Die erschöpfte Begeisterung
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Die erschöpfte Begeisterung

Das Phänomen Burnout - eine integrale Sicht aus der psychotherapeutischen Praxis

  1. 188 Seiten
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Die erschöpfte Begeisterung

Das Phänomen Burnout - eine integrale Sicht aus der psychotherapeutischen Praxis

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Inhaltsverzeichnis
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Über dieses Buch

Das weitverbreitete Phänomen Burnout erfährt in diesem Werk eine gleichermaßen innovative, tiefschürfende und kritische Beleuchtung. Das Buch liefert Betroffenen sowie Therapeuten die Basis für eine integrative Auseinandersetzung auf psychologischer, philosophischer und biologischer Ebene. "Ausgebrannte" werden befähigt, sich der Breite und Tiefe ihrer gefühlten Problematik stellen zu können. Von der analytisch-tiefenpsychologischen bzw. kognitiv-verhaltenspsychologischen Sicht, über die Stresstheorie, bis hin zur biologistischen Betrachtung deckt der Autor vor dem Hintergrund seiner langjährigen Praxiserfahrung die für den Betroffenen wesentlichen Aspekte auf.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783170248243

1 Hypothese

»Vielleicht ist es so, dass man selbst gar nie erwachsen ist, man ist es immer nur für die anderen.«
Peter Bichsel – »Das ist schnell gesagt«
Burnout ist eine der vielen Varianten des basalen Erschöpfungsprozesses, wie er sich im Leben abspielt, im Leben aller Menschen. Es ist jene Variante, die angesichts von Problemen und Widerständen im Zusammenhang mit der Arbeit, die jemand verrichtet, der über eine gewisse Selbstbezüglichkeit verfügt, im mittleren Alter drohen kann. Manche erwischt es früher und einige später. Burnout hat etwas zu tun mit einer primären Behinderung der normalen Leistungsentwicklung und einer Reaktionsbildung, bei der Motivation und Begeisterung eine zentrale Funktion übernehmen. Doch sind die Verschiebungen subtil und die Kompensation ist komplex und erfordert ein gewisses Talent bei der Umsetzung. Fehlt dieses, nimmt die Erschöpfung einen etwas anderen Verlauf und führt außerdem nicht selten in habituellen Suchtmittelkonsum.
Das Buch ist kein Lehrbuch und kein Ersatz für Standardwerke. Es ist Essay, Skizze und Ideensteinbruch. Wie man einen Text liest, hat etwas damit zu tun, wie man persönlich eine Aufgabe bewältigt. Anhand solcher Erfahrungen mag jeder selber ermessen, wie die Linien seiner Erschöpfbarkeit und Erschöpfung verlaufen und welcher Stellenwert seiner Fähigkeit zur Begeisterung zukommt.

