Fair Play
eBook - ePub

Fair Play

  1. 121 Seiten
  2. German
  3. ePUB (handyfreundlich)
  4. Über iOS und Android verfügbar
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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Mari und Jonna, zwei Künstlerlinnen, zwei Ateliers - verbunden durch einen Gang auf dem Dachboden. Tag für Tag, Jahr für Jahr leben und arbeiten sie Seite an Seite, in Helsinki, auf einer abgelegenen Schäreninsel oder auf Reisen durch Europa und die USA. Immer geleitet vom gegenseitigen Respekt, verlieren sie nie aus dem Blick, wie sie die Kreativität der anderen unterstützen können."Fair Play" ist der letzte und vielleicht persönlichste Roman Tove Janssons, der Schöpferin der weltweit bekannten Mumintrolle.

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Information

Verlag
Urachhaus
Jahr
2014
ISBN
9783825160234

EINMAL IM JUNI

Anfang des Jahrhunderts war Maris Mutter eine der Gründerinnen der schwedischen Pfadfinderinnen gewesen. Die Mädchen bewunderten Maris Mutter natürlich, aber von einer sehr kleinen Pfadfinderin, die Helga hieß, erhielt sie absolute, ungeteilte Verehrung. Helga war still wie eine Maus und fürchtete sich praktisch vor allem, was es gab. Maris Mutter war es klar, dass Helga unter keinen Umständen eine gute Pfadfinderin werden konnte, und darum versuchte sie, das Kind so unbemerkt wie möglich vor den einfachen Strapazen zu schützen, die ihre Ängste nur noch schlimmer machen würden. Das allergrößte Entsetzen bei Helga lösten Gewitter aus. Wenn der Donner in der Nähe grollte, machte Maris Mutter sich auf die Suche nach dem Unglückswurm und versuchte es mit schnell improvisierten Erklärungen zu beruhigen – plötzliche Temperaturschwankungen, Elektrizität sowie die Auf- und Abbewegung der Luftströme betreffend. Es ist ungewiss, ob Helga das verstand, aber jedenfalls ging es ihr dann besser.
Helga besaß eine Kamera, und die verfolgte alles, was ihre geliebte Pfadfinderführerin unternahm. Die Fotos wurden in ein Buch geklebt, das sie niemandem zeigte, es war ihr geheimer Schatz, eine Barrikade gegen die gefährliche Umwelt. Auf die erste Seite hatte sie ein kleines Haarbüschel unter Zellophan geklebt, das war nach unerhörter Planung und großen Ängsten von dem alleräußersten Ende des dicken Zopfes der Pfadfinderführerin abgeschnitten worden.
Erstaunlich ist, dass Helga ihr Idol nach der Pfadfinderzeit nie mehr aufsuchte, ihr nicht einmal die unvermeidlichen Weihnachtskarten schickte, die beim Empfänger jährlich ein wenig Feiertagssentimentalität auslösen oder, noch öfter, einen Stich von schlechtem Gewissen. Das Buch dagegen setzte Helga fort, alles, was mit ihrer Großen Freundin zu tun hatte, wurde eingetragen, nach und nach Notizen über Hochzeit und Geburten. Und dann das Kapitel, das Helga mit »Sie war vor allem Künstlerin« überschrieben hatte und die Teilnahme an Ausstellungen betraf, die Kommentare der Zeitungen, vereinzelte Reproduktionen, ein paar Interviews. Die Familie im Leben der Freundin erhielt nur das schmale Marginalinteresse, das sich nicht vermeiden ließ. Das Buch schloss mit einer Todesanzeige und einem Gedicht, in dem Helga versucht hatte, all das zu formulieren, was nie ausgesprochen worden war.
Viele Jahre später sah Helga zufälligerweise eine Notiz in ihrer Morgenzeitung: Eine Auktion mit Arbeiten verstorbener Künstler wurde angekündigt, da stand auch eine Liste der Namen. Helga ersteigerte eine Kollektion Zeichnungen und Aquarelle aus der allerersten Studienzeit von Maris Mutter. Sie erhielten schöne Rahmen und wurden aufgehängt, sie wurden fotografiert und in Das Buch eingeführt. Nun war alles abgeschlossen und perfekt.
In eben diesem Sommer fühlte sich die Perfektion unerklärlicherweise wie eine Last an. Helga beschloss, ihre langwährende Verantwortung auf einem anderen Altar abzuladen, und darum schrieb sie Mari. Das Material, das sie gesammelt hatte, sei zu kostbar, um mit der Post geschickt zu werden, sie müsse es selbst übergeben dürfen und das so schnell wie möglich.
