Gesundheits- und Berufspolitik für Physiotherapeuten und weitere Gesundheitsberufe
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Gesundheits- und Berufspolitik für Physiotherapeuten und weitere Gesundheitsberufe

Grundlagen, Stand und Ausblick - ein praxisnahes Lehrbuch für Ausbildung, Studium und Beruf

  1. 189 Seiten
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Gesundheits- und Berufspolitik für Physiotherapeuten und weitere Gesundheitsberufe

Grundlagen, Stand und Ausblick - ein praxisnahes Lehrbuch für Ausbildung, Studium und Beruf

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Über dieses Buch

Die Heilmittelberufe haben in den vergangenen 20 Jahren einige berufspolitische und ausbildungsreformative Prozesse angestoßen: von der rasch zunehmenden Akademisierung über die Forderung nach mehr Eigenverantwortung bis hin zur Kritik an der prekären Entlohnung. Das Werk stellt die gesundheitspolitischen Akteure, Strukturen und Prozesse sowie die momentane berufspolitische Situation der Physiotherapeuten vor und gibt einen Ausblick auf deren berufspolitische Probleme und Forderungen. Das Buch soll allen Gesundheitsfachberufen, im Speziellen der Physiotherapie, im Hinblick auf die zunehmende Akademisierung und Professionalisierung ein hilfreiches Lehrbuch und Nachschlagewerk sein.

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Information

1 Von der Gründung der gesetzlichen Krankenversicherung und der Begründung der Heilgymnastik

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Grundsätze
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Das organisierte deutsche Gesundheitssystem – zusammengehalten von den Grundsätzen der Selbstverwaltung, Solidarität und Subsidiarität – ist eines der ältesten Gesundheitssysteme der Welt. Die Betrachtung des deutschen Gesundheitssystems beginnt am Ende des 19. Jahrhunderts, zeigt die Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg auf, skizziert die in immer kürzeren Abständen unternommenen Reformbemühungen 100 Jahre später und endet im Jahr 2015. Dabei erfährt die Physiotherapie an ihren markanten Stellen im Zeitstrahl, bis zu ihren aktuellen Problemen und Forderungen, entsprechende Erwähnung.
Die damalig dringlichsten Gesundheitsprobleme hatten häufig hygienische und infektiöse Ursachen (Labisch 1992). Durch wertvolle Weiterentwicklungen der Mikroskopie- und Labortechnik hatte die Medizinwissenschaft seit den 1850er Jahren große Entdeckungen auf den Gebieten der Mikrobiologie und Infektionslehre gemacht. Das förderte die neue »lokalpathologische Idee« (Hunze 2003), wonach der Ort des Symptoms die behandlungsbedürftige Ursache beherbergt. Dieses mechanistische Krankheitsverständnis (biomedizinisches Krankheitsmodell) löste im 19. Jahrhundert die vorherige ganzheitliche Sichtweise sukzessive ab. Die daraus resultierende Spezialisierung der Ärzte verhalf den Orthopäden zur Etablierung ihres Fachbereichs und nebenbei auch zur erfolgreichen Gründung zahlreicher privater Heilanstalten – den Vorläufern ambulanter Rehabilitationseinrichtungen und Therapiepraxen mit noch hauptsächlich männlichen Heilgymnasten als weisungsgebundene Hilfskräfte (Riechardt 2008).
Die Gesundheitspolitik im Kaiserreich Mitte bis Ende des 19. Jahrhunderts bestand vornehmlich noch aus der Bemühung, die Wehr- und Arbeitskraft des Volkes zu erhalten, so die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu steigern und die nationale Sicherheit zu gewährleisten (Schmiedebach 2002). Der Mensch war in der Hochzeit der Industrialisierung wieder Mittel zum Zweck, humanistische Gedanken hatten wenige starke Fürsprecher. Erst als das Gemeinwohl der Gesellschaft und die kommunale Ordnung durch die zunehmenden Arbeitsunfälle, das frühzeitige Versterben und die allgemein schlechten Lebensbedingungen zu zerbrechen drohte, wurde die Bedeutung gesundheitspolitischer Maßnahmen erkannt (Müller 2002, S. 150). Die Gründung des modernen Sozialstaats erfolgte4 durch Reichskanzler Otto von Bismarck, der mit den Gesetzen zu den Sozialversicherungen zwischen 1883 und 1889 eher seine politischen Gegner – die Sozialdemokraten – im Blick hatte. Diesen wollte er die Anhänger aus der Arbeiterklasse von den Gewerkschaften weg an das Kaiserreich binden (Simon 2013, S. 30). Diese Strategie scheiterte jedoch in Teilen, da die sozialpolitischen Parteien ebenso an Zuspruch und Mitgliedern gewannen wie die neu gegründeten Krankenkassen.

