Geschichte der USA
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Geschichte der USA

  1. 373 Seiten
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Geschichte der USA

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Über dieses Buch

The United States of America are the only remaining superpower in an increasingly confusing world at the start of the twenty-first century. This volume discusses the stages of the country's rise to the status of world power and analyses the USA's fascinating and complex history on the basis of several fundamental subjects. The survey starts with the experiment of establishing a democracy, which was initiated through revolution and is unfinished even today. The USA's development to become a superpower enjoying world hegemony was equally uneven - a rise that has also acquired missionary aspects under the banner of the 'empire of liberty'. Another focus in the account is the way in which new, decidedly American values and a modern, consumption-oriented, technology-saturated lifestyle - the 'American way of life' - emerged from contact in North America between the widest possible variety of cultures and ethnic groups. This lifestyle by no means levelled out the existing ethnic and cultural pluralism of American society. With topics revolving around politics, society, business and culture, the book reveals the lines of historical development in the USA that have been and continue to be signposts for the modern world.

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Information

Jahr
2016
ISBN
9783170267459
Auflage
1
Thema
History

VI Die USA im »kurzen 20. Jahrhundert« (1914–1990)

Der Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 hat die historischen Perspektiven auf das 20. Jahrhundert schlagartig verändert. Auf einmal erschien die Periode vom Ersten Weltkrieg bis zum Ende des Kalten Krieges als eine Geschehenseinheit, die im Kern durch den Konflikt zwischen Demokratie und totalitären Anti-Demokratien definiert war. Dieser Konflikt entfaltete sich zwischen 1917 und 1945 im spannungsgeladenen Dreieck von Kommunismus, Faschismus und Demokratie und reduzierte sich nach 1945 auf den weltumspannenden Gegensatz zwischen Kommunismus und Demokratie. Folgt man dieser Periodisierung, so war das 20. Jahrhundert ein kurzes; es begann mit dem Ersten Weltkrieg, der »Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts« (George F. Kennan), und endete 1989/91 mit der Desintegration des sowjetischen Herrschaftsbereichs in Europa.

