersonnenen Beispiele erläuterte Lehre von der natürlichen Zuchtwahl denselben Einwendungen ausgesetzt ist, welche man anfangs gegen Ch. Lyells großartige Ansichten in „The Modern Changes of the Earth, as Illustative of Geology“ vorgebracht hat; indessen hört man jetzt die Wirkung der jetzt noch tätigen Momente in ihrer Anwendung auf die Aushöhlung der tiefsten Täler oder auf die Bildung der längsten binnenländischen Klippenlinien selten mehr als eine unwichtige und unbedeutende Ursache bezeichnen. Die natürliche Zuchtwahl wirkt nur durch Erhaltung und Häufung kleiner vererbter Modifikationen, deren jede dem erhaltenen Wesen von Vorteil ist; und wie die neuere Geologie solche Ansichten, wie die Aushöhlung großer Täler durch eine einzige Diluvialwoge, fast ganz verbannt hat, so wird auch die Zuchtwahl den Glauben an eine fortgesetzte Schöpfung neuer organischer Wesen oder an große und plötzliche Modifikationen ihrer Struktur verbannen.1
Es gibt immer etliche Gründe, warum große neue Ideen auf Widerstand stoßen. Es ist auch nicht schwierig, sie in Darwins Fall auszumachen. Dass wir nicht von Gott, sondern vom Affen abstammen, und (zeitlich) davor von Würmern, passte vielen Kritikern ganz und gar nicht ins Konzept. Die Andeutung, dass von daher unser Haushund so etwas wie unser (evolutionsgeschichtlicher) Cousin sein könnte – genauso wie die Raupe, ganz zu schweigen von der Pflanze, über die diese kriecht (ein Cousin millionsten oder milliardsten Grades vielleicht, aber dennoch immerhin verwandt) –, klang für viele wie Blasphemie.
Aber diese Idee setzte sich schnell durch, weil sie Kohärenz in etwas brachte, was vorher lediglich eine Unmenge von scheinbar beziehungslosen Beobachtungen gewesen war. 1872, in der sechsten Auflage der „Entstehung der Arten“, fügte Darwin die folgende Passage hinzu: „Als Belege für einen früheren Zustand der Dinge habe ich in den vorstehenden Abschnitten und an anderen Orten mehrere Sätze beibehalten, welche die Ansicht enthalten, dass die Naturforscher an eine einzelne Entstehung jeder Spezies glauben: ich bin darüber, dass ich mich so ausgedrückt habe, sehr getadelt worden. Unzweifelhaft war dies aber der allgemeine Glaube, als die erste Auflage des vorliegenden Werkes erschien. […] Jetzt haben sich die Sachen ganz und gar geändert und fast jeder Naturforscher nimmt das große Prinzip der Evolution an.“2
Über das restliche Jahrhundert hinweg wurde Darwins Einheit stiftende Idee noch weiter vertieft. 1869, nur ein Jahrzehnt nach der ersten Veröffentlichung der „Entstehung der Arten“, entdeckte der Schweizer Arzt Friedrich Miescher (1844–1895) eine Substanz im Zellkern, die er Nuklein nannte und von der sich herausstellen sollte, dass es sich um DNA handelt.3 1927 beschrieb der russische Biologe Nikolai Koltsov (1872–1940) etwas, das er „riesiges Erbmolekül“ nannte, und von dem er sagte, das es sich zusammensetze aus „zwei spiegelbildlichen Strängen, die sich in einer semi-konservativen Weise replizieren, indem sie jeden Strang als Vorlage benutzen.“ Seine Entdeckung wurde ebenfalls von vielen Seiten verworfen. Die Kommunisten hielten sie für faschistische Propaganda und sein plötzlicher, unerwarteter Tod ist der sowjetischen Geheimpolizei zugeschrieben worden.4 1953, fast ein Jahrhundert nach der Veröffentlichung von Darwins bahnbrechendem Werk, stellten der amerikanische Biologe James D. Watson (geboren 1928) und der englische Biologe Francis Crick (1916–2004) die erste akkurate Beschreibung der DNA-Struktur vor. Sie beschrieben sie als eine Doppelhelix zweier umeinanderlaufender Stränge.5 Es ist der Erwähnung wert, dass dieser Fund auf dem aufbaute, was heute als „Photo 51“ bekannt ist, aufgenommen von ihrer Kollegin Rosalind Franklin in einer Röntgenstrukturuntersuchung, die das erste Bild einer Doppelhelix wiedergibt. Wegen der auf diesem Bild aufbauenden folgenden Entdeckungen wurde immer wieder von verschiedenen Seiten vorgebracht, dass Franklin zusammen mit Watson und Cricks den Nobelpreis hätte erhalten sollen.6
Mit der Beschreibung eines Moleküls, das das Programm der biologischen Prozesse codieren konnte, gab es nun eine fest verankerte Einheitstheorie der Biologie. Sie konnte eine einfache und elegante Begründung für alle Formen des Lebens liefern. Allein abhängig von den Werten der Basenpaare, die die DNA-Stränge im Nukleus ausmachen (und in geringerem Maße die Mitochondrien), entwickelt sich ein Organismus folglich entweder zu einem Grashalm oder in ein menschliches Wesen. Diese Einsicht zerstörte keinesfalls die herrliche Vielfalt der Natur. Aber wir verstehen jetzt, dass der außergewöhnliche Reichtum der Natur aus einem riesigen Sortiment von Strukturen herrührt, die durch dieses universale Molekül codiert werden können.

