Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter
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Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Früherkennung und Frühintervention

  1. 154 Seiten
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Borderline-Persönlichkeitsstörungen im Jugendalter

Früherkennung und Frühintervention

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Über dieses Buch

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine schwere psychische Erkrankung mit weitreichenden Folgen. Lange Zeit war die Diagnose dieser Erkrankung im Jugendalter obsolet, aktuelle Evidenz zur Borderline-Persönlichkeitsstörung zeigt jedoch, dass eine Früherkennung möglich und eine Frühbehandlung effektiv ist. Dieses Buch gibt einen Überblick über aktuelle Forschungsergebnisse, zusätzlich werden verschiedene Diagnostik- und Behandlungsansätze klinisch und wissenschaftlich beleuchtet, um ein Bewusstsein für den Stellwert dieser Erkrankung zu schaffen, sowie auch optimistisch ihre Behandelbarkeit, vor allem bei früher Intervention, aufzuzeigen.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170243095

1 Rationale zur Früherkennung und -intervention der Borderline-Persönlichkeitsstörung

Michael Kaess und Romuald Brunner

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung

Die Borderline-Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ein tiefgreifendes Muster von Instabilität in den Bereichen der Affekte, des Selbstbildes und der zwischenmenschlichen Beziehungen aus. Hinzu kommt ein hohes Maß an Impulsivität einhergehend mit autoaggressiven Symptomäquivalenten (Suizidalität, selbstverletzendes Verhalten, Substanzmittelmissbrauch) und häufig unkontrollierbarer Wut (Falkai et al. 2014). Patienten pendeln in zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen den Extremen der Idealisierung und Entwertung des Gegenübers, häufig bemühen sie sich gleichzeitig verzweifelt, ein tatsächliches oder vermeintliches Verlassen werden zu vermeiden. Viele Patienten berichten über einerseits starke und häufig unerklärbare Gefühle des »Druckes« und der »Anspannung«, andererseits über ein »Gefühl der Leere«, welches häufig in engem Zusammenhang mit dem Phänomen der Dissoziation steht, das bei Borderline-Patienten ebenfalls gehäuft beobachtet wird (Brunner et al. 2001).
Bei der Diagnosestellung der Borderline-Persönlichkeitsstörung sind immer auch die allgemeinen diagnostischen Kriterien zu Persönlichkeitsstörungen zu beachten. Nach der derzeit in Deutschland gültigen Klassifikation der World Heath Organisation (WHO), der 10. Auflage der International Classification of Diseases (ICD-10), ist eine Persönlichkeitsstörung gekennzeichnet durch rigide und wenig angepasste Verhaltensweisen, die eine hohe zeitliche Stabilität aufweisen, die situationsübergreifend auftreten und die zu persönlichem Leid und/oder gestörter sozialer Funktionsfähigkeit führen. Es handelt sich also um tief verwurzelte, anhaltende Verhaltensmuster mit starren Reaktionen auf unterschiedliche persönliche und soziale Lebenslagen. Betroffen sind Wahrnehmen, Denken, Fühlen und Beziehungen zu anderen. Hierdurch können die Persönlichkeitsstörungen von vielen anderen psychischen Störungsbildern unterschieden werden (Dilling und Freyberger 2010).
Die Borderline-Persönlichkeitsstörung wird nach der 5. Auflage des Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM-5) bei Erfüllung von 5 aus 9 Diagnosekriterien (
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Kap. 3) diagnostiziert, die spezifischen und zeitlich überdauernde Merkmale (sog. »traits«) der Störung darstellen (Falkai et al. 2014). Nach ICD-10 stellt die Borderline-Persönlichkeitsstörung einen von zwei Subtypen der emotional instabilen Persönlichkeitsstörung dar. Die emotional instabile Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typ ist hier gekennzeichnet durch emotionale Instabilität und mangelnde Impulskontrolle (analog zum impulsiven Typ). Zusätzlich kennzeichnet sich dieser Typ durch Störungen des Selbstbildes, der Ziele und der inneren Präferenzen, durch ein chronisches Gefühl von Leere, durch intensive, aber unbeständige Beziehungen und eine Neigung zu selbstdestruktivem Verhalten mit parasuizidalen Handlungen und Suizidversuchen (Dilling und Freyberger 2010). Aus der phänomenologisch-psychologischen Forschung konnten in den letzten Jahren noch weitere wesentliche Merkmale der Borderline-Persönlichkeitsstörung herausgearbeitet werden. Hierzu gehören eine besondere Empfindlichkeit für Zurückweisung (sog. »rejection sensitivity«), Schwierigkeiten mit Vertrauen und Kooperativität, eine negative Selbst- und Körperwahrnehmung und intermittierende Feindseligkeit (Fonagy et al. 2015).

