Emotionspsychologie
  1. 460 Seiten
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Über dieses Buch

Emotionen sagen, was für uns wirklich wichtig ist. Wir erleben im Alltag Gefühle wie Freude, Angst und Traurigkeit und "erkennen" Emotionen bei anderen Menschen. Die psychologische Forschung hat sich seit über 100 Jahren mit Emotionen befasst. Heute verfügen wir über ein großes Repertoire an Methoden zur Auslösung von Emotionen und zu deren Messung. Psychologische und neurobiologische Erklärungsansätze geben Antworten auf die Frage, wie Emotionen entstehen. Umgekehrt beeinflussen Emotionen unser Denken und unser Verhalten. Das Lehrbuch behandelt in verständlicher Form zentrale Fragen der Emotionsforschung. Es orientiert sich dabei an klassischen Theorien und Untersuchungen wie auch an aktueller Forschung.

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Information

Jahr
2014
ISBN
9783170251199

1 Das Konzept der Emotion

1.1
Historische Entwicklung der Emotionspsychologie
1.2
Definitionen
1.3
Beziehung zu verwandten Konstrukten
1.4
Zentrale Fragen der Emotionspsychologie
1.5
Zusammenfassung und Schlussfolgerungen
In einem kurzen Streifzug durch die Geschichte der Emotionspsychologie werden wir auf die Vorläufer der heutigen Forschung zu Ausdruck, Erleben, körperlichen Veränderungen und Gehirnprozessen bei Emotionen eingehen. Diese Komponenten spielen auch in vielen Emotionsdefinitionen eine Rolle. Die Frage, was eine Emotion überhaupt ist, wird in einem Abschnitt über Definitionen behandelt. Diesem Abschnitt wird eine wissenschaftstheoretische Einordnung vorangestellt. Eine Arbeitsdefinition wird vorgeschlagen und erläutert. Durch eine Abgrenzung zu verwandten Konstrukten soll die Begriffsunsicherheit weiter reduziert werden. Schließlich wird versucht, den Forschungsgegenstand »Emotionen« durch einige zentrale Fragen näher zu bestimmen.