1.1 Gründung der Gesetzlichen Krankenversicherungen

Am 15.06.1883 wurde das » Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter« beschlossen (Bismarck 1883) – gegen den Willen Bismarcks,5 dem ursprünglich eine kommunale Einheitsversicherung für alle Arbeiter, Handwerker und kleine Angestellte vorschwebte (Reiners, 2011, S. 194). Vom 01.12.1883 an regulierte dieses Gesetz die zuvor autonomen, aber gemeinnützigen Krankenversicherungen der Zünfte, Innungen und Gilden, ebenso die von einigen Gemeinden gegründeten Armen- und Hilfskassen wie auch die von größeren Unternehmern betriebenen Fabrikkassen6 (Tennstedt 1976, S. 386 ff.). Diese Kassen boten zwar damals schon einfache Unterstützung bei der materiellen Absicherung bei Krankheit, Unfällen und Tod an. Jedoch nur für die in diesen Vereinigungen eingebundenen oder Fabriken tätigen Arbeiter, häufig aber auch schon für deren Ehefrauen und Kinder (Simon 2013, 33 f.). Viele Hilfskassen wurden ab 1884 in umlagefinanzierte gesetzliche Krankenkassen (GKV) umgewandelt.7 Die nun »neu« geschaffene GKV teilte sich in Innungs-, Betriebs- und Knappschaftskassen auf, die ihre Mitglieder – bis zur Einführung der freien Kassenwahl im Jahr 1996 – streng nach Berufszugehörigkeit aufnahmen. Eine Ausnahme bildeten einzig die Ortskrankenkassen (später Allgemeine-Ortskrankenkassen AOK) (ebd.). Einige Beispiele: Technische Angestellte kamen zur Techniker-Kasse (TK); Bergleute in die Bundesknappschaft (BKn); Seeleute in die See-Krankenkasse (SeeKK); Landwirte in die Landwirtschaftliche-Krankenkasse (LKK, das ist als einziges auch heute noch so); Mitarbeiter großer Betriebe in die betriebseigene Betriebskrankenkasse (BKK); bestimmte Metallberufe in die Gmünder-Ersatzkasse (GEK); Mitarbeiter von Betrieben, die einer Innung angehörten, in die Innungs-Krankenkasse (IKK); alle anderen Angestellten entweder in die Barmer-Ersatzkasse (BEK) oder die Deutsche Angestellten-Krankenkasse (DAK) und der Rest in eine Allgemeine-Ortskrankenkasse (AOK). Dabei wurden die TK, GEK, BEK, DAK u. w. zu den Ersatzkassen gezählt, die zwar etwas teurer waren, dafür aber auch lange Zeit ihren Versicherten (und auch den Leistungserbringern) bessere Leistungen anbieten konnten.
Zu Bismarcks Zeit hieß die Physiotherapie noch Heilgymnastik und erfuhr durch die gerade aufkommende medicomechanische-Zander-Therapie (nach Gustaf Zander, Schwedischer Arzt,
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Abb. 1) und eine Wiederbelebung der Massage eine zweite Welle der Akzeptanz (Schöler 2005). Die Kosten für Heilgymnastik und Massage, die nicht von Ärzten selbst erbracht wurden, mussten allerdings noch selbst getragen werden. Erst mit dem Unfallversicherungsgesetz vom 10.07.1884 wuchs die Anzahl der Heilgymnastik-Patienten und vor allem die Dauer von deren Behandlung stark an. Die Berufsgenossenschaften sorgten nun dafür, dass ihre an Arbeitsunfällen verletzten und somit ausfallenden Arbeiter bis zur größtmöglichen Genesung u. a. heilgymnastische Therapie erhielten (Schöler 2005, S. 157). Im Unterschied zu den Leistungen der GKV deckten die »Unfallkassen« die Bereiche Rehabilitation, Entschädigung und die Verhütung von Arbeitsunfällen ab, und ab 1925 auch die Prävention von berufsbedingten Erkrankungen.