Mari las den Brief und ging eine Weile langsam um die Insel. Als sie zurückkam, sagte Jonna: »Wir können ja im Zelt schlafen. Das sind doch wohl nur ein, zwei Tage?«
»Ja. Wahrscheinlich werden das nur ein paar Tage.«
An einem Juniabend setzte Brunströms Wassertaxi Helga an Land. Sie grüßte still und ernst, als würde sie kondolieren. Helga war immer noch klein, allerdings etwas in die Breite gegangen, ihr Gesicht trug den Ausdruck zugeknöpfter Sturheit. Sie gingen zum Haus hinauf, wo die Fischsuppe fertig auf dem Herd stand, und hatten ziemliche Schwierigkeiten damit, ein Gespräch in Gang zu bringen. Helga wollte nichts auspacken. »Morgen«, sagte sie. »Morgen ist Ihr Geburtstag.«
Im Zelt bemerkte Jonna, Helga habe aber eine gewaltige Menge Gepäck dabei.
»Ja«, sagte Mari. »Lesen wir noch ein bisschen?«
Am nächsten Morgen lag Helgas Buch mitten auf dem Tisch. Ein Pfadfinderemblem in Gold schmückte den Einband. Helga hatte eine Kerze angezündet, die mit unsichtbarer Flamme im Sonnenschein brannte.
»So, jetzt setzt ihr euch hin«, sagte Helga. »Mari, hier ist das Buch über ihr Leben.« Und damit begann sie ihre Geschichte; ausführlich und ernst erzählte sie von allen Erwartungen und allen Enttäuschungen während der langen, geduldigen Arbeit an der Aufgabe, Maris Mutter ihren rechtmäßigen Platz in den heiligen Gärten der Erinnerung zu bereiten. Die Fotos waren überbelichtet und verblasst, viel war von diesen Schatten nicht zu erkennen, die offenbar irgendwas taten, was ihnen wichtig war. Aber Helga beschrieb und erklärte alles, was geschehen war.
»Mari, schlag die Seite dreiundzwanzig auf. Hast du gewusst, dass deine Mutter 1904 den ersten Preis in Schönschrift erhielt? Ich lese aus dem Jahresbericht der Schule vor … Hast du gewusst, dass sie eine erfolgreiche Scharfschützin war? Seite neunundzwanzig. 1908 erster Preis in Stockholm und 1907 zweiter Preis in Sundsvall. Und hast du gewusst, dass sie die Pfadfinder 1913 verlassen hat – und warum?«
»Ich weiß«, antwortete Mari, »es war überorganisiert worden und sie hatte das alles satt.«
»Nein, nein. Sie hatte es nicht satt. Sie hat ihre Mission abgegeben, um sich der Kunst zu widmen. Schlag Seite fünfundvierzig auf …«
»Einen Augenblick«, sagte Jonna. »Ich glaube, ich muss kurz rausgehen und die Katze füttern. Wollt ihr einen Kaffee?«
»Nein danke«, sagte Helga. »Das hier ist zu wichtig.«
Nach einer Weile kam Mari aus dem Haus gestürzt. »Hast du das gehört!«, rief sie. »Die heiligen Gärten der Erinnerung! Hast du gewusst, dass meine Mutter 1908 das zweitlängste Haar in Schweden hatte! Dieser Haarschwanz unter dem Zellophan macht mich krank, sie hat kein Recht darauf!«
»Halt«, sagte Jonna. »Weißt du, was ich glaube? Ich glaube, du solltest sie bitten, allein für dich in diesem Buch weiterlesen zu dürfen. Sag es ganz freundlich, ärgere dich nicht, sag, es sei wichtig für dich, etwas Persönliches, und dann gehst du damit weit auf die Landzunge hinaus, dort kann sie nicht sehen, ob du liest oder nicht.«
»Natürlich lese ich!«, rief Mari aus. »Das kann ich doch nicht lassen! Und warum mischst du dich überhaupt in diese Dinge ein!«
Jonna sagte: »Zwei auf einer Insel kommen notfalls klar, aber zu dritt wird es meistens schlimmer. Mari, sie versucht nicht, deine Mutter zu stehlen, glaub mir bitte, was ich sage.«
Mari ging mit Helgas Buch an die äußerste Spitze der Landzunge. Es war schönes warmes Wetter mit einer leichten kleinen Seebrise. Als Jonna wieder ins Haus kam, hatte Helga ausgepackt. Sämtliche Zeichnungen und Aquarelle, die Maris Mutter in ihrer ersten Studienzeit gemacht hatte, waren an den Wänden aufgereiht.
»Sag nichts«, sagte Helga. »Das ist eine Überraschung. Warte, bis Mari kommt.«
Sie warteten lange.
Schließlich ging Jonna raus und läutete mit der großen Schiffsglocke, die nur geläutet werden durfte, wenn Gefahr im Verzug war.
Mari kam angerannt, riss die Tür auf und blieb regungslos stehen. Die Sonne glänzte in all den schönen Goldrahmen. Helga betrachtete Mari unverwandt.
Nach einiger Zeit äußerte Jonna vorsichtig: »Sie war wohl sehr jung.« »Ja«, sagte Helga. »Ja, das war sie. Dies ist ein kostbares Erbe, das weitergeführt werden muss.«