1.1 Historische Entwicklung der Emotionspsychologie

Die Philosophie befasst sich schon seit mehr als 2000 Jahren mit Emotionen (Gardiner, Metcalf & Beebe-Center, 1937; Schmidt-Atzert, 1981, S. 14 ff.; Solomon, 1993, 2008; Ulich & Mayring, 2003). Viele dieser Gedanken fanden vor allem über die frühen Psychologen, von denen viele Lehrstühle für Philosophie innehatten, Eingang in die Psychologie.
Die Geschichte der psychologischen Emotionsforschung kann mit Gendron und Barrett (2009) in drei große Phasen unterteilt werden, die sie mit den Schlagworten »goldene Jahre«, »finsteres Mittelalter« und »Renaissance« charakterisieren. In den »goldenen Jahren« erschienen die wegweisenden Publikationen von Darwin (1872) zum Ausdruck der Emotionen, von James (1884) und Lange (1885) zur Erklärung der Entstehung von Emotionen (noch heute als James-Lange-Theorie bekannt) und die empirisch untermauerte Replik dazu von Cannon (1929). Auch die Arbeiten von Wundt fallen in diese Zeit. Der Behaviorismus führte dazu, dass Emotionen ungefähr vierzig Jahre lang weitgehend ignoriert wurden (»finsteres Mittelalter«). Seit etwa 1960 erlebt die Emotionspsychologie eine »Renaissance«, beginnend mit Arnold (1960). In ihrem Buch legte sie den Grundstein für die später von anderen aufgegriffene Idee, die Bewertung des Ereignisses sei entscheidend für die darauf folgende Emotion. Die Überlegungen, wie eine Emotion entsteht, erfahren in Kapitel 3 eine ausführliche Behandlung.
Wir wollen hier nun einige wichtige Wurzeln aufzeigen, die für das Verständnis der heutigen Emotionsforschung nützlich sind.
Ausdruck. Zur Mimik hat der Detmolder Arzt Theodor Piderit (Piderit, 1867) ein Werk mit dem Titel »Wissenschaftliches System der Mimik und Physiognomik« vorgelegt. Darin können wir lesen: »Die mimischen Gesichtsbewegungen bilden die stumme Sprache des Geistes. Die Wortsprachen der Völker sind verschiedenartig und wechselnd, die Mienensprache aber ist aller Orten und zu allen Zeiten dieselbe geblieben. Auf dem Gesichte der amerikanischen Rothaut wie des befrackten Europäers, des Sclaven wie des Königs, des Kindes wie des Greises ist der Ausdruck des Schreckens, des Zorns, der Entzückung u.s.w. immer derselbe, und daß diese Mienensprache sich zu allen Zeiten gleich geblieben ist, das zeigen uns die Bilder vergangener Jahrhunderte, die Statuen und Monumente des Altertums« (S. 3). Piderit vertrat also die Auffassung, dass sich Emotionen in der Mimik zeigen. Weiterhin nahm er an, dass der mimische Emotionsausdruck, so würde man heute sagen, kulturunabhängig und über die Zeit invariant ist. Der Emotionsausdruck sei einfach zu erkennen; selbst Säuglinge und sogar Tiere seien dazu fähig: »Diese Sprache ist so deutlich und so verständlich, daß selbst Säuglinge den Ausdruck der Trauer oder des Unmuths auf dem Antlitze der Mutter erkennen …; sogar Tiere, wie Hunde und Elephanten, wissen die Stimmung ihres Herrn in seinem Gesicht zu lesen« (S. 3).
Beobachtungen und Überlegungen zur Mimik finden sich auch in früher erschienenen Werken, auf die Piderit, zum Teil auch kritisch, Bezug nimmt. Auch Aristoteles habe erkannt, dass Leidenschaften zu charakteristischen Zügen im Gesicht führten, dem aber wenig Bedeutung beigemessen, u. a. weil verschiedene Geisteszustände zu den gleichen mimischen Veränderungen führen könnten. Aristoteles habe vorgeschlagen, Menschen und Tiere zu vergleichen: »Dicke Nasen (wie die der Ochsen) sollen auf Trägheit deuten, … spitze Nasen (wie die der Hunde) auf Jähzorn, … gebogene Nasen (wie die der Raben) auf Unverschämtheit« (S. 119). Bemerkenswert ist, dass Piderit dem großen Philosophen nicht ehrfürchtig vertraut, sondern widerspricht: »Wenn der Ton der ganzen Abhandlung nicht ein so ernster wäre, so könnte man sich oft versucht fühlen, dies Alles für einen Spaß zu halten« (S. 120).
Piderit bemühte sich um eine genaue Beschreibung der mimischen Erscheinungen und ihrer muskulären Grundlagen. Indem der Verfasser »das flüchtige und complicierte Spiel der Mienen in seine Einzelheiten zerlegt, gelangt er zu einer systematischen Einteilung und Erklärung der mimischen Muskelbewegungen« (S. 14). Im Anhang des Buches finden sich insgesamt 94 Zeichnungen, die bewusst einfach gehalten sind, um das Wesentliche herauszustellen. Der Leser könne selbst überprüfen, ob die Darstellungen treffend seien: »Erkennt der unbefangene Beobachter in ihnen [den Zeichnungen] mit Leichtigkeit den beabsichtigten Geisteszustand, so liefern sie den practischen Beweis, dass die Regeln richtig sind, nach welchen sie construiert wurden« (S. 16). Beispielsweise widmet Piderit dem Ausdruck der Verachtung (
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Abb. 1.1
) insgesamt drei Seiten; seine Beschreibungen sind hier verkürzt wiedergegeben.
Verachtung zeige sich teils in den Augen und teils im Mund. Der Verachtende hebe den Kopf und blicke das Objekt seiner Verachtung von der Seite an. Die Augenbrauen seien in die Höhe gezogen, auf der Stirnhaut bildeten sich horizontale Falten. Die Augendeckel senkten sich wie im Zustand der Schläfrigkeit. Die Unterlippe werde durch die Kinnhebermuskeln aufwärts gezogen.
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Abb. 1.1 Der Ausdruck der Verachtung (aus Piderit, 1886, Abb. 35 und 36).
Die zusätzliche Aktivität der dreieckigen Kinnmuskeln bewirke, dass die Unterlippe vorgestoßen und die Mundwinkel gleichzeitig abwärts gezogen werden. Das Kinn wirke auffallend platt, da die Haut durch die Kinnhebermuskeln nach oben gezogen und gespannt werde.