Ritt auf einem Lichtstrahl

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Welt der Physik durch eine weitere Reihe von Gedankenexperimenten auf den Kopf gestellt. 1879 wurde einem deutschen Ingenieur und einer Hausfrau ein Junge geboren. Er sprach kein Wort, bis er drei Jahre alt war, und soll bis ins Alter von neun Jahren Probleme in der Schule gehabt haben. Mit sechzehn träumte er davon, auf einem Mondstrahl zu reiten.
Der junge Mann kannte das Experiment des englischen Mathematikers Thomas Young aus dem Jahr 1803, das den vermeintlichen Erweis erbrachte, dass Licht sich aus Wellen zusammensetzt. Die Folgerung hieraus war zur damaligen Zeit, dass die Lichtwellen sich in einem gewissen Medium bewegen mussten; also ähnlich, wie sich Meereswellen durch Wasser und Schallwellen durch Luft und andere materielle Träger ausbreiten. Die Wissenschaftler nannten das Medium, durch das sich das Licht vermeintlich bewegte, Äther. Der Junge wusste ebenfalls von einem 1887 von den amerikanischen Wissenschaftlern Albert Michelson (1852–1931) und Edward Morley (1838–1923) durchgeführten Experiment, das beweisen sollte, dass Äther tatsächlich existiert. Die grundlegende Idee dieses Experiments lag in der Analogie zur Fortbewegung in einem Ruderboot, das sich auf einem Fluss sowohl stromaufwärts als auch stromabwärts bewegt. Wenn man mit einer konstanten Geschwindigkeit rudert, dann wird die Geschwindigkeit – gemessen vom ruhenden Ufer – größer sein, wenn man mit dem Strom, statt gegen den Strom rudert. Michelson und Morley nahmen an, das Licht würde sich durch den Äther mit einer konstanten Geschwindigkeit fortbewegen (das heißt mit Lichtgeschwindigkeit). Sie überlegten sich, dass die Geschwindigkeit des Sonnenlichts unterschiedlich sein müsste, je nachdem, ob die Erde sich zur Sonne hin bewegt oder sich von ihr entfernt (nämlich die zweifache Geschwindigkeit der Erddrehung). Das Zutreffen dieser Voraussage hätte die Annahme der Existenz von „Äther“ gestützt. Was sie jedoch entdeckten, war, dass es keinen Unterschied in der Geschwindigkeit des Lichts gibt, gleichgültig wo sich die Erde in ihrer Umlaufbahn befindet. Die Forschungsresultate widerlegten die Idee eines Äthers. Aber was geschieht tatsächlich? Dies blieb für fast zwei Jahrzehnte ein Mysterium.
Als dieser deutsche Teenager sich seine Reise an der Seite eines Lichtstrahls vorstellte, dachte er sich, dass dann die Lichtwellen eigentlich in Ruhe verharren müssten, genauso wie wenn ein Zug sich anscheinend nicht bewegt, wenn man sich neben ihm mit gleicher Geschwindigkeit fortbewegt. Doch er erkannte, dass dies unmöglich ist, weil die Lichtgeschwindigkeit unabhängig von der eigenen Bewegung als konstant vorausgesetzt wird. Daher modifizierte er das Gedankenexperiment und stellte sich vor, was passieren würde, wenn er sich neben dem Lichtstrahl mit geringerer Geschwindigkeit bewegte. Was würde passieren, wenn er nur mit 90 Prozent der Lichtgeschwindigkeit vorankäme? Wenn Lichtstrahlen sich genauso wie Züge verhalten, so dachte er, dann müsste er den Lichtstrahl mit einem Zehntel der Lichtgeschwindigkeit sich von ihm wegbewegen sehen. Tatsächlich müsste dies genauso Beobachtern auf der Erde erscheinen. Aber wir wissen, dass die Lichtgeschwindigkeit eine Konstante ist, wie das Michelson-Morley-Experiment zeigte. Daher würde er in seinem Gedankenexperiment den Lichtstrahl vor sich mit der vollen Lichtgeschwindigkeit sich fortbewegen sehen. Dies erschien wie ein Widerspruch. Wie konnte dies also möglich sein?