Sie nahmen ihre Landkarten von den Wänden und hängten stattdessen Maris Mutter auf.
»Jetzt wäre eigentlich ein Drink angebracht«, sagte Jonna, »nicht wahr, Mari?«
»Ja. Ein starker. Aber wir haben keinen.«
Und genau in diesem Moment wurde das Haus von einer langen Serie Schüsse erschüttert. Ein Aquarell fiel von der Wand und das Glas zersprang.
»Sind das die Russen?«, flüsterte Helga.
»Sehr gut möglich«, sagte Mari. »Bis zur anderen Seite ist es ehrlich gesagt nicht besonders weit …«
Jonna schnitt ihr das Wort ab: »Sei jetzt nicht gemein. Helga, das sind nur unsere Streitkräfte, die ein paar Schießübungen machen. Kein Grund zur Aufregung. Gehen wir mal raus und schauen zu?«
Helga schüttelte den Kopf, sie war blass.
Draußen vor dem Haus sagte Mari: »Sie hat Angst.«
»Brauchst gar nicht so zufrieden auszusehen. Haben wir genügend Katzenfutter für eine Woche?«
»Nein, haben wir nicht. Aber die Katze würde sowieso nicht mal einen Stichling runterbringen, solange das hier weitergeht.«
Plötzlich wurde wieder geschossen.
»Ja, ja«, sagte Mari. »Ich kann es schon auswendig: Das Radio teilt mit, dass die Streitkräfte da und da und dann und dann mit scharfer Munition und schweren Artilleriewaffen schießen, Gefahrenzone ein Fünfkilometersektor, Spitzenhöhe zwei Kilometer, die Bevölkerung wird gewarnt und so weiter – und morgen wäre sie abgereist!«
»Ich weiß, ich weiß!«, versetzte Jonna heftig. »Es ist meine Schuld; ich hätte neue Batterien fürs Radio besorgen sollen, hab es aber nicht getan …«
Ein kleiner Schlepper mit einer riesigen Zielscheibe im Schlepptau mühte sich aufs Meer hinaus. An den Stellen, wo die Granaten im Wasser einschlugen, stiegen weiße Wassersäulen auf.
»Die zielen nicht besonders gut«, bemerkte Mari. »Schau mal, diese letzte Granate hat sie fast an Bord erwischt. Sie sollten ein längeres Schlepptau benutzen.«
Die Zielscheibe verschwand allmählich hinter der Landzunge aufs Meer hinaus, jetzt flogen die Granaten direkt über die Insel, man hörte sie vorbeipfeifen und duckte sich jedes Mal, unwillkürlich.
»Kindisch«, sagte Mari, »ich glaube fast, die haben Spaß daran.«
»Überhaupt nicht. Das verstehst du nicht. Sie müssen doch schießen lernen, das ist wichtiger als alle Fischer und Sommergäste der Welt, die zufällig hier in der Gegend herumrudern. Jetzt gelten harte Regeln. Mit anderen Worten: Die Streitkräfte existieren, um uns zu verteidigen, und wir sollten alles tun, um ihnen zu helfen und Verständnis zu zeigen. Die Garnison nimmt jedes Mal, wenn sie ihre Manöver abhalten, achthundert Mann auf. Das will doch was heißen.«
»Haha«, sagte Mari. »Mir sagt das, dass neunhundert Eiderenten jetzt gerade brüten!«
Und plötzlich, mit der Selbstverständlichkeit, die das Unvermutete manchmal begleitet, stieg eine Wassersäule direkt am Ufer auf, sehr hoch und weiß. Eine Granate schlug im Felsen ein, worauf ein Regen aus Steinsplittern über das Gemüsebeet stob. Sie gingen ins Haus.
»Hört mir jetzt bitte zu«, sagte Jonna. »Wir müssen das hier richtig sehen. Die Jungs sind sehr jung und haben noch nicht gelernt, richtig zu zielen. Die Zielscheibe befindet sich hinter der Insel, gut. Darum schießen sie über die Insel, aber anfangs ist es sehr schwer, den Abstand einzuschätzen. Das muss man verstehen.« Sie stellte die Kaffeetassen auf den Tisch und schob Helgas Buch beiseite.
»Gib es mir!«, rief Helga, und Mari sagte: »Du kannst es ja in den Keller retten. Vielleicht ist es besser, wenn du auch runtergehst. Hier wird es bestimmt nur immer schlimmer.«
»Du erinnerst überhaupt nicht an deine Mutter!«, rief Helga aus.
»Nein. Das tu ich nicht. Du musst es ja wissen, wo du sie doch auswendig gelernt hast!«
»Das reicht jetzt«, bemerkte Jonna. »Legt das Buch unte...

Inhaltsverzeichnis

  1. Cover
  2. Titel
  3. INHALT
  4. Umhängen
  5. Videomanie
  6. Über die Idee des Jägers
  7. Katzenfisch
  8. Einmal im Juni
  9. Nebel
  10. Killing George
  11. Reisen mit der Konica
  12. B-Western
  13. In der großen Stadt Phoenix
  14. Wladyslaw
  15. Das Feuerwerk
  16. Über Friedhöfe
  17. Jonnas Schülerin
  18. Viktoria
  19. Sterne
  20. Der Brief
  21. Impressum