1 Die USA im Ersten Weltkrieg

Politische Neutralität und wirtschaftliche Verflechtung

Der Erste Weltkrieg begann als europäischer Krieg, doch wirkten die Schüsse von Sarajewo vom 28. Juni 1914 unmittelbar auf die USA zurück, auch wenn sie erst am 6. April 1917 in den Krieg eintraten. Dies vor allem, weil der Erste Weltkrieg der erste Krieg der industriellen Moderne war, der deshalb nicht mehr nur allein auf den Schlachtfeldern, sondern auch durch die Leistungsfähigkeit der Industriewirtschaften entschieden wurde. Das zynische Rational dieser Kriege bestand darin, Menschen und Material des Gegners schneller zu vernichten, als dieser sie ersetzen konnte. Deshalb waren die Kriegsparteien einerseits gezwungen, die eigene Wirtschaft möglichst effizient für die Kriegsproduktion zu mobilisieren, und mussten andererseits versuchen, die wirtschaftlichen Grundlagen der Kriegsfähigkeit des Gegners zu zerstören. Durch diese wirtschaftliche Dynamik wurden die USA trotz formaler Neutralität bis 1917 zur Kriegspartei, die mit ihrem Kapital sowie ihren Lieferungen von Waffen, militärischem Gerät und Lebensmitteln die Anstrengung der Entente gegen die Mittelmächte Deutschland und Österreich-Ungarn unterstützte.
Als der Krieg in Europa ausbrach, erklärte Präsident Wilson die USA für neutral. Für diese Politik gab es gleich mehrere Gründe. Im Sommer 1914 war der Erste Weltkrieg noch ein rein europäischer Krieg, von dem die meisten dachten, dass er schnell vorbei sein würde. Gegenüber europäischen Konflikten hatten die USA seit ihren Anfängen eine Politik der Nicht-Einmischung verfolgt, so dass Wilson hier im Einklang mit außenpolitischen Traditionen handelte. Gleichzeitig befürchtete die US-Regierung, dass ein Engagement in Europa die eigene multiethnische Gesellschaft vor eine Zerreißprobe stellen würde. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, lebten Einwanderer aus allen Ländern, die nun in Europa miteinander Krieg führten, in den USA; eine amerikanische Parteinahme musste die Gesellschaft deshalb zwangsläufig spalten. Doch auch in anderer Hinsicht kam der Krieg ungelegen: Wilson und viele der Progressives fürchteten, dass eine amerikanische Kriegsbeteiligung wichtige Ressourcen und Energien von den inneren Reformprojekten abziehen würde. Insofern erschien die Neutralitätspolitik auch aus innenpolitischer Sicht als Gebot der Stunde.
Dennoch wurden die USA bis 1917 immer tiefer in den europäischen Krieg hineingezogen, zunächst ökonomisch, dann auch politisch, weil die USA rasch zum Arsenal der europäischen Kriegsparteien wurden. Die amerikanische Industrie belieferte die Europäer mit Waffen, Munition, Uniformen und anderem militärischen Gerät, die amerikanische Landwirtschaft versorgte sie mit Getreide, Fleisch und anderen Lebensmitteln, und US-Banken finanzierten den Krieg der europäischen Großmächte zu einem Gutteil. Infolge dieser Entwicklung wurden die USA vom Schuldner- zum Gläubigerland Europas, Wall Street in New York City löste London als Finanzzentrum der Welt ab.
Allerdings kam die amerikanische Finanz- und Wirtschaftskraft nicht allen Kriegsparteien gleichermaßen zu Gute. Während sich die Handelsbeziehungen der USA zu Großbritannien und Frankreich zwischen 1914 und 1917 verdichteten, verfiel der Handel mit dem Deutschen Reich. Eine Zahl mag genügen, um die groteske Unausgewogenheit der amerikanischen Wirtschaftsbeziehungen zu Europa zu illustrieren: Bis zum Jahr 1917 hatten amerikanische Banken den Mächten der Entente Kredite in Höhe von rund 2,3 Milliarden Dollar gewährt, während gerade einmal 27 Millionen Dollar an das Deutsche Reich geflossen waren. Wirtschaftlich gesehen waren die USA bis Anfang 1917 also längst zur Kriegspartei auf Seiten der Entente geworden.
Gleichwohl führte die ökonomische Verflechtung nicht automatisch zum Kriegseintritt der USA. Dieser wurde vielmehr durch den uneingeschränkten U-Bootkrieg des Deutschen Reiches provoziert, der wiederum eine Reaktion auf die Seeblockade der Entente war. Um die Mittelmächte von der Zufuhr kriegswichtiger Rohstoffe und Lebensmittel abzuschneiden, hatte Großbritannien im Herbst 1914 begonnen, Deutschland von der See her zu blockieren. Daraufhin erklärte die militärische Führung des Deutschen Reiches das Seegebiet um die Britischen Inseln und Irland am 4. Februar 1915 zum Kriegsgebiet und kündigte an, dass deutsche U-Boote jedes dort verkehrende gegnerische Handelsschiff ohne vorherige Warnung und Durchsuchung sowie ohne Rücksicht auf das Leben der Passagiere versenken würden. Gleichzeitig wollte das Deutsche Reich für die Sicherheit der Schiffe neutraler Mächte in der Sperrzone nicht garantieren.