1.1 Burnout – ein merkwürdiger Gegenstand

In all den Jahren, in denen ich mich klinisch mit dem Erschöpfungssyndrom am Patienten befasse, ist mir aufgefallen, wie merkwürdig wir im Umgang mit Burnout und verwandten Erscheinungsbildern der Erschöpfung im Grunde umgehen. Man weiß nicht recht, ob es sich bei Burnout um ein neues Störungsbild handelt oder um bekannte Phänomene, die man erst jetzt zu einem eigenen Bild zusammenfasst, oder ob es sich weitgehend um einen Hype handelt, wie Autoren gelegentlich durchblicken lassen und es die Presse nicht selten behauptet. Die süffisante Zurückhaltung, der man in der Bevölkerung und selbst bei vielen Ärzten in Bezug auf das Burnout-Syndrom oft begegnet, verunsichert. Freudenbergers Syndrom, in den siebziger Jahren erstmals beschrieben, passt fast zu gut in unsere Zeit, um – so wie es »verkauft« wird – auch rundum wahr zu sein. In der Tat war vieles schon früher bekannt, namentlich die Rolle von Stress und Strain, wie Selye, Lazarus und andere sie sahen. Beinahe alles, was heute argumentativ mit Burnout verbunden wird, wurde seinerzeit vor dem Hintergrund von Kreislaufrisiken und kardialer Erkrankung diskutiert, die wesentlich häufiger als Stressfolgen imponierten als eine Erschöpfungsreaktion, wie wir sie heute als Burnout bezeichnen (Feldmann 1984). Solche Erschöpfungsreaktionen kamen aber durchaus vor und waren gut bekannt, aber sie genossen keine größere Beachtung. Eine noch weitergehende Verunsicherung mag entstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie vor über hundert Jahren mit dem damaligen Massenphänomen der Neurasthenie umgegangen wurde (Radkau 2004). Neurasthenie ist in vielerlei Hinsicht das Pendant zum Burnout in der bürgerlichen Gesellschaft vor dem Ersten Weltkrieg. Heute ist Neurasthenie eine in Verruf geratene Diagnose, die bei Krankenversicherern und Sozialversicherungen im Verdacht steht, keine ernsthafte Störung zu sein, auf jeden Fall keine, die finanzielle Leistungen der Solidargemeinschaft begründen kann. Neurasthenie erscheint als eine auf der Grenze zur maladie imaginaire befindliche, hauptsächlich selbstverschuldete, nachhaltig wirkende Befindlichkeitsstörung mit ausgeprägtem Krankheitsgewinn und appellativen Elementen. Bei Burnout ist das nach wie vor ähnlich. Die zunehmende Bestimmtheit, mit welcher Burnout-Spezialisten die Störung als eine rundum gesicherte Erscheinung präsentieren, täuscht über den bescheidenen Erkenntnisgewinn hinweg, den man seit den 1990er Jahren in Bezug auf das Erschöpfungsthema gemacht hat. Diese Bestimmtheit ist auch als Reaktion auf das massenhafte Auftreten der Störung seit der Jahrtausendwende zu werten. Umgekehrt wirkt die Konsolidierung des Burnout-Begriffs in Psychiatrie und Psychotherapie zurück auf die davon Betroffenen, denen immer klarer zu werden scheint, worunter sie eigentlich leiden. Insofern ist der Aspekt des Hype an der ganzen Erscheinung nicht wegzudiskutieren. Wissenschaftliche und mediale Diskussion und die Betroffenheit durch das Syndrom haben sich zunehmend ineinander verzahnt und einen Schwungradeffekt erzeugt. Dennoch handelt es sich nicht um ein Phänomen, das leichtfertig abgetan werden kann. Vielmehr funktioniert die Verbreitung vieler Krankheiten nach demselben Schematismus, der – um einen chaostheoretischen Begriff zu verwenden – als Attraktor wirkt und Zug um Zug das Muster verdeutlicht, welches man am Ende auch bei sich selbst am Werk sieht. Alles, was mit Burnout verbunden werden kann, existierte bereits vorher, aber es wird erst jetzt zu einem Leiden, nachdem es einen sprechenden Namen mit der dazu passenden intensionalen Beschreibung erhielt, das »zu haben« zu einer neuartigen Identifikation befähigt im Sinne der Charaktermaske des Ausgebrannten. Dasselbe ist bereits früher mit der Melancholie und der neurotischen Abgeschlagenheit passiert, die erst im Zuge des Depressionskonzepts und von dessen zunehmender Verbreitung zu dem wurden, was wir heute kennen und worunter wir leiden. Erst mit dem Konzept der Depression ist die Möglichkeit zur Identifikation und zum Ausleben der eigenen momentanen Defizienz insofern entstanden, als sie vom Individuum begriffen werden kann. Charaktermasken liefern jene Begreifbarkeit, ohne die es nicht geht. Burnout deshalb abschätziger zu behandeln, erscheint arrogant und ist in der Sache falsch. Vom Augenblick an, wo Burnout ein Begriff ist, existiert dieses Leiden als eine der möglichen Identifikationen und ist begreifbar. Durch den Begriff bin ich fortan entschuldigt, das Private fällt mit ihm von mir ab, und ich habe nun teil an etwas Öffentlichem, wie man früher an der Cholera, am Typhus und heute an der Depression teil hat.