Die Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter

Heutzutage wird die Borderline-Störung zunehmend als sogenannte »Diagnose der Lebensspanne« bezeichnet (Tackett et al. 2009). Die Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung kann und sollte daher heute auch im Jugendalter gestellt werden (Kaess et al. 2014). Dies wird inzwischen sowohl durch zahlreiche nationale Behandlungsrichtlinien (z. B. NICE-Guidelines in Großbritannien), durch die Sektion 3 des neuen DSM-5 (Falkai et al. 2014) sowie auch durch den Vorschlag für die noch dieses Jahr erwartete ICD-11 (Tyrer et al. 2011) unterstützt.
Jedoch war die Diagnosestellung der Borderline-Persönlichkeitsstörung vor dem Erreichen der Volljährigkeit bis vor einigen Jahren noch wissenschaftlich hoch umstritten (Chanen und McCutcheon 2008), obwohl sowohl DSM-5 als auch ICD-10 klar anerkennen, dass die Persönlichkeitsstörungen in der Kindheit oder Adoleszenz beginnen und in der Regel bis ins Erwachsenenalter andauern. Es galt lange Zeit die Maxime, dass das Stellen der Diagnose einer Persönlichkeitsstörung vor dem Alter von 16 oder 17 Jahren wahrscheinlich unangemessen ist. Noch heute besteht in der klinischen Praxis eine große Zurückhaltung bei der Diagnosestellung dieser Störung, da sich bestimmte Vorbehalte und zum Teil längst widerlegte Grundannahmen hartnäckig halten (Kaess et al. 2014). Diese Vorbehalte sind:
Mangelnde Validität der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter: Die Lebensphase der Adoleszenz, beginnend mit dem Eintritt in die Pubertät, geht allgemein mit einem erhöhten Maß an Stimmungsschwankungen und einer vermehrten Unsicherheit hinsichtlich der eigenen Identität einher (Brunner und Resch 2008). Zusätzlich zeigen viele Jugendliche auch ein erhöhtes Maß an Impulsivität mit einer deutlichen Neigung zu riskanten und selbstschädigenden Verhaltensweisen (Kaess et al. 2014). Daher entsteht bis heute oftmals der Irrglaube, dass solche »angeblichen« Merkmale der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter »normativ« sind und sich im Laufe der Adoleszenz wieder verwachsen. Bei den klinisch auffälligen und behandlungsbedürftigen Jugendlichen werden die psychologisch-psychiatrischen Probleme dann oftmals über andere Störungsbilder, klassischerweise die kombinierte Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung (F92.0 nach ICD-10) erklärt.
Mangelnde Stabilität der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter: Da die Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern- und Jugendlichen noch nicht ausgereift ist, sondern sich im Fluss befindet, werden im Kindes- und Jugendalter eine mangelnde Stabilität der Persönlichkeit und somit auch eine mangelnde Stabilität von Persönlichkeitsstörungen postuliert. In den letzten Jahren gab es zunehmend den Trend, dem Dilemma (Entstehung der Borderline-Persönlichkeitsstörung in der Kindheit und Jugend, aber »Verbot« der Diagnosestellung in diesem Alter) mit dem Begriff der Borderline-Persönlichkeits(entwicklungs)störung zu begegnen.
Nicht-Therapierbarkeit und resultierendes Stigma der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Die Borderline-Persönlichkeitsstörung galt lange Zeit als kaum oder nur äußerst schwer therapierbar. Zusätzlich gelten Betroffene, vor allem innerhalb der professionellen Helfersysteme, noch heute als besonders anstrengend und schwierig. Um Jugendliche vor einer ubiquitär stigmatisierten Diagnose, wie der Borderline-Persönlichkeitsstörung, zu schützen, verzichten die meisten Kliniker im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie bis heute mit wohlwollender Intention auf die Diagnosestellung.