Am 7. Mai 1915 versenkte ein deutsches U-Boot das britische Schiff Lusitania, das neben fast 2000 Passagieren auch einige hundert Kisten Munition an Bord hatte. 1198 Menschen starben bei dem Angriff, unter ihnen 128 Amerikaner. In drei scharfen diplomatischen Protestnoten verlangte Wilson daraufhin vom Deutschen Reich nicht nur materielle Entschädigung, sondern auch den sofortigen Stopp der U-Bootangriffe auf Handels- und Passagierschiffe. Das Deutsche Reich spielte zunächst auf Zeit, doch als in den folgenden Wochen weitere Amerikaner bei deutschen U-Bootangriffen getötet wurden und die USA offen mit Krieg drohten, erklärte das Deutsche Reich, neutrale Schiffe und feindliche Passagierdampfer fortan schonen zu wollen. Im Sommer 1915 war damit klar, dass jede Rückkehr zum uneingeschränkten U-Bootkrieg den Kriegseintritt der USA auf Seiten der Entente zur Folge haben könnte. Das Deutsche Reich akzeptierte dies billigend, als es den uneingeschränkten U-Bootkrieg zum 1. Februar 1917 wieder aufnahm. Allerdings war die militärische Führung des Reiches unter Paul von Hindenburg und Erich Ludendorff davon überzeugt, dass der Krieg zu Gunsten Deutschlands entschieden sein würde, bevor der Kriegseintritt der USA sich auswirken würde.
Überraschenderweise führte die Wiederaufnahme des uneingeschränkten U-Bootkrieges nicht zum sofortigen Kriegseintritt der USA. Sie brachen zwar am 3. Februar 1917 alle diplomatischen Beziehungen zu Deutschland ab, doch zögerten sie zunächst noch, Deutschland den Krieg zu erklären. Dann allerdings wurde Ende Februar 1917 das »Zimmermann-Telegramm« bekannt. Bei ihm handelte es sich um eine Depesche des deutschen Außenministers Arthur Zimmermann an den deutschen Botschafter in Mexiko, mit der dieser dazu ermächtigt wurde, der mexikanischen Regierung folgenden Plan zu unterbreiten: Mexiko sollte an der Seite Deutschlands in den Krieg eintreten und mit deutscher Hilfe in die USA einmarschieren. Im Falle eines deutschen Sieges würde Mexiko das gesamte Territorium zurück erhalten, das es im Jahr 1848 mit dem Frieden von Guadalupe Hidalgo an die USA abgetreten hatte, also den gesamten Südwesten der USA. Die britische Regierung hatte dieses sensationelle Telegramm abgefangen, entschlüsselt und es am 24. Februar 1917 veröffentlicht. Am 1. März 1917 stand es in allen führenden Zeitungen der USA. Am 9. März ordnete Wilson die Bewaffnung der amerikanischen Handelsschiffe an, am 18. März erreichte Washington die Nachricht von weiteren amerikanischen Verlusten durch deutsche U-Bootangriffe, am 20. März stimmte das Kabinett einstimmig für einen Krieg gegen Deutschland, und am 2. April 1917 trat Wilson vor beide Häuser des Kongresses, um die Parlamentsabgeordneten aufzufordern, Deutschland den Krieg zu erklären.
Die Kriegsbotschaft Wilsons ist der programmatische Grundtext des demokratischen Internationalismus, jenes komplexen Ensembles von Wertideen, Prämissen und Zielstellungen also, das die amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert entscheidend bestimmt hat. In seiner Rede überhöhte Wilson den Krieg zu einem Kampf zwischen dem Prinzip der Freiheit und dem der Autokratie in preußischem Gewand. Der deutsche U-Bootkrieg sei ein Krieg gegen die gesamte Menschheit, meinte Wilson und definierte die Rolle der USA als Anwalt der Menschheit und Schutzmacht des Völkerrechts. Das Motiv der USA für den Kriegseintritt sei nicht Rache oder die Behauptung nationaler Stärke, sondern nur die Durchsetzung des internationalen Rechts. Die USA zögen in den Krieg, um die Welt für die Demokratie sicher zu machen (»The world must be made safe for democracy«). Damit deutete Wilson den Ersten Weltkrieg im Durchgriff auf eine nach ihm zu verwirklichende neue Weltordnung. Diese sollte sich seiner Meinung nach aus unabhängigen, demokratisch verfassten und selbstbestimmten Nationalstaaten zusammensetzen. Eine solche, aus Demokratien gebildete internationale Ordnung entsprach für Wilson nicht nur dem Freiheitsverlangen der Völker; sie garantierte zugleich auch die Sicherheit und den Wohlstand der USA selbst.
Zwei Tage nach Wilsons Rede stimmte der Senat mit 82 zu 6 Stimmen für eine Kriegserklärung an Deutschland, am 6. April schloss sich das Repräsentantenhaus mit 373 zu 50 Stimmen diesem Votum an. Erstmals in ihrer Geschichte traten die USA in einen europäischen Krieg ein.