1.2 Burnout – schon lange entschlüsselter, als wir glauben

Als ich in meiner Bibliothek ein altes Kompendium der Psychiatrie und Psychotherapie fand, dessen Besitz ich vergessen oder verdrängt hatte, stieß ich in ihm auf Passagen, die sich gut mit Burnout assoziieren lassen und erstaunlich aktuell klingen. Es stammt aus dem Jahr 1984 und ist die neunte Auflage des legendären Kompendiums von Theodor Spoerri (Feldmann 1984), den ich als Student noch die Ehre gehabt hatte, persönlich zu kennen, und dessen Vorlesung ich – selten genug – besuchte. Mir wurde bewusst, wie fraglich doch der Erkenntnisgewinn ist, den wir in der Zwischenzeit in Bezug auf viele Bereiche in der Psychiatrie zu verzeichnen haben. Als ich die folgende Passage zur Erschöpfungsreaktion las, erkannte ich einiges darin wieder, worüber wir heute so diskutieren, als handle es sich um neue Erkenntnisse. Ich zitiere aus dem Absatz in der Hoffnung, der Leser möge die Ausführungen bei der Lektüre meines Buches im Hinterkopf behalten:
»Überarbeitung wird zum Konflikt, wenn ein autoritärer Vorgesetzter antreibt und dies im Widerspruch zum eigenen Autonomiestreben und Selbstwerterleben steht […]. Konflikte wirken aber nur dann pathogen, wenn es dadurch zu einer Überforderung kommt, wenn eine Konfliktlösung nicht möglich ist« (Feldmann 1984, S. 193). Bereits damals wurde die Bedeutung des Konflikts für die Reifung des Individuums betont: »Normalerweise haben Konflikte eine positive konstruktive Bedeutung für Lebensbewältigung und Reifung « (ebenda).
Psychoreaktive Störungen sind auch schon als Stressreaktionen im Verdacht: »Dabei ist aber weniger das biologische Stressmodell (Selye) anwendbar, als vielmehr verhaltenspsychologische Stresskonzepte, welche die subjektive Wertigkeit von belastenden Ereignissen und das psychische Verhalten unter Stress besonders berücksichtigen. Dabei sind auch psychosoziale Stressoren mit einzubeziehen: Leistungsdruck, Leistungs- und Versagensangst, soziale Isolierung und andere soziale Angsterfahrungen […]«(Feldmann 1984, S. 194). Wie heute üblich, wird auf das transaktionale Stresskonzept von Lazarus Wert gelegt, worin »[…] die persönliche Wertigkeit eines belastenden Ereignisses danach bestimmt [wird], wie das Ereignis vom einzelnen bewertet wird: kognitive Bewertung. Entscheidend ist dabei der Bedrohungsaspekt: wie bedrohlich oder ängstigend eine Situation einem erscheint. Besonders belastend sind dabei solche Situationen, die man nicht verändern, auf die man keinen Einfluss nehmen kann: Erfahrung der Nichtkontrolle « (ebenda, S. 195).
Die sich daraus entwickelnden Folgen werden so beschrieben, wie wir sie heute in der Burnout-Therapien gehäuft antreffen: »Wenn eine Kampf- oder Fluchtreaktion nicht möglich ist oder unterdrückt wird, kann es zur alleinigen neurohumoralen bzw. vegetativen Stressreaktion des Organismus kommen: vagovasaler Kollaps, sympathikotone Krise, psychovegetatives Syndrom « (ebenda, S. 196).