Evidenz zur Diagnose der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter

Im vergangenen Jahrzehnt gelang es, oben genannte Vorbehalte nach langer Zeit auch empirisch zu überprüfen. Die Ergebnisse dieser empirischen Überprüfung führten zu interessanten Erkenntnissen und sollen im Folgenden dargestellt werden.
Befunde zur mangelnden Validität der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter: Inzwischen existieren auch für das Jugendalter Untersuchungen zum Stellenwert der Borderline-Persönlichkeitsstörung und zur Untermauerung deren Validität. Nach neuesten Untersuchungen erfüllen im Alter von 16 Jahren etwa 1-1,5% der Jugendlichen die Kriterien für das Vollbild einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (Johnson et al. 2008). Damit ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung eine häufige und wichtige psychische Erkrankung, und dies gilt vor allem für klinische, kinder- und jugendpsychiatrische Settings. Hier besteht eine geschätzte Prävalenz von 11% im ambulanten (Chanen et al. 2008) und bis zu 50% im stationären Setting (Grilo et al. 1996).
Bisherige Daten zur Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter zeigen, dass diese deutlich mit einem hohen Maß an Risikoverhalten und Selbstschädigung einhergeht (Kaess et al. 2014), und zwar weit über das normative Maß im Rahmen der Adoleszenz hinaus. So ist die Borderline-Persönlichkeitsstörung nicht nur in hohem Maße mit nicht-suizidalem selbstverletzendem Verhalten (Wilcox et al. 2012) und Suizidversuchen (Yen et al. 2013) im Jugendalter assoziiert, es besteht auch ein deutlich erhöhtes Risiko für Substanzmissbrauch (Kaess et al. 2013) und sexuelles Risikoverhalten (Chanen et al. 2007).
Eine eigene Studie, die jugendliche Patenten mit der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung mit einer gesunden sowie einer klinischen Kontrollstichprobe verglich, zeigte ganz klar, dass Jugendliche mit einer Borderline-Störung ein höheres Maß an komorbiden psychiatrischen Erkrankungen sowie ein schlechteres psychosoziales Funktionsniveau zeigen, auch im Vergleich mit anderen stationären kinder- und jugendpsychiatrischen Patienten (Kaess et al. 2013). Das hohe Ausmaß an psychiatrischer Komorbidität besteht hier analog zum Erwachsenenalter, wo Komorbidität bei Borderline-Patienten eher als Folge der Persönlichkeitsstörung gesehen wird. Die wenigen bisherigen Längsschnittstudien zeigen auch, dass zumindest dimensional erhobene Borderline-Persönlichkeitspathologie im Kindes- und Jugendalter noch bis zu 20 Jahre später eine deutliche Assoziation mit verschiedensten psychischen Erkrankungen sowie auch einem schlechten Funktionsniveau und reduzierter Lebensqualität aufzeigt (Crawford et al. 2008; Winograd et al. 2008).
Eine Besonderheit der Borderline-Störung im Jugendalter ist auch der deutliche Zusammenhang zu negativen Kindheitserlebnissen, rangierend vom schweren sexuellen Missbrauch bis zum schwierigen und feindseligen Familienklima. In einer eigenen Studie wurde dieser Zusammenhang kürzlich auf seine Spezifität hinsichtlich der Borderline-Persönlichkeitsstörung bei Jugendlichen untersucht. Im Vergleich mit einer klinischen Kontrollgruppe von kinder- und jugendpsychiatrischen Patientinnen zeigte sich bei denen mit Borderline-Persönlichkeitsstörungen ein signifikant höheres Maß an sexuellen Missbrauchserlebnissen, aber auch elterlicher Vernachlässigung und Antipathie, sowie eines reduzierten familiären Funktionsniveaus (Infurna et al. 2015). Auch diese Befunde bestehen analog zum Erwachsenenalter.