Die Antwort erkannte der deutsche Junge, dessen Name zufällig Albert Einstein (1879–1955) war, als er sechsundzwanzig wurde. Offenbar – so die Lösung des jungen Einsteins – hat sich die Zeit selbst für ihn verlangsamt. Er legte diese Überlegungen in einer Abhandlung dar, die er 1905 veröffentlichte.7 Wenn Beobachter von der Erde aus einen Blick auf die Uhr des reisenden jungen Mannes werfen würden, dann sähen sie, dass sie zehnmal langsamer schlagen würde. Und tatsächlich würde seine Uhr, wenn er zur Erde zurückkehrte, anzeigen, dass auf seiner Reise nur zehn Prozent der auf der Erde vergangenen Zeit verstrichen wären (Be- und Entschleunigung hier einmal außer Acht gelassen). Aus seiner Perspektive aber würde die Zeit auf seiner Uhr ganz normal vergehen und der Lichtstrahl neben ihm würde sich mit Lichtgeschwindigkeit fortbewegen. Die zehnfache Verlangsamung der Geschwindigkeit der Zeit selbst (relativ zur „Erdzeit“) erklärt vollkommen die offenbaren Unstimmigkeiten in der Beobachtung aus den verschiedenen Perspektiven. Im Extrem würde die Verlangsamung des Zeitablaufs Null erreichen ab dem Zeitpunkt, an dem die Reisegeschwindigkeit gleich der Lichtgeschwindigkeit ist. Daher ist es unmöglich, sich neben einem Lichtstrahl (mit gleicher Geschwindigkeit) fortzubewegen. Obwohl es unmöglich ist, sich mit Lichtgeschwindigkeit zu bewegen, erwies es sich als theoretisch nicht unmöglich, sich schneller als ein Lichtstrahl fortzubewegen. Dann würde allerdings die Zeit rückwärts laufen.
Diese Lösung erschien vielen frühen Kritikern absurd. Wie könnte die Zeit selbst sich verlangsamen, nur aufgrund der Bewegungsgeschwindigkeit von irgendjemandem? In der Tat waren andere Denker achtzehn Jahre lang (seit dem Michelson-Morley-Experiment) nicht in der Lage gewesen, die Schlussfolgerung zu ziehen, die für Einstein ganz naheliegend schien. Die vielen anderen, die sich diesem Problem im späten 19. Jahrhundert gestellt hatten, fielen buchstäblich „vom Stuhl“, als es galt, die Implikationen dieses Prinzips zu Ende zu denken. So sehr waren sie in ihren vorgefassten Meinungen über die Wirklichkeit gefangen. (“Fielen vom Lichtstrahl”, könnte man die Metapher nun auch wenden.)
Einsteins zweites Gedankenexperiment bestand darin sich vorzustellen, wie er und sein Bruder durch den Weltraum fliegen: Sie sind 299 792,458 Kilometer voneinander entfernt. Einstein möchte schneller vorankommen. Aber er will auch die Entfernung zwischen ihm und seinem Bruder beibehalten. Deswegen gibt er seinem Bruder jedes Mal ein Zeichen mit einer Taschenlampe, wenn er beschleunigen möchte. Da er weiß, dass es eine Sekunde dauert, bis das Lichtsignal seinen Bruder erreicht, wartet er immer eine Sekunde (nach dem Senden des Signals), um dann seine Geschwindigkeit zu steigern. Jedes Mal wenn sein Bruder das Signal erhält, bes...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Vorwort zur spanischen Ausgabe
  7. Danksagung
  8. Einleitung
  9. KAPITEL 1: Gedankenexperimente über die Welt
  10. KAPITEL 2: Gedankenexperimente über das Denken
  11. KAPITEL 3: Ein Modell des Neokortex: Die Mustererkennungstheorie des Geistes
  12. KAPITEL 4: Der biologische Neokortex
  13. KAPITEL 5: Das Althirn
  14. KAPITEL 6: Transzendente Fähigkeiten
  15. KAPITEL 7: Der biologisch inspirierte digitale Neokortex
  16. KAPITEL 8: Der Geist als Computer
  17. KAPITEL 9: Gedankenexperimente über den Geist
  18. KAPITEL 10: Das Gesetz vom steigenden Ertragszuwachs angewandt auf das Gehirn
  19. KAPITEL 11: Entgegnungen
  20. Epilog
  21. Endnoten
  22. Index