In den sich nun neu gründenden gesetzlichen Krankenkassen waren alle Arbeiter mit einem Jahreseinkommen von bis zu 2.000 Reichsmark pflichtversichert (dies markierte die erste Pflichtversicherungsgrenze) und somit fast alle Arbeiter, aber dennoch nur rund 10 % der Bevölkerung. Beamte, Kaufleute, höhere Angestellte, Bankiers, Industrielle und vor allem der Adel konnten und sollten ihre Behandlungs- und Lohnausfallkosten selbst absichern, durften sich jedoch in den weiter bestehenden Hilfskassen – den Vorläufern der heutigen Ersatzkassen – versichern. Ab 1902 bestand für sie auch die Möglichkeit, sich bei einer im »Kaiserlichen Aufsichtsamt für Privatversicherung « in Berlin registrierten Privatversicherung zu versichern.
Die Kosten für die neuen GKV wurden einheitlich zu einem Drittel vom Arbeitgeber und zu zwei Dritteln vom Arbeitnehmer getragen. Die Leistungen im Verhältnis zu denen der Hilfskassen erweiterten sich um:
• die Vergütung ärztlicher Behandlung inklusive Arznei- und Hilfsmitteln,
• die Krankenhausbehandlung,
• das Sterbegeld,
• die Wöchnerinnenunterstützung/Mutterschaftshilfe,
• das Krankentagegeld ab dem 3. Krankheitstag.
Genauso wie heute war die Höhe des Krankengelds an das Einkommen gekoppelt.
Damals: »in Höhe der Hälfte des ortsüblichen Tagelohnes gewöhnlicher Tagearbeiter« (Bismarck, 1883) für 13 Wochen.
Heute: Etwa 70 % des Brutto-Regelentgelts für 72 Wochen (rund 14 ½ Monate) (§ 47 SGB V).
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Abb. 1: Zander-Apparate
Das Krankentagegeld veranschlagte damals mindestens die Hälfte der Kassenausgaben und war somit einer der größten Ausgabenposten der GKV (Finkenstädt 2010, S. 48). Aktuell sind es nur 5,48 %, mit wieder steigender Tendenz (GKV-SV 2015; SVR-G 2015). Die Versicherungspflichtgrenzen basieren daher noch auf der alten Regel, dass die Kassen zu hohe Krankentagegeld-Ausgaben an die Besserverdienenden vermeiden wollten und diese ihre Lohnausfälle durch Erspartes kompensieren konnten.
Für Arzt- und Krankenhausbehandlung wurde zunehmend das Sachleistungsprinzip angewandt, d. h. die Kosten wurden von der Kasse direkt mit den Leistungserbringern in Einzelverträgen beglichen. Die Erstattung für heilgymnastische Behandlungen war zunächst noch keine gesetzlich vorgeschriebene Pflichtleistung, durfte aber je nach Kassensatzung übernommen werden.
Wann der Heilgymnastik die nächsten Schritte in die Anerkennung gelangen, ist nicht eindeutig überliefert (...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort
  6. Abkürzungsverzeichnis
  7. 1 Von der Gründung der gesetzlichen Krankenversicherung und der Begründung der Heilgymnastik
  8. 2 Das deutsche Gesundheitswesen – gesundheitspolitische Strukturen, Akteure, Institutionen und die Krankengymnastik
  9. 3 Die Entwicklung zum aktuellen Gesundheitssystem und zur Physiotherapie
  10. 4 Vom Weisungsempfänger zum emanzipierten Professional
  11. 5 Physiotherapeutische Vertretung in der Gesundheitspolitik – die Physiotherapie-Verbände
  12. 6 Der Gesundheitspolitik nahestehende Institute
  13. Glossar
  14. Adressen
  15. Literaturverzeichnis
  16. Stichwortverzeichnis