Over There – Die amerikanischen Truppen in Europa

Als sie Deutschland den Krieg erklärten, hatten die USA eigentlich keine Armee. Ihre American Expeditionary Force (AEF) bestand aus rund 200 000 Soldaten, die über 300 000 veraltete Gewehre, 1500 Maschinengewehre, 55 technisch überholte Flugzeuge und zwei Feldtelefonanlagen verfügten. Der letzte große Einsatz dieser Truppe war im Winter 1916/17 die wilde Jagd auf Pancho Villa durch den Norden Mexikos gewesen; sie hatten ihn nicht bekommen. Der Aufbau einer schlagkräftigen Armee gehörte deshalb im Frühjahr 1917 zu den ersten Aufgaben. Bereits im Mai 1917 wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt, gleichwohl verlief die amerikanische Mobilmachung zunächst eher schleppend. Zwar paradierten die ersten US-Soldaten bereits am 4. Juli 1917 durch Paris, doch lief der amerikanische Truppenaufmarsch erst im Sommer 1918 auf Hochtouren. Zu dem Zeitpunkt waren die Armeen der europäischen Mächte, insbesondere die deutsche, bereits der Erschöpfung nahe. Insgesamt schickten die USA 2 Millionen Soldaten nach Europa, wobei etwa 1,3 Millionen an der Front zum Einsatz kamen, während die übrigen Sicherungs- und Nachschubarbeiten in der Etappe verrichteten.
Der Eintritt der USA entschied den Krieg. Die US-Marine organisierte Konvois für Handelsschiffe im Atlantik und machte zugleich erfolgreich Jagd auf deutsche U-Boote. An der belgisch-französischen Front beendete der Einsatz amerikanischer Kampfverbände im Frühjahr 1918 die Pattsituation, die dort seit Herbst 1914 geherrscht hatte. Die AEF war an zwei militärischen Operationen entscheidend beteiligt. Im Mai/Juni 1918 trug sie maßgeblich dazu bei, die deutsche Frühjahrsoffensive an der Marne zurückzuschlagen, und im September 1918 waren rund eine halbe Million US-Soldaten an der alliierten Gegenoffensive beteiligt. In deren Verlauf eroberten amerikanische Verbände einen strategisch wichtigen Hügel bei St. Mihiel in der Nähe von Verdun, und vertrieben anschließend mit rund 1,2 Millionen Soldaten im Rahmen der alliierten Meuse-Argonne-Offensive die deutschen Verbände aus dem Argonnerwald. Allerdings agierte die AEF überaus unprofessionell und unkoordiniert. Wiederholt stürmte die Infanterie schneller voran, als Nachschubeinheiten oder Artillerie folgen konnten. Viele der US-Soldaten, die in der Septemberoffensive eingesetzt wurden, waren erst im Juli eingezogen worden und hatten kaum mehr als eine viermonatige Grundausbildung erhalten. Einige von ihnen waren überhaupt erst bei der Ankunft in Frankreich durch zehntägige Schnellkurse geschleust worden. Ihre Ausrüstung war oft ungeeignet, ihre Offiziere vielfach inkompetent. All dies kostete viele amerikanische Soldaten das Leben, und die französischen und britischen Kommandeure sparten nicht mit Kritik an dem verschwenderischen Umgang der USA mit den eigenen Truppen und dem eigenen Material. Insgesamt verloren 75 658 US-Soldaten im Ersten Weltkrieg ihr Leben. 34 249 fielen im Kampf, 13 691 erlagen ihren Verletzungen nach der medizinischen Behandlung, 23 937 starben an Krankheiten, 3681 durch Selbstmord, Mord oder Unfall. Gemessen an den Millionen von Gefallenen, die die europäischen Kriegsmächte verzeichneten, erscheinen die amerikanischen Verluste im Verhältnis zur Bevölkerung als relativ gering. Allerdings wurden die rund 76 000 US-Soldaten in einem Zeitraum von gerade einmal sechs Monaten getötet.