Zusammenfassend gibt es inzwischen ausreichend Daten, die die Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter als eine schwere Erkrankung mit einer meist positiven Anamnese für schwerwiegende negative Kindheitserlebnisse, einem hohen Risiko für riskantes und selbstschädigendes Verhalten, einer stark ausgeprägten psychiatrischen Komorbidität, sowie einem besonders reduzierten psychosozialen Funktionsniveau mit ausgeprägten Langzeitfolgen stützen.
Befunde zur mangelnden Stabilität der Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter: Die Arbeitsgruppe um Professor Jennifer Roberts untersuchte bei 205 Kindern aus der Normalbevölkerung (Alter bei Studienbeginn war 8–12 Jahre) die Stabilität von Persönlichkeitsmerkmalen während der Transition ins junge Erwachsenenalter (Beobachtungszeitraum war bis zu 20 Jahre). Sie fanden kohärente Persönlichkeitsmuster mit deutlicher Stabilität über die Zeit, sowie eine durchgehende Assoziation von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen mit erfolgreicher psychosozialer Adaptation (Shiner et al. 2003). Dieselbe Arbeitsgruppe untersuchte in einer Metaanalyse von 92 Studien die Veränderung von Persönlichkeitsmerkmalen (u. a. emotionale Stabilität, Extraversion, Offenheit für Erfahrung, Verträglichkeit) über die gesamte Lebensspanne mit äußerst interessanten Ergebnissen (Roberts et al. 2006):
Von den sechs untersuchten übergeordneten Persönlichkeitskategorien zeigte sich bei vier Kategorien die deutlichste Veränderung im jungen bis mittleren Erwachsenenalter (Alter 20–40 Jahre). Hierbei waren auch die Faktoren emotionale Stabilität und Extraversion, zwei Faktoren die oftmals mit der Borderline-Pathologie in Verbindung gebracht werden. Der Persönlichkeitsfaktor Verträglichkeit veränderte sich erst maßgeblich im höheren Alter. Diese Befund illustrieren zwei Sachverhalte sehr deutlich: Erstens, Persönlichkeit ist über die gesamte Lebensspanne gewissen Veränderungen unterworfen. Zweitens, das Jugendalter stellt keine Phase der besonderen Veränderbarkeit von Persönlichkeit dar.
Überträgt man diese Befunde auf die Diagnostik der Borderline-Persönlichkeitsstörung, so müsste man eigentlich empfehlen, mindestens das 40. Lebensjahr abzuwarten, bevor man eine hohe Stabilität der Persönlichkeit mit ausreichender Sicherheit gewährleisten kann. Besonders Vorsichtige sollten dann allerdings lieber bis zur siebten Lebensdekade warten, da sich hier die Veränderung bei den Persönlichkeitseigenschaften wirklich deutlich verringerte.