Mehr Einfluss auf die heutige internationale Emotionsforschung hatte sicherlich Darwins Werk (Darwin, 1872) »The expression of the emotions in man and animals«, dessen deutsche Übersetzung »Der Ausdruck der Gemüthsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren« im gleichen Jahr erschien. Darwin kannte das Buch Piderits und fand darin neben kritikwürdigen Aussagen »manche gute Bemerkungen« (Darwin, 1884, S. 6). Bemerkenswert war sein Vorgehen: Eigene Beobachtungen, Literaturstudium und Auskünfte, die er auf seine Fragen von Missionaren, Kolonialbeamten, Forschungsreisenden und anderen Leuten aus der ganzen Welt bekommen hatte, ergänzten sich. Hier sind einige Beispiele für die 16 von ihm verschickten Fragen (Darwin, 1884, S. 13 f.):
»1. Wird das Erstaunen dadurch ausgedrückt, dass die Augen und der Mund weit geöffnet und die Augenbrauen in die Höhe gezogen werden?«
»9. Wird Verachtung durch ein leichtes Vorstrecken der Lippen, durch Emporheben der Nase, verbunden mit einer leichten Expiration ausgedrückt?«
»14. Wenn Kinder mürrisch oder eigensinnig sind, lassen sie dann den Mund hängen oder strecken sie die Lippen vor?«
Wie Piderit (1867, 1886) versuchte auch Darwin (1884), die sichtbaren mimischen Veränderungen mit der Aktivität bestimmter Gesichtsmuskeln zu erklären. Seine anatomischen Kenntnisse bezog er aus zeitgenössischen Anatomiebüchern (
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Abb. 1.2
).
Darwin beschrieb den Ausdruck zahlreicher Emotionen, aber auch den anderer »Seelenzustände« wie Nachdenken oder Bescheidenheit. Seine Ausführungen wurden durch zahlreiche Fotos und Zeichnungen illustriert. Abbildung 1.3 zeigt ein Beispiel.
Emotionen zeigen sich Darwin (1872) zufolge nicht nur in der Mimik. Er wies auch auf typische Verhaltensweisen (z. B. Herumwälzen und Schreien bei Wut) und körperliche Veränderungen (z. B. schnellere Atmung) hin.
Darwin suchte nach allgemeinen Gesetzmäßigkeiten zur Erklärung der Herkunft und der Funktion des Ausdrucks. Dazu befasste er sich auch ausführlich mit dem Ausdruck bei Tieren (
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Abb. 1.4
). Durch die Fragen, die er an Missionare, Kolonialbeamte und Forschungsreisende verschickt hatte, wusste er, dass viele Ausdruckserscheinungen auch bei Mitgliedern anderer Kulturen und Rassen vorkommen.
Erleben. Die antiken Philosophen Platon und Aristoteles haben sich mit der Beziehung zwischen Denken (Kognition) und Gefühl befasst (siehe Schmitt, 2008) und sind zu ähnlichen Urteilen gelangt wie moderne
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Abb. 1.2 Anatomie der Gesichtsmuskeln nach alten Darstellungen (aus Darwin, 1884, S. 20). Die Buchstaben kennzeichnen einzelne Gesichtsmuskeln. Der Musculus zygomaticus (G) beispielsweise bewirkt das Hochziehen der Mundwinkel. Der Musculus orbicularis oculi (C und E) umfasst das Auge ringförmig und ist für den Lidschluss und den Lidschlussreflex notwendig.
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Abb. 1.3 Ausdruck von Entsetzen und Todesangst (aus Darwin, 1884, S. 268).
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Abb. 1.4 Emotionsausdruck bei Tieren. Links eine Katze, die vor einem Hund erschreckt, rechts ein enttäuschter und mürrischer Schimpanse (aus Darwin, 1884, S. 112 und S. 122).
Emotionsforscher, die in der Bewertung emotionsauslösender Reize die eigentliche Ursache für Gefühle sehen – mit zwei wichtigen Unterschieden, die weiter unten erläutert werden. Allein von der Bewertung hängt ab, welches Gefühl entsteht. »Die Aufforderung ›Platz dem König‹ ist noch kein Stimulus für eine bestimmte Gefühlsreaktion, dazu wird sie erst durch eine bestimmte Meinung, z. B. dadurch, dass ihr die Absicht, den Entgegenkommenden zu erniedrigen, zugeschrieben wird« (Schmitt, 2008, S. 347). Anders als in den modernen Bewertungstheorien werden Denken und Fühlen von Platon und Aristoteles nicht als getrennte Einheiten gesehen. Denken, Fühlen und Wollen stellen für sie eine Einheit dar; Gefühle der Lust und Unlust sind lediglich ein Begleitphänomen von Aktivitäten des Erkennens. »›Das Gefühl‹ als einen eigenständigen Akteur der Seele oder bestimmter funktionaler ›Systeme‹ des Körpers gibt es hier überhaupt nicht« (Schmitt, 2008, S. 291). Daher gibt es »die« Lust nicht; die Lustgefühle beim Schmecken von Wein oder beim Erkennen der Schönheit eines Kunstwerks sind verschieden, weil die Aktivitäten des Erkennens (die Wahrnehmungsakte) jeweils andere sind.
Auch die in den heutigen Bewertungstheorien postulierte Trennung zwischen der Wahrnehmung eines Ereignisses und dessen Bewertung ist diesen Philosophen fremd. Die Kognition stellt für sie keine nachträgliche Bewertung eines emotionsauslösenden Reizes dar: nicht der objektive »emotionsauslösende Reiz« hat Bedeutung, sondern nur der subjektive Erkenntnisakt, der untrennbar mit der Bewertung verbunden ist. Am Beispiel der Furcht lässt sich dies verdeutlichen: »Furchtbar ist nach Aristoteles das, was eine große zerstörerische und äußeren oder inneren Schmerz verursachende Macht hat. Wahrgenommen wird die Furchtbarkeit einer solchen Macht daher nur von Menschen, die fähig sind, die Gefährlichkeit einer solchen Mach...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort zur Neuauflage
  6. Vorwort zur ersten Auflage
  7. 1 Das Konzept der Emotion
  8. 2 Methoden der Emotionsforschung
  9. 3 Wie entstehen Emotionen: Psychologische Erklärungsansätze
  10. 4 Emotion und Gehirn
  11. 5 Auswirkungen von Emotionen
  12. 6 Entwicklung von Emotionen
  13. Literaturverzeichnis
  14. Stichwortverzeichnis
  15. Personenverzeichnis