Wie ich in diesem Buch ausführen werde, liegt, so schon die damalige Ansicht, der Erschöpfungsreaktion oft eine konstitutionelle Asthenie zugrunde, die aber unter günstigen motivationalen Verhältnissen überdurchschnittliche Leistungen zulässt: »Reaktive Versagens- und Erschöpfungszustände treten besonders bei Menschen auf, die in ihrer psychophysischen Konstitution nicht sehr belastbar (asthenisch) sind. Bei den auslösenden Momenten ist aber nicht die objektive Überforderung entscheidend. Auch asthenische Menschen können, wenn sie stark motiviert sind, Erstaunliches leisten. Entscheidend ist das konflikthafte Moment der Überforderung […], wenn Anstrengung und Belastung als sinnlos oder als widersprochen erlebt werden oder wenn Leistung und berufliche Verantwortung eine sonstige Leere im Leben ausfüllen sollen (Flucht in die Arbeit)« (ebenda, S. 197).
Der im protrahierten Verlauf eines Burnout beobachtete psychasthenische Versagenszustand wird wie folgt beschrieben: »Es kommt zu ruheloser und gereizter Abgespanntheit und Erschöpfung, Unlust, dysphorischer (missmutiger) Verstimmung, Leistungsunfähigkeit, Konzentrationsminderung, Schlafstörungen. Der Kranke kann sich nicht entspannen, vielmehr ist ein innerer Spannungszustand kennzeichnend, der ihn schreckhaft und reizbar macht« (ebenda, S. 198).
Die »[…]diffusen körperlichen Beschwerden, wie Kopfdruck, […] Schwindelempfindungen, Herzklopfen, Herzstichen, Beklemmung in der Brust […]« führen zu vegetetativer Übererregbarkeit, Ruhetachykardie und Durchfällen (ebenda, S. 198).
Ausgehend von diesem psychovegetativen Syndrom »[…] gibt es Übergänge zu funktionellen Störungen von Organsystemen: hypertone Kreislaufdysregulation, nervöses Atmungssyndrom, Reizmagen und Reizkolon. Mit zunehmender Somatisierung treten eigentliche psychische Symptome, wie Angst, depressive Verstimmung, Unlust und innere Gespanntheit, zurück« (ebenda, S. 199). Auch die therapeutisch einsetzbaren Behandlungselemente entsprechen bereits einem Teil des heutigen Angebots in der (vor allem stationären) Burnout-Therapie:
»[…]konfliktzentrierte und die Lebensführung betreffende beratende Gespräche; Entspannung und Schlafregulation durch Entspannungstechniken und kurzbefristete Diazepammedikation (…). Konfliktverschleiernde Medikation ohne therapeutisches Gespräch ist dagegen nutzlos. Vorübergehende Herausnahme aus dem Konfliktfeld (Urlaub, Kur) kann der Distanzierung dienen. Wichtig ist die Regulierung des Tagesrhythmus mit Wechsel zwischen Arbeit und Erholungsphasen, ausreichender Nachtschlaf (ohne die Schlafdauer überzubewerten), sinnvolle Freizeitbeschäftigung.
Bei stärkeren vegetativ-funktionellen Beschwerden sind sportliches Training und Schwimmen, bei stärkeren tachykarden Beschwerden die Anwendung eines Betarezeptorenblockers sinnvoll. Weiter kommen Kneippanwendungen, rhythmische Gymnastik, autogenes Training und Biofeedback in Frage«. (ebenda, S. 199)
Es ist schon erstaunlich, wie aktuell dieser mittlerweile dreißigjährige Text immer noch – oder wieder – ist. Burisch zitiert übrigens einen noch etwas älteren Text von Bräutigam (1968), mit ähnlicher Schlussfolgerung (Burisch 2006).