Natürlich geht es bei den berichteten Befunden nicht um Persönlichkeitspathologie, sondern um Persönlichkeitseigenschaften im Allgemeinen. Daher führte die Arbeitsgruppe um Professor Andrew Chanen, einem der Pioniere auf dem Gebiet der Früherkennung und Frühintervention von Persönlichkeitsstörungen, eine Studie zur Stabilität von Persönlichkeitsstörungsmerkmalen bei Jugendlichen Patienten durch (Chanen et al. 2004). Diese Studie zeigte, dass sowohl die Zweijahres-Stabilität der kategorialen Persönlichkeitsstörungsdiagnosen als auch die der dimensionalen Persönlichkeitspathologie mit Befunden des Erwachsenenalters vergleichbar war. Für die Borderline-Persönlichkeitsstörung lagen die Werte bezüglich der Stabilität im oberen Drittel unter den Persönlichkeitsstörungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung im Jugendalter nicht mehr oder weniger stabil ist als im Erwachsenenalter. Grundsätzlich wissen wir heute, dass Persönlichkeit – und vor allem auch Persönlichkeitsstörung – kein komplett stabiles und unveränderbares Konstrukt ist. Dies gilt jedoch für alle Lebensphasen und ebnet dadurch gerade den Weg für Behandlung und auch Frühintervention.
Befunde zur Hypothese der Nicht-Therapierbarkeit der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Es ist inzwischen sehr klar erwiesen, dass die Borderline-Persönlichkeitsstörung behandelbar ist. Im Fokus der Therapie steht bei der Therapie die störungsspezifische Psychotherapie, für die es im Erwachsenenalter schon einen hohen Grad an Evidenz gibt (Stoffers et al. 2012). Hierdurch ergeben sich letztlich auch die Perspektive der möglichen Frühintervention (Chanen et al. 2013), und erste Ergebnisse von Interventionsstudien bei Jugendlichen zeigen ebenfalls vielversprechende Ergebnisse (
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Kap. 4).
Zusätzlich zur den ersten Wirksamkeitsnachweisen für die Behandlung der Borderline-Persönlichkeitsstörung, geben auch Langzeituntersuchungen von Kohorten erwachsener Borderline-Patienten Anlass zur Hoffnung. In einer Langzeitnachverfolgung von ehemaligen erwachsenen Patienten mit Borderline-Persönlichkeitsstörung erfüllten 85% der Studienteilnehmer nach zehn Jahren nicht mehr die Diagnosekriterien (Gunderson et al. 2011), und diese Prozentzahl stieg nach 16 Jahren auf 99% an (Zanarini et al. 2012). Leider geben diese Zahlen keinen Anlass zu übertriebener Euphorie, denn viele dieser Patienten litten weiterhin unter einer Vielzahl psychiatrischer Erkrankungen und zeigten zum Teil ein besorgniserregend niedriges Funktionsniveau und eine stark reduzierte Lebensqualität. Dennoch sprechen diese Befunde ganz klar für eine Veränderbarkeit der Borderline-Persönlichkeitsstörung und weisen zusätzlich darauf hin, dass die vorhandenen Spätschäden einer langjährigen Persönlichke...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 Rationale zur Früherkennung und -intervention der Borderline- Persönlichkeitsstörung
  7. 2 Empirische Befunde bei Jugendlichen mit einer Borderline- Persönlichkeitsstörung
  8. 3 Früherkennung und Diagnostik der Borderline-Störung im Jugendalter
  9. 4 Grundprinzipien der Frühintervention von Borderline- Störungen im Jugendalter
  10. 5 Dialektisch Behaviorale Therapie für Adoleszente (DBT-A)
  11. 6 Behandlung von Jugendlichen mit Identitätsstörungen (AIT) – ein integratives Therapiekonzept für Persönlichkeitsstörungen
  12. 7 HYPE: Ein kognitiv-analytisches Therapieprogramm zur Prävention- und Frühintervention bei Borderline- Persönlichkeitsstörung
  13. 8 Quo vadis Borderline-Persönlichkeitsstörung? – Zusammenfassung und Ausblick
  14. Herausgeber-/Autorenverzeichnis