Over Here – Staat, Wirtschaft und Gesellschaft im Krieg

Der Erste Weltkrieg war der erste totale Krieg des 20. Jahrhunderts. Als solcher verlangte er nach der möglichst vollständigen und effizienten Mobilisierung der ökonomischen, sozialen und kulturellen Ressourcen eines Staates für die Kriegsanstrengung. Folglich musste der Staat tief in Wirtschaft und Gesellschaft eingreifen, um den Krieg führen und gewinnen zu können. Es gab in diesem Krieg nur Fronten, die Kampffront und die Heimatfront, und es gab in ihm, so Präsident Wilson in einer Rede am 16. April 1917, auch nur Soldaten, nämlich die eigentlichen Streitkräfte und die neuen »Soldaten« hinter der Front, also die Arbeiter und Landwirte in der Heimat. Diese Dynamik des modernen Krieges stellte für die auf den Grundsatz grundrechtlich definierter, individueller Freiheit gegründete amerikanische Demokratie eine besondere Herausforderung dar.
Der Erste Weltkrieg ließ den staatlichen Behördenapparat in den USA bis dahin kaum vorstellbare Dimensionen annehmen. Es entstanden beinahe 5000 Ämter und Behörden, die für einen Teil der gigantischen Kriegsanstrengung verantwortlich waren. Allerdings kamen die USA bei der wirtschaftlichen Mobilmachung weitgehend ohne zwangsstaatliche Maßnahmen aus. Vielmehr setzte die Bundesregierung auf die freiwillige Kooperation von Unternehmern und Arbeitern in einer Vielzahl von staatlichen Lenkungs- und Kontrollgremien, die die Kriegswirtschaft organisierten und regulierten. Vor allem vier dieser paritätisch besetzten Behörden waren für die Kriegführung von zentraler Bedeutung. Die im Mai 1917 gegründete und vom späteren Präsidenten Herbert Hoover geleitete Food Administration stellte die Lebensmittelversorgung von Truppen und Zivilbevölkerung sicher. Dem im Juli 1917 gegründeten War Industries Board oblag die Koordination der Industrieproduktion. Die Fuel Administration verwaltete die Brennstoffe, und das War Labor Board hatte die Aufgabe, als Vermittlungsinstanz zwischen Unternehmern und Arbeitern Streiks und andere Arbeitskonflikte zu verhindern, um die Kontinuität der Industrieproduktion zu gewährleisten. Gerade diese Behörde führte zu einer enormen Aufwertung der bis dahin weithin verfemten Gewerkschaften, deren disziplinierende und stabilisierende Funktion gerade von Regierungsseite zunehmend geschätzt wurde. Wiederholt drängten Regierungsvertreter die Unternehmer zu höheren Löhnen oder anderen materiellen Vergünstigungen, forderten bessere Sicherheitsmaßnahmen an den Arbeitsplätzen und machten sich andere Forderungen der Gewerkschaften zu eigen, um den Arbeitsfrieden zu sichern. Dies geschah freilich alles auf dem Wege von Verhandlungen und Kompromissen. Nur dort, wo das Prinzip der Freiwilligkeit versagte, griff die Bundesregierung zu zwangsstaatlichen Maßnahmen. So verstaatlichte Präsident Wilson am 26. Dezember 1917 die Eisenbahnen und unterstellte sie der Railroad Administration.
Die ökonomische Mobilisierungsleistung der USA war beeindruckend. Der Verteidigungshaushalt wuchs zwischen 1916 und 1919 von 305 Millionen auf 13,5 Milliarden Dollar an. Gleichzeitig gewährten die USA den Alliierten Kriegskredite in Höhe von mehr als sieben Milliarden Dollar. Diese Kriegskosten wurden zu einem Drittel aus insgesamt fünf Kriegsanleihen (Liberty Bonds) und zu zwei Drittel aus Steuern finanziert. Eine wichtige staatliche Einnahmequelle war die 1913 eingeführte Einkommenssteuer, andere Steuern wurden moderat erhöht, aber insgesamt schöpfte der Staat die enormen Kriegsgewinne der Unternehmen nur in geringem Umfang ab. Das war gewollt, denn die Aussicht auf Profit sollte die amerikanischen Unternehmer und Landwirte dazu bringen, ihre Produktion freiwillig an die Bedürfnisse der Kriegführung anzupassen.
Der Erste Weltkrieg bescherte der amerikanischen Industrie und Landwirtschaft einen großen Boom, durch den Millionen neuer, sehr gut bezahlter Jobs entstanden. Das Bruttosozialprodukt wuchs zwischen 1910 und 1920 von 35,3 auf 91,5 Milliarden Dollar. Die Industrieproduktion stieg zwischen 1914 und 1918 um mehr als ein Drittel an. Die Unternehmensgewinne schnellten in die Höhe. Lagen sie 1914 noch unter 4 Milliarden Dollar, so beliefen sie sich 1917 auf mehr als 10 Milliarden. Auch für die amerikanischen Landwirte war der Krieg ein gutes Geschäft. Sie versorgten sowohl das eigene Land als auch die europäischen Verbündeten mit Lebensmitteln und kriegswichtigen Rohstoffen. Die Anbauflächen wurden stark ausgeweitet und die Preise für Agrarprodukte stiegen zwischen 1913 und 1918 um mehr als das Doppelte. Zwar stieg damals auch die Inflation um 60 Prozent an, doch wurde die Teuerungsrate durch die steigenden Löhne mehr als au...

Inhaltsverzeichnis

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. I Voreuropäische Zeit und Kontaktphase
  7. II Das koloniale Britisch Nordamerika
  8. III Revolution (1763–1787/88)
  9. IV Frühe Republik und Bürgerkrieg 1789–1865
  10. V Der Durchbruch der Moderne 1865–1914
  11. VI Die USA im »kurzen 20. Jahrhundert« (1914–1990)
  12. VII Die USA im 21. Jahrhundert
  13. Zusammenfassung
  14. Literaturverzeichnis