1.3 Zusammenfassender Vorgiff auf die Themen des Buches

Als Psychiater und Psychotherapeut habe ich mich in den letzten Jahren zunehmend auf Erschöpfungssyndrome spezialisiert, nicht zuletzt dank der großen Nachfrage, aber auch aufgrund eigener Erfahrungen mit dem Burnout-Syndrom in den 1990er Jahren und beruflicher Erfahrungen mit modernen Arbeitsplätzen in der Wirtschaft. So habe ich bis heute mehrere hundert Fälle von Burnout und verwandten Erschöpfungsfällen behandelt. Durch die Ausübung von Projektleitungs- und Führungsfunktionen, und als Mitglied von Geschäftsleitungen war ich während meiner beruflichen Jahre in der Wirtschaft mit dem Phänomen kriselnder und erschöpfter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, bzw. ganzer Teams täglich konfrontiert.
Ein Zusammenhang in Bezug auf Ausbrenner und Burnout hat sich im Verlauf meiner praktischen Arbeit mit Betroffenen immer stärker aufgedrängt. Ich verstehe ihn nicht als Theorie im wissenschaftlichen Sinne, sondern spreche lieber von einer Hypothese:
Das Erschöpfungssyndrom, das wir seit einiger Zeit Burnout nennen, verläuft grob gesehen in drei Phasen (
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Abb. 4.1). Die in der Literatur diskutierten Phasenmodelle decken meistens nur die erste dieser Phasen ab, das eigentliche Ausbrennen, das in der Regel 2–3 Jahre dauert, wie die klinische Exploration zeigt. Daran schließt sich eine kurze, aber hochakute Phase an, die meistens mit einem Zusammenbruch endet, der seinerseits nicht selten eine psychotraumatische Wirkung hat. Die dritte Phase dauert in etwa ebenso lang wie das Ausbrennen und betrifft die Zeit der Ausbildung einer psychischen Störung, meistens einer Depression oder einer Neurasthenie, sowie deren Therapie und Remission. In dieser dritten Phase muss der Klient wieder in den Arbeitsprozess integriert werden.
Heute ist man sich weitgehend einig, dass eine der Grundlagen der Erschöpfung das Stresssyndrom ist. Dabei bemüht man meistens drei Autoren, die sich mit dem Phänomen Stress befasst haben. Das Stressverständnis von McEwen, der Seyles Ausführungen zum Allgemeinen Adaptationssyndrom präzisiert (
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Abb. 2.1), steht dabei im Zentrum. Während Selye einen mit Gesundheit assoziierten Mehrleistungsbereich gefunden hatte, bei dem der Sollwert in Bezug auf die Stresstoleranz erhöht erscheint, entwickelte McEwen daraus das Konzept des allostatischen Loads, auf das im Buch an verschiedenen Stellen eingegangen wird. Ebenso grundlegend ist das Stresskonzept von Lazarus, weil es deutlich macht, dass nicht der Stressor allein das Problem darstellt, sondern seine emotionale Bewertung im Kontrast mit der Bewältigungseinschätzung durch den Gestressten. Stress ist somit etwas Subjektives, das zwar auf objektive Stressoren zurückgeht, jedoch noch keine Aussage erlaubt über die tatsächliche Belastung des Betroffenen (
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Abb. 3.1).
In der Auseinandersetzung mit Ausgebrannten und Ausbrennern zeigt sich fast immer ein Phänomen, das man für gewöhnlich mit Persönlichkeitsfaktoren verbindet und das auch im Begriff des Helfersyndroms aufscheint. Kern dieses psychologischen Sachverhalts ist eine eigentümliche, unbewusste Affinität zu Stresslagen, als würde der Ausbrenner den Stress benötigen, um seine angestrebte Leistung erbringen zu können (wobei er rationalisierend erklärt, dass er bloß nachvollziehe, was auf ihn zukomme). Schaut man genauer hin, so tut sich der Verdacht auf, dass Ausbrenner die Resistenzphase des Allgemeinen Adaptationssyndroms (AAS) nach Selye nutzen und nicht etwa erleiden, wie sie behaupten. Dies führt zu einer neurohumoral-biochemischen Betrachtung des Umgangs mit Stress. Schon Selye hat den Stress in Disstress und Eustress unterteilt. Diese Unterscheidung ist inzwischen Allgemeingut geworden. Es kann nun sein, dass in der Resistenzphase des AAS durch Sollwerterhöhung in Bezug auf die Stresstoleranz Mechanismen ablaufen, die einem Preloading (einer Art Vorspannung, ähnlich wie man den Begriff in der Kardiologie für die Physiologie der Herzaktion definiert hat) gleichen.
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Abb. 1.1: Das Allgemeine Stressadapationsschema nach Selye
Erhöhte Corticotropinfreisetzungshormonspiegel (CRH) und Glucoc...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Einleitung
  6. 1 Hypothese
  7. 2 Annäherung
  8. 3 Begeisterung
  9. 4 Erschöpfung
  10. 5 Passung
  11. 6 Vertiefung
  12. 7 Begegnung
  13. Literaturverzeichnis
  14. Register